Editorial

Journal für Psychologie, 32(1), 3–9

https://doi.org/10.30820/0942-2285-2024-1-3 CC BY-NC-ND 4.0 www.journal-fuer-psychologie.de

Scham inklusive ihrer Genese, auslösender Situationen sowie ihrer Konsequenzen ist ein genuines Thema der Emotionspsychologie, nimmt dort aber, verglichen mit anderen Emotionen wie Angst oder Glück, einen vergleichsweise geringen Stellenwert ein. Gemeinsam ist den in der Psychologie vorherrschenden Forschungssträngen ein starker kognitionspsychologischer Zugang: prominent thematisiert werden dabei die kognitive Bewertung und der Selbstbezug (Selbstvorwurf, Selbstunzufriedenheit, Selbstwertproblematik etc., vgl. Roos 2000). So beschreibt Tangney und Tracy (2012) Scham unter den »self-conscious emotions« und Mees (1997) nimmt an, dass parallel zum Schamerleben kognitive Prozesse der negativen Selbstbewertung und internalen Attribution ablaufen (Mees 1997, 337). Scham wird also als ein Gefühl beschrieben, das auftritt, wenn wir uns selbst, unsere Handlungen und Leistungen, aber auch weniger kontrollierbare Aspekte unseres Seins negativ bewerten.

Das Potenzial der Scham, aufzutreten wenn die eigenen Handlungen negativ bewertet werden, macht sie neben dem Schuldgefühl zu einem interessanten Kandidaten für ein moralisches Gefühl, also zu einem Gefühl, das Menschen dabei unterstützt, gut zu handeln. Und so verwundert es nicht, dass gerade die Moralphilosophie einige interessante Perspektiven zum Thema Scham eröffnet. So schreibt etwa Maria-Sibylla Lotter (2012) dem Gefühl der Scham eine wichtige Rolle im Zuge der sozialen Konstitution von Moral zu. Mit dem Erleben von Scham wird Individuen im Kontext ihrer lebensweltlichen Bezüge angezeigt, was sie als moralisch wertvoll und bedeutsam ansehen und bewerten. Einen ähnlichen Standpunkt vertreten Deonna, Rodogni und Teroni (2011) in ihrer Verteidigung der Scham.

Ansätze, die sich vor allem auf die moralische Funktion der Scham beziehen, verkennen allerdings häufig, dass Scham auch in Situationen auftreten kann, in denen sie keine moralische Funktion besitzt, etwa weil der Gegenstand des Schamerlebens nicht wirklich veränderbar ist. Thomason (2018) spricht hier von der dunklen Seite der Scham und argumentiert, dass Scham und die Fähigkeit sich zu schämen zwar moralische Relevanz haben können (was wir daran erkennen, dass wir Schamlosigkeit jedenfalls nicht als erstrebenswerten Zustand ansehen), dies aber nicht in jedem Fall müssen.

Spannende Beiträge vor allem zur dunklen Seite der Scham, die uns helfen den Blick über eine kognitionspsychologische und moralische Attributionen in den Mittelpunkt stellende Perspektive hinaus zu weiten, finden wir in der erzählenden Literatur, etwa in dem 1976 erschienenen Buch Die Scham ist vorbei von Anja Meulenbelt (1978). Die im Kontext der Emanzipationsbewegung von Frauen der 70er Jahre entstandene Schrift ist in Form einer »persönlichen Geschichte« – so der Untertitel – geschrieben; heute würde man sie wohl als Autoethnografie lesen. Die Autorin beschreibt darin, wie Frauen Scham für ihren Körper oder ihre Sexualität erleben, aber auch dann, wenn sie gegen gesellschaftliche Erwartungen verstoßen oder für ihre Rechte kämpfen. Meulenbelt argumentiert, dass das Empfinden von Scham Frauen im patriarchalen System auferlegt wird, um sie in der traditionellen Frauenrolle zu halten. Auch nach fast 50 Jahre kann das Buch immer noch mit Gewinn gelesen werden, wenn man verstehen will, wie das Erleben von Scham und Beschämung mit bestimmten gesellschaftlichen Strukturen, Diskursen und Praktiken verbunden ist.

Auch die französische Nobelpreisträgerin Annie Ernaux beschäftigt sich in ihrem 1998 erschienenen Buch Die Scham (2020) in autobiografischer Form oder vielleicht noch besser in Form einer autobiografischen Suchbewegung (Eibl 2021) mit Scham und Beschämung, wobei es hier vor allem der eigene Klassenhintergrund ist, der Scham erzeugt. Eingerahmt wird die Erzählung von zwei zentralen Szenen: Zu Beginn schildert die Autorin, wie ihr Vater ihre Mutter mit dem Messer bedroht, am Schluss, wie sie nach einer Klassenfahrt von Mitschülerinnern nach Hause gebracht wird und diese ihre Mutter im verdreckten Nachthemd im Türrahmen stehen sehen. Durch den Blick der anderen, den sie in dieser Situation wahrnimmt und übernimmt, beginnt sie sich für ihre eigene Familie zu schämen, nicht nur und nicht einmal besonders für das Nachthemd, sondern vor allem auch für die Gewalt in ihrer Familie, die sie als unauflöslich mit dem Klassenhintergrund verbunden wahrnimmt.

Ernaux hatte sich schon zu Beginn ihrer Arbeiten mit dem Werk von Pierre Bourdieu auseinandergesetzt. Als Autorin erzählender Literatur kann auch ihr Werk im Spannungsfeld von sozialer Objektivierung (angesichts der thematisierten gesellschaftlichen Umstände) und individuellem Engagement (im Licht der eigenen kritischen Stellungnahme dazu) verortet werden (Hechler 2023). So zeigt dieser Roman, wie eng Scham mit sozialen Klassen, der Identifikationsgemeinschaft der Familie, aber auch mit dem Körper, vertreten durch den Körper der Mutter, der vom Nachthemd kaum verdeckt wird, verbunden ist. Es wird deutlich, wie Normen aber auch deren Verletzung das Selbstwertgefühl und die Identität prägen und wie Scham in der Person sozial verankert wird. Die soziokulturelle Konstitution des Gefühls ist tief mit dem individuellen Empfinden von Scham und Beschämung verbunden.

Vergleicht man die vielfältigen Situationen, in denen Scham auftreten kann, so stellt sich die Frage, ob sich diese Situationen überhaupt auf einen gemeinsamen Nenner bringen lassen. Entsprechend ist auch auf der Seite der Emotion selbst unklar, ob es sich abhängig von der Entstehungssituation überhaupt um dasselbe Gefühl handelt. Zu unterschiedlich sind Anlässe und soziale Settings, die mit dem Erlebnis der Scham oder mit dem Auftreten von Beschämung einhergehen oder einhergehen können: Etwa bei unangenehmen körperlichen Vorgängen, bei öffentlicher Bloßstellung oder Demütigung, bei eigenen Fehlern oder Misserfolgen, bei der Verletzung sozialer Normen oder Erwartungen, bei der Erfahrung von zwischenmenschlicher Ablehnung oder sozialer Ausgrenzung. Stets kann hier das Gefühl der Scham auftreten, oder ein verwandtes Gefühl wie Peinlichkeit oder Verlegenheit, aber auch Demütigung oder Kränkung. Gleichzeitig ist zu bedenken, dass bei den genannten Anlässen auch ganz andere Emotionen auftauchen können, etwa Wut oder Zorn bei erlebter sozialer Ausgrenzung oder Schuldgefühle bei der durch eigenes Handeln bewirkten Verletzung sozialer Normen, die man (zumindest im Prinzip) anerkennt, aber aus irgendeinem Grund nicht beachtet hatte.

Betrachtet man die Versuche der abendländischen Philosophie, die Emotion der Scham zu thematisieren und zu kategorisieren, so zeigt sich schon hier ein weit verzweigter Nexus an möglichen sozialen und moralischen Bezügen. Für unseren Zugang aufschlussreich ist möglicherweise der Befund, dass bereits im Kontext der Philosophie der Stoa zwischen zwei unterschiedlichen Formen der Scham unterschieden wird: Einerseits aischyne, welche als Subform der Furcht betrachtet wird und der stoischen Betrachtung der pathe (Leidenschaften) entsprechend als widervernünftig bewertet wird, und anderseits aidos, welche als sittliche Scheu angesichts eines gerechtfertigten, moralisch begründeten Tadels positiv gesehen wird (Demmerling und Landweer 2007, 224). Man muss nicht dem in der Stoa praktizierten, stark vernunftgeleiteten Umgang mit Gefühlen oder besser Leidenschaften zustimmen, um zu erkennen, dass Scham in Abhängigkeit vom jeweiligen soziokulturellen Setting unterschiedlich verstanden, bewertet und wohl auch erlebt werden kann. Ja mehr noch, möglicherweise verändert sich auch das Gefühl selbst, wenn Scham etwa in einem ethisch-moralischen Zusammenhang oder im Kontext einer Bloßstellung erfahren wird, wo der sittliche Bezug fehlt oder nur am Rande aufscheint.

Gleichwohl erscheint uns das Gefühl der Scham auf der Innenseite oft als dasselbe: Die Empfindungen in strukturell sehr unterschiedlichen Situationen, aber auch bei kognitiv unterschiedlichen Bewertungen fühlen sich doch zumindest ähnlich an. Auch in ihrer äußeren Form können wir verbindende Elemente beobachten. Um den beschämenden Fixierungen des Interaktionsumfelds zu entgehen, senken wir als Beschämte das eigene Antlitz und den eigenen Blick. Entkommen können wir den visuellen Zugriffen der anderen aber nicht, vor allem auch deswegen, weil wir wie zum Hohn auch noch erröten und somit die Aufmerksamkeit der anderen in besonderer Weise auf uns lenken. Häufig entsteht der Wunsch, der Boden möge sich vor uns auftun, um als beschämte Person verschwinden zu können, wenn man nicht schon die Dinge, die zum eigenen Schamerleben geführt haben, ungeschehen machen lassen kann.

Diese Beschreibung macht deutlich, inwiefern der Blick der anderen, vor dem wir uns in der Scham verstecken wollen und der sie überhaupt erst erzeugt (im stillen Kämmerlein können wir zwar Schuldgefühle haben, Scham tritt in der Regel aber nicht auf) konstitutiv für das Schamerleben ist. Mehrere Autor*innen, sinnentsprechend auch Jean-Paul Sartre, beschreiben die Empfindung von Scham als ein Gefühl der Bloßstellung vor den Augen anderer. Diejenige Person, die Scham erlebt, sieht sich den Blicken anderer, für die soziale Situation relevanter, tatsächlicher anwesender, aber auch imaginierter Personen ausgesetzt (Demmerling und Landweer 2007, 220).

Eine wichtige Rolle spielt die Anwesenheit anderer und der Blick anderer auch bei der Beschämung, wobei Personen, vor denen man sich schämt, und Personen, die einen beschämen, nicht zusammenfallen müssen. Als zentral kann bei der Beschämung aber angesehen werden, dass es der beschämenden Person gelingt, den Blick von Zuschauern auf die zu beschämende Person zu lenken bzw. die Person glauben zu lassen, dass diese und die eigenen Blicke relevant sind, sie bloßstellen, sie vor deren Augen praktisch nackt und schutzlos ist. Beschämung muss dabei nicht intentional erfolgen, kann es aber. Doch wenn sie intentional erfolgt, warum beschämen Menschen andere Menschen? Julia Reischel arbeitet in ihrem hier veröffentlichten Beitrag verschiedene Gründe davon heraus: In der Analyse einer Erzählung einer jungen Frau, die als Schülerin gemeinsam mit anderen Schülerinnen einen Lehrer über sexuelle Anzüglichkeiten beschämt hat, zeigt sie, dass Beschämung nicht nur Macht erfordert, wie schon von Neckel (1991) in seinem Buch Status und Scham dargelegt hat, sondern auch zu Macht verhilft in einem sozialen Gefüge, das ansonsten von Unsicherheit und teilweise auch Ohnmacht gekennzeichnet ist. Mit der Beobachtung, dass sich die Person heute für ihre Beschämung selbst wiederum schämt, wird deutlich, dass Beschämung selbst wieder als moralisch relevantes Verhalten aufgefasst werden kann – ein Aspekt, der insgesamt in der Literatur zur Scham, selbst der moralphilosophischen Literatur, erstaunlicherweise kaum Beachtung findet.

Die hier dargestellten Ansätze aus diversen Disziplinen und Erkenntnismedien, die im Rahmen eines Editorials nur kurz angesprochen werden können, machen deutlich, dass allzu voreilige Zuordnungen von Gefühlen der Scham oder Prozessen der Beschämung zu kognitiven Deutungsmustern oder standardisierten sozialen Settings der vorliegenden Komplexität meist nicht gerecht werden. Die angesprochenen vielgestaltigen Aspekte, die sich im Sinne Wittgensteins möglicherweise durch eine Familienähnlichkeit schamverwandter oder Beschämung auslösender Emotionen erklären lassen könnten, werden wie angedeutet in der vorwiegend allgemeinpsychologisch ausgerichteten sowie experimentell vorgehenden oder sich auf standardisierten Befragungen stützenden Psychologie nicht wirklich erfasst. Es braucht hier offenere und explorativere Wege.

Mit dem hier vorgelegten Themenschwerpunktheft soll Autor*innen ein Raum geboten werden, in dem sie Scham und Beschämung stärker mit Bezug zu relevanten soziokulturellen Kontexten als auch zum individuellen Erleben thematisieren und analysieren können. Natürlich kann dies im Rahmen einer Ausgabe des Journals für Psychologie nicht erschöpfend erfolgen. Es zeigt sich allerdings, dass es den unterschiedlichen Beiträgen gelingt, auf das Gefühl der Scham und den Akt der Beschämung ein neues Licht zu werfen und bislang in der Forschung wenig beachtete Aspekte einer vertiefenden Betrachtung zuzuführen. Zu den Beiträgen dieser Ausgabe:

Mai-Britt Ruff und Flora Petrik erkunden im ersten Text unseres Themenschwerpunkts die These, inwieweit Scham als Scharnier zwischen individuellen Erfahrungen und gesellschaftlichen Bedingungen verstanden werden kann. Hintergrund ihrer Analysen ist die herrschaftskritische Soziologie Bourdieus. Am Beispiel von konzeptionellen und qualitativen Studien zu den Kontexten soziale Klasse und Rassismus zeigen die Autorinnen, dass das Gefühl der Scham eine wichtige Rolle bei der Reproduktion von sozialer Ungleichheit spielt.

Im darauffolgenden Beitrag diskutiert Franz Erhard Scham und Beschämung im Kontext von Armut. Im Rahmen einer sozialphänomenologischen, sich auf Ergebnisse aus Interviews stützenden Studie zeigt der Autor, wie bei Personen, die von Armut betroffen sind, das Erleben von Scham mit einer als eingeschränkt empfundenen Handlungsfähigkeit und dem Ausbleiben von sozialer Anerkennung im Sinne von Axel Honneth einhergeht. Erhard macht aber auch deutlich, dass die inferiore soziale Lebenssituation der Befragten nicht zwangsläufig als beschämend erlebt werden muss.

Dem erst in jüngerer Zeit in der pädagogisch-psychologischen Forschung mehr Aufmerksamkeit erteilten Erleben von Scham im Kontext Schule widmen sich Wiebke Stöhr und Gisela C. Schulze in ihrem Beitrag. Eine Pilotstudie, bei der Studierende schulische Schamsituationen schriftlich rekonstruierten, zeigt, dass das Gefühl der Scham mit dem Erleben eigener, leistungs- und nichtleistungsbezogener Mängel, aber auch mit der Nähe-Distanz-Wahrnehmung und dem Eindruck, zu sehr im Fokus der Aufmerksamkeit anderer zu sein, in Verbindung stehen kann.

Dem Kontext Schule wendet sich auch der Beitrag von Julia Reischl zu. Auch sie zieht die Rekonstruktion des Schulerlebens, dieses Mal einer ehemaligen Schülerin, die heute als Psychotherapeutin arbeitet, als Datenbasis heran. Im Rahmen einer tiefenhermeneutischen Analyse des Materials wird der erinnerte Versuch, den früheren Lehrer zu beschämen, als Akt symbolisch-sexualisierter Gewaltausübung rekonstruiert. Schließlich wendet sich noch das Blatt: im reflexiven Umgang mit ihrem Tun erlebt die Erzählerin das damalige Geschehen und ihre Rolle darin selbst als beschämend.

Kathrin Gärtner geht in ihrem Beitrag der Frage nach, ob Menschen, die Sexualität grundsätzlich positiv bewerten, dennoch Scham für sexuelle Handlungen empfinden und wenn ja, wofür. Auf Basis von Interviews mit mehreren Personen aus sexpositiven Communities und einer thematischen Auswertung des Materials kommt sie zu dem Schluss, dass bestimmte Aspekte sexueller Aktivität (etwa Körperscham, neue moralische Maßstäbe) sehr wohl mit dem Erleben von Scham oder Beschämung in Verbindung stehen können. Eine besondere Rolle schreibt sie dabei dem (potenziellen) Ekel der anderen zu.

Den Umgang mit Scham im Kontext von Sexualaufklärung auf der Social-Media-Plattform TikTok thematisieren Verena Pohl, Tobias Reuss und Aaron Lahl. Anhand einer objektiv-hermeneutischen Analyse eines Videos zum Thema weibliche Ejakulation eines weitreichenstarken Sexualaufklärungskanals zeigen sie auf, wie sich Grenzen des Erlebens von Scham neu firmieren, wenn Sexualaufklärung im digitalen Raum stattfindet. Als wesentliches Strukturmoment wird dabei die ambivalente Selbstdarstellung (etwa zwischen erwachsener und infantiler Präsentation) der im Video gezeigten Sexualaufklärerin rekonstruiert.

Ausgehend von dem Befund, dass im Kontext der Männerberatung Scham und ihre Verbindung zu Vorstellungen von Männlichkeit bislang kaum thematisiert wurden, geht Dominik Kling in seinem Beitrag den Zusammenhängen von männlicher Sozialisation und Subjektivierung mit dem Erleben von Scham und Beschämung nach. Es ergeben sich aufschlussreiche Implikationen für die Beratung und Kling empfiehlt eine Erhöhung der Sensibilität für Schamanlässe und Schamempfinden, einschließlich deren Reflexion im Beratungssetting.

Betrachtet man die Beiträge dieses Hefts im Zusammenhang, so wird deutlich, dass Forschung zum Gefühl der Scham und zum Erleben von Beschämung nicht nur den jeweils relevanten soziokulturellen Kontext einbeziehen sollte. Es braucht auch die etwa phänomenologisch inspirierte Sicht auf die Innenseite, das Empfinden von Scham einschließlich der jeweils auftretenden körperlich-leiblichen Begleitphänomene. Nicht zuletzt ist für das Verstehen von Scham auch deren prozessuale Struktur von Bedeutung, also die zeitliche Abfolge des Aufkommens, Erlebens und Verarbeitens der Emotion Scham. Zur Annäherung an diese Dimension von Scham und Beschämung können narrative oder situative Interviews hilfreich sein.

Wir danken den Autor*innen für ihre wertvollen Beiträge, den Gutachter*innen für ihre aufmerksamen Reviews und wichtigen Anregungen, dem Verlag für das gewohnt professionelle Lektorat und Ihnen als Leser*innen dafür, dass sie mit Ihrer Lektüre (und möglicherweise weitergehenden Rezeption) den psychologischen Diskurs über Scham und Beschämung aufnehmen und vielleicht auch weiterführen.

Literatur

Demmerling, Christoph und Hilge Landweer. 2007. Philosophie der Gefühle. Von Achtung bis Zorn. Stuttgart: Metzler.

Deonna, Julien A., Raffaele Rodogno und Fabrice Teroni. 2011. In Defense of Shame. The Faces of an Emotion. Oxford: Oxford University Press.

Eibl, Doris G. 2021. »Die Familienerzählungen der Annie Ernaux als autosoziobiografische Suchbewegungen: Der Platz (1983/2019) und Eine Frau (1988/2019)«. In Der Generationenroman, hrsg. von Helmut Grugger and Johann Holzner, 778–798. Berlin: De Gruyter.

Ernaux, Annie. 2020. Die Scham. Berlin: Suhrkamp.

Hechler, Sarah Carlotta. 2023. »Zwischen Autobiographie und Autosozioanalyse. Zur Verbindung von Annie Ernaux’ autosoziobiographischen Erzählungen mit Pierre Bourdieus Soziologie«. In Autosoziobiographie. Poetik und Politik, hrsg. von Eva Blome, Philipp Lammers und Sarah Seidel, 17–42. Berlin: Metzler.

Lotter, Maria-Sybilla. 2012. Scham, Schuld, Verantwortung: Über die kulturellen Grundlagen der Moral. Berlin: Suhrkamp.

Mees, Ulrich. 1997. »Emotion«. In Psychologie. Eine Einführung, hrsg. v. Jürgen Straub, Wilhelm Kempf und Hans Werbik, 324–344. München: Deutscher Taschenbuchverlag.

Meulenbelt, Anja. 1978. Die Scham ist vorbei. Eine persönliche Geschichte. München: Verlag Frauenoffensive.

Neckel, Sighard. 1991. Status und Scham. Zur symbolischen Reproduktion sozialer Ungleichheit. Frankfurt/Main: Campus.

Roos, Jeanette. 2000. »Peinlichkeit, Scham und Schuld«. In Emotionspsychologie. Ein Handbuch, hrsg. v. Jürgen H. Otto, Harald A. Euler und Heinz Mandl, 264–271. Weinheim: Beltz Psychologie Verlags Union.

Tangney, June Price und Jessica L. Tracy. 2012. »Self-Conscious Emotions«. In Handbook of Self and Identity, hrsg. v. Marc R. Leary und June Price Tangney, 446–478. New York: Guilford Publications.

Thomason, Krista K. 2018. Naked: The Dark Side of Shame and Moral Life. Oxford: Oxford University Press.

Die Herausgeber*innen

Kathrin Gärtner, Diplompsychologin, Dr., leitet das Institut für Marktforschung und Methodik an der Fachhochschule Wiener Neustadt (A) und lehrt dort Forschungsmethodik und Wissenschaftliches Arbeiten. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich psychische Gesundheit und soziale Verbundenheit, Sexualität, Scham und Fragebogenkonstruktion.

Kontakt:
Dr. Kathrin Gärtner,
Fachhochschule Wiener Neustadt, Institut für Marktforschung und Methodik,
Schlögelgasse 22–26, 2700 Wiener Neustadt, Österreich
E-Mail: kathrin.gaertner@fhwn.ac.at

Ralph Sichler, Dr., Univ.-Doz., Dipl.-Psych., Leiter des Instituts für Management und Leadership Development an der Fachhochschule Wiener Neustadt (A) und langjähriger Mitherausgeber des Journals für Psychologie. Seine Arbeitsschwerpunkte sind die neue Arbeitswelt, Organisations- und Personalpsychologie, Kulturpsychologie, philosophische Grundlagen der Psychologie und qualitative Sozialforschung.

Kontakt:
Dr. Ralph Sichler,
Fachhochschule Wiener Neustadt, Institut für Management und Leadership Development,
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