Lehren und Lernen rekonstruktiver Forschungsmethoden mit generativen Sprachmodellen in hybriden Forschungswerkstätten?

Theoretische und empirische Befunde

Fabio Roman Lieder & Burkhard Schäffer

Journal für Psychologie, 31(2), 131–154

https://doi.org/10.30820/0942-2285-2023-2-131 CC BY-NC-ND 4.0 www.journal-fuer-psychologie.de

Zusammenfassung

Vor dem Hintergrund der verstärkten Aufmerksamkeit für die Lehre qualitativer Methoden und dem darin fortschreitenden Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) geht es in diesem Beitrag um die Frage, inwiefern die Lehre von Verfahren rekonstruktiver Methoden, insbesondere der Dokumentarischen Methode, mittels generativer Sprachmodelle unterstützt werden kann. Der Beitrag beginnt mit einer Differenzierung von Interpretationseinstellungen, -orientierungen und -haltungen sowie der Unterscheidung von Methodenwissen und Methodenkönnen. Die Bedeutung von Forschungswerkstätten als Ort der Lehre von Methodenkönnen wird hervorgehoben und es werden kognitionswissenschaftliche Perspektiven in Bezug auf Forschungswerkstätten diskutiert. Nach einer Rekonstruktion der Möglichkeiten derzeitiger Sprachmodelle wie ChatGPT wird auf der Basis von Gruppendiskussionen zunächst der herkömmliche Workflow qualitativen Forschens empirisch beschrieben und dann eruiert, wie sich die Integration von KI in diese herkömmlichen Interpretationsabläufe gestalten könnte. Der Beitrag schließt mit einer Diskussion über die Potenziale und Herausforderungen der Integration von KI in die Lehre rekonstruktiver Methoden.

Schlüsselwörter: künstliche Intelligenz (KI), ChatGPT, generative Sprachmodelle, Rekonstruktive Sozialforschung, Workflow qualitativen Forschens, Dokumentarische Methode, Forschungswerkstätten

Teaching and Learning Reconstructive Research Methods Using Large Language Models in Hybrid Research Workshops?

Theoretical and Empirical Findings

Against the background of the increased attention to teaching qualitative methods and the progressing use of artificial intelligence (AI), this article deals with the question of to what extent the teaching of practices of reconstructive methods, especially the documentary method, can be supported using AI. The article begins with differentiating interpretive attitudes, orientations, and stances and the distinction between method knowledge and skills. The importance of research workshops as a site for teaching method skills is highlighted and cognitive science perspectives related to research workshops are discussed. After reconstructing the capabilities of current Large Language Models such as ChatGPT, the article first empirically describes the conventional workflow of qualitative research based on group discussions and then explores how AI integration into these conventional interpretive workflows might play out. The article concludes with a discussion of the potential and challenges of integrating AI into the teaching of reconstructive methods.

Keywords: artificial intelligence (AI), ChatGPT, Large Language Models, reconstructive social research, qualitative research workflow, documentary method, research workshops

1 Einleitung

In jüngster Zeit sind wir Zeugen von mindestens zwei Entwicklungen im Bereich qualitativer Sozialforschung. Zum einen erfährt die Lehre qualitativer Sozialforschung verstärkte Aufmerksamkeit (Schreier und Breuer 2020). Um herauszuarbeiten, was gelehrt wird bzw. werden sollte, steht unter anderem die konkrete Praxis des Interpretierens im Fokus, also das »doing interpretation« (Corrodi Katzenstein et al. 2021). Diese Zentralaktivität qualitativer Sozialforschung ist jedoch, allen programmatischen Äußerungen einer »rekonstruktiven« Sozialforschung zum Trotz, noch wenig empirisch erforscht. Zum anderen schreitet die Digitalisierung qualitativer Sozialforschung voran (Franken 2023). So finden spezialisierte Qualitative Data Analysis (QDA) Softwareanwendungen wie MAXQDA, NVivo, ATLAS.ti oder DokuMet QDA immer mehr Anwender/innen (z.B. Rädiker und Kuckartz 2019; Schäffer et al. 2020), Computational Thinking wird für die Vermittlung in den Sozialwissenschaften thematisiert (Ojha 2021) und findet zudem Eingang bei der methodischen Umsetzung sozialwissenschaftlicher Projekte (Nelimarkka 2023). In diesem Zusammenhang sind auch die jüngsten Entwicklungen im Bereich künstlicher Intelligenz (KI), insbesondere beim Natural Language Processing (NLP) unter der Verwendung generativer Sprachmodelle (in der internationalen Literatur auch als »Large Language Models« [LLM] bezeichnet; Schäffer und Lieder 2023) zu nennen. In diesem Beitrag werden die beiden Entwicklungen aufeinander bezogen und die Auseinadersetzung mit ihnen kulminiert in der Frage, inwiefern die Lehre von Verfahren rekonstruktiver Methoden der Sozialforschung, insbesondere der Dokumentarischen Methode (Bohnsack 2021), mittels KI unterstützt werden kann.

Wir beziehen uns dabei auf Ergebnisse aus einem laufenden Forschungsprojekt zur Integration von KI in den Interpretationsablauf mit einer QDA-Software.1 Zunächst werden wir einige theoretische Schlaglichter auf die Praxis des Interpretierens werfen (2.1–2.2) und dann Forschungswerkstätten als Orte der Lehre des Interpretierens beschreiben (2.3–2.4). Anschließend verdeutlichen wir unsere Perspektive auf das Handeln zusammen mit Medientechnologien im Prozess des Interpretierens (2.5) und stellen den Stand unserer Forschung im Hinblick auf den Einsatz generativer Sprachmodelle im Forschungsprozess dar (2.6). Im empirischen Teil des Beitrags (3) berichten wir von Ergebnissen aus Gruppendiskussionen mit Promovierenden, die zu ihrer Praxis des Interpretierens, ihrem medialen Interpretationshandeln sowie ihren Orientierungen im Hinblick auf das Interpretieren zusammen mit KI-Anwendungen Auskunft gegeben haben. Zentral ist hierbei die Rekonstruktion unterschiedlicher Workflows qualitativ-rekonstruktiven Forschens und die Frage, wie Forschende mit den neuen Möglichkeiten generativer Sprachmodelle vor dem Hintergrund ihres bisherigen Workflows umgehen. Abschließend beschäftigen wir uns hypothetisch-programmatisch mit neuen Modi des Lehrens und Lernens durch Kollaboration mit diesen Modellen (4). Im Fazit (5) geben wir einen Ausblick auf das Lehren und Lernen in »hybriden Forschungswerkstätten« (Schäffer und Lieder 2023).

2 Theoretischer Hintergrund

2.1 Interpretationseinstellungen, -orientierungen und -haltungen

Wir gehen davon aus, dass die Praxis des qualitativ-rekonstruktiven Forschens auch von den Interpretationseinstellungen, -orientierungen und -haltungen der Interpretierenden abhängt (Schäffer 2023), wobei für uns die Haltungen und Orientierungen am relevantesten sind. Während Interpretationseinstellungen unter Zuhilfenahme der Umfrageforschung scheinbar am leichtesten explizier- und überprüfbar sind, lassen sich Interpretationsorientierungen und -haltungen schwerer rekonstruieren. Auf Basis des Ankreuzverhaltens bei einer Fragebogenuntersuchung kann zum Beispiel eine »kreativ-risikoreiche«, von einer »konservativen, auf Sicherheit bedachten« Interpretationseinstellung unterschieden werden. Dies ist bei einer auf Interpretationsorientierungen ausgerichteten Perspektive nicht möglich. Eine Orientierung dokumentiert sich immer nur in einer kontextualisierten Relation zu etwas, ist also keine essenzielle, in einem eindeutigen Item abfragbare, sondern eine relationale Kategorie. Eine »risikoreiche Interpretationsorientierung« kann insofern nicht durch vorab festgelegte Itembatterien festgestellt, sondern nur über eine genaue Kontextanalyse erschlossen werden, die auch die Standortgebundenheit (Bohnsack 2021, 193ff.) der Forscher/innen berücksichtigt. Von daher können Interpretationsorientierungen nach unserem Dafürhalten nur auf der Basis möglichst detaillierter Erzählungen von und Beschreibungen des »Doing Interpretation« (Corrodi Katzenstein et al. 2021) rekonstruiert werden, unter anderem mit dem Ziel, negative und positive Gegenhorizonte von Interpretationspraxen zu differenzieren. Von Orientierungen lässt sich weiter der Begriff der Interpretationshaltungen abgrenzen. Diese sind noch mehr im Impliziten verborgen und verweisen auf die Verkörperung von etwas, also, um mit Bourdieu (1987) zu sprechen, auf die körperliche Hexis, die über Prozesse der Inkorporierung den Habitus prägt. Die Analyse von Interpretationshaltungen und damit korrespondierenden Habitusformen ist von daher vielleicht die anspruchsvollste Aufgabe, weil sie im Gegensatz zu Einstellungen, aber auch zu Orientierungen, am stärksten an implizite Dimensionen von Leiblichkeit gebunden ist.

Wir gehen im Folgenden davon aus, dass die uns vorrangig interessierenden Interpretationsorientierungen und -haltungen in einem langen Prozess wissenschaftlicher Sozialisation und zum Teil innerhalb von Forschungswerkstätten erworben werden. Hiervon werden die Workflows qualitativen Forschens wesentlich bestimmt und sie stellen auch das Fundament für das im nächsten Abschnitt beschriebene »Methodenkönnen« dar.

2.2 Methodenwissen und Methodenkönnen

Zwar wird in (guten) Lehrbüchern zu qualitativer Sozialforschung (z.B. Przyborski und Wohlrab Sahr 2021) nicht mit Beispielen aus der Interpretationspraxis gespart und so der Eindruck einer empirischen Fundierung erweckt, aber die Beispiele sind immer nur nachträglich vor dem Hintergrund des Wissens über das Ergebnis des bereits stattgefundenen Interpretationsprozesses rekonstruiert. Sie sind nicht Ergebnis von rekonstruktiver Forschung über den Prozess des Forschens selbst, sondern programmatische Äußerungen, wie gute Forschung sich zu vollziehen hat. Dies ist kein Einwand gegen Lehrbücher an sich, sondern soll nur darauf aufmerksam machen, dass die Anfangssituation beim empirischen Arbeiten – ein Transkript, ein Bild, ein Beobachtungsbericht etc. liegt ohne jegliche Interpretation vor – in Lehrbüchern nicht oder nur ansatzweise simuliert werden kann. Auch in Überblicksseminaren zu qualitativen Methoden oder entsprechenden YouTube-Lehrvideos kann ein Methodenkönnen allenfalls eingeschränkt vermittelt werden. In Lehrbüchern und Einführungsseminaren etc. werden insofern eher theoretische Wissensgrundlagen im Sinne eines »Knowing That« nach Ryle (1949, 28ff.) vermittelt. Das »Knowing How« (ebd.) des Interpretierens dagegen, verstanden als ein »Methodenkönnen« im Sinne der Beherrschung von konkreten handlungspraktischen Arbeitsschritten, wird bei avancierten Methoden »Tiefer Interpretation« (Schäffer 2022a, 30ff.) bislang überwiegend in Forschungswerkstätten vermittelt. Zu nennen sind hier zum Beispiel die Grounded-Theory-Methodologie (Corbin und Strauss 2015), die Objektive Hermeneutik (Wernet 2021), das narrationsstrukturelle Verfahren bzw. die sozialwissenschaftliche Prozessanalyse (Schütze 2016) oder die in diesem Beitrag als Beispiel dienende Dokumentarische Methode (Bohnsack 2021).

2.3 Herkömmliche Forschungswerkstätten als Ort der Vermittlung von Methodenkönnen

Aufgrund der genannten Defizite von Buch und herkömmlichem Seminar bzw. Vorlesung gelten im Bereich der Vermittlung und Aneignung qualitativ-rekonstruktiver Methoden bislang Forschungswerkstätten als Königsweg. Sie haben ihre Wurzeln in der Soziologie der Chicagoer Schule und sind in Deutschland vor allem durch Anselm Strauss (1991) bekannt gemacht sowie unter anderem von Fritz Schütze und Gerhard Riemann (Riemann 2018) etabliert worden und haben sich in unterschiedlichsten Varianten und Formen ausdifferenziert (Rundel und Hoffmann 2022). Wie der Werkstattbegriff nahelegt, wird in einer Forschungswerkstatt nicht mit (fertigen) Beispielinterpretationen, sondern mit noch nicht interpretierten empirischen Materialien gearbeitet bzw. je nach Ausrichtung mit Interpretationsvorlagen von Einbringenden, die von den Mitforschenden einer konstruktiven Kritik unterzogen werden. Forschungswerkstätten lassen sich als eine Form des »Situated Learning« beschreiben, bei der die Lernenden durch »Gruppeninterpretationen« (Reichertz 2013a, 51) einsozialisiert werden in »Communities of Practice« (Wenger 1998) des Interpretierens. Dieser Prozess vollzieht sich, wenn er gut läuft, unter Anleitung eines »bescheidenen Meisters« (Hoffmann und Pokladek 2010, 209) im Modus der »Legitimate Peripheral Participation« (Lave und Wenger 1991), das heißt, dass Noviz/innen in diesen Communities zunächst einmal »einfach dabei« sind, zuschauen, wie erfahrenere Mitglieder ihre Interpretationen angehen, und erst nach einer Weile selbst eine Interpretation einbringen. Personen in Qualifikationsphasen erwerben so nach und nach ein handlungspraktisches Wissen um den »Entdeckungszusammenhang« (Hoyningen-Huene 2013, 90–91) rekonstruktiver Sozialforschung, der in Lehrbüchern oder herkömmlichen Überblicksseminaren schwer zu vermitteln ist oder, in den bislang explizierten Begrifflichkeiten: Sie erwerben ein Methodenkönnen, das mit Interpretationsorientierungen und -haltungen unterfüttert ist.

2.4 Forschungswerkstätten: embedded, embodied, enactive und extended

Die herausragende Bedeutung von Forschungswerkstätten für die Praxis qualitativen Forschens lässt sich im Licht jüngerer erkenntnistheoretischer Debatten zur Philosophie der Verkörperung und insbesondere zum Konzept des ausgedehnten Geistes (Clark und Chalmers 1998) untermauern. Die vier Hauptkonzepte, die die Verkörperungsthese bilden, sind allgemein als die vier »E« bekannt: »Embedded«, »Embodied«, »Enactive« und »Extended« (vgl. zum Folgenden Fingerhut, Hufendiek und Wild 2021, 73ff.): Das Konzept von »Embedded« basiert auf der Vorstellung, dass die Umgebung eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung kognitiver Prozesse spielt. Die »Embodied«-Perspektive betont, dass kognitive Prozesse nicht nur ein Produkt des Geistes (mit Sitz im Gehirn) sind, sondern sich im gesamten Körper abspielen. Die »Enactive«-Perspektive geht davon aus, dass kognitive Prozesse durch aktive Interaktion mit der eigenen Umgebung erzeugt werden. Verständnis und Denkprozesse sind hier auch von den, die kognitiven Fähigkeiten prägenden und verändernden Handlungen und Erfahrungen abhängig. Der Begriff »Extended« bezieht sich in diesem Zusammenhang und aus kognitionswissenschaftlicher Perspektive auf die Idee, dass kognitive Prozesse über den physischen Körper hinaus auf die Umwelt ausgedehnt werden können (Clark und Chalmers 1998). Modi des Denkens und Verstehens hängen in dieser Perspektive auch von externen Ressourcen wie Technologien, Werkzeugen und sozialen Netzwerken ab, mit denen kognitive Fähigkeiten verbessert und/oder ergänzt werden können.

Für das Verständnis der Bedeutung herkömmlicher Forschungswerkstätten für die Ausbildung von, auf entsprechenden Interpretationsorientierungen und -haltungen fußendem, Methodenkönnen sind alle vier Dimensionen relevant. Mit der Embedded- und der Embodied-These ist auf die Wichtigkeit physischer Kopräsenz sowie auf die Bedeutung von Kontext und Situation für den kollektiven Interpretationsprozess verwiesen. Deutlich wurde dies in jüngster Zeit insbesondere durch die Differenzerfahrungen, die Forschende mit Onlineforschungswerkstätten machen (Ruppel 2020). Die Enactive-These unterstreicht die Wichtigkeit der schon von Lave und Wenger herausgearbeiteten »Legitimate Peripheral Participation« (1991): Nur über das behutsame Heranführen von Noviz/innen, das zunächst vor allem auf Prozessen der Mimesis beruht (Gebauer und Wulf 1992), gewinnen die Neulinge langsam Handlungssicherheit beim Interpretieren.

Die Extended-Perspektive schließlich ist zentral für die weiteren Überlegungen zum Zusammenspiel von individueller Interpretationspraxis am Schreibtisch, der kollektiven Interpretationspraxis in der Forschungswerkstatt und der Zuhilfenahme von KI-Anwendungen. Mit diesem Ansatz verlagert sich der Schwerpunkt der Analyse weg von individuellen Denkprozessen hin zu den Interaktionen zwischen Individuen und ihrer sozialen, kulturellen und materiellen Umgebung. Uns interessieren insbesondere die letztgenannten (medien-)materiellen Umgebungen. Hierbei sind medien- und technikbezogene Ansätze weiterführend.

2.5 Handeln zusammen mit Medientechnologien im Rahmen von Aufschreibesystemen

Meist wird die Tatsache »geblackboxt«, dass qualitative Sozialforschung ganz wesentlich von den eingesetzten Medientechnologien abhängt. Mit dem Begriff des Blackboxen beschreibt der Techniksoziologe Bruno Latour (1998) einen Prozess des Absinkens der Wahrnehmung von technologischen Innovationen in ein selbstverständliches Hintergrundwissen, das immer nur dann gestört wird, wenn die Technik nicht mehr funktioniert. Durch das Blackboxen all der heutzutage beim Interpretieren »genutzten« Medientechnologien (von der Schreibmaschine, über den Kassettenrecorder, die MP3-Technologie, Schreib- und Tabellenprogramme, QDA-Software etc.) gerät aus dem Blick, dass sich hierdurch in einem schleichenden Prozess auch die Modi des Interpretierens selbst verändert haben und weiterhin verändern werden (Schäffer 2022b). Die Materialität der Medien spielt beim Interpretationsprozess eine größere Rolle, als es Interpretierende aus einer anthropozentrischen Perspektive heraus wahrhaben wollen. Von daher ist auch eine Werkzeugperspektive, demnach Interpretierende eine Software oder das Aufnahmegerät etc. für ihre Forschung »benutzen«, nicht angebracht. Vielmehr lässt sich mit Latours Akteur-Netzwerk-Theorie (1998) die Interpretationspraxis als ein Handeln von Interpretierenden zusammen mit den jeweils bereitstehenden Medientechnologien konzipieren. Das sich bildende Geflecht aus menschlichen und nichtmenschlichen Entitäten beim Interpretationshandeln kann insofern als ein interpretierender »hybrid actor« (Latour 1994, 33) bezeichnet werden. Aus der Perspektive des Medientheoretikers Friedrich Kittler (2003) lässt sich dieser Hybridakteur als Teil eines »Aufschreibesystems« fassen, dessen Relationen sich mit dem Hinzukommen neuer Medientechnologien ständig wandeln.

2.6 Weiterentwicklung qualitativ-rekonstruktiver Sozialforschung durch KI

Vor dem Hintergrund der Komplexität der Formen des zu erwerbenden handlungspraktischen Interpretationswissens – hier als Interpretationskönnen zusammengefasst – sowie der Komplexität des Interpretationsprozesses im Zusammenspiel von individuellem Interpretieren zusammen mit Medientechnologien und kollektivem Interpretieren im Rahmen von Forschungswerkstätten, ist die Frage, wie generative Sprachmodelle sich in dieses komplexe Handlungs-, Wissens- und Könnensgeflecht einfügen, keineswegs trivial. Dieser Prozess kann vielmehr als Anwendungsfall von »Collaborative Intelligence« gefasst werden. Mit diesem Begriff wird in der jüngeren Diskussion das produktive Zusammenspiel von Menschen und KI-Anwendungen gefasst (Schleiger et al. 2023). Im Folgenden werden zunächst die generativen Sprachmodelle kurz vorgestellt und danach der Stand unserer Forschungs- und Entwicklungsarbeit mit ihnen skizziert.

2.6.1 Generative Sprachmodelle und Prompt Engineering

Unter generativen Sprachmodellen sind Large Language Models (LLMs) auf Basis computerlinguistischem Natural Language Processing (NLP) zusammengefasst, die Texte erzeugen können, die natürlich klingen (Zhou et al. 2023). Sie basieren auf der General Pretrained Transformer (GPT) Technologie (Rothman 2022), die vom Unternehmen OpenAI durch ChatGPT einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden ist. Diese Modelle werden mittels sogenannten Deep Learning, einer Spezialanwendung von Machine Learning, mit sehr großen Mengen an Text vortrainiert (GPT-3 zum Beispiel mit 175 Mrd. Parametern, vgl. Wu et al. 2023), sodass sie zum Beispiel grundsätzlich in der Lage sind, beliebige Anfragen mehr oder weniger gut zu beantworten oder Textergänzungen vorzunehmen. Die LLMs »verstehen« Text nicht, sondern geben lediglich die wahrscheinlichsten Anschlüsse von ähnlichen Textpassagen wieder. Deswegen wurden sie etwas abschätzig auch als »stochastic parrots« (Bender et al. 2021) bezeichnet, also als stochastische Papageien, die sinnfreie Wörter von sich geben, die nur den Anschein von Sinn erzeugen.2

Die Modelle können mittels sogenanntem Prompt Engineering (Bach et al. 2022) modifiziert werden. Ein Prompt ist eine Eingabe in natürlicher Sprache in ein Textfeld, mit der den Modellen Aufgaben zugewiesen werden können. Dies eröffnet große Möglichkeiten für ein sozialwissenschaftliches Prompt Engineering. Ein einfacher Prompt wäre zum Beispiel die folgende Aufforderung: »Interpretiere das eingegebene Transkript nach Maßgabe der Dokumentarische Methode.« Die Herausforderung beim sozialwissenschaftlichen Prompt Engineering besteht darin, eine komplexe sozialwissenschaftliche Methodologie, wie etwa die Dokumentarische Methode (Bohnsack 2021), durch das Herunterbrechen auf gut formulierte Prompts dem System zu vermitteln. Um die Frage nach der Menschenähnlichkeit der Modelle zu umgehen, sprechen wir in diesem Beitrag von KI-Interpretation oder KI-gestütztem Interpretieren. Auf diese Weise soll deutlich werden, dass wir vorerst davon ausgehen, dass die Interpretation empirischen Materials durch menschliche Forschende (zum Teil) anders erfolgt als durch ein KI-Modell. Wenngleich festzuhalten ist, dass die erzielten Ergebnisse mittels maschineller Interpretation denen menschlicher Interpretationen verblüffend ähnlich sind. An dieser Stelle wird die Alterität von künstlicher Intelligenz besonders deutlich (Loh 2018, 12). Es wird durch ein nicht-menschliches Vorgehen, einer streng rationalen, stochastischen Auswertung vektorisierter numerischer Wortbausteine (Tingiris 2021, 12), ein Ergebnis erzielt, das einer menschlichen Praxis unheimlich ähnlich sieht, aber eben doch andersartig ist. Dieser Effekt ist in einem anderen Kontext als »Uncanny Valley« (Mersch et al. 2023; Mori, MacDorman und Kageki 2012) bekannt, demzufolge die menschliche Akzeptanz für Roboter schlagartig abfällt, wenn diese dem Menschen zu sehr ähneln.

2.6.2 Der aktuelle Stand: Formulierende und Reflektierende Interpretation mit GPT-4 in DokuMet AI

Die zentrale methodologische Unterscheidung der Dokumentarischen Methode zwischen dem immanenten (was Thema ist) und dem dokumentarischen Sinn (wie das Thema behandelt wird) führt in der Forschungspraxis zu zwei getrennten Interpretationsschritten: In der Formulierenden Interpretation (1) wird die thematische Struktur eines Textes entschlüsselt, die Reflektierende Interpretation (2) dagegen zielt auf die Reflexion seiner impliziten (konjunktiven) Anteile, etwa der »Orientierungsrahmen« der Beforschten (Bohnsack 2021). Seit der Einführung von GPT-4 im März 2023 lässt sich diese Trennung der Interpretationsarten durch entsprechendes Prompt Engineering bewerkstelligen. Im KISOFT Projekt haben wir einen Prototyp namens DokuMet AI entwickelt, der über eine Programmierschnittstelle mit GPT-4 verbunden ist und von einer eingegebenen Transkriptpassage eine Formulierende und eine Reflektierende Interpretation erstellen kann (vgl. Abbildung 1).

DokuMet AI (www.dokumet.de/dokumet-ai)

Derzeit ist eine sequenzielle Interpretation mehrerer Textpassagen oder ein Vergleich zwischen Transkripten im Rahmen einer komparativen Analyse aufgrund von Zeichenbegrenzungen noch nicht möglich, aber es zeichnet sich ab, dass GPT-4 oder andere Modelle wie zum Beispiel Claude 2 von Anthropic in naher Zukunft weitaus größere Speicherkapazitäten anbieten werden, sodass die Modelle über entsprechendes Prompting dazu gebracht werden können, mehrere Passagen hintereinander mit Bezug aufeinander zu interpretieren. Insofern ist nunmehr ein sequenzanalytisches Vorgehen möglich und auch der wichtige Schritt der komparativen Analyse – der Vergleich mit Transkripten aus anderen Fällen – kann durchgeführt werden. Ein in der öffentlichen Diskussion immer wieder angeführter Kritikpunkt an generativen Sprachmodellen, dass sie halluzinieren (Ji et al. 2023), verwandelt sich bei der Interpretation nach der Dokumentarischen Methode in einen Pluspunkt. Gerade dieses Generieren abwegiger Aussagen führt zu abduktionsähnlichen Vorschlägen der KI3 – wir möchten das KI-generierte Abduktionssimulation nennen –, die von menschlichen Interpretierenden aufgegriffen und als Ausgangspunkt für weitergehende Perspektiven genutzt werden können. Insofern sollte den KI-Interpretationen nicht blind vertraut, aber ihr Potenzial, überraschende Lesarten zu produzieren, von den Interpretierenden ausgeschöpft werden.

Bevor wir uns mit möglichen Settings für das Lehren und Lernen mit generativen Sprachmodellen beschäftigen, möchten wir die Frage adressieren, wie Forschende mit den neuen Möglichkeiten der KI vor dem Hintergrund ihres bisherigen Workflows qualitativen Forschens umgehen.

3 Workflows qualitativen Forschens

Um die in den Abschnitten 2.1 bis 2.4 herausgearbeitete Komplexität qualitativ-rekonstruktiven Forschens empirisch zu rekonstruieren, haben wir drei Gruppendiskussionen (Loos und Schäffer 2001) mit Forschenden durchgeführt. Die Gruppen differieren nach Alter, Geschlecht und Fachgebieten. Sie eint, dass sie sich (fast) alle in der Qualifikationsphase zur Promotion befinden, qualitativ-rekonstruktiv mit der Dokumentarischen Methode forschen und einen sozial- und bildungswissenschaftlichen Bezug haben. Die Diskussionen wurden 2022 durchgeführt. Die Teilnehmer/innen sind in der Mehrzahl weiblich und befinden sich in der Anfangsphase einer bildungs- bzw. sozialwissenschaftlichen Promotion. Die Geburtsjahrgänge der Teilnehmer/innen sind von 1975 bis 1993 gleichmäßig gestreut. Die Gruppen wurden danach gefragt, wie sie vorgehen, wenn sie interpretieren. Hierzu wurde ein offener Gesprächsimpuls wie zum Beispiel folgender gegeben:

Y: »Ich würd von euch gerne wissen, wie interpretiert ihr eigentlich, also was ist der Prozess welche Erfahrungen habt ihr gemacht und erzählt einfach mal ähm wie das bei euch so abläuft und was da so passiert, frei heraus« (Gruppe Sucher, 16–19).

Zu einem späteren Zeitpunkt der Diskussion haben wir den Gruppen Interpretationen von Transkripten durch ein generatives Sprachmodell gezeigt und hieran mit folgender Aufforderung angeschlossen:

Y: »[…] und wenn ihr sowas lest. das ist eine KI generierte Interpretation. was geht euch da durch den Kopf? welche Gedanken ploppen da auf? erzählt mal« (Gruppe Frauen, 1187–1190).

An diesen Gesprächsimpuls schlossen sich Diskussionen an, die wir im Hinblick auf die Handlungsorientierungen (Nohl et al. 2015) der Gruppen bezüglich KI rekonstruiert haben. Mit Bezug auf den ersten Fragekomplex nach den herkömmlichen Interpretationspraxen konnten wir explorativ verschiedene Modi operandi des Interpretierens herausarbeiten. Diese lassen sich als »Workflows« qualitativen Forschens beschreiben und in unterschiedliche Formen unterscheiden. Unter einem Workflow verstehen wir die Abfolge von typischerweise vorkommenden Schritten beim Interpretieren erhobenen Materials. Im Folgenden stellen wir drei Modi dar: einen rekursiven Workflow, der beschreibt, wie Forschende zwischen dem Forschen für sich allein (»Solointerpretation«) und der Eingebundenheit in Forschungswerkstätten (»Ensembleinterpretation«) pendeln (3.1). Beim medial-verteilten Workflow wird das Interpretationshandeln der Forschenden zusammen mit Medientechnologien beschrieben (3.2). Eine dritte Variante haben wir antizipierten KI-Workflow genannt, da er noch keinen etablierten oder gar habitualisierten Workflow darstellt. Hier werden auf Basis der Diskussionen über die Interpretationsergebnisse des generativen Sprachmodells die Haltungen und Orientierungen im Hinblick auf KI rekonstruiert (3.3).

3.1 Rekursiver Workflow zwischen Solo- und Ensembleinterpretation

Beim rekursiven Workflow wird das individuelle Arbeiten im eigenen Forschungsprojekt (die alleinige bzw. »Solointerpretation«) mit dem gemeinschaftlichen Forschen in Forschungswerkstätten, verbunden (der »Ensembleinterpretation«). Bei ertragreichen rekursiven Workflows wechseln Forscher/innen kontinuierlich zwischen diesen beiden Sphären, um ihr Methodenwissen und Methodenkönnen zu erweitern. Die Ensemble-Solisten-Metapher bringt dabei unseres Erachtens recht treffend zum Ausdruck, dass Interpretationen selten isoliert stattfinden, sondern immer auch sozial eingebunden sind. Ein zentrales Element des rekursiven Workflows ist die Wertschätzung verschiedener Perspektiven im Forschungsprozess, die Am in der Gruppendiskussion zum Ausdruck bringt.

Am: »Ja ich würde die die Forschungswerkstatt als ne große Bereicherung auch sehen und eben halt auch ne Chance sozusagen aus dem Studierkämmerlein heraus äh zukommen also das is ja irgendwie so son Pendeln zwischen allein interpretieren zuhause und dann eben halt Austausch in der Gruppe und sozusagen einholen der anderen Perspektiven aus dem die Mitglieder der Forschungswerkstätten eben halt da so reinbringen und das find ich eben halt immer sehr wertvoll und n großer Gewinn und das hat immer so was rekursives« (Gruppe Profis, 79–85).

Am rahmt mittels der metaphorischen Wendung des »Herauskommens aus dem Studierkämmerlein«, eine hier noch nicht näher beschriebene, tendenziell unangenehme Situation. Es wird als eine »Chance«, also etwas Positives dargestellt, »herauszukommen«. Insgesamt dokumentiert sich hier eine äußerst positive Konnotation der gemeinschaftlichen Aktivität in der Forschungswerkstatt. An anderer Stelle wird in der gleichen Diskussion auf die Etablierung von Interpretationsroutinen durch Forschungswerkstätten verwiesen. Cw bezieht sich dabei auf die Aussage von Am.

Cw: »und das erhoffe ich mir auch son bisschen diese Routine diese ja das son bisschen durch die Forschungswerkstätten kommt, dass man dann nicht vor dem Material sitzt und wochenlang transkribiert und dann ewige Transkripte hat und dann überlegt ja was nehm ich, aber so wie ich das von Am entnommen habe ist das wahrscheinlich immer wieder die Herausforderung dann genau die Stellen zu finden und wenn man so alleine sitzt umso schwerer dann auf jeden Fall macht« (Gruppe Profis, 195–201).

Bei Cw kommt der negative Gegenhorizont des »alleine vor dem Transkript Sitzens« noch deutlicher zum Tragen. Wie bereits von Am ansatzweise artikuliert, wird die Solointerpretation aufgrund der Unsicherheit beim Interpretieren als belastend empfunden. Sie exemplifiziert dies mit den Schwierigkeiten, vermeintlich wichtige (»genau die«) Stellen im Transkript zu finden. Die Forschungswerkstätten können insofern als sich mit der Zeit etablierende konjunktive Erfahrungsräume (Bohnsack 2021) gesehen werden, in denen die Gruppenmitglieder die Unsicherheiten durch zu festigende Routinen bearbeiten können. Die Forschenden bringen ihre individuellen Erfahrungen in die sich etablierende konjunktive Forschungssphäre ein und profitieren von den Erfahrungen und Kenntnissen der anderen.

Der hier beschriebene rekursive Workflow ist besonders im Falle von Forscher/innen in Qualifizierungsphasen kein gegebener Zustand, sondern offenbart sich als eine zentrale Herausforderung während der Qualifikationsphase. Denn die Rekursivität stellt sich nicht automatisch ein, sondern muss von Forscher/innen aktiv hergestellt werden, was, wie der nächste Ausschnitt aus einer Gruppe mit dem Codenamen Frauen zeigt, mit Schwierigkeiten verbunden sein kann.

Bw: »habe sehr viel Unterstützung was das angeht. aber halt nich in Bezug auf des methodische Arbeiten oder methodologische Reflektieren oder wie auch immer da steh ich ziemlich alleine da und hab halt auch nach und nach das schon geschafft mir Leute zu finden aber das hat so lange gedauert weil ich hab Leuten geschrieben, ich habe irgendwie nach Interpretationsgruppe gesucht und krieg halt auch keine Antwort ne, und ich hatte zwischendurch halt schon son Gefühl von och wie wie geht das? wie machen die Leute das?« (Gruppe Frauen, 960–969)

Bw differenziert zwischen inhaltlich-gegenstandstheoretischer Unterstützung (»was das angeht«) und methodisch-methodologischer Unterstützung beim Arbeiten. Auch an ihren Einlassungen dokumentiert sich, homolog zu Cw und Am von der Gruppe Profis, eine gewisse Isolation beim Interpretieren im »stillen Kämmerlein«, die sie durch das Finden von Gleichgesinnten und/oder Expert/innen zu durchbrechen versucht. In der Formulierung »schon son Gefühl von och wie geht das? wie machen die Leute das?« dokumentiert sich einerseits der Wunsch nach einem tieferen Verständnis, andererseits beschreibt sie diese Fragen als »Gefühl« und leitet sie mit einem Stoßseufzer (»och«) ein, was eher auf eine Überforderung und daraus resultierende Verunsicherung bezüglich des richtigen Vorgehens beim Interpretieren hindeutet. Ihre Einlassungen sind ein Dokument dafür, dass die Integration solch rekursiver Workflows in den eigenen Forschungsprozess ein wichtiger Schritt im Rahmen von qualitativ-rekonstruktiven Arbeiten insgesamt ist. Diese Herausforderungen bei der Etablierung eines erfolgreichen rekursiven Workflows zeigen sich auch in der Gruppe Sucher:

Aw: »ich erlebs im Moment noch so, dass ich da relativ alleine noch am Interpretieren bin und hoffe, dass jetzt demnächst dann irgendwie so meine Teammitglieder mit einsteigen im Moment fühl ich mich da auch son bisschen allein auf weiter Flur, und freu mich jetzt also wir ham ne Klausur angesetzt […], wo wir dann auch wirklich wegfahren und wo wir dann einfach mal zwei Tage lang wirklich nur interpretieren und im Material arbeiten« (Gruppe Sucher, 50–56).

Die von ihr verwendete Metapher »allein auf weiter Flur« verweist auf eine Art existenzialistisches »Geworfen-Sein« in die Situation vor dem (noch) nicht interpretierten Transkript. Auch hier wird ein negativer Gegenhorizont der Solointerpretation deutlich. Dem alleinigen Interpretieren hofft sie durch eine »Klausur« zu entkommen, zu der »wirklich« weggefahren und »wirklich nur interpretiert« werden soll. Die Frage steht hier im Raum, ob das alleinige Interpretieren als »unwirklich« gerahmt und abgewertet und die Sphäre des gemeinschaftlichen Interpretierens und am Material Arbeitens als die eigentliche Sphäre des Interpretierens konzipiert wird. Hier deutet sich ein Orientierungsrahmen an, der die Bedeutung von gemeinsamer Arbeit und Zusammenhalt betont.

Insgesamt dokumentiert sich in den drei Gruppendiskussionen beinahe durchgängig ein negativer Gegenhorizont der Solointerpretation, dem ein positiver Gegenhorizont der Ensembleinterpretation in Forschungswerkstätten gegenübersteht. Bei allen Teilnehmenden sind große Unsicherheiten bezüglich der »richtigen« Interpretation festzustellen. Die Etablierung von Praxen rekursiver Workflows erscheint vor dem Hintergrund dieser Befunde als beinahe unabdingbar für den erfolgreichen Abschluss der Qualifikationsphase.

3.2 Medial-verteilter Workflow

Die Perspektive auf medial-verteilte Workflows lässt sich zunächst mit den Erfahrungen der Diskussionsteilnehmerin Dw von der Gruppe Sucher bei der Nutzung von DokuMet QDA beschreiben. Ein medial-verteilter Workflow bezieht sich auf die Modi des Arbeitens in einem sozio-technischen Geflecht. Dieses Geflecht setzt sich unter anderem aus den Interpretierenden und den technischen Medien zusammen, die zur Interpretation des Materials herangezogen werden. In Dws Fall umfasst das sozio-technische Geflecht die Verwendung der Software DokuMet QDA und von Microsoft Word (MS Word) als technische Medien und Dw selbst. Zusammen sind sie an der Interpretation von Gruppendiskussionen beteiligt:

Dw: »Jetzt ist es so, dass ich praktisch zweigleisig fahr mit der DokuMet QDA und das als unheimlich gute Stütze finde, weil ich die Möglichkeit hab, dass ich meine Interpretationsschritte einmal gesamt visualisiert habe und gleichzeitig so wie ich das eben noch von Ad mitbekommen habe aber auch Word-Dateien habe, die ich dann einpflege in DokuMet QDA und das ist praktisch es ist schon fast als ob das ne Interpretation, ein weiterer Interpretationsschritt ist« (Sucher, 119–125).

Mit »Zweigleisigkeit« spricht Dw das Handeln zusammen mit DokuMet QDA und mit MS Word an. Führt man sich die im Abschnitt 3.1 herausgearbeiteten Unsicherheiten bei der Solointerpretation vor Augen, kommt die Software hier in die Rolle eines funktionalen Äquivalents zu den Forschungswerkstätten: Die Visualisierung »stützt« den Interpretationsprozess homolog zur (erhofften) Unterstützung durch die Mitglieder einer Forschungswerkstatt. Neben der Unterstützung durch DokuMet QDA greift Dw auch auf Word-Dateien zu, die in die QDA-Software eingepflegt werden. Diese im Vergleich traditionellere Methode des Arbeitens deutet zunächst auf eine gewisse Skepsis gegenüber der ausschließlichen Nutzung von QDA-Softwarelösungen hin. Darüber hinaus dokumentiert sich aber auch eine Art medialer Synkretismus, also eine kreative Kombination unterschiedlicher Medientechnologien beim Interpretieren, der von Dw sogar als »weiterer Interpretationsschritt« gerahmt wird. Im weiteren Verlauf beschreibt Ad ihre Praxis mit DokuMet QDA als einen Zwischenschritt im Forschungsprozess. Sie erwähnt, dass das Kopieren von QDA-Interpretationstexten in Word-Dateien und das erneute Betrachten dieser Texte dazu führt, dass sie alles löscht und neu beginnt. Dieser Workflow ermöglicht es, den Forschungsprozess iterativ und reflexiv zu gestalten. Hierbei spielt die Übertragung von verschriftlichen Interpretationen zwischen den Medien eine wichtige Rolle.

Ad: »Ich wollte auch grad an das anschließen, was du auch vorhin gesagt hast Dw. Ich hab nämlich auch das Gefühl es durch dieses ähm wenn ich das in eine Forschungswerkstatt gebe oder überhaupt auch durch mich für die Ordnung um die einzelnen Interpretationstexte abzuspeichern in Word-Dateien [Dw: nickt] kopier ich das ja alles rüber und dann sehe ich das nochmal anders und was ich vorhin auch schon sagte [Dw: nickt], dann lösche ich alles. Also das heißt das ist tatsächlich ein Zwischenschritt. Also für mich ist die DokuMet ein Zwischenschritt« (Gruppe Sucher, 274–281).

Im Fall von Ad zeigt sich der medial-verteilte Workflow in der Verwendung von Word-Dateien als technisches Medium zur Speicherung und Organisation von Interpretationstexten. Durch das Kopieren und erneute Betrachten der Texte in diesem Medium wird Ad dazu angeregt, die bisherige Arbeit zu hinterfragen und gegebenenfalls zu verwerfen, um von vorne zu beginnen. Dieser Prozess ist ein Beispiel dafür, wie technische Medien und menschliche Akteure (in diesem Fall Ad) in einem sozio-technischen Geflecht zusammenarbeiten. Dabei scheinen solche Formen synkretistischer Medienkombinationen an der Tagesordnung zu sein. Auch bei diesem Übertragungsprozess kommt es zu Veränderungen bei den Interpretationsinhalten. Insofern haben die medialen Synkretismen durchaus einen epistemischen Effekt im Prozess des Forschens oder mit Nietzsche gesprochen, der dies Ende des 19. Jahrhunderts auf seine Erfahrungen mit der Schreibmaschine bezog: »Unser Schreibzeug arbeitet mit an unseren Gedanken« (Nietzsche 2002, 18).

3.3 Antizipierter KI-Workflow

Da die Teilnehmenden der Gruppendiskussionen noch nicht mit generativen Sprachmodellen gearbeitet haben, kann man auch nicht von etablierten KI-Workflows ausgehen, also zum Beispiel von einem Hin- und Herwechseln zwischen eigenen und KI-Interpretationen analog zum in Abschnitt 3.1 beschriebenen rekursiven Workflow zwischen Solo- und Ensembleinterpretation. Die von uns durch die Präsentation ausgewählter KI-Interpretationen angeregten Diskussionen sind insofern in erster Linie ein Dokument dafür, welche potenziellen (Handlungs-)Orientierungen bei qualitativ-rekonstruktiv Forschenden im Hinblick auf KI anzutreffen sind. Sobald sich im Feld qualitativer Sozialforschung generative Sprachmodelle weiter etablieren, werden sich nach unserem Dafürhalten entsprechende medial-verteilte Workflows in der Interaktion zwischen Interpretierenden und den Modellen ausbilden. Diese können dann analog zu Schreibmaschinen, Kugelschreibern, herkömmlichen Textverarbeitungs- und neueren QDA-Programmen als eine weitere Medientechnologie aufgefasst werden, die das interpretative Arbeiten, wie alle anderen neuen Medien zuvor, verändern wird.

Nach der Präsentation der KI-Interpretationen setzen sich die Teilnehmenden der Gruppe Profi zunächst mit der Technologie auseinander und reflektieren ihre eigene Position und Handlungsmöglichkeiten im Umgang mit der KI-Anwendung.

Am: »Ja das ist das hat ja sowas von Macht auch nä also @(.)@ das is ja irgendwie etwas von som unbekannten Dritten bekommst du geliefert und du setzt dich damit auseinander und wie wie wie wie beziehst du selbst Stellung dazu, nä, also bis bleibst du bei dir und sagst okay das ist ein Angebot von vielen oder vielleicht auch unbewusst kommt du so in diese Dynamik rein ah das ist bestimmt besser oder der hat bestimmt recht oder der das ist bestimmt überlegter also sozusagen dass man vielleicht so da äh nein in das Muster kommt dass die KI dann mächtig oder mächtiger wird« (Gruppe Profi, 620–627).

Hier wird die Rolle von KI in der rekonstruktiven Sozialforschung thematisiert und zwei Positionen einander idealtypisch gegenübergestellt: Man kann »bei sich bleiben« oder man lässt sich durch eine »unbewusste Dynamik« verunsichern. Vor dem Hintergrund der in 3.1 herausgearbeiteten Unsicherheiten der Teilnehmenden wird die hier von Am beschriebene »unbewusste Dynamik« verständlich. »Die KI« ist aus dieser Perspektive bestimmt »besser«, hat »recht«, ist »überlegter«, wodurch sie »mächtiger« wird. Insofern passt diese Befürchtung sehr gut in die negativ gefärbte Eigenwahrnehmung bezüglich ihres Interpretationskönnens. Darüber hinaus kann man die hier zum Ausdruck kommende Befürchtung vor einer »Machtergreifung« der KI auch als Dokument für die oben bereits kurz erwähnte »Uncanny Valley«-These (Mori, MacDorman und Kageki 2012) lesen: Wie bei Robotern scheint es auch beim Arbeiten mit generativen Sprachmodellen Umschlagpunkte zu geben, ab denen die Technologie unheimlich wird.

Die Teilnehmenden reflektieren ihre Autonomie und Handlungsfähigkeit in einer von KI geprägten Welt vor allem im Hinblick auf die Frage, wie sie sich diese Freiheiten bewahren können. Interessant ist, dass sie dies mit Bezug auf die Forschungswerkstätten oder andere genutzte Medien nicht tun, obwohl sie von dort auch »Unterstützung« und vielleicht sogar die eine oder andere Interpretationsidee zur Verfügung gestellt bekommen, was unseres Erachtens auf das eingangs erwähnte »Blackboxen« zurückzuführen ist.

Der sich hier am Horizont abzeichnende potenzielle mediale Workflow wird sicherlich auch von Ambivalenz und Unsicherheit geprägt sein. In diesem Zusammenhang zeigt sich dieser Workflow als ein Prozess, in dem die Teilnehmenden sowohl mit der KI als auch mit sich selbst und anderen Menschen interagieren, um ihre eigene Position und Handlungsmöglichkeiten in einer von KI geprägten Welt zu reflektieren und zu gestalten. Fw von der Gruppe Sucher artikuliert hier die Hoffnung, dass die KI eine Forschungswerkstatt simulieren könnte:

Fw: »[…] was ich mir was mir aufgefallen, was ich mir eigentlich noch wünschen würde, da ich auch alleine bin, außer unsere Forschungswerkstatt, die wir hier haben und wo wir uns hier austauschen können über die Interpretationen, wäre sowas wie ja wie irgendwie jemand also wenn die Software so etwas hergeben würde, die sozusagen die Forschungswerkstatt son bisschen simuliert« (Gruppe Sucher, 227–232).

Hier zeigt sich ein homologes Muster zu den Wünschen an die menschliche Forschungswerkstatt: Ihr Interesse an technologischen Lösungen ist homolog zu dem von Cw von der Gruppe Profis geäußerten Wunsch (vgl. Abschnitt 3.1) nach effizienter Arbeitsgestaltung und dem Austausch mit anderen in Forschungswerkstätten zu sehen. Nur, dass dieser Austausch jetzt eben technisch simuliert wird.

Insgesamt dokumentieren sich im Hinblick auf KI-Anwendungen in den Gruppen Handlungsorientierungen, die noch geprägt sind von deren bisherigen Erfahrungen mit medial-verteilten und rekursiven Workflows. Hoffnungen auf umfassende Hilfe einerseits und Ängste vor Autonomieverlust andererseits zeigen die Problematik auf, vor der Forschende im Qualifikationsprozess bei einer antizipierten Implementation generativer Sprachmodelle in den Interpretationsprozess stehen. Im Material gibt es auch Anzeichen dafür, dass die Umgangsweisen mit diesen sich nach Alter unterscheiden: Jüngere sind tendenziell affirmativ, Ältere hingegen eher skeptisch gegenüber den Möglichkeiten generativer Sprachmodelle eingestellt (Lieder 2023).

4 Neue Modi des Lehrens und Lernens durch Kollaboration mit generativen Sprachmodellen

Vor dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen möchten wir abschließend einige Möglichkeiten für das Lehren und Lernen interpretativer Verfahren im Zusammenspiel mit generativen Sprachmodellen skizzieren.

Mit Bezug auf das Lehren und Lernen von formalem Interpretationswissen – zum Beispiel über grundlagentheoretische Hintergründe, methodologische Grundannahmen und methodische Interpretationsschritte – können generative Sprachmodelle Informationen aus zuvor eingespeister Fachliteratur im Modus Question and Answer (Q & A) schnell abrufen und in unterschiedlichen Sprachstilen wiedergeben, etwa in einfacher Sprache. Studierende können sich so zum Beispiel das anspruchsvolle Einführungsbuch von Ralf Bohnsack (2021) niedrigschwellig aneignen. Solche Applikationen könnten auch Transferleistungen erbringen, etwa, wenn gefragt wird, was eine »Orientierung« im Kontext der Dokumentarischen Methode sei und das Modell gebeten wird, die gegebene Antwort nicht nur mit Bezug auf Passagen im Buch, sondern auch anhand eines zusätzlich eingegebenen Transkripts zu erläutern. Hier müssen noch datenschutz- und urheberrechtliche Belange geklärt werden und es können (nach jetzigem Stand) auch einige der Antworten grob fehlerhaft sein.

Beim praktischen Interpretationskönnen (das in diesem Beitrag im Mittelpunkt steht) lassen sich zwei Formen des hybriden Lehrens und Lernens mit generativen Sprachmodellen unterscheiden: a) dyadisches Lehren und Lernen im Modus der Solointerpretation und b) kollaboratives Lehren und Lernen im Modus der Ensembleinterpretation in einer Forschungswerkstatt (vgl. Abschnitt 3).

Bei der Solointerpretation kann ein generatives Sprachmodell als Abduktionssimulator Verwendung finden: Der/die Interpretierende gibt zum Beispiel in DokuMet AI einen Transkriptausschnitt ein und arbeitet mit den von der Anwendung generierten KI-Interpretationen in DokuMet QDA weiter, indem er oder sie Teile der Interpretation übernimmt oder verändert. Durch die Möglichkeit, mit dem Sprachmodell in Interaktion zu treten, entsteht im günstigsten Fall ein Austausch, der Lernen bei beiden Entitäten (Mensch und Modell) im Sinne eines Lerntandems begünstigt. Insofern liegt hier eine dyadische Konstellation vor, in der die generierten KI-Interpretationen den/die Forschende/n zu einem abduktiven Schluss (Reichertz 2013b) führen können, der wiederum zur Verbesserung der eigenen Interpretation führt. Forschende können auf diese Weise ihre Solointerpretationen von einer KI kritisieren, irritieren und inspirieren lassen und gegebenenfalls lernen sie auch, ihre eigene Standortgebundenheit zu reflektieren, da die Modelle auf Aspekte aufmerksam machen können, die sie übersehen haben. Allerdings besteht immer auch die Gefahr, dass sie die KI-Interpretationen kritiklos in affirmativer Weise übernehmen, ohne sie weiter zu verändern.

Das Prinzip der Abduktionssimulation kann auch beim Einsatz von KI-Interpretationen in einer Forschungswerkstatt Anwendung finden. Allerdings besteht in diesem Fall der Unterschied darin, dass das Sprachmodell hierbei nicht einem einzelnen Menschen dyadisch gegenübersteht, sondern einem Ensemble aus mehreren Menschen, sodass sich komplexere (polyadische) Interaktions- und Kommunikationsmöglichkeiten ergeben: Dem Modell kommt hier die Rolle eines/er Teilnehmers/in an der Diskussion über die Interpretation einer Textpassage zu. Es lassen sich unterschiedliche Modi der didaktischen Einbindung solcher KI-Interpretationen in einem Lehr-Lern-Setting vorstellen: zeitliche, räumliche und hierarchische.

Die Kunst der Leitung einer solchen »hybriden Forschungswerkstatt« (Schäffer und Lieder 2023, 120ff.) liegt dann nach unserem Dafürhalten darin, die menschlichen Anteile der Interpretationsarbeit im Blick zu behalten und zum Beispiel die Interpretationsgruppe proaktiv aufzufordern, die KI-Interpretationen infrage zu stellen. Auch können generative Sprachmodelle durch geschicktes Prompt Engineering an ihre Grenzen geführt und damit den Teilnehmenden verdeutlicht werden, wo die Limitationen des Arbeitens mit KI liegen. Für Lehrende eröffnet sich hier ein weites Feld, wie man KI-Interpretationen sinnvoll infragestellt, um gegebenenfalls die sich auch in unserer empirischen Erhebung dokumentierenden Unsicherheiten von Interpretierenden (vgl. Abschnitt 3) nicht noch zu verstärken.

5 Fazit und Ausblick oder: neue Möglichkeiten in Forschung und Lehre durch generative Sprachmodelle

In diesem Beitrag haben wir die Potenziale einer Kollaboration zwischen Forschenden und generativen Sprachmodellen im Sinne einer »Collaborative Intelligence« (Schleiger et al. 2023) beschrieben und einige Schlussfolgerungen für das Lehren und Lernen in KI-gestützten Forschungsumgebungen gezogen. Abschließend möchten wir zwei weiterführende Punkte hervorheben. Sie beziehen sich zum einen auf die Weiterentwicklung qualitativ-rekonstruktiver Methoden und zum anderen auf die nahe(nde) Zukunft des Lehrens und Lernens mit generativen Sprachmodellen.

  1. Wenn, wie aufgezeigt, mittels KI basale Interpretationsprozesse automatisiert werden können, werden qualitativ-rekonstruktiv Forschende zukünftig in die Lage versetzt, weitaus größere Fallzahlen zu bearbeiten und hierdurch qualitativ generierte »Typen, Typiken und Typologien« (Schäffer 2020) jeweils mit weitaus höheren Fallzahlen zu unterlegen. Bei hohen Fallzahlen steht dann auch die Möglichkeit einer (gewissen) statistischen Signifikanz im Raum, sodass die größere Tiefenschärfe (Validität) qualitativer Methoden bei entsprechender Samplebildung auch mit höherer Repräsentativität gekoppelt werden könnte.
  2. Es ist anzunehmen, dass sich in hybriden Forschungswerkstätten neue Stile des kollaborativen Interpretierens zusammen mit generativen Sprachmodellen herausbilden, die sich zudem mit dem zunehmenden Wissen der Teilnehmenden über das Verhalten dieser Modelle verändern werden. So werden sich handlungspraktische Wissensformen über adäquates Prompt Engineering entwickeln, die sich mit der Zeit zu neuen Interpretationsorientierungen und -haltungen sedimentieren, die dann wiederum geblackboxt werden. Vermutlich wird das gemeinsame Interpretieren mit einem Sprachmodell für qualitativ Forschende in ein paar Jahren genauso selbstverständlich sein wie die Nutzung von Textverarbeitungsprogrammen im Jahr 2023. Im Zusammenhang damit werden sich auch Haltungen und Orientierungen im Hinblick auf eine, bislang als genuin menschlich attribuierte Fähigkeit – das Interpretieren – fundamental verändern.

Anmerkungen

[1]
Das Projekt KISOFT wird gefördert von dtec.bw, dem Zentrum für Digitalisierungs- und Technologieforschung der Bundeswehr. dtec.bw wird von der Europäischen Union – NextGenerationEU finanziert.
[2]
Allerdings sind Menschen zunehmend weniger in der Lage, zu beurteilen, ob ein Text von einem generativen Sprachmodell oder einem Menschen produziert wurde – die neuen Sprachmodelle bestehen insofern mehr und mehr den sogenannten Turing Test (Turing 1994).
[3]
Zur Abduktion in der qualitativen Sozialforschung siehe Reichertz (2013b).

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Die Autoren

Burkhard Schäffer, Prof. Dr., Professur für Erwachsenenbildung/Weiterbildung, Universität der Bundeswehr, München, Fakultät für Humanwissenschaften, Institut für Bildungswissenschaft. Forschungsschwerpunkte: Methoden, Methodologien und Softwareentwicklung im Bereich qualitativer Erwachsenenbildungsforschung; aktuelle Forschungsprojekte: andragogische Perspektiven auf die Coronapandemie und Implementierung künstlicher Intelligenz in qualitativ-rekonstruktive Forschung; frühere Projekte: Alter(n)sbilder, lebenslanges Lernen und Weiterbildungsorientierungen, Generationsspezifische Medienpraxiskulturen und intergenerationelle Bildungsprozesse.

Kontakt: Universität der Bundeswehr, München, Werner-Heisenberg-Weg 39, D-85577 Neubiberg
E-Mail: burkhard.schaeffer@unibw.de
https://orcid.org/0000-0001-9396-3081

Fabio Roman Lieder, M.A., wissenschaftlicher Mitarbeiter der Professur für Erwachsenenbildung/Weiterbildung, Universität der Bundeswehr, München, Fakultät für Humanwissenschaften, Institut für Bildungswissenschaft. Forschungsschwerpunkte: Lehren und Lernen, Erwachsenenbildung, Technikphilosophie, Lehr-Lern-Interaktion zwischen Mensch und Technik, erkenntnistheoretische und didaktische Implikationen künstlicher Intelligenz, Erforschung und (Weiter-)Entwicklung softwaregestützter qualitativ-rekonstruktiver Datenanalyse.

Kontakt: Universität der Bundeswehr, München, Werner-Heisenberg-Weg 39, D-85577 Neubiberg
E-Mail: fabio.lieder@unibw.de
https://orcid.org/0000-0001-9735-323X