Die leise Macht der Scham

Rassismus, soziale Klasse und die (Re-)Produktion sozialer Ungleichheit

Mai-Britt Ruff & Flora Petrik

Journal für Psychologie, 32(1), 10–30

https://doi.org/10.30820/0942-2285-2024-1-10 CC BY-NC-ND 4.0 www.journal-fuer-psychologie.de

Zusammenfassung

Scham lässt sich als Scharnier zwischen individuellen Erfahrungen und gesellschaftlichen Bedingungen begreifen. Im Rahmen unseres Beitrags stellen wir uns die Frage, wie Scham in Machtverhältnissen wirksam wird und fokussieren dabei, in Rückgriff auf Bourdieus herrschaftskritische Soziologie, exemplarisch auf zwei verschiedene, wenn auch miteinander verwobene symbolische Gewaltverhältnisse: Klasse und Rassismus. Wie vermitteln sich Rassismus und Klasse in, durch und mit Scham? Welche Bedeutung kommt Scham in diesen Verhältnissen zu? Und wie lassen sich die Modi dieser Vermittlung systematisieren? Zur Bearbeitung dieser Fragen beziehen wir uns auf zwei interdisziplinäre Forschungsprojekte: Eine qualitativ-empirische Studie zu Bildungsaufsteiger*innen und eine konzeptionell-theoretische Studie über den Umgang mit Scham in der politischen Bildung. Darauf aufbauend rekonstruieren wir drei Facetten von Scham im Kontext symbolischer Gewaltverhältnisse: Scham als Scharnier der (Re-)Produktion (1), Scham als inhärent gekoppelt an Schamabwehr (2) und Scham in der Qualität einer Stimmung (3). Der Beitrag endet mit einem Ausblick auf weiterführende Fragen hinsichtlich der politisch-sozialen Situierung von Scham.

Schlüsselwörter: Scham, Beschämung, symbolische Gewalt, soziale Ungleichheit, Rassismus, soziale Klasse, Emotionen

The Quiet Power of Shame

Racism, Social Class, and the (Re-)Production of Social Inequality

Shame can be understood as a mediator between individual feelings and societal conditions. In our contribution, we pose the question of how shame becomes effective in power relations and, drawing on Bourdieu’s critical sociology of power, focus on two different, albeit intertwined, symbolic power relations: class and racism. How are racism and class mediated in, through and with shame? What is the role of shame in these relations? To address these questions, we refer to two interdisciplinary research projects: A qualitative-empirical study on social and educational upward mobility and a theoretical study on dealing with shame in civic education. Building on this, we reconstruct three facets of shame in the context of symbolic relations of violence: Shame as a hinge of (re)production (1), shame as inherently linked with shame defense mechanisms (2) and shame as a quality of attunement (3). The article ends with an outlook on further questions regarding the political-social situation of shame.

Keywords: shame, shaming, symbolic violence, social inequality, racism, class, emotions.

1 Einleitung

»Die Stimme der Scham ist leise, ihre Sprache aber konkret.«

Sighard Neckel 1991, 23

Scham erscheint als heimlichstes Gefühl1 der modernen Gesellschaft, postuliert Sighard Neckel (1991) in seiner umfassenden Studie über den Zusammenhang von Status und Scham. In dieser Heimlichkeit sei sie das Gefühl, »das nicht nur in sich schon den Wunsch weckt, sich zu verbergen, sondern selbst noch verborgen wird, weil es sich mit den Maximen der Selbstachtung so wenig verträgt« (ebd., 16). Wenn wir uns schämen, erleben wir uns als defizitär oder gescheitert, als mangelhaft, unangemessen oder im Grunde falsch (Schäfer und Thompson 2009; Dörr 2010). Scham begleitet Zurückweisung, reagiert auf Verstöße gegen (implizite) Normen, Erwartungen und Ideale (Landweer 1999), entsteht infolge eines Scheiterns oder von Sichtbarkeit, die wir nicht wünschen, nicht gewohnt sind, oder fürchten. Für das Gefühl der Scham finden sich sowohl alltagssprachlich als auch in der Forschungsliteratur verschiedene Bezeichnungen, die unterschiedliche Grade und Qualitäten von Scham abbilden. Diese reichen von Verlegenheit, Peinlichkeit, Schüchternheit, über schlechtes Gewissen und Unbehagen hin zu Entwürdigung, Erniedrigung und Schande (Scheff 2003). Soziologisch lassen sich diese verschiedenen Qualitäten nach Thomas Scheff (2000; 2003) dadurch bündeln, dass in ihnen eine Gefährdung der sozialen Zugehörigkeit signalisiert wird (Scheff 2003, 96–97). Dementsprechend ermöglicht Scham hinsichtlich ihrer Verknüpfung mit Zugehörigkeit – und damit verbundener Anerkennung bzw. Missachtung – dem Zusammenhang zwischen individuell-subjektiven Gefühlen der Scham und gesellschaftlichen Prinzipien und symbolischen Ordnungen analytisch nachzugehen (Ruff 2024). Aus einer (macht-)kritischen Perspektive folgen wir der Analyse, dass Zugehörigkeit und Anerkennung gesellschaftlich ungleich verteilt sind und in Praktiken des Zugehörig-Werdens verhandelt werden (Meißner 2019; Rieger-Ladich, Casale und Thompson 2020). Scham scheint auf spezifische Weise mit und in eben jenen Praktiken verwoben und verstrickt zu sein (Ruff 2024).

Insbesondere vor dem Hintergrund des Erstarkens rechter Akteure, der breiten Zustimmung zu rassistischen Positionen, damit verbundener Abschottungsdynamiken und Verrohungen des politischen Diskurses, wie auch hinsichtlich der zunehmenden gesellschaftlichen Polarisierung scheint es notwendig, die Rolle von Scham im Kontext gesellschaftlicher Transformationen als affektive Dynamik fokussierter in den Blick zu nehmen. Daher fragen wir uns im vorliegenden Beitrag: Wie vermitteln sich Rassismus und Klasse in, durch und mit Scham? Welche Bedeutung kommt Scham in diesen Verhältnissen zu? Und wie lassen sich die Modi dieser Vermittlung systematisieren?

Dafür skizzieren wir in einem ersten Schritt die Vermittlung von Scham in gesellschaftlichen Macht- und Gewaltverhältnissen (Kap. 2). Aufbauend darauf führen wir knapp in die methodologische Perspektive des Beitrags sowie die Datengrundlage der zwei Projekte ein (Kap. 3). Daraufhin stellen wir Erkenntnisse über die Vermittlung und Verstrickung von Scham in zwei spezifischen Gewaltverhältnissen – Klasse (Kap. 4) und Rassismus (Kap. 5) – vor. Ausgehend von unseren Befunden systematisieren wir drei Facetten von Scham, in denen sich das Verhältnis individueller Gefühlslagen und ihrer gesellschaftlichen Bedingungen abstrahiert analysieren lässt (Kap. 6). Wir enden mit einem Ausblick auf weiterführende Fragen hinsichtlich der politisch-sozialen Situierung von Scham (Kap. 7).

2 Theoretische Perspektiven: Scham und gesellschaftliche Macht- und Gewaltverhältnisse

Eine Perspektive auf die Verknüpfung von Scham und Dynamiken sozialer Ein- und Ausschlüsse eröffnet Bourdieu (1982; 2001) im Kontext seiner herrschaftskritischen Soziologie. Bourdieu geht davon aus, dass gesellschaftliche Ungleichverhältnisse über symbolische Gewalt hergestellt und reproduziert werden (Bourdieu 2001). Darunter versteht er eine gewaltlose Gewalt, die gewährleistet, dass ausbeuterische, schmerzhafte bis hin unerträgliche soziale Bedingungen als »akzeptabel, natürlich und selbstverständlich erlebt werden« (Schmidt 2014, 231). Diese Anerkennung von Herrschaftsverhältnissen ist verbunden mit spezifischen Gefühlslagen, die in diese verstrickt sind, oder aus ihr folgen können: »Affektive Zustände, die von Liebe, Bewunderung und Respekt – den typischen Leidenschaften des beherrschten Habitus – bis hin zu Zittern, ziellosem Zorn und ohnmächtiger Wut reichen« (ebd., 233). Scham findet bei Bourdieu insofern Berücksichtigung, als sich in ihr die Spuren symbolischer Gewaltverhältnisse sedimentieren und sie zugleich Unterdrückungsverhältnisse legitimiert (Bourdieu 2001, 217). Die Beherrschten beteiligen sich demnach nicht nur aufgrund von Zwang oder falschem Bewusstsein selbst an ihrer Unterdrückung, sondern auch durch die Wirkmacht symbolischer Gewalt, die sich körperlich, habituell und affektiv einschreibt.

Diese Dynamik symbolischer Gewaltverhältnisse deckt Bourdieu entlang seiner Analyse des Bildungswesens auf, welches soziale Unterschiede in Leistungsunterschiede übersetzt (Bourdieu und Passeron 2018 [1971]). Schulische Bewertungen legitimieren und naturalisieren demnach nicht nur die unterschiedliche Kapitalausstattung von Lernenden, indem sie diese als »Begabung« oder »Unfähigkeit« verschleiern, sondern stellen auch die Anerkennung dieser als »Leistungen« sicher. Symbolische Gewalt wird hier insofern wirksam, als das Bildungssystem erfolgreich die herrschenden bildungsbürgerlichen Normen von Kultur und Bildung als erstrebenswert und unabänderbar suggeriert, und veranlasst, dass sowohl jene, die davon profitieren, als auch diejenigen, die darunter leiden, sich an eben diesen Maßstäben orientieren. Dabei wird die »Illusion« (Bourdieu und Passeron 2018 [1971]) des meritokratischen Schulsystems deutlich, das anders als versprochen nicht nur Leistungen zum Gegenstand der Bewertung macht, sondern letztendlich habituelle Passung prüft – zum Nachteil derjenigen, die aus nicht-akademischen Verhältnissen stammen. Scheitern im Schulsystem wird insbesondere von diesen häufig als individuelles Versagen interpretiert, ist mit Scham- und Schuldgefühlen verknüpft und führt zu schmerzhaften Selbstausschlüssen (»Eliminierung«, ebd., 201).

Wie sich Scham in diesen schmerzhaften Selbstausschlüssen vermittelt und sich zu spezifischen Machtverhältnissen verhält, ist unserer Ansicht nach noch nicht ausreichend expliziert worden, in Anbetracht sich verstärkender sozialer Ungleichheiten wie auch zunehmender Tendenzen gesellschaftlicher Individualisierung jedoch notwendig. Vieles spricht dafür, die Bedeutung von Scham für die (Re-)Produktion von symbolischen Gewaltverhältnissen in ihrer Systematik näher zu untersuchen, wie nachfolgend mit einem Blick in den Forschungsstand zu Scham, sozialer Klasse und Rassismus begründet wird.

2.1 Scham und die Reproduktion von Klassenverhältnissen

Von Scham und sozialer Klasse in einem Atemzug zu sprechen, ist nicht neu: Schon 1972 fundieren Richard Sennett und Jonathan Cobb in ihrer Untersuchung »The Hidden Injuries of Class« die These, dass Beschämungspraktiken eine spezifische gesellschaftliche Funktion erfüllen, indem sie Arbeiter*innen davon abhalten, gegen die oktroyierten Klassengrenzen aufzubegehren. Die Autoren verdeutlichen, in der Tradition marxistischer Sozialwissenschaftler*innen (Thompson 1963; Leggett 1968; Lefebvre 1971), dass es sich bei der Zugehörigkeit zu einer Klasse nicht nur um ein ökonomisches, sondern auch ein soziales Verhältnis handelt. Auch Sighard Neckel analysierte in seiner umfangreichen Studie »Status und Scham« (1991) aus einer ähnlichen Perspektive schon vor über 30 Jahren (soziales) Schamempfinden als untrennbar mit Klassenverhältnissen verbunden. Anschließend an Bourdieu (1982; 2001) konzipiert Neckel sowohl Schamerleben als auch Beschämung in Relation zur Reproduktion gesellschaftlicher Ungleichheit als integralen Bestandteil gesellschaftlicher Ausschlüsse (Neckel 1991). Scham ist demnach Produkt und Produzentin von Klassenverhältnissen zugleich, indem sie die Beschämten abwertet, im Schamerleben die »Unterordnung des einen Subjekts unter die Bewertung eines anderen« (ebd., 106) als legitim vermittelt und somit zur Selbstbeteiligung der beschämten Subjekte am Erhalt gesellschaftlicher Ordnungen beiträgt. Die in der sozialen Scham Ausdruck findenden Unterlegenheitsgefühle sind dabei nicht nur individuell, sondern vor allem auch gebunden an die Zugehörigkeit zu bestimmten sozialen Gruppen, kollektiven Identitäten und gesellschaftlichen Klassen (ebd., 158–164). In Gefühlen wie »Scham, Schüchternheit, Ängstlichkeit, Schuldgefühl« (Bourdieu 2001, 271) naturalisieren sich Klassenverhältnisse, indem sie sich körperlich niederschlagen, Spuren von Widerstreben, Abwehr oder Anpassung in sich tragen und so Herrschaftsverhältnisse in ihrer Gewaltförmigkeit reproduzieren (Schmidt 2014).

Scham fungiert also als gesellschaftlicher Platzanweiser – nicht nur für die von Sennett und Cobb (1972) untersuchten Angehörigen der Arbeiter*innenklasse, sondern auch und gerade dann, wenn sich der soziale Status verändert. Die zumeist krisenhaften, leidvollen Schamgefühle von jenen, die ihr Herkunftsmilieu hinter sich lassen und, bspw. durch Bildung, in einem besser situierten Milieu ankommen, erweisen sich als ausgezeichnetes Observatorium für die Untersuchung von Schamgefühlen (Jaquet 2018).2 Denn, dass Scham sich als zentrale Dimension der Erfahrungswelt von sogenannten »Bildungsaufsteiger*innen« verstehen lässt, zeigen zahlreiche qualitative Studien der vergangenen Jahre (Schlüter 1999; Reay, Crozier und Clayton 2009; Hinz 2016; Loveday 2016; Maschmann 2021; Lütgens und Petrik 2024). Wie Scham jedoch in derartigen Klassenübergängen durch Bildung wirksam wird, ist, mit Ausnahme einiger Beiträge aus dem englischsprachigen Raum (Loveday 2016; Ivemark und Ambrose 2023), bisher kaum detailreich untersucht worden.

2.2 Scham und die Reproduktion von Rassismus

Wenngleich sich Bourdieu vorrangig für Klassenverhältnisse und ihre Perpetuierung in und durch Bildungseinrichtungen interessierte, werden seine Überlegungen zu symbolischer Gewalt auch auf die Analyse von Rassismus bezogen (Weiß 2013; Emirbayer und Desmond 2015). In der Perspektivierung symbolischer Gewalt erscheint Rassismus als ein System der symbolisch gewaltsamen, dichotomisierten und »kontrafaktischen Zuschreibung« (Weiß 2013, 15) und als eine »objektive soziale Realität« (ebd.). Rassismus rahmt und ermöglicht als Teil von Strukturen, Diskursen und Praktiken alltägliches Handeln, Zuschreibungen und Entscheidungen (ebd., 17). Rassistische Dichotomisierungen erscheinen also nicht nur als Einstellungen oder Vorurteile, sondern als naturalisierte und selbstverständliche Bedingungen sozialer Existenz, die Zugehörigkeit, Schutzbedürftigkeit und Anerkennung (re-)produzieren (Wuttig 2016; Bergold-Caldwell, Wuttig und Scholle 2017). Beispiele für solche Praktiken sind Verfahren des Racial Profilings, Diskriminierung am Arbeits- und Wohnungsmarkt, systematische Ausschlüsse im Einwanderungs- und Asylsystem, essenzialisierende Zuschreibungen aufgrund von äußeren Merkmalen, oder die Beeinflussung der Leistungsbewertung von Schüler*innen aufgrund ihrer (zugeschriebenen) Herkunft, äußerer Merkmale oder Religion (Mendívil und Sarbo 2022). Wenngleich eine detailreiche (empirische) Rekonstruktion von Scham in rassistischen Praktiken noch ein Desiderat darstellt, lässt sich auf Grundlage verschiedener Studien (Schulze und Witek 2014; Bergold-Caldwell, Wuttig und Scholle 2017; Krishnamurthy 2018) davon ausgehen, dass Personen und Personengruppen, die in diesen Praktiken abgewertet, gefährdet oder ausgeschlossen werden, sich durch sie als unzugehörig, homogenisiert-verallgemeinert oder nicht schutzbedürftig erfahren (Bergold-Caldwell, Wuttig und Scholle 2017; Yeboah 2017; Mohseni 2020).

Scham wird im rassismuskritischen Diskurs nicht nur in Bezug auf rassistische Abwertung und Diskriminierung, sondern auch in Bezug auf privilegierte Personen in der Auseinandersetzung mit Rassismus in politischen Bildungsprozessen problematisiert (DiAngelo 2018; Ogette 2018; Hasters 2020; Linnemann 2023). In dieser Debatte steht vor allem die Überforderung, Fragilität oder der Widerstand von weißen Personen und Personengruppen im Fokus, die in rassistischen Gewaltverhältnissen als schutzbedürftig, individuell und zugehörig adressiert und privilegiert werden (Mecheril 2010; Linnemann 2023). Nicht zuletzt aufgrund des Narrativs, dass Rassismus nach 1945 überwunden und in schlechten und bösartigen Einstellungen zu verorten sei (Messerschmidt 2021), erscheint die Auseinandersetzung mit Rassismus und die damit verbundene Scham auch als »etwas […] von sich, was nicht an diesen Ort gehört« (Landweer 1999, 37). Scham wird hier also – anders als im Fall von Bildungsaufsteiger*innen – insbesondere auch bei jenen thematisiert, die in der Auseinandersetzung mit ihrer eigenen Verstrickung in Rassismus Scham empfinden, bzw. diese abwehren. In einer Art Janusköpfigkeit erscheint Scham dadurch im Horizont von Bildung und Lernen einerseits als »Instrument sozialer Kontrolle« (Wiesböck 2021, 144), das zur Internalisierung von Unterlegenheit und zu Anpassungs- und Unterwerfungsbemühungen beiträgt (Schulze und Witek 2014), während sie andererseits auch als notwendige (Ogette 2018) oder herausfordernde (Chernivsky und Scheuring 2016) Komponente in rassismuskritischen Lernprozessen thematisiert wird.

3 Methodologische Perspektiven

Die jeweiligen Ergebnisse der Studien, deren Befunde die Grundlage für die vorliegende Untersuchung bilden, beruhen auf unterschiedlichen Materialien, methodologischen Zugängen und wurden unabhängig voneinander konzipiert und durchgeführt. Sie werden aber in diesem Beitrag in einer theoretisierenden Perspektive aufeinander bezogen, um die Verstrickung und Vermittlung von Scham in symbolischen Gewaltverhältnissen zu systematisieren.

Die erste Studie »Klassenübergänge – Biografische Perspektiven auf Bildungsaufstieg« (Laufzeit: 2019–2024; Petrik 2022a; 2022b) beleuchtet das Erleben des Bildungsaufstiegs von Studierenden aus nicht-akademischen Familien in Österreich und Deutschland. Mit einem Sample von 17 biografisch-narrativen Interviews und 36 schriftlichen Erzählungen rekonstruiert die qualitative Untersuchung die affektiven, subjektivierenden und generationalen Dimensionen der Aneignung von Universität. Die Datenerhebung und -analyse erfolgte dabei im Stil der Grounded Theory Methodologie (Strauss und Corbin 1996; Glaser und Strauss 2010).

Die zweite Studie zum Umgang mit Scham in politischer Bildung verortet sich methodologisch hingegen im Rahmen »theoretischer Forschung« (Bellmann 2020; Bellmann und Ricken 2020). Ausgehend von einer kritisch-phänomenologischen und machtanalytischen Bestimmung von Scham wurden Schamphänomene, die in der Fachdebatte rassismuskritischer und antisemitismuskritischer politischer Bildung verhandelt werden (Widerstände, weiße Fragilität, Schweigen etc.), entlang postkolonialer und postnationalsozialistischer Kontinuitäten rekonstruiert.

Neben einer ähnlichen herrschaftskritischen Rahmung und einem engagierten Bezug zu politischen Themenstellungen konvergieren die beiden Forschungsprojekte in der Auslotung der affektiven Dimension gesellschaftlicher Dynamiken. Beide Forschungsperspektiven verstehen Emotionen als sozial und politisch situiert – das heißt als Phänomene, in denen sich kulturelle, historische und symbolische Macht- und Gewaltverhältnisse vermitteln. Damit folgen wir emotionstheoretischen Beiträgen, die Gefühle nicht als universell und ahistorisch begreifen, sondern diese als kontextualisiert, vermittelt und mit gesellschaftlicher Bedeutung aufgeladen interpretieren (Hartmann 2010; Chernivsky und Scheuring 2016; Feldman Barret 2017).

In einem nächsten Schritt werden Ergebnisse jener Studien aufgezeigt, um diese anschließend in der Diskussion (Kap. 6) aufeinander zu beziehen und auf symbolische Gewaltverhältnisse hin zu abstrahieren.

4 Studie 1: Scham im Klassenübergang

Die Verstrickung von Schamgefühlen und Klassenverhältnissen erscheint insbesondere dann brisant, wenn Bewegung in den sozialen Status kommt. So spielen Schamgefühle eine zentrale Rolle in der Erfahrungswelt von jenen, die entgegen der statistischen Erwartung als erste in ihrer Familie ein Studium aufnehmen und damit regelrecht eine Klassenreise antreten. Anhand der ersten Fallstudie, der qualitativen, biografieanalytischen Studie »Klassenübergänge – Biografische Perspektiven auf Bildungsaufstieg« (Petrik 2022a, 2022b), lässt sich aus Perspektive der Akteur*innen zeigen, wie Subjekte affektiv an der (Re-)Produktion symbolischer Gewaltverhältnissen beteiligt sind.

Im Folgenden werden – angereichert durch Ausschnitte aus dem empirischen Material – vier Dimensionen von Scham im Kontext von Bildungsaufstiegen skizziert.

4.1 Scham als affektive Textur des Bildungssystems

Zunächst lässt sich feststellen, dass Schamgefühle im Klassenübergang eng mit den Bedingungen einer zunehmend individualisierten Gesellschaft verwoben sind (Neckel 1991). Die Universität agiert als Komplizin in der sozialen Produktion von Scham, indem ihrer Logik zufolge Benachteiligung, Zurückweisung und fehlende Passung diskursiv als individuelles Versagen gedeutet werden. Beispielsweise erzählt eine Studentin von ihrer ersten Prüfungsphase an der Universität:

»Ich habe die Texte studiert, mehrmals gelesen, ausgearbeitet, habe nichts verstanden, ich kam mir so dumm vor … Ich habe erstmal einzelne Wörter googlen müssen, um sie mir in einfacher Sprache zu übersetzen. Selbstzweifel, Blockaden, Hoffnungslosigkeit, ich habe einfach nur gedacht, was für ein dummer Mensch ich bin, ich habe es einfach nicht verstanden« (BK, 16).3

Entlang der meritokratischen Logik des fairen Wettbewerbs (Solga 2005) schreibt die Studentin ihr Scheitern an der Verwendung akademischer Sprache und dem Verstehen von Texten ihrer Mangelhaftigkeit zu und wertet sich als »dummer Mensch« ab. So interpretieren Studierende aus nicht-akademischen Familien das erfolglose Ringen mit den Erwartungen der Universität – nicht nur hinsichtlich ihrer Leistungen, sondern auch ihres Auftretens, Verhaltens und Sprechens – vielfach als eigenes Versagen (Bourdieu und Passeron 2018 [1971]) anstelle eines sozialen Produkts. Scham wird für sie zu einer affektiven Textur des Bildungssystems: Sie verhindert, dass Studierende sich Unterstützung vonseiten der Institution holen oder die ausschließenden Strukturen der Universität anprangern. Stattdessen werden sie von dem Gefühl geplagt, es würde an ihren persönlichen Fähigkeiten und Leistungen mangeln.

4.2 Doppelte Beschämung

Als zweite Dimension lässt sich herausheben, dass Bildungsaufsteiger*innen eine doppelte Beschämung erleben. Zum einen schildern die Studienteilnehmer*innen schamvolle Erfahrungen in Bildungsinstitutionen, insbesondere dann, wenn sie sich als fremd erleben und exponiert fühlen. Zum anderen sind die Erzählungen durchzogen von dem Gefühl, die Erwartungen ihrer Familien und Peers an den Orten ihres Aufwachsens zu unterlaufen.

In Bildungsinstitutionen werden beispielsweise dialektale Sprechweisen zum Anlass für Beschämung und Sanktionierung. So schildert eine Studentin mit Blick auf ihre Schulzeit, dass der Stolz, die schriftlichen Abschlussprüfungen als Klassenbeste zu absolvieren, durch die schamvolle Situation ihres mündlichen Examens irritiert und relativiert wird:

»Was ich damals nicht wusste, ist, wenn ich stark nervös bin, verfalle ich in ›Mundart‹. Das empfanden die Lehrer*innen an der Schule als respektlos und nicht für eine Prüfungssituation passend« (SH, 10).

Der Dialekt der Erzählerin verweist auf ihre soziale Herkunft und markiert ihren gesellschaftlichen Platz; ihn für die Prüfungssituation nicht abzulegen wird ihrer Wahrnehmung nach als »respektlos« gewertet. Benotet werden nicht nur ihre Fähigkeiten und ihre Leistung, sondern auch, ob diese in der »legitimen Sprache« (Bourdieu 1990 [1982]) vorgetragen werden. So verschlechtert sich ihre Gesamtnote durch die mündliche Performance, wie die Erzählerin in Folge ausführt. Das Sprechen in »Mundart« wird zum nicht verfügbaren körperlichen Ausdruck (»verfalle ich«) ihrer Klassenherkunft, die im bildungsbürgerlichen Milieu abgewertet wird. Häufig reagieren Studierende darauf mit einer Anpassung an die Normen der Bildungseinrichtungen und dem Versuch, jene Merkmale, welche die soziale Herkunft erkennen lassen, zu verlernen, um mögliche Anlässe für Beschämung zu vermeiden.

Scham wird jedoch nicht nur für das eigene soziale Erbe, sondern auch im Herkunftsmilieu empfunden: Nicht dem Bild zu entsprechen, das Eltern vorgezeichnet haben, als »ewig in Ausbildung« wahrgenommen zu werden sowie statt Anerkennung für akademische Leistungen Unverständnis zu erhalten, erscheint im empirischen Material als eng mit Scham- und Schuldgefühlen verknüpft. So schildert eine Studentin beispielsweise ihre Scham darüber, die Erwartungen des »Dorfs« nicht zu erfüllen. Wie ihre Hauptschulfreundinnen beginnt sie zunächst eine Lehre als Bürokauffrau:

»Doch schnell wird mir auch hier wieder klar, das ist nicht meine Welt und hier will und kann ich nicht bis zur Pensionierung bleiben. […] Die drei Lehrjahre habe ich natürlich beendet, denn noch einen ›Abbruch‹ könnte ich mir ja nicht leisten, sonst wird sich im Dorf der Mund über mich zerrissen. ›Eh kloa‹« (SH, 2).

Die hier artikulierte Sorge, im sozialen Gefüge des Dorfs beschämt zu werden, übersetzt sich für die Studentin folglich in Scham gegenüber den Eltern, nicht so »fleißig« (SH, 5) zu sein, wie diese. Ein Studium gilt für ihre Eltern als einfacher, beinahe fauler Ausweg aus dem vorgesehenen Lebensverlauf. Obwohl sie bereits verspürt, nicht in die »Welt« der Berufsausbildung zu passen, habituelle Differenzen wahrnimmt und den Drang empfindet, sich von ihrem Herkunftsmilieu zu entfernen, erscheint es ihr »natürlich«, die Lehre beenden zu müssen. Gefühle der Beschämung und die Versuche, diese zu vermeiden, werden für Bildungsaufsteiger*innen demnach nicht nur im Kontext des »neuen« bildungsbürgerlichen Milieus, sondern auch an den »alten« Orten ihres Aufwachsens relevant.

4.3 Scham als biografisch-affektives Muster

Als dritte Dimension lässt sich Scham als wiederkehrendes biografisches Muster rekonstruieren: Schamgefühle verdichten sich in Form einer symbolisch-affektiven Haltung im Klassenübergang, die figuriert, wie der Bildungsaufstieg erlebt wird (Petrik 2022b, 492–493). Beispielsweise erinnert sich eine Studentin nicht nur an das Empfinden von Scham für den Beruf ihres Vaters – Straßenkehrer – in ihrer Schulzeit, sondern auch das Schreiben über die schamvolle Erinnerung selbst wird zum affektiven Geschehen:

»Das war mir so unangenehm, ich habe mich für meinen Vater, für seinen Beruf, für seine neonfarbige Straßenkehrer-Kleidung, für meine Herkunft geschämt. Es tut mir richtig weh und es ist schmerzhaft im Nachhinein darüber zu schreiben« (BK, 4).

Scham ist in dieser Sequenz nicht nur in dem Moment, auf den die Nacherzählung verweist enthalten, sondern reiteriert sich in der Erzählung. Schamerleben ist dementsprechend also nicht nur als ein situatives Erleben im Bildungsaufstieg zu verstehen, sondern als biografisch-affektives Muster, welches das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft auf spezifische Art und Weise stimmt. Im Sinne einer affektiv-habituellen Disposition strukturiert Scham das Erleben sowie den Erfahrungs- und Reflexionsraum von Klassenübergänger*innen.

4.4 Emanzipatorisches Potenzial bewältigter Scham

Zuletzt wird auf Basis der kontrastierenden Analyse des gesamten Materials deutlich, dass Scham nicht nur eine unterdrückende Rolle zukommt, sondern dass ihre Funktion weitaus ambivalenter ist. Schamgefühle erweisen sich paradoxerweise nicht nur als schmerzhaftes Empfinden von Unterlegenheit und Nicht-Zugehörigkeit, sondern auch als Ressource im Klassenübergang: Im Sinne einer zentrifugalen Kraft kann Scham die Bindung an klassenspezifische Werte, Haltungen und Gewohnheiten lockern. So lässt sich anhand der Erzählungen rekonstruieren, dass die Scham, welche beispielsweise gegenüber Elternfiguren und ihren Berufen oder ihrer Ausdrucksweise empfunden wird, zu einer kulturellen Entfremdung vom Herkunftsmilieu führen kann. Ausgelöst werden jene Schamgefühle, welchen eine »ausstoßende Tendenz« (Maschmann 2021, 312) innewohnt, vielfach durch die Konfrontation unterschiedlicher »Welten«, beispielsweise durch ein Universitätsstudium der Protagonist*innen. Scham erweist sich jedoch erst dann nicht nur als hemmende, sondern auch als förderliche Dynamik im Bildungsaufstieg, wenn sie biografisch bewältigt wird, beispielsweise durch retrospektive, reflexive Deutung oder kollektive Bearbeitung. So können Bildungsräume, wie die Universität, auch dazu dienen, Scham und Beschämung einzuordnen und als Produkt gesellschaftlicher Verhältnisse und nicht individuellen Scheiterns zu interpretieren (Petrik, Schlögl und Reszner 2024; Lütgens und Petrik 2024). Zwar ist das konkrete Erleben von Scham dann ebenfalls mit Leid verbunden (Petrik 2022b, 493), doch erweitert sich infolge ihrer Bewältigung der Möglichkeitsraum für Bildung(saufstieg), indem bewältige Scham nicht nur regressiv, sondern emanzipatorisch wirken kann.

5 Studie 2: Rassismus und Scham in politischer Bildung

Die Verbindung von Scham und Rassismus erscheint insbesondere vor dem Hintergrund verschiedener Erfahrungen mit Scham in der rassistischen Normalität brisant. Neben der Frage, inwiefern Anlässe von Scham mit Macht verwoben sind (Landweer 1999) – fokussierte die Studie zu Scham in politischer Bildung ebenso auf die machtkritische Analyse körperlich-leiblicher Einschreibungen (embodiment), also darauf, welche Erfahrungen mit Scham gemacht werden, wie auch auf die Art und Weise wie sich geschämt wird. Ausgehend von dieser konzeptionell-theoretischen Analyse, lassen sich wiederum vier Dimensionen zur spezifischen Verstrickung von Scham und Rassismus herausheben.

5.1 Einschreibungen von Scham zwischen situativem Erleben und allumfassender Einstimmung

Als erste Dimension lässt sich herausheben, dass Scham nicht von allen gleich erlebt wird, sondern sich entlang von symbolischen Ordnungen auf unterschiedliche Weise einschreibt. Im Fall von Rassismus bedeutet dies: Jene, die sich grundsätzlich als zugehörig, schützenswert und anerkannt erfahren (und als solche in Praktiken adressiert und (re-)produziert werden) entwickeln tendenziell eine Subjektivität, die als grundsätzlich frei von Scham erlebt wird. Bei jenen Personen und Personengruppen hingegen, die in rassistischen Praktiken und Strukturen als unzugehörig adressiert, in diesen gefährdet, angegriffen, bedroht oder infrage gestellt werden, schreibt sich Scham tendenziell eher in der Form eines »pervasive attunement« (Bartky 1990, 85), einer allumfassenden Einstimmung ein (Bergold-Caldwell, Wuttig und Scholle 2017). Während sich Scham in der ersten Figurierung als zwar schmerzhaftes, potenziell überwältigendes, aber doch prinzipiell vorrübergehendes Ereignis konzeptualisieren lässt, wird Scham in der zweiten Figurierung zu einem chronischen Hintergrundgefühl, in welchem sie nicht mehr nur situativ wahrgenommen wird. Scham wird hier stattdessen zu einer internalisierten und allumfassenden Einstimmung, die als »natürlich« erlebt und erst durch nachträgliche Bewusstwerdungsprozesse – beispielsweise in Form von Bildungsprozessen, Politisierung und/oder Therapie – als Scham erkennbar wird (Lehtinen 1998; Mena­kem 2021).

5.2 Situierte Schamabwehr

Eine zweite Dimension liegt in der Analyse der Abwehr von Scham innerhalb rassistischer Gewaltverhältnisse. Die Abwehr von Scham trägt grundsätzlich dazu bei, eine Überwältigung durch Scham zu vermeiden (Wurmser 1998; Haines 2019; Dolezal 2022). Ein Ergebnis der Studie zum Umgang mit Scham ist hier, dass sich die Strategien der Schamabwehr – analog zur Scham (Kap. 5.1) – in rassistischen Gewaltverhältnissen körperlich-leiblich einschreiben und somit hochgradig situiert erscheinen. Während Personen, die sich grundsätzlich als zugehörig, anerkannt und schützenswert erfahren, Scham vor allem situativ abwehren, das heißt sich von ihr überwältigt zeigen, irritiert reagieren, wütend oder fragil werden (ein Aspekt der in 5.3. vertieft wird), schreiben sich bei Personen, für die Scham eine allumfassende Einstimmung zur Welt darstellt, tendenziell generalisierte Formen der Schamabwehr ein, die nicht als situatives Moment auftreten (Van der Kolk 2015; Haines 2019). Generalisierte Abwehrstrategien äußern sich als Muster, mit denen eine Anpassung an die konstante manifeste und/oder latente Beschämung in rassistischen Gewaltverhältnissen stattfindet und über welche eben jene Gewaltverhältnisse (ggf. dysfunktional) bewältigt werden (Haines 2019).

In der konstanten Notwendigkeit, Scham im Kontext rassistischer Praktiken, Anrufungen, Angriffe, Strukturen und Erzählungen zu vermeiden, zu verdrängen, zu verneinen oder auszuhalten,

»macht eine Person sich stärker als sie ist (fight), weicht konfrontierenden Situationen aus (flight), erstarrt, um keinerlei Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen (freeze), scannt ihre Umgebung, um schon den kleinsten Konflikt zu umschiffen (appease) oder entwickelt eine emotionale Taubheit (dissociate)« (Ruff 2021, 64).

Welche Möglichkeiten der Schamabwehr verfügbar sind, wird von Feldlogiken und gesellschaftlichen Bedingungen mit strukturiert (Haines 2019). Im Fall von Rassismus wird beispielsweise versucht, rassistisch geprägten Bildern nicht zu entsprechen, vermutete Vorannahmen im Gegenüber zu widerlegen und die eigene körperliche Unversehrtheit und Würde zu schützen (Yeboah 2017; Haines 2019; Menakem 2021).

5.3 Das Paradox der Illegitimität

Als dritte Dimension von Scham und Rassismus lässt sich ein Paradox der Illegitimität herausheben, das aus dem spezifischen Feld der Studie – diskriminierungskritischer politischer Bildung – hervorgeht. In diesem Paradox treten die Bedeutungen von historisch-politischen Kontinuitäten in Scham hervor: Weniger unmittelbar gewaltvoll, aber als ebenfalls mit Gewalt verbunden, erscheinen auch selbstbezogene Fragilität, Anpassungsbemühungen und Distanzierungsversuche von weißen Personen und Personengruppen als verstrickt mit rassistischer symbolischer Gewalt. Dass die Reaktion auf den Hinweis, dass Handlungen ›rassistisch‹ sein können, Irritation, Unverständnis und Scham hervorruft, ist dabei ein viel diskutierter Topos in diskriminierungskritischen Bildungssettings (Weiß 2013; Chernivsky und Scheuring 2016; Ogette 2018; Linnemann 2023). Paradoxerweise scheint die Angst, rassistisch handeln zu können, und die damit verbundene Scham, es trotz aller guter Absichten doch zu tun, dazu beizutragen, dass sich rassistische symbolische Gewaltverhältnisse so stabil perpetuieren (Weiß 2013). Diese Form der Scham erscheint durch die Linse von »Gefühlserbschaften« (Chernivsky und Scheuring 2016) verknüpft mit dem dahinterstehenden Selbstbild, nicht rassistisch zu sein. Die affektiv erlebte Notwendigkeit das Selbstbild »nicht rassistisch zu sein« aufrechtzuerhalten, führt daher zu einem Verneinen, Abwehren, Beschweigen und von-sich-Weisen der Involviertheit in rassistische Gewalt. Historisch-politisch gesehen sind dies Formen einer »Befriedigung und einer Schuldabwehr, die in weiß-deutsch-christlichen Familien eine lange Tradition hat« (Ruff 2021, 56). Scham und ihre Abwehr erscheinen somit nicht nur als individuell-situative Gefühle oder Reaktionsmuster, sondern werden in familienbiografischen und gesellschaftlich geprägten »Gefühlserbschaften« (Chernivsky und Scheuring 2016) geprägt, geformt, weitergegeben und vermittelt.

5.4 Scham als produktiver Anlass von Bildungsprozessen

Ein letzter Aspekt verweist auf bildungs- und lerntheoretische Dimensionen im Ausgang des Paradoxes der Illegitimität. Auch weil Scham und Rassismus verstrickt sind, erscheint es aus bildungs- und lerntheoretischer Perspektive notwendig, die Aspekte in den Blick zu nehmen, in denen eine mögliche Distanznahme zur und Auseinandersetzung mit Scham – sowohl in der Perspektive der allumfassenden Einstimmung als auch in der Perspektive ihrer Abwehr – möglich wird. Denn: In der Auseinandersetzung mit Scham liegt auch die Möglichkeit, dass sich von ihr ausgehend dynamische Lern- und Bildungsprozesse entfalten. Dieses Moment folgt einer theoretischen Perspektivierung von Scham als negativer Erfahrung (Meyer-Drawe 2008) oder einer Perspektive auf Scham als Lernproblematik, in der ein Handlungsvollzug ausgesetzt wird und erst durch diesen Bruch neue Strategien »probiert, verworfen, neu bestimmt, als wirksam ergriffen« (Haug 2020, 22) werden. Ähnlich wie im emanzipatorischen Potenzial von Scham in Klassenaufstiegen, scheint in Scham auch gerade aufgrund ihrer Verstrickung mit Rassismus ein biografisches, pädagogisches, therapeutisches und/oder politisches Potenzial zu liegen, das ein Aufdecken, Durcharbeiten und Bearbeiten von Scham zum Anlass von transformatorischen, emanzipatorischen und befreienden Prozessen über und gegen Rassismus werden lassen kann (Ruff 2024).

6 Drei Facetten von Scham in symbolischen Gewaltverhältnissen

Die Untersuchungen der symbolischen Gewaltverhältnisse Rassismus und Klasse zeigen, wie machtvoll und ambivalent Scham als Mittlerin zwischen Individuum und Gesellschaft wirkt. Mit Blick auf beide Studien lassen sich drei zentrale Modi des Zusammenspiels von symbolischen Gewaltverhältnissen und individueller Erfahrung in, durch und mit Scham identifizieren, die wir im Folgenden als Facetten von Scham in symbolischen Gewaltverhältnissen zusammenfassend diskutieren. Anhand dieser lässt sich rekonstruieren, wie Scham die symbolischen Gewaltverhältnisse Rassismus und Klasse nicht nur stabilisiert, sondern zugleich auch modifizieren und transformieren kann. Hierbei werden übergreifende, aber auch distinkte Spielarten von Scham im Kontext von Rassismus und Klasse sichtbar sowie die politische, soziale und historische Situiertheit von Scham, Beschämung und Schamabwehr.

Zunächst lässt sich, aufbauend auf unseren theoretischen Grundannahmen, Scham als Scharnier in der (Re-)Produktion gesellschaftlicher Ordnungen verstehen. Scham ist demnach mit daran beteiligt, die sozialen Strukturen, Hierarchien und Ungleichheiten, die den symbolischen Gewaltverhältnissen eingeschrieben sind, fortzuführen und aufrechtzuerhalten. Während zentrale Studien (Neckel 1991; Bourdieu 2001) bereits nachvollziehbar zeigten, dass sich (Re-)Produktion nicht (nur) über die sprachlich verfasste, rational-intellektuelle Zustimmung zu Gewaltverhältnissen von Ausübenden und Erleidenden vollzieht, sondern auch über differenziertes affektives Erleben (Selbstausschluss, -zensur, -erniedrigung oder -ausgrenzung) vermittelt, untermauern unsere Befunde die spezifische Rolle, die Scham in diesen Prozessen spielt. Während Rassismus als symbolisches Gewaltverhältnis insbesondere über Scham als Folge gewaltförmiger Praktiken und in wirkungsvollen Schamabwehrmechanismen reproduziert wird, stabilisieren sich Klassenverhältnisse über eine doppelte Beschämung von »Klassenüberläufer*innen«. Darüber hinaus akzentuieren unsere Untersuchungen nicht nur die reproduktive, das heißt stabilisierende, sondern auch die produktive, potenziell transformierende Dimension der Scham: Nicht nur stellen Scham und Beschämung symbolische Gewaltverhältnisse immer wieder her und tragen gleichsam ihre Spuren in sich, sie können diese ebenso irritieren und herausfordern. In ihrer Produktivität kann Scham sowohl neue Unterdrückungsmechanismen hervorbringen als auch Selbstwirksamkeit erzeugen und dementsprechend emanzipatorisch wirken, jedoch nur unter spezifischen Bedingungen. Durch die Bewältigung von Scham kann es gelingen, Handlungsfähigkeit zu stiften, Kritikfähigkeit auszubilden und die eigene Verstrickung in symbolische Gewaltverhältnisse zu hinterfragen. So kann in der Auseinandersetzung mit Scham, beispielsweise in Bildungs- oder Politisierungsräumen, auch ein tieferes Verständnis für die historisch-politischen Ursachen der eigenen Scham entstehen und Reflexivität angeregt werden (Ruff 2024). Zugleich wohnt Scham auch eine gewisse Eigensinnigkeit inne, die nicht allein durch Reflexionsvermögen aufgelöst werden kann und auch eine körperlich-leibliche Bearbeitung einfordert (Wuttig 2016, 333–339).

Als zweite Facette lässt sich Scham in ihrer Koppelung an Schamabwehr rekonstruieren. In der Auseinandersetzung mit Rassismus – entweder in Form eigener Erfahrungen oder im Kontext politischer Bildung – zeigen sich diese Abwehrmechanismen exemplarisch als Distanzierungen, Anpassungsbemühungen und Fragilität (Kap. 5). Der Zusammenhang zwischen Scham und Schamabwehr ist jedoch allgemeiner zu verstehen als nur im Kontext rassistischer Gewaltverhältnisse. Schamgefühle scheinen erst dann aufzutreten, wenn Scham als »Navigatorin sozialer Zugehörigkeit« (Ruff 2024, 4) scheitert. Zur Vermeidung von Scham scheinen sich individuell-biografisch verschiedene Schamabwehrmechanismen einzuschreiben, deren Genese sich als gesellschaftlich-sozial disponiert verstehen lässt (Ruff 2021, 26–38; Wuttig 2016; Haines 2019). Dabei lässt sich beobachten, dass beispielsweise Menschen mit Rassismuserfahrungen, aber auch Bildungsaufsteiger*innen eher Abwehrmechanismen im Sinne einer Anschmiegung an Verhältnisse, oder einer Anpassung an die Erwartungen anderer gesellschaftlicher Gruppen zu zeigen scheinen, während die Debatte um Fragilität und Widerstand in der politischen Bildung nahelegt, dass Personen und Personengruppen, die in diesen Gewaltverhältnissen privilegiert werden, eher mit Widerstand, Distanzierung und Fragilität reagieren.

Als dritte Facette von Scham in symbolischen Gewaltverhältnissen verstehen wir Scham in der Qualität einer Stimmung. Die dauerhafte, massive oder wiederholte Erfahrung von Beschämung – und infolge Scham – kann sich körperlich einschreiben und traumatisch verankern (Bartky 1990; Lehtinen 1998; Wuttig 2016; Haines 2019). Als Stimmung figuriert sich Scham dann nicht als situatives Erleben, das zu einer potenziellen Veränderung des eigenen Verhaltens anregen kann, sondern erscheint als chronisches Hintergrundgefühl – als »pervasive attunement« (Bartky 1990, 85), in dem das Selbst-Welt-Verhältnis auf spezifische Weise gestimmt ist (Bartky 1990; Lehtinen 1998). Wie ein Filter kann traumatische Scham das individuelle Erleben in symbolischen Gewaltverhältnissen einfärben, und orchestriert darin Praktiken des Rückzugs und Ausschlusses. Vice versa dirigieren jene gesellschaftlichen Ordnungen mit Anforderungen, Normen, Sanktionen, Tabuisierungen und Stigmatisierungen individuelles Schamerleben, stabilisieren Verhaltensmuster oder fordern Reaktionen der Über- und Unterordnung heraus. Während sich dieser Mechanismus im Gewaltverhältnis Rassismus entlang einer dichotomisierenden Logik in gruppenbezogenen Abwertungs-, Ausschluss- und Beschämungspraktiken zu zeigen scheint, wird Scham in Klassenverhältnissen insbesondere in der biografischen Überschreitung symbolischer Klassengrenzen sichtbar. Scham im Klassenübergang gerinnt demnach zu einer affektiven, habitualisierten Disposition, welche die Wahrnehmung von Welt und Selbst stimmt.

7 Fazit

Ausgehend von theoretischen, konzeptuellen und empirischen Überlegungen, welche die soziale Bedeutung und Wirkmacht von Scham zu bestimmen versuchen, wurde im vorliegenden Artikel der Frage nachgegangen, wie sich symbolische Gewaltverhältnisse und ihr Erleben in, durch und mit Scham vermitteln. Dafür wurde der Zusammenhang von Scham und symbolischen Gewaltverhältnissen zunächst in der Perspektive einer herrschaftskritischen Soziologie nach Pierre Bourdieu skizziert. Ausgehend von diesen theoretischen Überlegungen wurde das Verhältnis zwischen sozialer Klasse und Scham sowie Rassismus und Scham entlang von zwei Forschungsprojekten beleuchtet. Die in Scham Ausdruck findenden Unterlegenheitsgefühle sind vor dem Hintergrund dieser Verhältnisse nicht als rein individuell-biografische zu verstehen, sondern sind an die Zugehörigkeit zu sozialen Gruppen und kollektiven Identitäten gebunden. Anhand der Diskussion beider Projekte vor dem Hintergrund transdisziplinärer, schamtheoretischer Überlegungen, ließen sich drei Facetten von Scham im Kontext sozialer Ungleichheit konzeptuell herausarbeiten: Scham als Scharnier der (Re-)Produktion symbolischer Gewaltverhältnisse (1), Scham als inhärent gekoppelt an Schamabwehr (2) und Scham in der Qualität einer Stimmung (3). Mit Blick auf die Frage nach den Zusammenhängen zwischen subjektiven Gefühlslagen und den gesellschaftlichen Bedingungen von Scham und Beschämung lässt sich festhalten, dass Scham in all diesen Facetten eine vermittelnde und zugleich eigensinnige Funktion erfüllt, deren Logik historisch, politisch und kulturell situiert ist.

Bei aller Systematisierung bedacht werden sollte hierbei, dass Menschen selten in ihren Strukturkategorien aufgehen und ihre Schamgefühle entsprechend nicht linear in »Wenn-Dann-Ketten« interpretiert werden können. Ihnen bleiben eine gewisse Eigensinnigkeit und das Potenzial einer kreativen Dynamik, wenngleich Scham Beziehungen, Institutionen und Diskursen tiefgehend strukturiert.

Analytisch offen muss an der Stelle bleiben, inwiefern sich neben den in diesem Artikel fokussierten Gemeinsamkeiten konzeptuelle Unterschiede im Verhältnis von Scham und Rassismus und Scham und sozialer Klasse ergeben. Insbesondere mit Blick auf die unterschiedlichen Logiken der Gewaltverhältnisse Rassismus und Klasse sowie der damit einhergehenden spezifischen historisch-politischen Situierung von Scham, Schamabwehr und Beschämung lässt sich diskutieren, welche Unterschiede sich für die somatische Einschreibung von Scham und Schamabwehr oder die Strukturierung von Anlässen und Interaktionsformen der Beschämung ergeben. Diese Spezifika von Rassismus und Klasse hinsichtlich Scham und Beschämung gilt es im Kontext von weiteren Studien näher zu beleuchten.

Anmerkungen

[1]
Die Begriffe »Gefühl«, »Emotion« und »Affekt« werden je nach theoretischer Verortung unterschiedlich definiert und lassen sich gerade empirisch nicht trennscharf voneinander abgrenzen. In der Literatur finden sich sowohl Beiträge, die diese synonym verwenden, als auch solche, die zum Teil sehr unterschiedliche Nuancierungen vornehmen. Wir bemühen uns um eine möglichst konsistente Differenzierung entlang der Unterscheidung: Gefühle als tendenziell in Bezug auf bewusst wahrnehmbare, nach innen gerichtete Phänomene, Emotionen als körperlich-leibliche, tendenziell nach außen gerichtete Phänomene (zur Unterscheidung: Damasio 2010, Huber 2018). Den Begriff des Affekts nutzen wir in der Betonung der gesellschaftlichen Tradierung von Empfindungen (Reckwitz 2016).
[2]
Auch die Untersuchung von Bildungsabstiegen birgt Potenzial für die Analyse von Scham, sind jedoch wesentlich seltener Gegenstand der Ungleichheitsforschung (Schmeiser 2003).
[3]
Der Verweis auf die autobiografischen Texte der Studienteilnehmer*innen wird mit einem Namenskürzel sowie der entsprechenden Seitenzahl des Transkripts gekennzeichnet. Alle Namen und Orte sind mit Pseudonymen versehen.

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Die Autorinnen

Mai-Britt Ruff ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Arbeitsbereich »Allgemeine Erziehungswissenschaften und historische Bildungsforschung« an der Universität Hamburg. Sie forscht zu Scham, Schamabwehr und Beschämung in pädagogischen Beziehungen. Zu ihren Arbeits- und Forschungsbereichen zählen psychoanalytische Sozialforschung, Soma-Studien, politische Bildung und affekttheoretische Fragestellungen.

Kontakt:
Mai-Britt Ruff,
Universität Hamburg, Fakultät für Erziehungswissenschaft,
Von Melle Park 8, D-20146 Hamburg
E-Mail: mai-britt.ruff@uni-hamburg.de

Flora Petrik arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung »Allgemeine Pädagogik« des Instituts für Erziehungswissenschaft an der Universität Tübingen. Ihre Forschung ist an der Schnittstelle biografietheoretischer und bildungssoziologischer Fragestellungen angesiedelt. Zu ihren Schwerpunkten zählen soziale Ungleichheit in Schule und Universität (mit besonderem Fokus auf Bourdieus Praxistheorie), interpretative Sozialforschung sowie wissenschaftstheoretische und methodologische Fragestellungen.

Kontakt:
Flora Petrik,
Universität Tübingen, Institut für Erziehungswissenschaft,
Münzgasse 26, D-72070 Tübingen
E-Mail: Flora.Petrik@uni-tuebingen.de