Phanmika Sua-Ngam-Iam & Stefan Kühl
Journal für Psychologie, 29(1), 39–71
https://doi.org/10.30820/0942-2285-2021-1-39 CC BY-NC-ND 4.0 www.journal-fuer-psychologie.deDieser Artikel geht der Frage nach, welche Funktionen das Managementkonzept Holacracy für Organisationen erfüllt und welche Folgen sich daraus ergeben. Als empirische Basis dienen dabei Daten, die in fünf holakratischen Organisationen erhoben wurden. Die theoretische Grundlage bildet Luhmanns Konzept der formalen Organisation. Mit der Einführung des Organisationsmodells Holacracy sollen nicht nur Abschottungseffekte durch Abteilungsbildung abgemildert, sondern es soll auch der Filterung von Informationen aufgrund von Hierarchie entgegengewirkt werden. Erkauft wird dies durch eine starke Durchformalisierung der Organisation. Ungewollte Nebenfolgen sind unter anderem das Wuchern der Formalstruktur, die Verunsicherung angesichts der sich schnell ändernden Formalstruktur, die Möglichkeit des Entzugs der Arbeitskraft, die Reduzierung von Initiativen jenseits der Formalstruktur und die Starrheit des Rahmens aufgrund der vorgegebenen holakratischen Organisationsprinzipien.
Schlüsselwörter: Holacracy, Funktion, Folgen, Systemtheorie, Formalisierung, formale Organisation, Indifferenzzone, Managementkonzept
Summary
The Proliferation of Formal Structure
Functions and Consequences of Holacratic Formalized Organization
This article examines the functions of the management concept Holacracy and its consequences for implementing organizations. Data collected in five holacratic organizations are used as the empirical basis of this analysis. The theoretical foundation is constituted by Luhmann’s concept of formal organization. The implementation of Holacracy in organizations is supposed to not only weaken isolation effects of division building, but to also counteract the filtering of information caused by hierarchy. This is achieved through a strong formalization of the organization. Unintended side-effects are among others the proliferation of formal structure, the insecurity due to the rapidly changing formal structure, the possibility of work withdrawal enabled through a variety of roles, a reduction of initiatives beyond the formal structure and a rigidity of the organization’s framework due to holacratic principles.
Keywords: Holacracy, function, systems theory, formalization, formal organization, zone of indifference, management concept
Im Diskurs in Management und Beratung wird das holakratische Organisationsmodell als neuartiges Konzept präsentiert, das Organisationen ermöglichen soll, sich an ein komplexer, dynamischer und volatiler werdendes Umfeld anzupassen. Die Anpassung an sich ändernde Umweltanforderungen sei, so der Diskurs, für Organisationen notwendig, um in Zukunft überleben zu können (siehe für solche Beschreibungen nur beispielhaft Kaduthanam und Heim 2019, 311; Csar 2017, 155; siehe auch Schell und Bischof 2019).
Das holakratische Managementkonzept stellt eine Variante dar, die im Rahmen der Diskussion über postbürokratische Organisationsformen ins Spiel gebracht wurde. Bei diesen postbürokratischen Organisationsformen handelt es sich um den Versuch, organisationale Lösungen für die klassischen Probleme bürokratischer Organisationen zu finden, die sich besonders durch eine Aufteilung in Abteilungen, die Einrichtung von Hierarchien und die starke Formalisierung von Erwartungen ergeben. Die Zielrichtung dieser postbürokratischen Organisationsformen besteht deswegen in der Regel darin, Wege zu finden, wie die Aufteilung in Abteilungen ersetzt, Hierarchien abgebaut oder gar abgeschafft und die formalen Vorgaben reduziert werden können.
Während der überwiegende Teil postbürokratischer Organisationsmodelle – man denke nur an das assoziative Modell, kooperative Modelle oder kollegiale Modelle (für einen frühen Überblick siehe Bosetzky und Heinrich 1980, 43f.) – auf eine höhere Bedeutung personenbezogener Erwartungsbildung setzt, wird in der Spielart des holakratischen Organisationsmodells die Bedeutung rollenbezogener Erwartungen betont (siehe zum Unterschied von personen- und rollenbezogenen Erwartungen Luhmann 1972, 85f.). Letztlich ist die Vorstellung der Verfechter des holakratischen Organisationsmodells, dass jede für die Organisation relevante Erwartung in Form einer genau beschriebenen Rolle definiert werden kann.
Für Organisationswissenschaftler:innen sind holakratische Organisationen ein dankbarer Forschungsgegenstand. Während wir es bei anderen postbürokratischen Organisationen mit einer hohen Varianz der formalen Strukturen zu tun haben, sind sich holakratische Organisationen in ihrer formalen Grundstruktur sehr ähnlich. Ursache für die Ähnlichkeit ist, dass alle holakratischen Organisationen sich auf eine für alle Organisationen gleiche Verfassung – Constitution – verpflichten, in der die formalen Rahmenbedingungen genau dargestellt werden. Bis ins kleinste Detail wird in der Verfassung festgelegt, wie die Zuweisung von Aufgaben aussieht, wie Mitarbeitende konkret zusammenzuarbeiten haben, wie genau Interaktionen zwischen den Mitarbeitenden abzulaufen haben und wie Veränderungen in der Formalstruktur vorgenommen werden können. Verstärkt wird die Ähnlichkeit holakratischer Organisationen noch dadurch, dass aufgrund der Komplexität des Modells fast alle Organisationen darauf angewiesen sind, mit einer Software zu arbeiten, die die in der Verfassung dargelegten Prinzipien widerspiegelt. Diese Software dient nicht nur zur detailgenauen Dokumentation der Formalstruktur, sondern auch zur Strukturierung von Sitzungen, in denen Veränderungen in der Formalstruktur festgelegt werden.
Obwohl die holakratische Organisationsstruktur im Managementdiskurs eine wichtige Rolle spielt, liegen bisher nur wenige, häufig an Praktiker:innen gerichtete Arbeiten zur Holacracy vor. Ein erster, vorrangig deskriptiver Strang der Literatur beschäftigt sich mit der Frage, warum Holacracy als Konzept auf so großes Interesse im Managementdiskurs gestoßen ist. Holacracy wird dabei als Reaktion auf eine sich abzeichnende postkapitalistische Gesellschaft verstanden, in der besonders Hierarchie zunehmend unter Legitimationsdruck gerät (so zum Beispiel Rąb-Kettler 2018).
Ein anderer Forschungsstrang untersucht, wie sich Holacracy zu anderen zurzeit im Managementdiskurs propagierten Konzepten verhält. So wird Holacracy etwa mit Konzepten wie Obliquity, Adhocracy oder Sociocracy verglichen (siehe zum Beispiel Velinov et al. 2018). Dabei stellt sich immer wieder die Frage, inwiefern es sich bei Holacracy um etwas grundlegend Neues handelt oder ob lediglich altbekannte Prinzipien recycelt werden (so zum Beispiel Martela 2019).
Ein weiterer Strang der Literatur beschäftigt sich in diesem Rahmen mit der spezifischen Frage, inwieweit in holakratischen Organisationen noch hierarchische Prinzipien wirksam sind. Dabei wird Holacracy als Möglichkeit betrachtet, die Grenzen der Hierarchie zu überwinden (so Ravarini und Martinez 2019). Behandelt wird etwa die Frage, wie es in der Holacracy möglich ist, sowohl top-down als auch bottom-up zu kommunizieren (siehe dazu Romme 2019).
Diese Arbeiten haben wichtige Einblicke in die Diskussion über holakratische Organisationen geliefert. Die Schwäche der bisher vorliegenden organisationswissenschaftlichen Arbeiten ist jedoch, dass sie nicht auf umfassenden empirischen Erhebungen basieren und nicht systematisch an organisationstheoretische Diskurse angebunden sind. Diese Forschungslücke versucht dieser Artikel zumindest für die organisationstheoretische Einordnung der Grundprinzipien und die ungewollten Nebenfolgen holakratischer Organisationsformen zu schließen.
Ziel dieses Artikels ist es, auf der Basis einer empirischen Untersuchung in fünf Unternehmen die Funktionen und Folgen holakratischer Organisation näher zu bestimmen. Als theoretische Grundlage zur Analyse wird dabei die systemtheoretische Organisationssoziologie verwendet, die zur Untersuchung der besagten Folgen und Funktionen besonders geeignet scheint. Im Mittelpunkt stehen dabei die einschlägigen früheren Überlegungen Niklas Luhmanns (besonders Luhmann 1964; siehe auch Luhmann 1973). Sie werden ergänzt durch spätere systemtheoretische Konzepte, mit denen besonders auf die Entscheidungsbasierung von Organisationen abgezielt wurde (besonders Luhmann 2000; vorher aber schon auch einschlägig Luhmann 1988).
Besonderes Augenmerk wird in diesem Artikel auch auf die ungewollten Nebenfolgen gerichtet, die sich aufgrund der Einführung des holakratischen Modells in Organisationen einstellen können (siehe grundlegend zu ungewollten Nebenfolgen Merton 1957b und Merton 1967). Dahinter steckt der in der Organisationsforschung etablierte Gedanke, dass jede formale Organisationsstruktur nicht nur intendierte Folgen, sondern auch perverse Effekte mit sich bringt (siehe zu perversen Effekten Boudon 1980, 81ff.). Diese lassen sich – so schon der Gedanke von Peter Blau (1955) – nicht vermeiden, weil jede Organisation nicht nur verschiedene, sondern sich häufig auch widersprechende Anforderungen erfüllen muss. Jede Lösung bringe, so der Grundgedanke funktionaler Analysen in der Organisationswissenschaft, immer auch dysfunktionale Folgen mit sich, die in der Organisation irgendwann als Probleme erkannt werden und neue Lösungen stimulieren, die aber wiederum eigene Probleme mit sich bringen (so Luhmann 1970, 34). Es geht also bei der funktionalen Analyse immer darum, zu rekonstruieren, welche »Problemlösungen« in Organisationen gesucht werden und welche »Lösungsprobleme« sich daraus ergeben (Luhmann 1964, 382).
Im folgenden Abschnitt wird nach einer kurzen Darstellung holakratischer Grundprinzipien erklärt, welche Funktionen die Einführung dieser Organisationsform hat und wie sich die holakratische Formalisierung von der klassischen Formalisierung unterscheidet (Abschnitt 2). Anschließend wird rekonstruiert, welches Organisationsverständnis dem holakratischen Organisationsmodell zugrunde liegt. Es wird dabei argumentiert, dass es sich im Falle der Holacracy um ein zweckrationales Organisationsverständnis handelt, bei dem letztlich davon ausgegangen wird, dass die Organisation von einem Zweck – einem spezifizierten Purpose – aus gedacht werden kann (Abschnitt 3). Der Hauptteil des Artikels beschäftigt sich mit den Folgen, die die Einführung der holakratischen Organisationsstruktur mit sich bringt. Dabei werden auf der Basis unserer empirischen Untersuchung eine Reihe von ungewollten Nebenfolgen dargestellt und die Ursachen dafür organisationstheoretisch erklärt (Abschnitt 4). Im Fazit werden Forschungsperspektiven aufgezeigt, die sich aus den herausgearbeiteten ungewollten Nebenfolgen ergeben (Abschnitt 5).
Gegenstand der Analyse bilden fünf Organisationen, in denen in den letzten Jahren das holakratische Modell eingeführt wurde. Von den fünf Unternehmen sind drei in der IT-Branche, eines in der Produktion sowie im Vertrieb von Konsumprodukten und ein weiteres im Großhandel tätig. Die Zahl der Mitarbeitenden lag in unserem Untersuchungszeitraum jeweils zwischen 25 und 500. Zur Wahrung der Anonymität wurden Angaben, die möglicherweise Rückschlüsse auf die Identität der Organisation oder ihrer Mitglieder zulassen, entfernt oder verändert (für eine detaillierte Darstellung der Organisationen und der Methodik siehe Anhang A, für den Kontext der hier angeführten Aussagen siehe Anhang B).1
Die Empirie wurde mit einem Mix verschiedener Methoden erhoben. Es wurden leitfadengestützte Interviews – teilweise mehrere mit der gleichen Person – durchgeführt, in jeder Organisation holakratische Meetings beobachtet und in Gruppengesprächen mit mehreren Mitarbeitenden eines Unternehmens Überlegungen aus der Empirie zur Diskussion gestellt. Insgesamt wurden 65 Interviews mit 49 Personen geführt, neun Meetings beobachtet und insgesamt fünf Gruppengespräche durchgeführt. Die auf dieser Basis erstellten Transkripte und Feldnotizen wurden mithilfe der qualitativen Inhaltsanalyse mit deduktiv aus der Systemtheorie abgeleiteten Kategorien aufbereitet und ausgewertet (angelehnt an Gläser und Laudel 2009).
Das Grundprinzip holakratischer Organisationen ist, dass die Formalstruktur auf der Definition von Rollen aufbaut. Alle Mitarbeitenden können eine ganze Reihe unterschiedlicher, auch in verschiedenen Bereichen der Organisation verankerter Rollen einnehmen. Dabei wird jede einzelne Rolle detailliert über Zwecke, über Zuständigkeitsbereiche und über Aufgaben definiert. Mit Sinn aufgeladene Zwecke – auch »Purposes« genannt – beschreiben, warum es die Rolle gibt und was mit ihr angestrebt wird. Ein Zuständigkeitsbereich – eine sogenannte »Domain« – definiert den Bereich alleiniger Befugnis der Rolle. Die Aufgaben der Rolle – die sogenannten »Accountabilities« – definieren die Ziele, die mit dieser Rolle erreicht werden sollen (einschlägig Robertson 2015, 42).
Durch das Zusammenführen von Rollen entstehen Kreise, die wie die Rollen durch Zwecke, Zuständigkeitsbereiche und Aufgaben definiert werden. Ausgangspunkt einer holakratischen Organisation ist dabei der sogenannte »Ankerkreis«, der alle anderen Kreise umfasst. Die Oberzwecke dieses Ankerkreises sind folglich identisch mit den Oberzwecken der gesamten Organisation (siehe dazu ebd., 34). Die Bildung von Unterkreisen innerhalb dieses Ankerkreises dient dazu, verschiedene Rollen zusammenzuführen, die gemeinsam einen aus den Oberzwecken abgeleiteten Unterzweck erfüllen sollen (siehe dazu ebd., 9). Diese Unterkreise können dann weiter in Unterunterkreise differenziert werden, die für die Erfüllung der aus den Unterzwecken abgeleiteten Unterunterzwecke verantwortlich sind. Diese Differenzierung in Sub-Kreise kann so lange wiederholt werden, bis der erwünschte Fokussierungsgrad erreicht wurde (siehe auch Abbildung 1).
Holakratische Basiskreisstruktur (eigene Darstellung nach Robertson 2015, 44)
Bei der Bildung eines jeden Kreises wird eine sogenannte Lead-Link-Rolle geschaffen (siehe dazu ebd., 5ff.). Ihre Besetzung erfolgt stets durch den Lead Link des übergeordneten Kreises. Der Lead Link des Unterkreises hat wiederum die Aufgabe, die Rollen dieses Kreises durch Mitglieder zu besetzen, ihre Passung im Hinblick auf die Rolle zu beobachten und Mitglieder wieder von Rollen zu entfernen, sollte die Passung nicht mehr gegeben sein. Welche Rollen zu besetzen sind, wird in den Kreisen selbst festgelegt. Vorgeschrieben ist lediglich, dass jeder Kreis neben der vom übergeordneten Kreis besetzten Lead-Link-Rolle auch eine Rep-Link-Rolle hat, die die Interessen des Kreises im übergeordneten Kreis vertritt. Ferner ist festgelegt, dass jeder Kreis zur Moderation seiner Sitzungen eine Facilitator-Rolle und zum Festhalten der Ergebnisse eine Secretary-Rolle besetzt.
Werden Probleme bei der Erreichung der formulierten Zwecke und der definierten Aufgaben festgestellt, hat jedes Mitglied die Pflicht, diese als Spannungen – sogenannte »tensions« – zu thematisieren (siehe dazu ebd., 37ff.). Die Spannungen der Mitglieder werden dabei nach einem genau vorgegebenen Ablaufplan in Sitzungen des Kreises – den sogenannten »Governance Meetings« und »Tactical Meetings« – bearbeitet. Dadurch soll eine sowohl schrittweise Verbesserung als auch eine schnelle Anpassung an sich rasant ändernde Umweltanforderungen ermöglicht werden (vgl. ebd., 9ff.). Veränderungen in der Formalstruktur werden dabei nicht durch den Lead Link, sondern durch alle Rollenträger:innen innerhalb eines Kreises nach dem »Konsent-Prinzip« entschieden. Konsent-Prinzip bedeutet, dass anders als beim Konsens-Prinzip nicht alle Mitglieder einer vorgeschlagenen Lösung zustimmen müssen, sondern dass kein Mitglied grundlegende Zweifel an dieser hat.
Welche Effekte oder präziser Funktionen sollen durch diese genau vorgegebene holakratische Organisationsstruktur erreicht werden und durch welche Strukturmerkmale des holakratischen Organisationsmodells werden diese erreicht?
Die Kritik am klassischen bürokratischen Organisationsmodell ist im Wesentlichen durch drei Stoßrichtungen gekennzeichnet: Erstens wird kritisiert, dass sich Abteilungen voneinander abschotten und deswegen jede Abteilung nur ihrer eigenen Logik folge. Weil die Mitarbeitenden in der Regel nur Mitglied einer Abteilung sind, würde ihre Perspektive durch die Ausrichtung der Abteilung geprägt und so bilde sich eine stark verengte Sichtweise aus. Zweitens wird herausgestellt, dass die hierarchische Grundstruktur zu Informations- und Motivationsverlusten führe. Mitarbeitende weiter unten in der hierarchischen Pyramide bekämen nicht die nötigen Informationen, um die Sinnhaftigkeit ihrer Aufgaben zu erfassen und diese in der nötigen Sorgfalt durchzuführen. Drittens wird kritisiert, dass Organisationen an einer bürokratischen Überregulierung zu ersticken drohen. Um die Arbeit zwischen den Abteilungen zu koordinieren und die Kontrolle durch die Hierarchie zu gewährleisten, würde eine Vielzahl von Verhaltenserwartungen an die Mitarbeitenden gestellt, die häufig nicht den Anforderungen der Organisation entsprechen (siehe für einen soziologisch informierten Überblick zu diesen Kritikpunkten Heydebrand 1989).
Postbürokratische Organisationskonzepte wie die Holacracy versprechen Lösungen, um die Probleme einer Abgrenzung der Abteilungen gegeneinander zu reduzieren, die durch die Hierarchie bedingten Informations- und Motivationsverluste zu verhindern und eine Überbürokratisierung durch eine Vielzahl von Vorschriften zu vermeiden (siehe für solche Versuche nur beispielhaft schon früh Ehrlich 1977; Semler 1995). Experimentiert wird etwa damit, Mitarbeitende statt in starren Abteilungen in wechselnden Zusammensetzungen zusammenarbeiten zu lassen, Hierarchien abzuflachen, sodass die Verantwortung auf einige wenige Hierarchiestufen verteilt werden kann, die jeweils nur von wenigen Vorgesetzten mit sehr weiten Führungsspannen geführt werden, und die Anzahl an formalen Regeln dadurch zu reduzieren, dass es Mitarbeitenden selbst überlassen wird, in welcher Form sie die vorgegebenen oder auch selbstgesetzten Ziele erreichen wollen.
Worin besteht die Funktion der Merkmale klassisch-bürokratischer Organisationen, welche Probleme bringen diese mit sich und welche Lösungen für diese Probleme suchen die Vertreter:innen des holakratischen Organisationsmodells?
Im klassisch-bürokratischen Organisationsmodell, das sich in Unternehmen und Verwaltungen spätestens seit dem 19. Jahrhundert durchgesetzt hat, spielt die Aufgliederung in Abteilungen eine zentrale Rolle. Dabei werden verschiedene Aufgabenfelder gebildet, die jeweils durch eine Abteilung – je nach Größe auch Bereich, Division, Segment oder Team genannt – bearbeitet werden. Die Mitarbeitenden werden jeweils nur einer Abteilung zugeordnet, sodass sie sich zusammen mit ihren Kolleg:innen in der Abteilung auf eine genau spezifizierte Aufgabe konzentrieren können (siehe dazu Heckscher 1994, 20). Der Vorteil der Aufgliederung einer Organisation in Abteilungen besteht darin, dass so die häufig widersprüchlichen Anforderungen aus der Umwelt in spezialisierten Abteilungen getrennt bearbeitet werden können (siehe dazu Starbuck 1988, 67). Die Aufgliederung ermöglicht es, Anforderungen in einzelnen Abteilungen stabil zu halten, auch wenn sich andere ändern (so zum Beispiel Luhmann 1964, 306f.; Simon 1965, 63ff.). Das ermöglicht der Organisation punktuelle Anpassungen bei gleichzeitiger Stabilisierung des Restes.
Die Bildung von Abteilungen als ein Zentralprinzip von Organisationen bringt jedoch eine Reihe von ungewollten Nebenfolgen und perversen Effekten mit sich. Die Mitarbeitenden der Abteilungen sind, so die Kritik, zwar »zu-ständig«, aber gleichzeitig auch »ständig zu« (so die Formulierung von Fuchs 1992, 20). Die Zuweisung auf eine Abteilung führt zwangsläufig zu einer Verengung der Perspektiven, weil Mitarbeitende immer nur die Aufgabe ihrer Abteilung ins Blickfeld nehmen. Das Verständnis für die Anforderungen der gesamten Organisation oder anderer Abteilungen ginge weitgehend verloren (so auch die Beobachtung von Luhmann 1964, 308f.). Im Extremfall würde das Arbeitsergebnis einer Abteilung lediglich nur noch über die Mauer zur nächsten Abteilung geworfen und keine Rücksicht darauf genommen werden, ob diese mit den Arbeitsergebnissen etwas anfangen kann.
Im holakratischen Organisationsmodell wird versucht, diese Probleme dadurch zu vermeiden, dass Abteilungen durch Kreise ersetzt werden. Dabei handelt es sich um weit mehr als nur um eine sprachliche Umbenennung der üblichen Form der Subdifferenzierung. Anders als bei Abteilungen werden Kreisen nicht Personen mit all ihren organisationsspezifischen Rollenbezügen zugeordnet, sondern lediglich Rollen, die zunächst von Personen entkoppelt sind. Diese Rollen werden in den Kreisen zwar letztlich durch Personen ausgefüllt, nach dem holakratischen Grundverständnis können Personen jedoch unterschiedliche Rollen in verschiedensten Kreisen einnehmen und jede dieser einzelnen Rollen auf eigenes Bestreben hin auch wieder aufgeben. Dadurch soll die Anbindung einer Person an lediglich eine einzelne Abteilung aufgehoben und somit die Perspektivverengung der Mitarbeitenden auf die Rationalität einer einzelnen Abteilung vermieden werden.
Hierarchien bilden sich in Organisationen aus, wenn die Akzeptanz von Weisungsbefugnissen zur Mitgliedschaftsbedingung gemacht wird. Führung erfolgt nicht mehr situativ, abhängig von Kompetenzen einzelner Personen, sondern Mitarbeitende werden über einen längeren Zeitraum eindeutig einer vorgesetzten Person untergeordnet, die für die Zuweisung von Aufgaben zuständig ist (siehe zu Hierarchien als Sonderfall von Führung ebd., 208ff.). Hierarchien stellen in Organisationen also immer gleichzeitig ein Verhältnis von Ungleichheit – nämlich zwischen Vorgesetzten und Untergebenen – und Gleichheit – nämlich zwischen Kolleg:innen auf der gleichen Hierarchieebene – her (siehe dazu Luhmann 1965, 172). Durch die hierarchische Anordnung von Weisungsgebenden und Weisungsempfangenden ist es möglich, innerhalb von Organisationen mit vergleichsweise geringen Verhandlungskosten verhältnismäßig schnell relativ eindeutige Entscheidungen herzustellen. Durch Hierarchien kann die Unsicherheit in Organisationen stark reduziert werden, da Vorgesetzte eine »Flaschenhalsfunktion« erfüllen. Sie filtern für ihre Mitarbeitenden die Informationen von oben entsprechend ihres Relevanzgrades und kondensieren gleichzeitig für ihre eigenen Vorgesetzten die Informationen von unten (Luhmann 1964, 210f.).
Aber genau in dieser Filterung von Informationen durch eine Vielzahl in der Hierarchie verankerter Flaschenhälse liegt eine zentrale Schwäche der Hierarchie. Einerseits fällt in Organisationen ein Großteil der für Entscheidungen relevanten Informationen nicht an der Spitze der Organisation an, sodass Vorgesetzte trotz IT-gestützten Managementinformationssystemen permanent beklagen, dass sie nur unzureichend mit Informationen versorgt werden (siehe dazu nur beispielhaft Stone 1975, 44f.). Andererseits beschweren sich die Mitarbeitenden darüber, dass sie von oben keine ausreichenden Informationen bekommen, um ihre Aufgaben befriedigend zu erledigen. Häufig hat dies eine Abnahme der Leistungsmotivation zur Folge, die häufig nur mehr oder minder hilflos durch eine Erhöhung des Drucks von oben kompensiert wird.
In der Holacracy wird zwar das hierarchische Prinzip zur Strukturierung der Organisation nicht komplett aufgegeben, ist jedoch an einigen zentralen Stellen erheblich aufgeweicht. Es existiert nach Vorstellung der Holacracy-Vertreter:innen – und dieser Gedanke ist zentral – keine personengebundene hierarchische Führung mehr, in der Vorgesetzte den ihnen zugeordneten Mitarbeitenden Anweisungen geben können (siehe zur Bedeutung der personal gebundenen hierarchischen Führung in der klassischen Organisation besonders Türk 1981). Stattdessen gibt es in jedem Kreis nur noch einen vom übergeordneten Kreis eingesetzten Lead Link, der lediglich das Recht auf die Besetzung von Rollen innerhalb des Kreises hat. Rollen können vom Lead Link aber nur dann mit einer Person besetzt werden, wenn diese auch bereit ist, diese Rolle zu übernehmen. Der Rollenzuschnitt wird dabei nicht vom Lead Link selbst vorgenommen, sondern im Kreis gemeinsam festgelegt. So ist die einzige formale Machtquelle, über die ein Lead Link verfügt, die Möglichkeit, eine Person von einer Rolle zu entfernen und durch eine andere zu ersetzen. Durch die Aufhebung der personalen Zuweisung von Mitarbeitenden zu spezifischen Vorgesetzten ist es möglich, dass eine Mitarbeiterin in einem Kreis Lead Link eines Mitarbeiters ist, der ihr aber in einem anderen Kreis, in dem er Lead Link ist, ebenfalls eine Rolle zuweisen kann.
Im klassisch-bürokratischen Organisationsmodell ist die Formalisierung ein zentraler Mechanismus zur Koordination der Organisationsmitglieder. Bei der Formalisierung handelt es sich, systemtheoretisch gesprochen, um die Verknüpfung der in der Organisation relevanten Erwartungen mit der Entscheidung über die Mitgliedschaft. Das auffällig hohe Maß an Konformität innerhalb einer Organisation wird darüber hergestellt, dass die Mitgliedschaft innerhalb der Organisation davon abhängt, die formalen Erwartungen der Organisation zu erfüllen (Luhmann 1964, 38). Das ermöglicht, dass sich – nicht zuletzt im Hinblick auf die Zuordnung zu Abteilungen und die Einordnung in Hierarchien – relativ feste wechselseitige Verhaltenserwartungen ausbilden (ebd., 34). Ergebnis ist ein in der Regel auffällig engmaschiges, häufig auch schriftlich fixiertes Netz formaler Erwartungen.
Aber genau dieses eng fixierte Netz formaler Erwartungen bringt in Organisationen eine ganze Reihe von Nachteilen in Form von Rigidität mit sich (siehe als Klassiker der Bürokratiekritik besonders Merton 1957a; Dalton 1959; Cohen 1965; Crozier 1963). In stark formalisierten Organisationen würde umständlich miteinander kommuniziert. Aufgrund der Kommunikationsprobleme käme es immer wieder zu Doppelarbeit an verschiedenen Stellen der Organisation. Das Regelwerk würde in mikropolitischen Konflikten missbraucht. Die Anpassung an Umweltveränderungen fände nur zeitverzögert statt. Funktionslose Stellen würden nicht aufgelöst werden, sondern fortbestehen (siehe überblickshaft über die Pathologien bürokratischer Organisationen Bosetzky 1970, 177ff.; Türk 1976, 125ff.; Bosetzky und Heinrich 1980, 35f.; Horch 1983, 156; Schluchter 1985, 236ff.; Rojot 2005, 48f.; Bernoux 1985, 68).
Interessanterweise wird das Prinzip der Formalisierung – anders als die Prinzipien der Abteilungen und der Hierarchien – im holakratischen Organisationsmodell nicht aufgeweicht. Im Gegenteil – jede Übernahme einer Rolle, jede Zuordnung zu einem Kreis, jede noch so kleine Verschiebung von Zuständigkeitsbereichen wird in der holakratischen Steuerungssoftware der Organisation für alle sichtbar formal fixiert. Dadurch entstehen für alle Mitglieder auffällig detaillierte Rollenbeschreibungen. In diesem Punkt liegt der zentrale Unterschied des holakratischen Organisationsmodells zu anderen postbürokratischen Organisationsmodellen, in denen neben der Aufweichung der Grenzen zwischen den Abteilungen und der Reduzierung der Hierarchie zusätzlich auf eine Entformalisierung der Erwartungen bei gleichzeitiger Ausbildung von informalen Erwartungen gesetzt wird.
Während in klassischen Organisationen die Veränderung von formalen Strukturen durch den Neuzuschnitt von Abteilungen oder die Neudefinition von Prozessen häufig ein langwieriger Vorgang ist, befinden sich – so jedenfalls das Postulat der Vertreter:innen neuer Organisationsformen – die formalen Strukturen holakratischer Organisationen in einem permanenten Veränderungsprozess. Purpose-driven und spannungsgeleitet können im Governance Meeting je nach Umweltanforderung beispielsweise neue Kreise gebildet oder Rollen durch das Ergänzen oder Entfernen von Aufgaben modifiziert werden. So entsteht eine formale Ordnung, die sich, um es salopp auszudrücken, in einem permanenten Fluss befindet und von allen Organisationsmitgliedern stetig mitverfolgt werden kann.
Worin besteht aus systemtheoretischer Perspektive die Wirkweise von Formalisierung in Organisationen und worin liegen Besonderheiten holakratischer Formalisierung?
Durch Formalisierung können Erwartungen zeitlich, sachlich und sozial generalisiert werden (Luhmann 1964, 60). Generalisierte Erwartungen bleiben von Einzelereignissen unabhängig bestehen, werden »von einzelnen Abweichungen, Störungen, Widersprüchen nicht betroffen« und überdauern »innerhalb gewisser Grenzen« auch Schwankungen (ebd., 55f.).
Zeitlich generalisierte Erwartungen, die bei Niklas Luhmann als Normen bezeichnet werden, sind relativ resistent gegenüber Enttäuschungen (ebd., 61). Durch Formalisierung erübrigt sich die Frage nach ihrer Anerkennung, die sich sonst bei jeder Enttäuschung stellen würde (ebd.). Nur durch Entscheidung kann die formale Geltung von Erwartungen geändert werden und da Erwartungen entweder formalisiert sind oder nicht formalisiert sind, »ist für jeden Zeitpunkt eindeutig feststellbar, ob eine formale Erwartung gilt oder nicht« (ebd., 62). Aufgrund ihrer relativen Resistenz gegenüber Enttäuschungen haben Normen »einen besonderen Änderungs- und Anpassungsstil« (ebd.). Sie bestehen trotz Umweltveränderungen so lange fort, bis ihre Anpassung an diese unvermeidlich wird und ihre Änderung abrupt eintritt. Die Folge zeitlicher Generalisierung von Erwartungen ist daher eine Starrheit der Organisation in Bezug auf Umweltanpassungen (ebd.).
Sachliche Generalisierung in Organisationen ermöglicht eine Fiktion des Zusammenhangs von Rollenerwartungen. »Diese Systemwirkung hängt nicht davon ab«, so Luhmann, dass »die einzelne Erwartung mit den übrigen in einem sinnvollen logischen, sachlichen, technischen Zusammenhang steht. Davon wird abstrahiert« (ebd., 63). Die Funktion der Formalisierung ist das Ersetzen dieser Frage nach dem Zusammenhang durch Fiktion. Auch wenn formale Rollen konsistent sein müssen, da zur Anwendung der Mitgliedsregel nicht die Enttäuschung einer Rollenerwartung notwendig sein kann, um eine andere zu erfüllen, stellt sich die Frage nach dem Zusammenhang ihrer Erwartungen durch die Generalisierung erst gar nicht (ebd.). Die Prüfung dieser Konsistenz erübrigt sich dadurch. Formalisierung ermöglicht zwar die Fiktion des Rollenzusammenhangs, kann allerdings nicht die Folgen, nämlich Rollenkonflikte, die sich aus dem Zusammenfallen unterschiedlicher Rollen in einer Person ergeben, vollständig lösen (ebd., 67).
In der sozialen Dimension »kommt die Generalisierung von Verhaltenserwartungen darin zum Ausdruck, daß innerhalb des Systems Konsens mit den formalen Erwartungen bei allen Mitgliedern ungeachtet ihrer individuell unterschiedlichen Einstellungen unterstellt werden kann« (ebd., 68). Durch Formalisierung, also die Bindung von Mitgliedschaft an bestimmte Erwartungen, wird sichergestellt, dass alle, die Mitglied der Organisation werden oder bleiben wollen (Mitgliedschaftsentscheidung), die formalen Erwartungen dieser anerkennen. Die Entscheidung zur Mitgliedschaft in einer Organisation »wird isoliert getroffen und kann für sich motiviert werden« (ebd., 93). Mitgliedschaft »setzt eine allgemeine Vertrautheit mit der Rolle, nicht aber die gedankliche Vorwegnahme all ihrer einzelnen Ausführungshandlungen voraus« (ebd.). Formalisierung ersetzt derweil die Prüfung des Ausmaßes der tatsächlichen Zustimmung zu den formalen Erwartungen durch Fiktion und ermöglicht dadurch, dass Konsens bei allen Mitgliedern unterstellt werden kann (ebd., 68f.). Als Folge der sozialen Generalisierung wird die Beschaffung der Leistungsmotivation problematisch, da vom Konsens der Mitglieder zu den formalen Erwartungen abstrahiert wird und lediglich der Konsens zur Mitgliedschaft und damit nur die Teilnahme-, nicht aber die Leistungsmotivation generalisiert wird (ebd., 104).
Organisationen können durch Generalisierung in allen drei Sinndimensionen – und dieser Gedanke ist für das Verständnis von Organisationen zentral – relativ beständig und gleichzeitig elastisch gehalten werden. In zeitlicher Hinsicht können Erwartungen einer Organisation aufgrund von Umweltanpassungen enttäuscht werden und dennoch als Normen weiterbestehen. In der sachlichen Dimension können einzelne Rollenerwartungen verändert werden, ohne ihre Konsistenz zu gefährden. In sozialer Hinsicht können Erwartungen geändert werden und trotzdem kann allen Mitgliedern weiterhin Konsens unterstellt werden.
Wie werden jetzt diese allgemeinen Formalisierungsmechanismen im Rahmen des holakratischen Organisationsmodells modifiziert?
Ein holakratisch formalisiertes System ist danach ausgerichtet, seine Formalstruktur ständig an die Erwartungen seiner Umwelt anzupassen. Kreise und Rollen werden durch kontinuierliche Formalisierung gebildet, modifiziert oder entfernt. Die Formalstruktur eines holakratischen Systems ist deshalb in ständiger Veränderung. Gleichzeitig werden alle Veränderungen schriftlich dokumentiert. Durch diese Dokumentation wird es nach Vorstellung der Holakrat:innen möglich, eine Organisationstruktur für alle sichtbar zu halten und damit anschlussfähig für Veränderungen zu machen (siehe dazu Robertson 2015, 26ff.). Die Dokumentation der aktuellen Formalstruktur ist aus diesem Grund sehr präzise. Hinzu kommt, dass mit jeder einzelnen Veränderung der Formalstruktur den Mitgliedern nicht nur die Frage nach der Wiederbestätigung der neuen formalen Struktur gestellt wird. Vielmehr sind die Mitglieder in den Anpassungsprozess der Formalstruktur eingebunden, sodass sie diesen nicht nur rekonfirmieren, sondern darüber hinaus so mitgestalten können, dass einer Wiederzustimmung nichts entgegensteht. Charakteristisch für die holakratische Formalisierung ist daher, dass sie iterativ sowie spezifisch ist und rekonfirmativ wirkt.
In der zeitlichen Generalisierung von Erwartungen liegt der Unterschied zwischen holakratischer und klassischer Formalisierung in der Verschiebung der Prioritätensetzung. Bei der klassischen Variante wurde ein Höchstmaß an Beständigkeit angestrebt, das mit kleinstmöglicher Elastizität vereinbar ist. Die holakratische Formalisierung jedoch legt den Fokus auf die Elastizität – Ziel ist es, bei einem Mindestmaß an Beständigkeit die größtmögliche Elastizität der Organisation zu erlangen.
Diese Verschiebung der Prioritäten findet in der Iteration der Formalisierung ihren Ausdruck. In holakratischen Organisationen wird bei jeder Umweltänderung die Formalstruktur auf ihre Funktionalität geprüft und gegebenenfalls an die veränderten Anforderungen angepasst. Eine Normbildung, also die Bildung von Erwartungen, die relativ resistent gegenüber Enttäuschungen sind, wird durch diese Iterationserwartung gehemmt, denn anstelle der normativen Erwartungen in klassisch formalisierten Systemen treten in holakratisch formalisierten Systemen kognitive Erwartungen. Stellt sich also heraus, dass eine normative Erwartung enttäuscht wird, wird an dieser enttäuschten Erwartung festgehalten, wohingegen bei einer kognitiven Erwartung, wie sie in holakratischen Organisationen im Umgang mit Spannungen auftritt, die Enttäuschung zum Anlass genommen wird, diese formale Erwartung zu ändern (siehe zur Unterscheidung der Reaktionsformen auf Erwartungsenttäuschung Luhmann 1972, 42).
In sachlicher Hinsicht unterscheidet sich die holakratische Formalisierung von der klassischen durch ihre Spezifität. Formalisiert werden nicht nur Rollenerwartungen, sondern auch spezifische Erwartungen, zum Beispiel Aufgaben, die mit der Rollenerwartung einhergehen. Die hohe Spezifität der holakratischen Formalisierung hat zudem eine Verkleinerung der Indifferenzzone zur Folge, da mit ihr bis ins Detail genau entscheidbar wird, was als formal gilt und was nicht (Luhmann 1964, 96). Die durch Formalisierung generalisierte Teilnahmemotivation sichert die Unterwerfung des Mitglieds unter die Formalstruktur, deren faktische Ausführung unbestimmt bleibt. Im Rahmen dieser Teilnahmemotivation kann »[d]er Vorgesetzte […] von Entscheidungsmöglichkeiten für seine Untergebenen Wahlen treffen, Entscheidungsprämissen oder gar konkrete Entscheidungen auswählen oder den Wahlbereich der Untergebenen einengen« (ebd.). Nach Luhmann definiert dieser Rahmen, in welchem das Mitglied »solche Entscheidungen, wenn sie ihm definitiv zugestellt werden, unkritisch und indifferent in seine Situation zu übernehmen [hat]«, die Indifferenzzone (ebd., 61). Aus diesem Verständnis der Indifferenzzone geht hervor, dass formale Erwartungen, ihre Unbestimmtheit in der faktischen Ausführung sowie die Teilnahmemotivation konstitutiv für die Indifferenzzone sind. Formale Erwartungen bilden dabei Konstanten, da sie im Gegensatz zu Teilnahmemotivation und Unbestimmtheit absolut und nicht graduell bestimmt werden. Motivation und Unbestimmtheit sind variabel, während die Teilnahmemotivation das Mindestmaß kennzeichnet, das notwendig ist, um dem System beizutreten bzw. darin zu verbleiben. Alles darüber Hinausgehende kann als Leistungsmotivation bezeichnet werden. Unbestimmtheit kann stark oder schwach ausgeprägt sein, wobei Letzteres auch als Spezifität bezeichnet werden kann. Daraus folgt, dass die Indifferenzzone sich mit Zunahme der Motivation und Unbestimmtheit erweitert und sich mit Abnahme der Motivation und Zunahme der Spezifität verkleinert.
Die soziale Generalisierung in holakratischen Organisationen unterscheidet sich von der in klassischen Organisationen dadurch, dass die holakratische Formalisierung rekonfirmativ wirkt. Bei jeder Änderung der Formalstruktur hat das Mitglied die Möglichkeit, diese zu gestalten und zu rekonfirmieren. Zunächst findet hier wie auch bei der klassischen Formalisierung bei Eintritt in die Organisation eine Trennung von Teilnahme- und Leistungsmotivation statt. Bei Eintritt in die Organisation unterwirft sich das Mitglied wie auch bei der klassischen Formalisierung der allgemeinen Formalstruktur. Die jeweiligen konkreten Ausprägungen dieser sind zu diesem Zeitpunkt nicht definiert. Durch die holakratische Formalisierung, bei deren Änderung das Mitglied involviert ist, wird jedoch eine Formalstruktur erzeugt, die gerade nicht allgemein, sondern spezifisch ist. Das Mitglied unterwirft sich bei einer Änderung der formalen Struktur daher nicht mehr einer allgemeinen, sondern einer spezifischen und vor allem einer selbstgestalteten Formalstruktur. Durch die Gestaltungsmöglichkeit der Formalstruktur, die das Mitglied hat, wird Konsens nicht mehr zur allgemeinen, sondern zu einer spezifischen Formalstruktur unterstellbar. Dies führt dazu, dass die Trennlinie zwischen Teilnahme- und Leistungsmotivation verwischt. Ob dadurch die Beschaffung der Leistungsmotivation weniger problematisch wird als bei der klassischen Formalisierung, da das Mitglied die Formalstruktur selbstgestaltet, der es sich unterwirft, ist eine empirische Frage. Ebenso ist es Gegenstand empirischer Untersuchung, ob sich dieses Problem im umgekehrten Falle nicht auch verschärfen kann, gerade weil das Mitglied durch seine Gestaltungsmöglichkeit der Formalstruktur selbst die Mindestanforderungen zur Erfüllung seiner Mitgliedschaftserwartung definieren kann.
Aufschlussreich ist, dass die Holakrat:innen ihr Organisationsmodell als ein »selbststeuerndes Betriebssystems« für Organisationen beschreiben (Robertson 2015).2 Es ginge – so die Suggestion der Software-Metapher – darum, ein System zu entwickeln, das die basalen Regeln des Zusammenspiels zwischen einzelnen Komponenten definiert. Ein Betriebssystem lege nicht fest, welche konkreten Programme darauf aufsetzen, beeinflusse aber maßgeblich deren Abläufe. Wenn es nicht gelinge, ein funktionierendes Betriebssystem zu entwickeln, funktionierten – so die Implikation – alle Programme nur langsam, instabil und fehleranfällig (so die Darstellung bei Mitterer 2015). Doch was für ein Organisationsverständnis steckt hinter diesem Konzept eines selbststeuernden Betriebssystems?
Ausgangspunkt des holakratischen Organisationsmodells ist die Definition eines Zweckes, von dem eine Vielzahl von Unterzwecken und Unterunterzwecken als Aufgaben für Kreise und dann für Rollen abgeleitet werden können. Diese Zweckorientierung wird nicht nur in der durch die Software vorgesehenen Bestimmung eines »Purpose« deutlich. Formuliert werden derartige Purposes eher in Form abstrakter Wertformulierungen, bei denen bestimmte Superlative dominieren (siehe dazu auch Strothotte 2021).3 Eine Zweckfassung dieser abstrakten Wertformulierungen findet erst über die Zuweisung von Aufgaben statt, in denen präzise festgelegt wird, woran sich die Arbeit in einem Kreis oder einer Rolle ausrichten soll. Ausgehend von einem »Urzweck« – einem mehr oder minder spezifizierten Purpose – wird die ganze Organisation in Form von Zweck-Mittel-Ketten durchkonstruiert. Dabei wird der Urzweck durch die Führung einer holakratischen Organisation – repräsentiert im sogenannten General Company Circle – festgelegt und von da ausgehend in Unterzwecke und Unterunterzwecke zerlegt.
Man erkennt hier die schon bei Max Weber angelegte Vorstellung, dass Organisationen als rationale Anordnungen von Zwecken und Mitteln verstanden werden können. Es handle, so die bekannte Formulierung Webers (1976, 13), derjenige zweckrational, der in seinem Handeln verschiedene Zwecke gegeneinander abwägt, die günstigsten Mittel zur Erreichung der definierten Zwecke wählt und in diesem Auswahlprozess von Zwecken und Mitteln mögliche unerwünschte Nebenfolgen mit in Betracht zieht. Um zweckrationale Entscheidungen zu treffen, ist es also notwendig, dass die Entscheider:innen sich über ihre Werte – die Purposes – klar sind, möglichst vollständige Informationen über alle Handlungsalternativen sammeln und die Konsequenzen der verschiedenen Alternativen sorgfältig gegeneinander abwägen.
Die Bestimmung der Zwecke, Unterzwecke und Unterunterzwecke wird im holakratischen Organisationsmodell in einer ineinander verschachtelten, faktisch hierarchischen Anordnung von Kreisen, Unterkreisen und Unterunterkreisen abgestimmt. Der Ausgangspunkt ist dabei immer der umfassende Zirkel – der General Company Circle –, durch den der Zweck der Organisation definiert wird. Von diesem Oberzirkel ausgehend, werden Unterzirkel eingerichtet, die für die Erreichung aus dem Oberzweck abgeleiteter Unterzwecke zuständig sind. Dabei wird insofern mit dem klassisch-hierarchischen Aufbau gebrochen, als der übergeordnete Zirkel zwar den Lead Link untergeordneter Zirkel besetzen kann, die genaue Bestimmung des Unterzweckes jedoch dem zuständigen Zirkel selbst überlassen wird, ebenso wie auch die Erfüllung der Aufgaben durch den untergeordneten Kreis selbst überwacht wird. Der übergeordnete Zirkel kann lediglich Spannungen thematisieren, wenn die Aufgabenbestimmung nicht mit dem Oberzweck abgestimmt ist oder die festgelegte Aufgabe nicht erreicht wird. Auch wenn das holakratische Organisationsmodell keine klassische hierarchische Ordnung darstellt, fällt doch auf, wie stark die Struktur aus Ober-, Unter- und Unterunterkreisen mit der hierarchischen Ordnung von Zwecken und Mitteln der holakratischen Organisation korreliert (siehe dazu aufschlussreich Luhmann 1973, 73).
Sobald aus dem Zweck der Organisation die zur Aufgabenerfüllung notwendigen Kreise und Rollen festgelegt sind, sollen diese nach dem holakratischen Organisationsverständnis durch geeignete Personen besetzt werden. Die Auswahl der Person für eine Rolle innerhalb eines Kreises obliegt dem jeweiligen Lead Link. Dabei kommt es darauf an – und da unterscheidet sich die Vorstellung nicht von der Grundüberlegung Frederick Taylors (1979, 44) –, die am besten geeignete Person für eine Rolle zu identifizieren. Wichtig ist, dass nach diesem holakratischen Organisationsverständnis im ersten Schritt immer eine Rolle mit entsprechenden Aufgaben definiert werden muss und erst im zweiten Schritt eine geeignete Person für diese Rolle ausgewählt wird. In der Organisationswissenschaft wird dies als »Ad-rem-Prinzip« bezeichnet. Das Zuschneiden von Stellen auf eine bereits eingestellte Person – das sogenannte Ad-personam-Prinzip – kann aus dieser Perspektive lediglich als Pathologie verstanden werden, die bestenfalls in Ausnahmefällen denkbar ist. Die Wahl von Personen sollte sich, so die Logik, immer nach den Aufgaben richten und nicht umgekehrt die Wahl von Aufgaben nach den Personen (siehe dazu Luhmann 1971, 209).
Aus einer systemtheoretischen Perspektive lassen sich drei Seiten von Organisationen unterscheiden. Mit der Schauseite präsentiert sich eine Organisation in einer geschönten Form nach außen. Die Schauseite der Organisation kann Elemente der formalen Seite der Organisation beinhalten, besteht aber zu erheblichen Teilen aus allgemeinen Wertformulierungen, die die Organisation in ihrer Umwelt attraktiv erscheinen lassen, wegen ihrer Abstraktheit aber – wenn überhaupt – nur als grobe Orientierungspunkte für die Mitglieder dienen. Bei der formalen Seite von Organisationen handelt es sich um das verschriftlichte Regelwerk und die offiziellen Anforderungen, die die Mitglieder – jedenfalls in ihrer Darstellung gegenüber anderen Mitgliedern – befolgen bzw. erfüllen müssen, wenn sie Mitglied der Organisation bleiben wollen. Weil sich über die formale Seite nur ein Teil der Erwartungen in Organisationen regulieren lässt, bildet sich fast zwangsläufig immer auch eine informale – oder auch organisationskulturelle – Seite aus. Hierbei handelt es sich nicht nur um organisationstypische Denkweisen und Wahrnehmungsformen, sondern besonders auch um Handlungserwartungen, die mit den formalen Anforderungen der Organisation nicht abgestimmt sind oder diesen gar widersprechen (siehe dazu Kühl 2020, 77).
Der Anspruch der Holakrat:innen ist, ein Managementkonzept gefunden zu haben, mit dem sich diese drei Seiten der Organisation in Übereinstimmung bringen lassen.4 Wenn sich im informalen Raum einer Organisation Spannungen ausbilden, müssten diese in den dafür vorgesehenen Sitzungen thematisiert werden und formale Regeln gefunden werden, mit denen diese Spannungen abgebaut werden können. Die in der Organisation vorherrschenden informalen Strukturen dienen in diesem Organisationsverständnis letztlich nur zum Anlass, bessere formale Strukturen zu schaffen (siehe dazu auch Brodda 2021). Durch die so mögliche permanente Optimierung soll es, so die Hoffnung, für die Organisation unnötig werden, sich selbst durch eine von der formalen Ordnung entkoppelte Schauseite aufzuhübschen. Weil die formale Struktur permanent verbessert werde, könne, so die Vorstellung, diese auch zur Außendarstellung genutzt werden, indem nicht nur über die organisationale Steuerungssoftware alle Mitglieder Zugang zu den Rollen und Aufgaben aller Kolleg:innen, zu allen in sämtlichen Kreisen diskutierten Problemen und zu allen getroffenen Entscheidungen haben, sondern diese zu großen Teilen auch Nichtmitgliedern zugänglich gemacht werden.5
Aus dieser Perspektive ist erklärbar, weswegen die Organisationskultur in den Darstellungen der Verfechter:innen der Holacracy keine Rolle spielt (siehe dazu auch Hasenzagl und Müller 2020, 16). Der Ursprüngliche Grundgedanke bei der Verwendung des Konzeptes der Organisationskultur war, dass der Erfolg von Organisationen nicht nur von ihren formalen, sondern auch von ihren informalen – organisationskulturellen – Strukturen abhängt. Von dieser lange Zeit auch in der Diskussion über postbürokratische Organisationsmodelle dominierenden Vorstellung lösen sich die Holakrat:innen mit ihrem Anspruch, alle auch informellen Ziele, Rollen und Aufgaben in der organisationalen Steuerungssoftware formal abzubilden.
Ergebnis dieses holakratischen Ansatzes ist eine Hyperformalisierung der Organisation (siehe die Beobachtung starker Formalisierung im holakratischen Organisationsmodell zum Beispiel bei Altherr 2019, 420; Hasenzagl 2020, 186f.). Jegliche Verantwortungsübernahme wird in einer Rolle fixiert, alle Aufgaben schriftlich niedergelegt, sämtliche Diskussionsprozesse in elektronischen Akten festgehalten und jede Entscheidung in der für alle einsehbaren holakratischen Software erfasst. Erkennbar ist diese Hyperformalisierung an der detaillierten Festlegung der für die holakratische Struktur zentralen Rollen und Kreise. Die Beschreibung jeder einzelnen Rolle umfasst neben einem eher abstrakt gehaltenen Purpose in der Regel längere Aufzählungen von »Accountabilities«. In den Kreisen sind wiederum eine Vielzahl von unterschiedlichen Rollen zusammengefasst, sodass allein die ausgedruckte Aufzählung der Accountabilities der verschiedenen Rollen eines Kreises in den von uns untersuchten Unternehmen über 100 Seiten ergeben.6
Mit der Betonung einer permanenten Optimierung der Formalstruktur handelt es sich beim holakratischen Organisationsmodell letztlich um eine ausgefeilte Variante des Maschinenmodells der Organisation (siehe so auch Hasenzagl 2020, 185).7 Beim Maschinenmodell wird davon ausgegangen, dass eine Organisation aus genau definierten Einzelteilen besteht, die in genau bestimmten Verhältnissen zueinanderstehen. Dabei sind alle Einzelteile auf den Zweck der Organisation ausgerichtet und werden erst im Zusammenwirken mit den anderen Teilen sinnvoll. Eine Organisation mag wie eine Maschine aus sehr vielen Einzelteilen und Verknüpfungen bestehen, aber letztlich ist ihre Komplexität durch präzise Beschreibungen der Abläufe handhabbar. Durch sorgsame Eingriffe können Einzelteile und deren Beziehungen verändert und so die Organisation auf neue Anforderungen ausgerichtet werden. Das Organisationshandbuch – faktisch eine Art Gebrauchsanweisung – wird nur entsprechend dicker (siehe zum Maschinenmodell der Organisation aufschlussreich Morgan 1980, 613f.; Luhmann 1966, 36f.; Bardmann 1994, 260ff.)
Im Vergleich zum klassischen Maschinenmodell der Organisation, das stark auf von oben gesteuerte Festlegungen des Zusammenspiels der Einzelteile setzt, wird im holakratischen Organisationsmodell das Zusammenspiel der Einzelteile eher von unten her bestimmt. Dabei kann im Falle sehr stabiler Grundprinzipien – den in der Verfassung niedergelegten holakratischen Regeln – das konkrete Zusammenspiel der Einzelteile entsprechend einfacher optimiert und ebenso schneller an veränderte Rahmenbedingungen angepasst werden. Das Organisationshandbuch ist im klassischen Maschinenmodell der Organisation mindestens ebenso dick, sie kann an vielen Stellen nur einfacher umgeschrieben werden.
Schon in der Forschung über klassische Organisationsformen bildeten die ungewollten Nebenfolgen einer starken Formalisierung einen Schwerpunkt (siehe einschlägig Selznick 1949; Merton 1957a; Crozier 1963). Nachdem in der Tradition Max Webers zuerst die Vorteile bürokratischer Organisationen herausgearbeitet wurden (siehe dazu Udy 1959; Hartmann 1964), verlagerte sich der Fokus immer stärker auf die Nachteile dieser Organisationsformen (siehe dazu Blau 1956; siehe für einen zeitgenössischen Überblick Morstein Marx 1965). Dabei standen neben den nicht intendierten Effekten der Bürokratie besonders die der Hierarchie (siehe zum Beispiel Bahrdt 1968) und der Abteilungsbildung (siehe zum Beispiel V. A. Thompson 1961; Bosetzky 1968) im Mittelpunkt.
Für die Analyse holakratischer Organisationen muss die Perspektive insofern gedreht werden, als in diesen Modellen durch eine von unten betriebene Formalisierung sichergestellt werden soll, das es nicht zur Ausbildung von personenbezogenen Hierarchien und zur Ausdifferenzierung von Abteilungen kommt. Die ungewollten Nebenfolgen der holakratischen Organisationsform haben deswegen zwar Ähnlichkeiten zu denen klassischer Organisationen, bilden sich jedoch nach ihrer spezifischen Eigenlogik aus.
Der Anspruch des holakratischen Organisationsmodells ist, dass die schrittweisen Anpassungen in den dafür vorgesehenen Sitzungen dazu führen, dass die formale Struktur immer besser an die an die Organisation herangetragenen Erwartungen angepasst wird. Zur Erfüllung dieser Erwartungen sei es sowohl möglich, neue Kreise oder Rollen zu bilden, als auch, diese Kreise oder Rollen wieder abzuschaffen, wenn sie zur Erfüllung eines Zweckes nicht nötig sind.
Aber trotz dieser Möglichkeit zur Abschaffung von Kreisen oder Rollen zeigt sich in der Empirie, dass in der Holacracy die Formalstruktur anfängt zu wuchern. Wenn ein neuer Kreis gebildet wird, so der Mitarbeiter einer Organisation, »dann bauscht sich die ganze Struktur« auf. Wenn man beispielsweise aus einer Rolle »Einkauf« einen »Kreis Einkauf« bildete, dann hätte der Mitarbeiter »plötzlich die Rollen Sortimentsgestaltung, Lieferantengespräch, Disposition« inne, wenn man aus der »Rolle Qualitätssicherung« einen »Kreis Qualitätssicherung« mache, dann entständen eine Vielzahl neuer Rollen wie »Zertifizierung«, »Rückrufmanagement«, »Lieferantenmanagement« (Organisation B, Interview 6, #00:15:23). Der Effekt in der Holacracy sei, so die Mitarbeiterin einer anderen Organisation, dass das Einnehmen einer Rolle zu einem »Selbstzweck« werde. »Viele Leute finden das«, so die Mitarbeiterin, »cool, eine Rolle zu haben.« Deswegen hätten manche Mitarbeiter »zu viele« und »keine Zeit dafür«, weswegen es eigentlich nötig sei, das Rollenportfolio immer wieder »zu konsolidieren« (Organisation A, Interview 1, #01:24:12). Es komme, so eine Mitarbeiterin aus einer anderen Organisation, darauf an, »die Balance« zu finden, »damit sich die Leute ungefähr dranhalten und wissen«, wer wofür zuständig ist, ohne dass es zu bürokratisch wird (Organisation E, Interview 4, #00:10:48). Beispielhaft dafür nennt sie ferner die Rolle, in der sie nun »Rechnungen schreibe«, was »eine komplett idiotische Bürokratie« ist, die man nicht benötigt (Organisation E, Interview 4, #00:13:21).
In holakratischen Organisationen scheint es zur Ausbildung einer nicht unerheblichen Anzahl an »Rollenruinen« oder »Kreisruinen« zu kommen. Der Mitarbeiter einer Organisation berichtet, wie ein Kreis »mehr oder weniger eingeschlafen« sei, weil es keine Arbeit mehr für diesen gab. Dieser Kreis sei aber nicht aufgelöst worden, sondern hätte einfach weiter existiert. Aufgefallen sei dies erst, als ein Mitarbeiter »sehr frustriert getobt« habe, weil er von diesem Kreis Unterstützung verlangt habe, sich aber »niemand um ihn kümmern« würde. Weil im Kreis »sowieso nichts mehr getan wurde«, sei gar nicht aufgefallen, dass als interner Ansprechpartner für die Mitarbeiter der Name »einer Person stand, […] die das Unternehmen bereits verlassen hatte« (Organisation A, Interview 6, #00:21:34).
Dieser durch das holakratische Organisationskonzept produzierte Effekt ähnelt einem Fußballspiel, in dem die Verhaltenserwartungen an die Spieler:innen immer weiter in einem Regelwerk schriftlich spezifiziert werden würden. Der »Purpose« der Mannschaft – das Gewinnen eines Spieles – würde in schriftliche Regeln übersetzt werden, wonach die Fußballspieler:innen sich bemühen sollten, den Ball in das gegnerische Tor zu treten, in Zweikämpfen anstreben sollten, den Ball zu erobern, ohne dass ein Foul gepfiffen wird, oder flache Bälle möglichst mit dem Fuß und hohe Bälle mit dem Kopf weiterzuspielen. Jedes verlorene Spiel würde dann zum Anlass genommen werden, die formalen Anforderungen weiter zu spezifizieren (siehe Dollase 2011, 9).8
Hier erkennt man eine Wirkung der Formalisierung, die für bürokratische Organisationen schon gut untersucht wurde. Auf Probleme in der Organisation wird in den meisten Fällen mit der Schaffung neuer formaler Strukturen – in Form von neuen Kommunikationswegen oder neuen Programmen – und nicht mit der Abschaffung von formalen Strukturen reagiert (siehe dazu Luhmann 2000, 346ff.). Veränderungen in der Formalstruktur haben deswegen zur Folge, dass zusätzliche formale Erwartungen geschaffen werden, ohne dass aber dadurch zwangsläufig andere existierende formale Regeln abgeschafft werden.
Der Anspruch des holakratischen Managementmodells ist, dass die Verfassung den Mitarbeitenden eine hohe Sicherheit bezüglich ihrer Rechte und Pflichten vermittelt. Durch die Rollen sollen, so die Vorstellung, Aufgaben und Zuständigkeitsbereiche der Mitarbeitenden genau bestimmt werden. Dadurch soll allen Mitarbeitenden klar sein, was von ihnen selbst und von anderen erwartet werden kann. Diese Klarheit der Erwartungen verhindere Missverständnisse und Enttäuschungen, die sonst nicht nur zum Übersehen von Aufgaben führen würden, sondern auch zur Frustration der Mitarbeitenden. Ebenso hemme dies die impliziten Machtstrukturen und ermächtige stattdessen den transparenten Prozess und die daraus resultierenden Erwartungen und Befugnisse (siehe zu dieser Vorstellung Robertson 2015, 38ff.).
Der interessante Effekt ist jedoch, dass häufig Verunsicherung darüber herrscht, wie die Organisation genau funktioniert. Ein Mitarbeiter beschreibt, dass vielen unklar ist, »welche Rollen es überhaupt gibt. Vielen ist nicht bekannt, welche Rollen sie überhaupt haben oder [es ist ihnen] nicht immer bewusst« (Organisation D, Interview 5, #00:51:17). Die Mitarbeiterin einer Organisation betont, dass es für sie schwierig war, in der holakratischen Organisation zurechtzukommen: »Ich habe lange gebraucht und ich muss auch dazusagen, ich war eigentlich schon wieder so weit, dass ich gesagt habe, ich komme hier nicht klar, ich kündige, ich gehe wieder« (Organisation B, Interview 8, #00:03:18). Die Mitarbeiterin einer anderen Organisation betont, dass zwar alle Mitarbeiter die Regel gut genug kennen, sodass es seit vielen Jahren ziemlich gut funktioniert, aber es sei eine »große Schwäche« der holakratischen Struktur, dass das System »ziemlich komplex« sei. Es dauere »lang, bis Leute wirklich … also wirklich auch einfach die Regeln verstehen und selbst die, die jetzt lang dabei sind, kennen […] [die] kompletten Regelungen, all die Policys und so, nicht im Detail« (Organisation C, Interview 1, #00:47:22).9
Die Ursache für die Verunsicherung der Mitarbeitenden liegt darin, dass die holakratische Organisation darauf ausgerichtet ist, sich mit ihrer Formalstruktur stetig an sich ändernde Anforderungen der Umwelt anzupassen (zu holakratischen Regeln, die nicht unbedingt mehr Klarheit schaffen, siehe auch Eilmes 2021). Durch die von unten betriebenen Iterationen der Formalisierung wird zwar eine hohe Elastizität der formalen Struktur der Organisation erreicht. Die hohe Elastizität geht allerdings auf Kosten der Berechenbarkeit der Organisation. Die oben dargestellte Unsicherheit der Mitglieder kann daher darauf zurückgeführt werden. Die Transparenz, die durch softwarebasierte Dokumentation der formalen Struktur erreicht werden soll, hilft wenig, da nicht nur der Umfang der dokumentierten Formalstruktur, sondern vor allem deren permanente Veränderung wenig Orientierung bietet.
Ein zentrales Element der Holacracy ist die Trennung von Rolle und Person. Ziel der holakratischen Organisation ist das Erreichen ihres Purposes mithilfe der dazu notwendigen Rollen und zunächst einmal unabhängig von den Personen, die diese innehaben. Erst nachdem die erforderlichen Rollen ermittelt wurden, könne nach den Personen mit der entsprechenden Passung gesucht werden. Dies führe oftmals dazu, dass Personen multiple Rollen einnehmen (siehe dazu Robertson 2015, 41).
Bei den untersuchten Unternehmen konnte festgestellt werden, dass die Vielzahl von Rollen in unterschiedlichen Kreisen dazu führt, dass einige Mitarbeitende sich faktisch unter dem Radar bewegen. In einer Organisation wurde das am Beispiel einer Person deutlich, die, so die Aussage eines Mitarbeiters, eher »nicht im Sinne der Firma unterwegs war«. Diese Person wurde von »Kreis zu Kreis durchgereicht« und hat sich dort dann »gerne Rollen geschaffen«. Die Arbeit dieser Person sei einfach nur »Beschäftigungstherapie« gewesen. Es wurde zwar von vielen Mitarbeiter:innen gesehen, dass diese Person »Unsinn macht«, aber wegen der fehlenden hierarchischen Zuordnung dieser Person hätte »keiner auf den Tisch gehauen« (Organisation D, Interview 6, #00:51:45). In einer anderen Organisation wurde geschildert, dass »wenn es Leute gibt, die sich halt verstecken und keine Rollen haben«, dass es dann auch sein kann, dass es von niemandem bemerkt wird (Organisation E, Interview 3, #01:02:04).
Als Ursache dafür wurde in den Organisationen identifiziert, dass kein Mitglied mehr den Überblick darüber habe, wie viel Arbeit ein einzelnes Mitglied in seinen verschiedenen Rollen erbringt. Eine Mitarbeiterin brachte dies auf den Punkt, indem sie erklärte, dass ihr unklar sei, wer eigentlich darüber entscheidet, ob sie weiterbeschäftigt wird oder nicht. Sie hätte gleich im ersten Monat ihrer Beschäftigung gefragt, was »denn die Grundlage für [ihre] Beurteilung« sei, wenn sie »mehrere Rollen« in ganz unterschiedlichen Zirkeln habe. Diese Frage hätte ihr keiner »so wirklich beantworten« können – nicht einmal der »Ober-Holakratie-Mensch« der Organisation (Organisation A, Interview 3, #00:49:55).
Derartige Versuche, sich den formalen Arbeitsanforderungen zu entziehen, sind – mit ganz unterschiedlichen normativen Bewertungen – aus verschiedenen Theorieperspektiven beschrieben worden (siehe dazu Kühl 2014, 178f.). In der marxistischen Terminologie heißt es, dass der Einkauf von Arbeitskraft durch den Kapitalisten nicht gleichbedeutend mit der realen Nutzung der Arbeitskraft durch das Kapital sei (Marx 1962, 532ff.) und dass die Fantasie des Kapitalisten sich darauf richte, wie er dieses »Transformationsproblem« lösen kann (dazu einschlägig Braverman 1974). In der Systemtheorie wird das Transformationsproblem mit der grundlegenden Differenz zwischen Teilnahme- und Leistungsmotivation der Organisationsmitglieder bezeichnet (siehe dazu besonders Luhmann 1975, 103). In der Principal-Agent-Theorie wird dieses Phänomen als »Shirking« beschrieben (siehe dazu als Einstieg Jones 1984). Die Agenten, in diesem Fall die Arbeiter, werden eingekauft, um bestimmte Leistungen für einen Prinzipal, den Unternehmer, zu erbringen und tendieren aus eigener Nutzenorientierung dazu, die Belohnungen des Prinzipals mit einer möglichst geringen Leistungserbringung erreichen zu wollen (siehe dazu früh auch Moe 1984).
In klassisch-bürokratischen Organisationen mit einer eindeutig hierarchischen Zuordnung der Mitarbeitenden zu einer Führungskraft wird das Problem dadurch bearbeitet, dass diese im Rahmen ihrer Überwachungsfunktion sicherstellen soll, dass die Mitarbeitenden ihre Leistungen im Sinne der Organisation erbringen. In den meisten postbürokratischen Organisationen, die mit festen sich selbst steuernden Teams arbeiten, wird die Lösung darin gesehen, dass die Mitglieder in einem Team über direkte Rückmeldungen dafür sorgen, dass sich niemand drücken kann (siehe zu dem sich daraus häufig ergebenden Druck in Teams nur beispielhaft Fröhlich 1983, 539; Kühl 2015, 108). Wahrgenommene Leistungszurückhaltungen wurden so zu persönlichen Problemen entweder zwischen Vorgesetzten und Untergebenen oder zwischen gleichgestellten Mitgliedern eines Teams.
Genau dieser Mechanismus der Kontrolle der Leistungserbringung wird in holakratischen Organisationen durch die Rollenübernahme in verschiedenen Kreisen reduziert. Organisationsmitglieder können darauf verweisen, dass sie in ihren Rollen in einem Kreis im Moment nicht die erwarteten Leistungen erbringen können, weil sie in ihren Rollen in einem anderen Kreis gerade besonders gefordert sind. Weil in holakratischen Organisationen – jedenfalls von der Idee her – auf eine personale hierarchische Zuordnung der Mitglieder verzichtet wird, gibt es keine systematische Stelle, die sich dieses Problems annimmt.
Das holakratische Organisationsmodell ist darauf ausgelegt, dass jedes Organisationsmitglied die Möglichkeit hat, Initiativen zu ergreifen.10 Jedes Mitglied hätte, so das Prinzip, das Recht, eine Handlung durchzuführen, solange durch die Formalstruktur keine konkurrierenden Prioritäten festgelegt worden seien und der Zuständigkeitsbereich einer anderen Rolle oder eines anderen Kreises nicht tangiert werde (vgl. Robertson 2015, 70). Es sei sogar auch möglich, Initiativen zu ergreifen, die gegen die Formalstruktur verstoßen, wenn ein Mitglied der begründeten Überzeugung ist, dass die zeitliche Verzögerung durch das Einholen einer Ermächtigung von der Rolle oder dem Kreis, in deren oder dessen Zuständigkeitsbereich das Ausüben der Initiative fallen würde, zu einem Verlust der potenziellen Wirkkraft der Aktion führen würde (siehe dazu ebd., 73f.).
Entgegen diesen postulierten Prinzipien wurde in einigen der untersuchten Organisationen berichtet, dass die Holacracy die Aktivitäten der Mitglieder stark auf die vorgezeichneten Rollen begrenzt (siehe dazu auch Sturhahn 2021). Die Mitarbeiterin einer Organisation berichtet, dass Mitarbeitende Holacracy so verstehen, dass »ich überhaupt erst was tun [darf], wenn ich eine Rolle habe, in der steht, ich darf das tun« (Organisation C, Interview 1, #01:06:01). Ein Mitarbeiter einer anderen holakratischen Organisation berichtet, dass die präzise vorgegebenen »Accountabilities« eigentlich »was Gutes sind«, aber es »Leute« gebe, die »sich hinter der Accountability verstecken und dann ganz gerne mal sagen: ›Ist ja nicht meine Accoutantability‹«, es gäbe immer wieder »Zwischenräume«, für die nicht eindeutig eine Rolle oder ein Kreis zuständig sei, für die alle sagen, »das ist ja nicht meins« (Organisation A, Interview 2, #00:58:47). Eine Mitarbeiterin spitzt das zu: »Wir brauchen für alles eine Rolle […], wenn es keine Rolle dazu gibt, wird diese Aufgabe von niemandem übernommen. Das […] ist die größte Schwachstelle in Holacracy« (Organisation A, Interview 3, #00:34:36).
An dieser Stelle fällt die Diskrepanz zwischen den fast allen bewussten Möglichkeiten für Eigeninitiative und einem scheinbar durch die Holacracy ermutigten Dienst nach Vorschrift auf. Eigentlich, so eine Mitarbeiterin, ist »Holacracy so gedacht, wenn irgendetwas nicht explizit verboten ist, dann darfst du das einfach mal machen«. Faktisch aber würden es Mitarbeitende »gerne auch erst mal so missverstehen, dass sie irgendwie eine Erlaubnis erst mal brauchen, um irgendetwas zu tun, also genau das Gegenstück« (Organisation C, Interview 1, #00:47:22). Die eigentlich allen bekannte Idee der Holacracy sei, so der Mitarbeiter eines anderen Unternehmens, dass jede:r die Verantwortung habe, initiativ tätig zu werden, aber alle dächten nur, »man darf genau das machen, was in deiner Rolle drin steht« (Organisation D, Interview 6, #00:52:43).
Die hohe Spezifität der holakratischen Formalisierung hat zur Folge, dass sich die Indifferenzzone verkleinert, da bis ins Detail genau entscheidbar wird, was als formal gilt und was nicht. Dadurch entsteht für Organisationsmitglieder einerseits die Möglichkeit, ausschließlich diejenigen Aufgaben zu erfüllen, die in ihrer Rollenbeschreibung explizit definiert sind. Das Ergreifen von Initiativen jenseits der formalen Struktur kann andererseits eindeutig als nicht formale Erwartung identifiziert und daher vernachlässigt werden. Mitglieder, die sich auf ihre Rolle zurückziehen und nicht in die Initiative gehen, bewegen sich im Rahmen des formal Legitimen. Sie können daher ausschließlich die Rollenerwartungen erfüllen, die in ihrer Rollenbeschreibung in der Governance definiert sind, ohne ihre Mitgliedschaft formal zu riskieren.
Hinzu kommt, dass sie die Formalstruktur aufgrund der rekonfirmativen Wirkung der holakratischen Formalisierung bei jeder Iteration mitgestalten können. Dadurch entsteht für sie neben der Möglichkeit zu Dienst nach Vorschrift zudem die Möglichkeit, die Vorschrift, der sie sich verpflichten, auch selbst zu konzipieren.
Der Anspruch des holakratischen Organisationsmodells ist, dass die formale Struktur durch einen von unten getriebenen Formalisierungsprozess permanent angepasst werden kann. Durch die einfache Veränderung des Zuschnitts von Rollen und Kreisen sowie deren Aufgaben soll es möglich sein, sich schnell an verändernde Bedingungen anzupassen. Eine inkrementale Verbesserung der formalen Struktur auch angesichts sich permanent verändernder Rahmenbedingungen soll das Ergebnis sein (siehe Robertson 2015, 19ff.).
Auffällig ist jedoch, dass in den Interviews immer wieder darauf verwiesen wurde, wie die Flexibilität in der Gestaltung der Formalstruktur bei den holakratischen Prinzipien endete. In einer Organisation war die Rede davon, dass die »dynamische Steuerung«, die »die Holakratie eigentlich bietet«, immer dann an ihre Grenzen kommt, wenn die in der holakratischen Verfassung niedergelegten Prinzipien berührt werden. An diesen Stellen sei eine »dynamische Steuerung gar nicht möglich […], weil man sich dann einfach in dieses [durch die Verfassung vorgegebene] Raster […] begibt« (Organisation B, Interview 4, #00:43:27).
Besonders auffällig wird dies angesichts der starken Vorgaben für die Durchführung von Sitzungen. Eine Gesprächspartnerin hebt hervor, dass es »ja relativ klare Vorgaben« gäbe, »wie die Meetings abgehalten werden sollen«, wenn man aber »einen Kreis […] mit zwei Personen [habe], dann macht die Meeting-Form eigentlich keinen Sinn« (Organisation B, Interview 2, #00:45:14). »Wir haben«, so ein Gesprächspartner, »schon manchmal das Gefühl, […] dass diese Meetings ein bisschen sehr formalistisch sind.« »Selbstorganisation, wenn man sich das mal vom Wort her anhört, ist […] ja eigentlich etwas, wo man eher weniger Struktur mit verbindet, das Agile« (Organisation B, Interview 1, #01:01:16).
Der Grund für diese auffällige Starrheit liegt darin, dass die Organisationen nicht von sich aus die Verfassung anpassen können. Die Verfassung ist im holakratischen Verständnis der Garant dafür, dass die Organisation nicht schleichend wieder in eine durch Hierarchien und Abteilungen gebundene Organisationsstruktur zurückfällt. Die einzige Möglichkeit zur Anpassung der Verfassung besteht darin, dass das Beratungsunternehmen selbst eine neue Version der Verfassung verkündet, die dann gleich für alle holakratischen Organisationen verbindlich wird.11
Selbstverständlich könnte man einwenden, dass keine Organisation daran gehindert werden kann, die Verfassung mit einem Federstrich wieder zu verändern. Das wird jedoch durch die enge Kopplung zwischen der holakratischen Verfassung und der holakratischen Steuerungssoftware blockiert. Die Anpassung der holakratischen Steuerungssoftware findet immer nur dann statt, wenn das Beratungsunternehmen die Verfassung ändert. Deswegen ist es für die holakratischen Organisationen faktisch unmöglich, auch nur kleinere Anpassungen an den Grundprinzipien vorzunehmen, weil sie durch die Software nicht unterstützt werden.
Jede Organisation steht vor dem Paradox, dass sie sowohl Redundanz als auch Varianz braucht, sie aber nicht beides zugleich anstreben kann (siehe dazu einschlägig J. D. Thompson 1967, 10ff.). Redundanz bezeichnet dabei die Sicherheit, mit der man davon ausgehen kann, dass die Grundlagen für Entscheidungen stabil bleiben, Varianz die Schnelligkeit, mit der diese Grundlagen sich ändern können (siehe dazu Luhmann 1988, 173ff.). In diesem Spannungsfeld zwischen Redundanz und Varianz sucht jede Organisation, bei der Gestaltung ihrer Formalstruktur einen Mittelweg zwischen der »Selbstlähmung perfekter Ordnung« und der »Willkür perfekter Unordnung« zu finden (Willke 1989, 96f.).
Das Auffällige bei holakratischen Organisationen ist, dass sie Hyperstabilität in den formalen Grundprinzipien mit einer Hyperflexibilität bei der detaillierten Ausgestaltung der formalen Strukturen im Rahmen dieser Grundprinzipien kombinieren. Die in der organisationsübergreifenden Steuerungssoftware festgelegte Verfassung ermöglicht der Organisation zwar, flexibel Kreise und Rollen anzupassen, aber eine Modifikation ihrer formalen Grundstruktur ist faktisch unmöglich.
Der Traum von der optimalen Organisationsstruktur existiert, seitdem es Organisationen gibt. Bei allen Abgrenzungsversuchen gegenüber den klassischen arbeitsteiligen und hierarchischen Organisationsformen halten die Promotor:innen neuer Organisationsformen daran fest, dass es Organisationsmodelle gibt, die eine optimale Anpassung an die Anforderungen aus der Umwelt ermöglichen. Wenn Befürworter:innen des holakratischen Organisationsmodells beachtliche Effizienz-, Innovations- und Motivationsverbesserungen versprechen, dann propagieren sie letztlich nur eine neue Variante der bestmöglichen Form der Organisation.
In dieser Hinsicht steht die Propagierung von holakratischen Organisationen in einer Tradition mit der Kontingenztheorie in der Organisationsforschung (siehe als schneller Überblick Freriks 1992; Kieser 1995). Das Spezifische dieses Ansatzes ist, dass nach wie vor von einem »one best way« der Organisation ausgegangen wird, dieser jedoch abhängig von der Umweltsituation einer Organisation ist. Während für eine stabile Umwelt davon ausgegangen wird, dass eine auf klar abgegrenzte Abteilungen, steile Hierarchien und formale Regulierungen aufgebaute Organisation am besten geeignet ist, wird für volatile Umwelten eine bessere Anpassung durch eine andere Organisationsform propagiert.
In diesem Artikel haben wir aufgezeigt, dass sich entgegen dieses Traums einer optimalen Organisationsstruktur in holakratischen Organisationen aufgrund der sehr weitgehenden Formalisierung eine Reihe von ungewollten Nebenfolgen ergeben. Der Grund für diese weitgehende Formalisierung holakratischer Organisationen liegt darin, dass das Ziel einer starken Aufweichung der hierarchischen Steuerung sowie der Auflösung abgegrenzter Abteilungen durch eine sehr weitgehende formale Regelung der Arbeitsverteilung und der Arbeitsabläufe erreicht wird. Die organisationstheoretische Bestimmung der Formalisierung und die Identifizierung von ungewollten Nebenfolgen des Konzepts eröffnen eine Reihe von Forschungsperspektiven.
Eine erste weitergehende Forschungsperspektive besteht darin, die Unterschiede zwischen holakratischen Organisationen genauer ins Blickfeld zu nehmen. Obwohl sich ungewollte Nebenfolgen in allen holakratischen Organisationen ausbilden, macht es einen Unterschied, ob es sich um ein Kleinunternehmen mit ein oder zwei Dutzend Mitarbeitenden oder um ein mittelständisches Unternehmen mit Hunderten von Mitarbeitenden handelt. Es hat einen Einfluss auf die Ausprägung ungewollter Nebenfolgen, ob die holakratische Organisation eine rechtlich selbstständige, autonome Einheit eines größeren Konzerns oder nur eine funktionale Abteilung eines Unternehmens ist. Ebenso hat es Auswirkungen, ob ein holakratisches Unternehmen im Besitz einiger weniger Mitarbeitenden ist, von allen Mitarbeitenden besessen wird oder die Eigentumsverhältnisse über eine Stiftung verwaltet werden.
Eine zweite Forschungsperspektive besteht darin, näher zu untersuchen, mit welchen formalen Instrumenten in holakratischen Organisationen auf ungewollte Nebenfolgen reagiert wird (siehe dazu schon Heilmann 2021). Bei diesen formalen Instrumenten handelt es sich beispielsweise um die Einführung von Feedbackrunden, in denen jenseits der starren Interaktionsformate holakratischer Organisationen Rückmeldungen gegeben werden können, um die Einführung von Mikrobonussystemen, mit denen besonders hilfsbereite Kolleginnen und Kollegen belohnt werden, oder um die Etablierung von IT-Systemen, die eine höhere Transparenz innerhalb der Organisation ermöglichen. Diese formalen Instrumente bringen aber jeweils wiederum eigene Nebenfolgen mit sich, die näher zu bestimmen wären.
Eine dritte unserer Meinung nach besonders fruchtbare Forschungsperspektive besteht darin, die Ausbildung informaler Reaktionen auf die ungewollten Nebenfolgen ins Blickfeld zu nehmen. Besonders interessant scheint uns dabei zu sein, die Ausbildung informaler Hierarchien und informaler Abteilungen in den Blick zu nehmen. Gerade wenn man davon ausgeht, dass Hierarchien und Abteilungen allen dysfunktionalen Effekten zum Trotz wichtige Funktionen innerhalb von Organisationen erfüllen, spricht vieles dafür, dass sich im Schatten der holakratischen Formalstruktur diese in informaler Form ausbilden.
Forschungschancen liegen dabei nicht allein darin, die Funktionen und Folgen holakratischer Organisationsformen präzise zu bestimmen. Auch wenn dieses Organisationsmodell im Managementdiskurs über agile Organisationsformen eine gewisse Prominenz bekommen hat, spricht vieles dafür, dass dieses Konzept das typische Schicksal eines im Rahmen einer Managementwelle gehypten Organisationsmodells ereilen wird und es in wenigen Jahren nur noch historisch interessant ist (siehe dazu einschlägig Abrahamson 1991, 1996; Benders und van Bijsterveld 2000; Benders und van Veen 2001; Bort und Kieser 2011; Clark und Greatbatch 2016; Kieser 1997). Das Modell wird aber für die Organisationsforschung insofern interessant bleiben, als man an diesem wie durch ein Brennglas die Effekte einer Hyperformalisierung von Organisationen studieren kann.
Anmerkungen
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Phanmika Sua-Ngam-Iam ist Soziologin an der Universität Bielefeld und forscht schwerpunktmäßig zu Fragen der Organisationssoziologie. Sie ist Mitarbeiterin im Forschungsprojekt »Funktionen und Folgen holakratischer Organisation«, das durch die SGO-Stiftung in der Schweiz gefördert wird.
Kontakt: sua-ngam-iam@uni-bielefeld.de
Stefan Kühl ist Soziologe an der Universität Bielefeld und Senior Consultant der Firma Metaplan. Seine Forschungsschwerpunkte sind Organisationssoziologie, Gesellschaftstheorie und Interaktionssoziologie. Er ist Mitarbeiter im Forschungsprojekt »Funktionen und Folgen holakratischer Organisation«, das durch die SGO-Stiftung in der Schweiz gefördert wird.
Kontakt: stefan.kuehl@uni-bielefeld.de