Arbeiten mit Behinderungen

Aushandlungen von Nähe und Distanz am Beispiel einer Werkstatt für behinderte Menschen während der Covid-19-Pandemie

Sarah Karim

Journal für Psychologie, 30(2), 90–110

https://doi.org/10.30820/0942-2285-2022-2-90 CC BY-NC-ND 4.0 www.journal-fuer-psychologie.de

Zusammenfassung

Die Abstands- und Hygieneregeln zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie im Jahr 2020 führten für viele Menschen zu einem veränderten Arbeitsalltag – auch für Arbeitende mit Behinderungen. Behinderte Menschen gelten als besonders vulnerable Gruppe, die einen erhöhten Schutz vor der Ansteckung mit dem Corona-Virus benötigen; dies machen sowohl wissenschaftliche Studien als auch institutionelle Schutzprogramme deutlich. Der Beitrag beruht auf einer Ethnografie in einer Werkstatt für behinderte Menschen im September 2020. Mithilfe der Dispositivanalyse von Michel Foucault und Erving Goffmans Konzept der Territorien des Selbst werden die alltäglichen Aushandlungen von Nähe und Distanz analysiert. Die Forschungsergebnisse zu den pandemiebedingten Abstandsregeln zeigen auf, wie (schwer) sich eingeübte und verkörperte Alltagsroutinen verändern und es zu teilweise auch konfliktbeladenen Neuaushandlungen der Territorien des Selbst kommt.

Schlüsselwörter: Social Distancing, Territorien des Selbst, Behinderung, Covid-19, Ethnografie, Goffman, Foucault, Verhaltensregeln am Arbeitsplatz

Summary
Working with disabilities

Negotiations of closeness and distance in a sheltered workshop
during the Covid-19 pandemic

The regulations on distance and hygiene to contain the corona pandemic in 2020 changed daily work practices for many people – including workers with disabilities. Disabled people are considered particularly vulnerable and in need of increased protection against Covid-19 infection; both scientific studies and institutional protection programs made this clear. The article is based on an ethnography in a sheltered workshop in September 2020. Using Michel Foucault’s dispositif analysis and Erving Goffman’s concept of territories of the self, everyday negotiations of closeness and distance are analysed. The research results show how (difficult) it is for practiced and embodied everyday routines to change and how the territories of the self are being renegotiated, sometimes fraught with conflict.

Keywords: Social distancing, territories of the self, disability, Covid-19, ethnography, Goffman, Foucault, behaviour in working place

1 Einleitung

In der öffentlichen Diskussion über den Schutz der sogenannten Risikogruppen vor einer Covid-19-Infektion gelten neben alten und kranken auch behinderte Menschen als eine besonders vulnerable Gruppe. Körperliche Dispositionen behinderter Menschen, aber auch »psychosoziale und sozioökonomische Faktoren« (Seitzer et al. 2020, 51) wie die Abhängigkeit von sozialen Hilfen und das Leben in Einrichtungen verstärken das Risiko einer Infektion. Zusätzlich zur allgemeinen Vulnerabilität, also der grundsätzlichen Verletzbarkeit aller Menschen, stellt sich bei behinderten Menschen die Frage nach einer »›problematische[n] Vulnerabilität‹ […], also [nach] Aspekte[n] gesellschaftlicher Dominanz- und Hierarchieverhältnisse« (Felder 2021, 159, Herv. i.O.), die sich insbesondere in institutionellen Wohn- und Arbeitseinrichtungen zeigen. Michael Zander (2021, 4) resümiert, dass Menschen, die in stationären Wohneinrichtungen leben, während der Pandemie einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt sind bzw. waren – besonders betroffen davon sind Menschen mit Lernschwierigkeiten, sogenannten geistigen Behinderungen (Habermann-Horstmeier 2020).

Für das Arbeitsleben gilt, dass sich die ohnehin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt benachteiligte Lage behinderter Menschen zusätzlich verschärft hat, wie die Aktion Mensch (2021, 9) in Zusammenarbeit mit dem Handelsblatt Research Institute berichtet: Ihre Erwerbsquote, die bis 2019 stetig gestiegen ist, ist durch die Pandemie-Maßnahmen mittlerweile wieder auf das Niveau von 2016 gesunken. Viele behinderte Menschen, insbesondere Menschen mit Lernschwierigkeiten, arbeiten allerdings nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, sondern erleben ihren Arbeitsalltag in einer der fast 700 Werkstätten für behinderte Menschen (BAG WfbM 2022, Stand Juni 2021). Diese verfolgen sowohl eine pädagogische als auch eine wirtschaftliche Zielsetzung, das heißt, dass sie behinderte Menschen fördern und qualifizieren sollen, aber gleichzeitig wirtschaftlich sein müssen (Richter und Bendel 2017). Die behinderten Beschäftigten sind folglich als Rehabilitand:innen und nicht als reguläre Arbeitnehmer:innen beschäftigt (Theben 2020, o.S.). In Werkstätten findet sich also eine Statusunterscheidung zwischen Beschäftigten und dem Fachpersonal1, wobei das Personal sowohl die Förderung der Beschäftigten als auch die Erarbeitung des wirtschaftlichen Ertrages sicherstellen muss. Werkstattbeschäftigte sind somit besonderen hierarchisierten (Arbeits-)Regeln und Abläufen unterworfen, die ihren Arbeitsalltag und nicht zuletzt ihr Selbstbild bestimmen und beeinflussen (Karim 2021).

Um den in dieser ambivalenten Konstellation praktizierten sozialen Umgangsweisen unter Covid-19-Bedingungen nachzugehen, wird in diesem Artikel der Arbeitsalltag in einer Werkstatt für behinderte Menschen mithilfe ethnografischer2 Methoden untersucht. Damit soll ein Beitrag zu der Frage geleistet werden, wie in der alltäglichen (Arbeits-)Praxis hierarchisierte Differenzierungsprozesse wirken und wie diese in körperlichen Praktiken zum Ausdruck kommen. Es wird gefragt, wie routinierte und verkörperte Praktiken mit den neuen Covid-19-Hygieneregeln konfrontiert werden und wie die Beteiligten mit diesen Irritationen umgehen. So soll eine doppelte Besonderheit untersucht werden, nämlich erstens das pandemiebedingte körperliche Handeln in einem zweitens ohnehin besonderen bzw. besonderten und hierarchisierten Arbeitsumfeld. Inwiefern sich in dieser doppelten Besonderheit neue Alltagsroutinen ausbilden, wie mit diesen umgegangen wird und ob sie Veränderungen in den bestehenden Beziehungen provozieren, ist Gegenstand dieses Artikels. Um diesen Fragen nachzugehen, ziehe ich die Dispositivanalyse, Erving Goffmans Territorien des Selbst und die Ethnografie heran.

2 Theoretisch-methodologische Einbettung und methodisches Vorgehen

Um den Arbeitsalltag und die Auswirkungen der Covid-19-Hygieneregeln auf die Arbeitspraxis in einem komplexen, ambivalenten und spannungsreichen empirischen Feld wie der Werkstatt für behinderte Menschen ethnografisch zu untersuchen, eignet sich eine dispositivanalytische Einordnung, um die Strukturierung des Feldes zu verstehen (2.1). Anschließend schlage ich vor, Goffmans (1974) Konzept der Territorien des Selbst als Heuristik für die Untersuchung der beobachteten verkörperten Praktiken heranzuziehen (2.2). In 2.3 erläutere ich das methodische Vorgehen.

2.1 Dispositive von (Erwerbs-)Arbeit, Behinderung und Covid-19

Dispositive als »entschieden heterogene Gesamtheit[en], bestehend aus Diskursen, Institutionen, architektonischen Einrichtungen« (Foucault 2003, 392) und weiteren Elementen, sind strategisch auf die Bearbeitung gesellschaftlicher Problemlagen gerichtet (Bührmann und Schneider 2012, 105f.). Zur dispositivanalytischen Untersuchung von Dis/ability differenzieren Anne Waldschmidt et al. (2020, 160–163) drei Analyseachsen: Erstens untersucht Making Dis/ability Behinderung als strukturierten Sachverhalt, das heißt als Gegenstand von Diskursen, rechtlichen und politischen Regelungen, medizinischen und pädagogischen Maßnahmen sowie materiellen Rahmenbedingungen (ebd., 161). Zweitens versteht Un/Doing Dis/ability Behinderung als gesellschaftliche Praxis und jeweils situativ verhandelten Zusammenhang, in dem Kategorisierungen stattfinden und auf Zuschreibungen »geantwortet« wird. Drittens beschreibt das Being Dis/able/d (Nicht-)Behinderung als »eine subjektivierte wie auch subjektivierende Erfahrung und Identitätskonstruktion« (ebd., 163). Dispositive zeichnen sich auf Ebene der Praktiken und Subjektivitäten durch das Zusammenspiel disponierender und disponierter Praktiken aus (Link 2007), wodurch Subjekte adressiert und angerufen werden (Bröckling 2013). Gemäß Jürgen Links (2007, 220f.) Überlegungen gibt es in jedem Dispositiv neben den Adressat:innen der jeweiligen Problembearbeitung, also den disponierten Subjekten, auch disponierende Subjekte, die Verfügungsmacht ausüben. Dieses hierarchisierte Verhältnis ist für diesen Artikel von besonderer Relevanz, da sie verkörperte Begegnungen (vor-)strukturiert.

Das Untersuchungsfeld »Arbeitsalltag in einer Werkstatt für behinderte Menschen unter Pandemiebedingungen« ist durch die Verschränkung von mindesten drei Dispositiven gekennzeichnet: Erstens ist das Dispositiv der (Erwerbs-)Arbeit zentral für gegenwärtige Gesellschaften, denn es gewährleistet die Existenzsicherung, bestimmt den gesellschaftlichen Status und wird als Modus der Selbstverwirklichung verstanden (Kronauer 2010). Die konkreten Arbeitspraktiken benötigen disponierende Subjektivitäten in Form von Vorgesetzten und disponierte Subjektivitäten in Form von Arbeitenden, um ausgeführt zu werden.

Zweitens stellt das Dispositiv der Behinderung (Waldschmidt 2011; Waldschmidt et al. 2020) unter anderem sozialrechtliche und medizinische Kategorisierungen von Behinderung her und differenziert im Alltag zwischen behinderten und nichtbehinderten Menschen anhand ihrer angenommenen Leistungs- und Funktionsfähigkeiten. Auf der subjektiven Ebene führt es dazu, dass Menschen sich selbst als behindert (oder nicht-behindert) verstehen (Waldschmidt 2011, 96–100); disponiert werden sie unter anderem durch ärztliches, therapeutisches und pädagogisches Fachpersonal sowie Mitarbeitende von (Sozial-)Ämtern.

Drittens gibt es ein sehr neues, noch nicht vollständig ausbuchstabiertes Covid-19-Dispositiv. Dieses ist mit Alltagsregeln und Verhaltensaufforderungen verbunden, die in Gesetzen und Handreichungen ausformuliert sind. Das Befolgen der Regeln ist allerdings nicht allgemein akzeptiert und zeigt immer wieder Konfliktpotenziale auf (Bayramoğlu und do Mar Castro Varela 2021, 157–180). Historisch geht es auf Maßnahmen zur Seucheneindämmung zurück und nutzt Praktiken der Überwachung, Segregation und Bürokratisierung (Foucault 1976, 251–253).

Im Alltag können sich durch die unterschiedlichen Ausrichtungen der Dispositive Konflikte entwickeln: Das (Erwerbs-)Arbeitsdispositiv ist auf Effizienz und die Vollbringung der Arbeitsleistung ausgerichtet, während das Dispositiv der Behinderung vornehmlich auf Besonderung, Rehabilitation und Förderung zielt. Die Werkstatt für behinderte Menschen zeigt exemplarisch die ambivalente Verknüpfung dieser beiden Dispositive (Karim 2021). Das pandemische Dispositiv wiederum ist auf die Eindämmung der Infektionen gerichtet und forciert soziale Distanzierung, die auf Ebene der Arbeitspraxis sowohl mit den Anforderungen des Arbeitsdispositivs als auch des Behinderungsdispositivs kollidieren kann. Da es in diesem Artikel um die Praxisebene (Doing Dis/ability) geht, bietet es sich an, diese Kollisionen mit Goffmans (1974) Konzept der »Territorien des Selbst« zu untersuchen, welches verhilft Aushandlungen von Nähe und Distanz in alltäglichen und verkörperten Interaktionen zu verstehen und zu ordnen.

2.2 Territorien des Selbst und Physical Distancing

Die durch die Covid-19-Regeln induzierte Disruption eingeübter und routinierter sozialer Praxis stellt ein Krisenexperiment (Garfinkel 2020 [1967]) dar, das dazu verhelfen kann, allgemeine Implikationen des Feldes durch seine Irritierung sichtbar zu machen. Um zu zeigen, wie üblicherweise Nähe und Distanz zwischen Individuen in alltäglichen Interaktionen verhandelt werden, hat Goffman (1974) das Konzept der »Territorien des Selbst« in die soziologische Diskussion eingeführt. Gegenstand seiner Überlegungen sind die »Grundregeln und Verhaltensregulierungen […] bei Personen, die zusammentreffen, und Orten und Situationen, die Schauplatz solcher Kontakte von Angesicht zu Angesicht sind« (Goffman 1974, 14).

Um soziale Interaktionen zu managen, wenden Individuen die aufeinander bezogenen Techniken »Externalisation«, also Gesten, die Anderen Bewegungsintentionen anzeigen, und »Abtastung«, also Praktiken der Überprüfung von Bewegungsintentionen, an (ebd., 32–34). Sie vermeiden damit nicht nur regelrechte Kollisionen mit Anderen, sondern verhandeln territoriale Ansprüche, die näher oder weiter am Körper ansetzen. Insgesamt beschreibt Goffman (ebd., 56–71) acht dieser »Territorien des Selbst«, die ich abweichend von Goffmans Reihenfolge abhängig von ihrer körperlichen Nähe darstellen möchte: Erstens ist die Hülle »die Haut, die den Körper schützt, und […] die Kleider, die die Haut bedecken« (ebd., 67) das am nächsten am Körper ansetzende Territorium. Zweitens der persönliche Raum, »der ein Individuum umgibt und dessen Betreten seitens eines anderen vom Individuum als Übergriff empfunden wird« (ebd., 56). Dieser subjektiv unterschiedlich erhobene Anspruch variiert mit dem situativ zur Verfügung stehenden Raum; in einem vollen Aufzug wird beispielsweise eine größere körperliche Nähe toleriert als in einem leeren (Hirschauer 1999, 230). Drittens ist eine Box ein sichtbar und materiell »begrenzte[r] Raum, auf den Individuen temporären Anspruch erheben können« (Goffman 1974, 59), wie ein Tisch im Restaurant oder ein Platz im Zug. Viertens wird der Benutzungsraum (ebd., 62f.) für Tätigkeiten in Anspruch genommen, zum Beispiel das Sichtfeld beim Fotografieren einer Menschengruppe. Reihenpositionen (ebd., 63) sind fünftens Reihenfolgen, in welchen Personen Anspruch auf ein »bestimmtes Gut« (ebd.) erheben können. Sechstens werden mit Besitzterritorien Gegenstände bezeichnet, die zu einer Person gehören und nicht ohne Erlaubnis von Anderen in Anspruch genommen werden können, zum Beispiel ein Feuerzeug auf einem Cafétisch (ebd., 67). Siebtens meint das Informationsreservat eine »Reihe von Fakten über es selbst, bezüglich derer ein Individuum in Anwesenheit anderer den Zugang zu kontrollieren beansprucht« (ebd., 68), insbesondere persönliche Informationen oder auch verkörperte Merkmale. Achtens ist das Gesprächsreservat »das Recht eines Individuums, ein gewisses Maß an Kontrolle darüber auszuüben, wer es wann zu einem Gespräch auffordern kann« (ebd., 69).

Goffman (1974, 75) zufolge können die Territorien des Selbst auf vielfältige Weise verletzt werden, zum Beispiel durch unangemessenes körperliches Nähern, unerlaubte Berührungen mit den Händen oder anderen Körperteilen und durch Anstarren. Auch »Exkremente« (ebd., 77) – verschiedene Formen körperlicher Ausscheidungen (zum Beispiel Speichel, Urin, Blut, Gerüche, Körperwärme) – können die Territorien des Selbst verunreinigen.

Die Möglichkeiten, über die unterschiedlichen Territorien Anspruch zu erheben, sind allerdings nicht für alle Menschen gleich, sondern können »je nach Macht und Rang der Individuen höchst verschieden sein« (ebd., 69f.). Wie viel Raum eine Person einnehmen kann und wessen Privatsphäre als schützenswert erscheint, hat mit dem sozialen Status der jeweiligen Person zu tun; je höher dieser ist, »desto größer ist der Umfang der Territorien des Selbst« (ebd., 70).

Behinderte Menschen sind durch ihre bereits erwähnte »problematische Vulnerabilität« (Felder 2021, 159) häufig von Verletzungen ihrer Territorien des Selbst betroffen. Sie berichten zum Beispiel von ungewolltem Anfassen (Maskos 2018, 58), also der Verletzung der Hülle, Anstarren als Verletzung des Informationsreservats (Garland-Thomson 2002) oder bevormundender und missverstehender Behandlung in Gesprächen als Verletzung des Gesprächsreservats (Schuppener 2009, 51f.)3. Auch die Angewiesenheit auf institutionelle Wohn- und Arbeitsformen hat Auswirkungen auf die Territorien des Selbst, da diese vom Gesprächsreservat bis hin zur Hülle potenziell stärker durch Fachpersonal verletzbar sind. Disponiertheit bedeutet letztlich, dass viele behinderte Menschen nicht souverän über ihre Territorien des Selbst verfügen können, sondern Dritte dies übernehmen.

Mischa Gallati (2012) bezeichnet die Territorien des Selbst behinderter Menschen aus diesem Grund als prekär und untersucht Praktiken der Vormundschaft in den 1940er/50er Jahren in Bern. Anhand eines Fallbeispiels zeigt er, wie über den Körper einer unter Vormundschaft stehenden jungen behinderten Frau bestimmt wurde, indem die Behörden sie zu einem Schwangerschaftsabbruch mit anschließender Sterilisation zwangen, die mit ihrem Tod endeten. Gallati zeigt eindrücklich, dass die junge Frau und weitere Betroffene zwar versuchen, sich gegen die Verletzungen ihres Informations- und Gesprächsreservats sowie ihrer körperlichen Unversehrtheit zu wehren, dies aber aufgrund der strukturellen behördlichen »Verfügungs-Macht« (Link 2007, 220) nicht gelingt.

Behinderte Menschen sind also nicht nur schutzbedürftig im Sinne der gesundheitlichen Vulnerabilität, sondern können durch Einrichtungen, die eigentlich ihren Schutz gewährleisten sollen, gefährdet sein (Mech und Görtler 2020; Felder 2021, 154). Die durch die Covid-19-Regeln bedingte soziale Distanzierung könnte also einerseits dazu führen, dass ungewolltes Anfassen und andere Grenzverletzungen im Gegensatz zu vor der Pandemie stärker unterbunden werden. Andererseits könnte sie auch zu ungewollten Kontakteinschränkungen und einer Ohnmacht gegenüber institutioneller Willkür führen, die physische Grenzüberschreitungen begünstigen.

Durch die pandemiebedingten Veränderungen verkörperter Verhaltensweisen in Form des Social Distancing – das eigentlich als Physical Distancing bezeichnet werden muss, da es sich nicht um eine soziale, sondern eine körperliche Distanzierung handelt (Klein und Liebsch 2020, 57) – wurden die Territorien des Selbst neu vermessen (Hirschauer 2020, 218) und ersetzten die übliche routinierte und gewohnte situative Anpassung von Nähe und Distanz durch einen normierten Mindestabstand von anderthalb Metern (Alkemeyer und Bröskamp 2020, 70).

Die Umsetzung einer »neuen Normalität« mit und nach Covid-19 schwankt zwischen der »Beharrungskraft eingeschliffener Routinen« (Alkemeyer und Bröskamp 2020, 69) in Form »muskulärer Erinnerungen« (ebd.), die in »zahlreichen Schnitzer[n] des Alltags« (ebd.) und dem überraschend schnellen Ablegen alter und der Entwicklung neuer Körperroutinen offenbar werden (ebd., 70). Auch die Verletzung des persönlichen Nahraums durch »Exkremente« (Goffman 1974, 77) erhält in der Coronazeit eine zusätzliche Bedeutung, da der Atem Anderer aufgrund möglicher Virenbelastung nicht nur als unangenehm, sondern als potenziell gefährlich empfunden wird (Bayramoğlu und do Mar Castro Varela 2021, 67–68).

Diese Neuverhandlungen körperlicher Nähe in Alltagsinteraktionen in der Pandemie zeigen, dass Körperpraktiken eben nicht ausschließlich durch Routinen gekennzeichnet sind, sondern auch durch Flexibilität und Veränderungspotenzial. Goffmans Territorien des Selbst eignen sich, um diese Verhandlungen von Nähe und Distanz und die damit verbundenen Anspruchsverhältnisse (Goffman 1974, 69f.) zu untersuchen. Die prekären Territorien des Selbst (Gallati 2012) behinderter Menschen lassen deren Disponiertheit unter herrschenden Regeln deutlich werden, die vor allem in Institutionen mit Hierarchien und Macht (Felder 2021, 157) verbunden sind. Ob das pandemiebedingte Physical Distancing die Territorien des Selbst behinderter Menschen schützen kann oder ob verstärkte Verletzlichkeiten evoziert werden, soll im Folgenden die Ethnografie zeigen.

2.3 Ethnografie in einer Werkstatt für behinderte Menschen

Ethnografie, die »analytische Beschreibung fremder (oder eigener) sozialer Praktiken« (Breidenstein et al. 2013, 7), nimmt soziale Praktiken als »öffentliche, an bestimmte Umstände, Orte, Kontexte und materielle Rahmungen gebundene Vollzüge« (Schmidt 2013, 95) zum Ausgangspunkt (körper-)soziologischer Analyse. Praktiken vollziehen »sich immer auch als beobachtbare, sinnhafte, gekonnte Körperbewegungen« (ebd., 99). Teilnehmende sozialer Praxis beziehen sich reziprok aufeinander und zeigen über Zeichen, Gesten und Kommentare, »was sie wahrnehmen und insbesondere, als was sie ihr jeweiliges Gegenüber wahrnehmen« (ebd., 100, Herv. i.O.). Um Differenzkategorien wie (Nicht-)Behinderung nicht zu reifizieren, ist es notwendig, das »Gewordensein und Werden von ›Differenz‹« (Rabenstein et al. 2020, 192) zu vergegenwärtigen. Aushandlungen über Nähe und Distanz in Untersuchungsfeldern mit ausgeprägten Differenzen und Hierarchisierungen – wie eine Werkstatt für behinderte Menschen – verstehe ich immer auch als Aushandlung über die eigene und fremde Subjektivität (oder dispositivanalytisch gesprochen: über disponierte und disponierende Subjektivitäten).

In unserem laufenden Forschungsprojekt wurden Feldbeobachtungen in jeweils einer Werkstatt für behinderte Menschen und einem Inklusionsbetrieb mit insgesamt sechs Fokuspersonen, deren Arbeitspraktiken im Zentrum der teilnehmenden Beobachtungen standen und die die Rolle der Gastgeber:innen einnahmen, pandemiebedingt nur in den Sommermonaten 2020 (drei Fokuspersonen) und 2021 (drei Fokuspersonen) durchgeführt. Für diesen Artikel nutze ich die im Anschluss an die Feldbesuche erstellten Beobachtungsprotokolle (Breidenstein et al. 2013, 94–107) aus dem Sommer 2020, da diese die durch die Covid-19-Regeln induzierten (Neu-)Aushandlungen über Nähe und Distanz besonders eindrücklich zeigen. Im Jahr 2021 spielte dagegen die Kontaktnachverfolgung sowie die Kontrolle von Impf- und Testzertifikaten eine größere Rolle und sollte an anderer Stelle Gegenstand einer vertieften Analyse sein.

Ich habe drei Beschäftigte für jeweils drei Arbeitstage in einer kleineren Kunstwerkstatt mit circa 30 bis 40 Beschäftigten begleitet, die sich in Trägerschaft einer Werkstatt für behinderte Menschen und räumlich in der Innenstadt einer deutschen Großstadt befindet. Zwei Fokuspersonen sind im kreativen Bereich tätig, ein junger Mann arbeitet im Café der Einrichtung; die Arbeitsbereiche befinden sich alle unter einem Dach in unmittelbarer räumlicher Nähe zu anderen kulturellen städtischen Einrichtungen. Formell wird das Arbeiten unter Werkstattbedingungen organisiert, allerdings zeigte sich praktisch, dass in einer kleineren Betriebsstätte flexiblere Tages- und Arbeitsstrukturen eingesetzt werden als in den üblichen Großeinrichtungen. Diese Einrichtung wurde neben Gründen der Pragmatik und des Feldzugangs ausgewählt, um vergleichend an die Arbeit von Karim (2021) anzuknüpfen, die typischere Formen der Werkstattarbeit untersucht. Da in dem noch laufenden Projekt nicht die pandemische Situation im Vordergrund steht, handelt es sich hier um eine Sonderauswertung, die als Nebenprodukt der eigentlichen Forschung anzusehen ist. Die Protokollauszüge spiegeln somit nur einen kleinen Ausschnitt der beobachteten (Arbeits-)Praktiken wider.

Wie in der Ethnografie üblich (Breidenstein et al. 2013, 94–107), wurden anhand von Feldnotizen Gedächtnisprotokolle erstellt, die anschließend mehreren Überarbeitungsschleifen unterzogen wurden, um Detailierung, Vertiefung und Explikation des Beobachteten zu erreichen. Ich nutze situativ anonymisierte Bezeichnungen der jeweils handelnden Personen (Fokusperson, Beschäftigte 1 usw.) und die Bezeichnung »die Ethnografin«, um eine Distanzierung (ebd., 109) von dem von mir selbst erhobenen Material zu erreichen. Die Protokolle wurden mittels einer »analytischen Auswertungsstrategie« (Thomas 2019, 116) bearbeitet, die der rekonstruktiven qualitativen Forschung entspricht und Daten durch sequenzierende, kodierende und vergleichende Techniken bearbeitet (vgl. ebd.). Das heißt, dass weniger die einzelnen Fälle oder der chronologische Ablauf der Beobachtungstage im Vordergrund stehen, wie es bei dichten Beschreibungen (Geertz 1983) üblich ist, sondern durch die Sequenzierung und Kodierung bzw. Verschlagwortung entstehen vergleichbare Analysesequenzen, die einzelne Fragestellungen im Fokus haben. Im Folgenden werden diese vergleichbaren Sequenzen herangezogen, um Aushandlungen von Nähe und Distanz zu analysieren.

3 Aushandlungen von Nähe und Distanz am Beispiel einer Werkstatt für behinderte Menschen

Um die ethnografischen Beobachtungen in ihrem institutionellen und diskursiven Kontext zu verstehen, lohnt es sich zunächst den Blick auf die allgemeine Situation in Werkstätten für behinderte Menschen unter Pandemiebedingungen zu werfen: Nach den im Frühjahr 2020 erlassenen Betretungsverboten (Habermann-Horstmeier 2020, 4) entwickelten ab Frühsommer 2020 die jeweiligen Betriebsstätten mithilfe einer Handreichung der Bundesarbeitsgemeinschaft für Werkstätten für behinderte Menschen (BAG WfbM 2020, Stand Juli 2020) Hygienekonzepte, um sicheres Arbeiten zu ermöglichen. Dabei wurde der »erhöhte[n] Fürsorge- und Aufsichtspflicht« (ebd.) der Werkstatt gegenüber den Beschäftigten Rechnung getragen und die erhöhte Vulnerabilität der Personengruppe und deren Schutzbedürftigkeit betont. Das Fachpersonal sollte die Beschäftigten bei der Einhaltung der Hygienemaßnahmen unterstützen und ihnen Informationen bereitstellen (ebd., 3f.). Außerdem wurde zwischen Beschäftigten, »die nicht zu den Risikopersonen gehören und in der Lage sind, die notwendigen Hygienemaßnahmen richtig umzusetzen« (ebd., 3), und Risikopersonen unterschieden. Der gelungene Infektionsschutz hänge demzufolge auch von individuellen Kompetenzen der Beschäftigten ab.

Es ist davon auszugehen, dass der Alltag von Werkstattbeschäftigten durch die Covid-19-Maßnahmen eine verstärkte Regulierung erfahren hat. Die untersuchte Werkstatt bemühte sich die Hygieneregeln konsequent umzusetzen, indem neben Mahnungen zum Physical Distancing die Instrumente Kontaktnachverfolgung, Schutzmasken, Plexiglasstellwände und Bodenmarkierungen, die eine »sichere« Konversation auf Abstand anregen sollen, angewandt wurden. Die bei Goffman (1974) intuitiv verhandelten Abstandsregeln des persönlichen Raums werden so in Form von »Boxen« (ebd., 59) manifestiert. Im Folgenden werden die unterschiedlichen Strategien der Beschäftigten und des Fachpersonals, mit den neuen Regeln umzugehen, mithilfe der ethnografischen Feldbeobachtungen erörtert.

3.1 Selbstständiges Aushandeln von Nähe und Distanz zwischen den Beschäftigten

Zu Beginn werde ich eine Situation heranziehen, in der die Beschäftigten selbstständig, wenngleich unterschiedlich gewissenhaft, auf das Einhalten der Abstände achten und – anders als in der Handreichung der BAG WfbM (2020) suggeriert wird – nicht auf die Anleitung durch das Fachpersonal angewiesen sind.4

»Einige Beschäftigte der Café-Arbeitsgruppe, unter anderem die Fokusperson, sind vormittags damit beschäftigt, Gemüse für das Mittagessen zu schälen. Sie sitzen im Untergeschoss der Betriebsstätte, wo sie in ihrem jeweiligen Tempo und ungestört von möglicher Kundschaft arbeiten können. Beschäftigter 1 kommt mit einem Sparschäler und Karotten dazu. Er fragt, ob noch Platz sei. Beschäftigte 2 bedeutet ihm, zwischen sich und der Fokusperson Platz zu nehmen, aber die Fokusperson weist auf die fehlenden Abstände hin, der Beschäftigte 1 solle lieber einen anderen Platz nehmen. Dieser setzt sich mit etwas Abstand an einen anderen Platz« (Beobachtungsprotokoll 30.9.2020).

Die alltäglichen Abläufe werden hier nur kurz durch die Problematik des Abstandhaltens unterbrochen, denn die drei Beschäftigten stimmen ihre Platzierungen recht schnell untereinander ab. Die Zuweisung eines Platzes durch den Beschäftigten 2, der nicht genügend Abstand zugelassen hätte, wird durch die Fokusperson korrigiert. Daraufhin folgen die Beschäftigten mit Goffman formuliert einer »Reihenposition« (Goffman 1974, 63), in welcher der neu hinzukommenden Person die Aufgabe zukommt, sich um das Einhalten der nötigen Distanz zu kümmern. Die durch das Covid-19-Dispositiv induzierte Abstandspflicht kollidiert nicht nennenswert mit den situativen Arbeitsanforderungen der Beschäftigten. Durch das abgeklärte Aushandeln der körperlichen Positionierungen im Raum zeigen diese Beschäftigten an, dass sie sich nicht nur bereits an die »neue Normalität« gewöhnt haben, sondern diese aktiv und professionell als Arbeitende herstellen und auch ohne Anleitung des Fachpersonals aufrechterhalten (können).

3.2 (Versuchte) Regulierungen von Näheverhältnissen durch das Fachpersonal

Dennoch versucht das Fachpersonal, wenn notwendig in das Geschehen einzugreifen und die Näheverhältnisse der Beschäftigten zu regulieren. Das folgende Beispiel zeigt, dass dies nicht immer so reibungslos funktioniert wie in dem Beispiel zuvor und Rollenkonflikte entstehen können:

»Die Fachkraft spricht mit der Beschäftigten 1, die im Kreativbereich beschäftigt ist und ein bisschen weinen muss, da ein Familienmitglied ins Krankenhaus gekommen ist und operiert werden musste. Das erregt die Aufmerksamkeit ihrer Kolleg:innen: Die Beschäftigte 2 steht von ihrem Platz auf und kommt dazu. Die Fachkraft sagt: ›Geh doch mal mit der [Beschäftigten 1] raus und vielleicht in die Kirche, die ist gerade so traurig, weil ihr [Familienmitglied] im Krankenhaus ist.‹ Die Beschäftigte 2 will die Beschäftigte 1 an der Schulter streicheln, um diese zu trösten, als die Fachkraft intervenierend sagt, dass das nicht gehe, erst solle sie ihre Hände desinfizieren. Die Beschäftigte 2 beschwert sich: ›Ich habe die eben desinfiziert, als ich hochgekommen bin!‹ Die Fachkraft entschuldigt sich und sagt murmelnd, sie selbst müsse mal ihre Hände waschen. Sie geht hinter die Stellwand ans Waschbecken und wäscht ihre Hände. Nun umarmt die Beschäftigte 2 die Beschäftigte 1 und sagt: ›Jetzt gehen wir erst mal in die Kirche. Erst mal eine Kerze anzünden, das ist besser.‹ Die Beschäftigte 1 sucht ihre Sachen zusammen und sie verlassen gemeinsam den Raum« (Beobachtungsprotokoll 17.9.2020).

Die Fachkraft gerät in einen Aufgabenkonflikt: Einerseits will sie in dieser Situation der Beschäftigten 1 Trost spenden und die Beschäftigten zur gegenseitigen Unterstützung ermutigen. Sie agiert in ihrer pädagogisch-fürsorgenden Funktion. Als die Beschäftigte 2 sich der Beschäftigten 1 jedoch körperlich nähert und damit droht, bis zu deren »Hülle« (Goffman 1974, 67) vorzudringen, scheint die Fachkraft sich daran zu erinnern, dass es ihre Aufgabe ist, die Beschäftigten auf die Hygieneregeln hinzuweisen. Durch das plötzliche Anweisen gerät sie in die Rolle der Vorgesetzten, was ihr jedoch nur bedingt gelingt, da die Beschäftigte auf ihre selbstständige Einhaltung der Hygieneregeln verweist. Die Fachkraft nimmt diese missglückte Intervention zum Anlass zu reflektieren, dass sie sich offensichtlich selbst nicht ausreichend an die neuen Regeln gehalten hat. Denkbar ist auch, dass sie in einer Vorbildfunktion den Beschäftigten den angemessenen Umgang mit den Regeln zeigen wollte. Auch in diesem Fall wäre ihre Absicht gescheitert, denn anstatt Abstand zu nehmen, umarmen sich die Beschäftigten sogar und verringern so den körperlichen Abstand stark.

Im Konflikt stehen hier Praktiken der Fürsorge, die das Dispositiv der Behinderung prägen und in diesem Fall über körperliche Berührungen ausgedrückt werden, und Praktiken des Infektionsschutzes, die eben diese Berührungen verhindern sollen. Für die Beschäftigte 1 scheint das Berühren ihrer Hülle durch die Beschäftigte 2 in diesem Fall keine Verletzung ihres Territoriums des Selbst zu sein, sondern wird von dieser als Zeichen der Zuwendung durchaus gewünscht und durch die Hygieneauflagen gestört. Die Fachkraft unterstützt die Logik der Fürsorge und entfernt sich aus der Situation. Die Beschäftigten nutzen dies, um das Physical Distancing zu umgehen und sich zu umarmen. Das Dispositiv der Arbeit scheint hier nur durch das räumliche Setting auf und gerät durch die Intimität der Situation in den Hintergrund, denn anstatt die Beschäftigten dazu aufzurufen, weiterzuarbeiten, wird ihre gegenseitige Fürsorge gestärkt. Deutlich wird, dass Arbeitsbeziehungen nicht verkürzt als solche zu verstehen sind, sondern soziale Nahbeziehungen darstellen, die das Einhalten von Physical Distancing erschweren können. In diesem Fall priorisieren die Beschäftigten die Beziehungslogik gegenüber den Pandemieregeln – auch nach der (versuchten) Intervention der Fachkraft.

Ein weiteres Beispiel zeigt, wie Fachkräfte versuchen, die Abstandsregeln durchzusetzen:

»Die Fokusperson sitzt mit der Ethnografin an ihrem Arbeitsplatz im Kreativbereich der Werkstatt, daneben sitzt ihre Kollegin und die Praktikantin. Ein weiterer Beschäftigter kommt, um die Fokusperson etwas zu fragen, er hält einen Reiseführer in der Hand und trägt einen Mundschutz. Die Fokusperson sieht ihn näherkommen und hält ihm die flache Hand wie ein Stoppsignal entgegen und sagt: ›[Name Beschäftigter], jetzt nicht!‹ Er dreht sich um und geht wieder. Dann kommt er nochmal zurück, geht hinter der Fokusperson vorbei und greift an der Ethnografin, die sich noch schnell zur Seite neigt, vorbei ins Regal, um ein Buch herauszuholen. Die Praktikantin sieht das und ermahnt ihn, dass er die Abstände einhalten solle. Sie sagt: ›Du musst der Frau dann sagen, dass sie zur Seite gehen soll.‹ Er erwidert, dass er nur ein Buch holen wollte« (Beobachtungsprotokoll 23.9.2020).

Die Fokusperson versucht mittels Externalisation die drohende Verletzung ihres »Gesprächsreservats« (Goffman 1974, 56) zu unterbinden (»jetzt nicht!«). Anschließend verletzt der Beschäftigte den »persönlichen Raum« (ebd., 69) der Ethnografin, die zwar ausweicht, aber keine explizit abwehrende Reaktion zeigt. Die Praktikantin rügt den Beschäftigten und fordert ihn auf, in Zukunft seine Absichten zu externalisieren; sie versucht als weisungsberechtigt aufzutreten. Aus Sicht des Beschäftigten hat seine gestische Externalisation eigentlich funktioniert, da die Ethnografin ausweicht, also seine Bewegungsintention durch Abtastung erkannt hat. Der Hinweis, dass diese Intention auch verbal angezeigt werden müsse, scheint ihn zu kränken, denn er rechtfertigt sich für sein Verhalten.

Hier wird die Verkomplizierung von eigentlich routinierten Praktiken der Nähe- und Distanzaushandlungen durch die neuen Abstandsregeln deutlich. Die Fokusperson konnte sich durch die Intervention vor einem Übergriff auf ihr Gesprächsreservat schützen und auch die Ethnografin hätte unter normalen Umständen durch das Ausweichen ihren persönlichen Raum gewahrt. Allerdings zeigt die Intervention der Praktikantin an, dass diese »normale« Interaktion unter Covid-19-Bedingungen als nicht mehr ausreichend gelten kann, und rügt den Beschäftigten für sein Verhalten. Die Erklärung des Beschäftigten über seine eigentliche Intention kann wiederum als Zurückweisen einer impliziten Kritik, andere zu gefährden, verstanden werden. Die Kränkung deutet auf eine Verletzung seines »Informationsreservats« (ebd., 68) hin, denn ihm wird – aus seiner Sicht ungerechtfertigt – Unachtsamkeit unterstellt. Die Verkomplizierung alltäglicher, verkörperter Bewegungspraktiken hat Effekte, die nicht ausschließlich die Interaktionen zwischen zwei oder mehreren Personen betreffen und diese verlangsamen oder potenziell konfliktreich gestalten, sondern auch soziale Positionierungen bedingen. Die Praktikantin versucht sich durch den ermahnenden Ton als Fachkraft zu gerieren und nutzt die Covid-19-Regeln, um eine Hierarchie zwischen bewusster, anweisender Pädagogin und gerügtem Werkstattbeschäftigtem aufzubauen. Die unterschiedlichen disponierenden Praktiken – Hinweisen auf Abstände, Hinweisen auf den richtigen Umgang mit Gästen – werden von der Praktikantin durch das Rügen vereint. Der Beschäftigte wiederum versucht durch seine Erklärung, die Positionierung als »Leichtsinnige[r]« (Hirschauer 2020, 222) zu umgehen.

3.3 Konflikte um Nähe und Distanz

Die versuchten Regulierungen des Fachpersonals, aber auch die Verletzungen der Abstandsregeln können Konflikte auslösen, wie das folgende Beispiel aus dem Kunstbereich zeigt:

»Die Fokusperson und die Ethnografin sitzen an deren Platz im Erdgeschoss, als der Beschäftigte 1, ein Freund der Fokusperson, dazukommt. Er ist aufgebracht und sagt, die Beschäftigte 2, der er im oberen Stockwerk gegenübersitzt, habe ihn dazu ermahnt, mehr Abstand zu halten. Diese und die derzeit beschäftigte Praktikantin haben ihn gemeinsam ermahnt, aber, so sagt er, mehr Abstand, als sich durch den Tisch bereits ergebe, könne er schließlich nicht halten. Die Fokusperson empört sich über das Berichtete und sagt: ›Komm, wir gehen jetzt raus, damit du dich beruhigst. Die [Name der Beschäftigten 2] redet doch immer und die Praktikantin [kurze Pause] ist eine Praktikantin. Die geht auch wieder‹« (Beobachtungsprotokoll 23.9.2020).

Das Aushandeln der Abstände wird in der geschilderten Situation zu einem Konflikt zwischen zwei Beschäftigten, in welchem sich eine Praktikantin offensichtlich auf die Seite einer der Beschäftigten stellt. Die Beschäftigte 2 macht gegenüber dem Beschäftigten 1 ihren »persönlichen Raum« (Goffman 1974, 56) geltend. Dieser verweist darauf, dass durch die Arbeitstische festgelegte »Boxen« (ebd., 59) existieren, die genügend Abstände bieten. Er ist aufgebracht, da an ihn eine Verhaltensaufforderung gestellt wird, die er aufgrund der räumlich-materiellen Bedingungen nicht erfüllen kann.

Die Fokusperson, bei der der Beschäftigte Rat sucht, bewertet die Situation anhand der Integrität der Beteiligten: Die Empörung des Beschäftigten 1 hält sie für legitim. Die Beschäftigte 2 wiederum »redet doch immer«, das heißt, ihre Forderungen sind als ungerechtfertigte Ansprüche bereits bekannt. Somit wird ihrem Wunsch auf Achtung des persönlichen Raums nicht entsprochen. Der abermalige disponierende Versuch der Praktikantin, als Vorgesetzte aufzutreten, wird als vernachlässigbar charakterisiert, da sie qua Rolle keinen permanenten Platz im sozialen Gefüge einnehmen wird.

Hinweise auf Verletzungen des persönlichen Raums, die in diesem Fall durch die Beschäftigte 2 hervorgebracht und durch die Praktikantin unterstützt werden, werden nicht respektiert, wenn angenommen wird, dass eigentlich nicht die Covid-19-Regeln, sondern andere Ansprüche verteidigt werden sollen. So sei gemäß der Fokusperson der Beschäftigte 1 keines Fehlverhaltens schuldig, denn er hat sich an die Grenzen seiner Box und damit an die geltenden Regeln gehalten.

Es zeigt sich auch hier, dass über die Jahre gewachsene Nahbeziehungen relevant sind, denn der Hinweis auf die fehlende Zugehörigkeit der Praktikantin spiegelt wider, dass ihr durch ihre lediglich temporäre Zugehörigkeit auch nur eine limitierte Wirkmächtigkeit zugestanden wird. Die Fokusperson bezieht sich auf ein eigenes (und vermutlich im Kontext der Einrichtung geteiltes) Koordinatensystem aus Befugnissen, Reputation und Glaubwürdigkeit, welches sich nicht aus den formellen Regeln ableiten lässt und welches auch die Praktikantin (noch) nicht (vollständig) erfasst zu haben scheint, denn sie ringt (noch) um ihren Platz in dem Beziehungsgeflecht.

3.4 Umgang mit Grenzverletzungen durch Unwissende

Doch nicht immer folgt auf das Verletzen des »persönlichen Raums« (Goffman 1974, 69) ein Aushandlungskonflikt. Die Grenzüberschreitung kann auch toleriert werden, wenn es Gründe dafür gibt, die grenzverletzende Person ihrer Verantwortung zu entbinden.

»Die Beschäftigte aus dem Kunstbereich macht sich langsam fertig, um nach Hause zu gehen, eine Fachkraft wartet mit ihr. Die Ethnografin verabschiedet sich von der Beschäftigten. Diese antwortet: ›Tschüss, Brillenschlange.‹ Die Ethnografin braucht einen Moment und sagt dann: ›Hast du mich gerade Brillenschlange genannt?‹ Die Fachkraft, die Beschäftigte und die Ethnografin lachen. Die Beschäftigte, die keine Maske trägt, geht auf die Ethnografin zu, berührt kurz deren Brille und dann ihre eigene und sagt, dass sie ja beide eine Brille trügen. Sie geht anschließend mit der Fachkraft weg« (Beobachtungsprotokoll 23.9.2020).

Die Beschäftigte bricht in dieser Situation des Verabschiedens mehrere Hygieneregeln: Sie überschreitet den vorgesehenen Mindestabstand und verletzt so den – nicht nur coronabedingten – persönlichen Raum der Ethnografin, indem sie diese an der Brille berührt und so bis zu deren »Hülle« (Goffman 1974, 67) vordringt. Durch die Missachtung der Maskenpflicht bietet sie außerdem keinen Schutz vor ihren Aerosolen. Doch weder die Ethnografin, die »Opfer« der Überschreitung ist, noch die Fachkraft nutzen die zuvor beobachteten Externalisierungsmechanismen in Form des verbalen und gestischen Hinweisens auf die Abstände oder des nachträglichen Rügens. Im Gegenteil scheinen alle Beteiligten die Situation amüsant zu finden und eventuell gerade durch die Erleichterung am Ende des Arbeitstages, die Regeln nicht mehr so streng zu sehen. Warum ist das so?

Ist davon auszugehen, dass eine Person unwissentlich handelt oder nicht in der Lage ist, bestimmte Regeln einzuhalten, greifen anstatt herkömmlicher Imperative zur Eigenverantwortung, die in der Covid-19-Pandemie in besonderer Weise und appellierend an die Bürger:innen herangetragen werden (Lessenich 2020, 179f.), entlastende Logiken. Vermutlich werden hier Personenzuschreibungen aus dem Behinderungsdispositiv wirksam, die manchen behinderten Menschen eine mangelnde oder fehlende Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme unterstellen und in diesem Fall eine Verantwortungsentlastung zur Folge haben. Denn sowohl die Fachkraft als auch die Ethnografin gehen nicht davon aus, dass die Beschäftigte absichtsvoll handelt oder sich der Gefahr, die in dem Moment von ihr ausgeht, bewusst ist. Vielleicht sind sie auch selbst froh darüber, durch die humorvolle Verabschiedung die Regeln kurz vernachlässigen oder gar vergessen zu können. Die durch die Covid-19-Regeln neu implementierten Verhaltens­anforderungen müssen im Alltag von den Beteiligten eigenverantwortlich umgesetzt werden. Dazu wird vorausgesetzt, dass sie diese Regeln verstehen. Ist das nicht der Fall, bleibt eine Sanktionierung aus und es gelten hergebrachte Bewertungen und Annahmen über behinderte Menschen.

4 Schlussfolgerungen: Neue »Normalitäten«, alte Hierarchien?

Auch wenn in diesem Artikel keine allgemeine Gültigkeit der empirischen Ergebnisse geltend gemacht werden kann, sollen abschließend einige Schlaglichter auf die alltäglichen Aushandlungen von Nähe und Distanz unter Pandemiebedingungen in einer Werkstatt für behinderte Menschen als besondere Einrichtung, die mit der Unterscheidung zwischen behinderten und nicht-behinderten Menschen operiert, geworfen werden. In der hier analysierten Praxis wird deutlich, dass die Covid-19-Regeln die alltäglichen Arbeitstätigkeiten nicht fundamental zu stören scheinen, wie im ersten Beispiel in Kapitel 3.1 deutlich wurde, sondern mögliche, durch die Covid-19-Regeln provozierte Konflikte eher auf der körperlich-interaktionistischen Ebene angesiedelt sind und vor allem mit Missverständnissen über die Intentionen der regelverletzenden Personen sowie mit Bewertungen über diese einhergehen.

Die Covid-19-Regeln evozieren zwei grundlegende Konsequenzen für das Alltagshandeln in diesem Untersuchungsfeld: Erstens müssen Beschäftigte und Mitarbeitende ihre physischen, eigentlich unbewusst-routinierten Bewegungen im Alltag reflektieren und mittels Externalisation und Abtastung an die neuen Abstandsregeln anpassen (Alkemeyer und Bröskamp 2020, 70; Goffman 1974, 32–34). Zweitens ist sichtbar geworden, dass potenziell bereits existierende Hierarchien formell gestärkt werden, da den Fachkräften zusätzlich zu ihren sonstigen Aufgaben – Beschäftigte anweisen und fördern (§9 WVO) – erweiterte Weisungsbefugnisse zugeteilt werden.

Diese formale Stärkung der Hierarchie findet in der Praxis eine eher ambivalente Entsprechung. Sowohl das Fachpersonal als auch die Beschäftigten achten auf das Abstandhalten und erinnern andere daran, da sie versuchen »eine direkte Verletzung der Regeln zu vermeiden« (Goffman 1974, 93). Grundsätzlich scheinen die Regeln von den Beschäftigten akzeptiert und selbstständig eingehalten zu werden (vgl. 3.1). Einige Beschäftigte entziehen sich Weisungen durch Vorgesetzte, wenn sie den Grund des Hinweisens nicht anerkennen und die körperliche Nähe zu anderen suchen (vgl. 3.2) oder die Autorität der Weisenden anzweifeln (vgl. 3.3). Vonseiten des Fachpersonals werden aber Ausnahmen gewährt, wenn davon ausgegangen wird, dass jemand die Regeln nicht verstehen und keine Verantwortung für das eigene Handeln übernehmen kann (vgl. 3.4).

Sowohl die Beschäftigten als auch das Personal tun sich damit schwer, die plötzlich geforderte körperliche Distanz einzuhalten, die den gewohnten Gepflogenheiten widerspricht. Das zeigt sich insbesondere an der Rolle der Praktikantin, die als neue, nicht an den Alltag in der Einrichtung gewöhnte und nur zeitweilige Mitarbeiterin am meisten darum bemüht zu sein scheint, die Umsetzung der Covid-19-Regeln durchzusetzen. Damit versucht sie, ihren Platz in einer informellen Hierarchie und einem Beziehungsgefüge zu behaupten, das sie noch nicht vollständig erfasst hat.

Grundsätzlich scheint das Hinweisen auf das Abstandhalten, das gestisch und verbal externalisiert wird, bei den Gerügten einen Rechtfertigungsdruck auszulösen. Die Abfolge aus Annähern, Abweisen und Entschuldigen/Erklären geht mit der impliziten Zuweisung von Eigenschaften wie unachtsam, unwissend oder gar übergriffig einher. Die verbalen und gestischen Zurückweisungen werden auch als affektive Zurückweisungen interpretiert und führen entweder zum Rückzug der sich nähernden Person oder dem Druck, sich und die »wahren« Motive für die Annäherung erklären zu wollen (vgl. 3.2). Diese Kränkungen verweisen auch darauf, dass, wie Gallati (2012) beschrieben hat, nicht nur der persönliche Raum von behinderten Menschen in besonderer Weise prekär ist, sondern auch ihr Informationsreservat. Das heißt, es handelt sich um ein ständiges Ringen darum, ernst genommen, in den eigenen Intentionen anerkannt zu werden und die Kontrolle über das eigene Selbst- und Fremdbild zu behalten – was sich mit Sicherheit auch auf weniger hierarchisierte Beziehungen zwischen ausschließlich nicht-behinderten Menschen übertragen lässt. Pandemiebedingte Neuaushandlungen der Territorien des Selbst können zumindest temporär und situativ Differenzen zwischen behinderten und nicht-behinderten Menschen, ihren angenommenen Kompetenzen und Fähigkeiten und den zwischen ihnen installierten Hierarchien zugunsten der behinderten Menschen verwischen und ansonsten vorherrschende Eindeutigkeiten irritieren. Die neue Situation führt dazu, dass alle Beteiligten die Anforderungen erst lernen müssen und auf ihr eigenes, aber auch fremdes Verhalten verstärkt Acht geben und reflektieren.

Es wird deutlich, dass die Praxisteilnehmenden in der alltagspraktischen Verschränkung der Dispositive von (Erwerbs-)Arbeit, Behinderung und Covid-19 sprichwörtlich um ihre räumliche wie auch soziale Positionierung ringen. Nicht immer stellen dabei die hergebrachten Unterscheidungen zwischen behinderten und nicht-behinderten Menschen und zwischen weisungsbefugten Vorgesetzten und weisungsgebundenen Arbeitenden die Leitunterscheidungen dar und auch die pandemiebedingte Subjektdifferenzierung aus »Verantwortungsvollen und Leichtsinnigen« (Hirschauer 2020, 222) scheint nicht zum neuen Masterstatus zu werden, sondern es zeigt sich vielmehr eine komplexe Mischung aus Zugehörigkeitsansprüchen, die sich beispielsweise über die Dauer der Beschäftigung in der Einrichtung ableiten, und grundsätzlich ambivalenten Umgangsweisen mit behinderten Menschen, die Förderung und Bevormundung einerseits, aber auch Entpflichtungen von eigen- und fremdverantwortlichem Handeln andererseits bedeuten können.

Auf Ebene der Arbeitspraxis weist die dispositivanalytisch informierte Forschungsperspektive darauf hin, wie Praktiken der Arbeit, der Fürsorge und der Hygieneregeln, die jeweils unterschiedliche körperliche Nähe verlangen, zu Konflikten und Aushandlungen von disponierenden und disponierten Subjektivitäten führen. Die ethnografische Analyse hat gezeigt, dass die zwar formell gestärkte Hierarchie zwischen behinderten und nicht-behinderten Protagonist:innen im Arbeitsalltag zu nicht immer konfliktfreien Aushandlungen der körperlichen Begegnungen führt.

Anmerkungen

[1]
Diese Bezeichnungen werden im Folgenden verwendet, um die Unterscheidung zwischen behinderten Beschäftigten, die als Rehabilitanden in den Werkstätten beschäftigt sind, und den (in der Regel) nicht-behinderten Mitarbeitenden bzw. dem Fachpersonal zu verdeutlichen.
[2]
Diese Studie ist Teil des Forschungsprojekts »Dispositive von ›dis/ability‹ im gesellschaftlichen Wandel: (Erwerbs-)Arbeit als biographische Erfahrung und Alltagspraxis im Kontext von (Nicht-)Behinderung«, das an der Universität zu Köln unter der Leitung von Anne Waldschmidt durchgeführt und von der DFG unter der Projektnummer 405662445 gefördert wird. Ich danke Anne Waldschmidt, Fabian Rombach und Lisa Prior sowie den anonymen Gutachter:innen und den Herausgeberinnen für die vielen wertvollen und konstruktiven Anmerkungen zu diesem Beitrag.
[3]
Umgekehrt zeigt sich, dass in der persönlichen Assistenz diese Territorien zwischen Assistenznehmer:innen und -geber:innen neu verhandelt werden (Kotsch 2012, 180–184).
[4]
In den Feldprotokollen gibt es mehrere, wenn auch wenig ausführlich beschriebene Passagen, in welchen die Fachkräfte en passent auf fehlende Abstände hinweisen und diese Hinweise von den Beschäftigten ohne nennenswerten Widerstand befolgt werden. Die knappe Protokollierung dieser Situationen werte ich als Hinweis darauf, dass die Beschäftigten mit den Anweisungen der Fachkräfte meist einverstanden sind.

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Die Autorin

Sarah Karim, Dr. phil., Soziologin, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Arbeitsbereich »Soziologie und Politik der Rehabilitation, Disability Studies« an der Universität zu Köln. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind: Disability Studies, Soziologie der Behinderung, Subjektivierungs-, Diskurs- und Dispositivanalyse, Praxistheorien, Ethnografie

Kontakt:
Dr. phil. Sarah Karim,
Universität zu Köln, Soziologie und Politik der Rehabilitation, Humanwissenschaftliche Fakultät,
Frangenheimstr. 4, D-50931 Köln;
E-Mail: sarah.karim@uni-koeln.de