Professionalisierung des Beratungswesens – die Ausbildung

Wolfgang Rechtien

Zusammenfassung

In der Folge zunehmender Geschwindigkeit des sozialen Wandels steigen die Anforderungen an Berater und verlangen nach einem Professionalisierungsprozess ihres Berufsfeldes. In diesem Beitrag werden Kriterien für eine Profession (im Gegensatz zu Beruf und Expertise) erörtern und zwei Perspektiven im Hinblick auf die Ausbildung von Beratern aufgezeigt: In welcher Weise kann Ausbildung diesen Professionalisierungsprozess so unterstützen, dass das wissenschaftliche und ethische Selbstverständnis von Beratung erhalten bleibt? Und wie steht es um die Professionalität derjenigen Personen und Institutionen, die Ausbildung von Beratern konzipieren, institutionalisieren und durchführen? Es wird der Schluss gezogen, dass diese Professionalisierungsprozesse begonnen haben, und einer frühzeitigen und aktiven Einflussnahme bedürfen, um unerwünschten Entwicklungen vorzubeugen.

Schüsselwörter: Profession, Beratung, Wissenschaft, Ethik, Modularisierung

Summary

Following the increasing rate of social change and the decrease of everyday social support there are new demands that long for a professionalization of the education and training of counselors. In this article some of the characteristics of a profession are discussed. As to the possible contribution of education and training there are two perspectives to be taken: In which way can they contribute to a process of professionalization that corresponds to the ethic and scientific self definition of counseling? And what about the professionalization of those persons and institutions that offer counseling education and training? With respect to such criteria the process of professionalization has started but is still at the beginning and longs for active and engaged shaping.

Keywords: Profession, Counseling, Science, Ethics, Modularization

Es besteht wohl weitgehend Einigkeit darin, dass sich das Tätigkeitsfeld der (psychosozialen) Beratung zur Zeit in einer deutlichen Entwicklungsphase befindet – sowohl unter quantitativen als auch unter qualitativen Gesichtspunkten. Mit der zunehmenden Komplexität der Lebensverhältnisse nimmt auch der Bedarf an differenzierter sozialer Unterstützung bei der Bewältigung der daraus entstehenden Entwicklungs- und Veränderungsnotwendigkeiten zu.

Mit dieser Entwicklung einher geht auch eine Veränderung des Selbstverständnisses – besser: der Selbstverständnisse, denn unter dem Dach einer zur Zeit eher breiten und damit wenig aussagekräftigen Begriffsbestimmung von Beratung finden sich sowohl in Theorie als auch in der Praxis recht unterschiedliche Phänomene (Counselling, Coaching, Supervision, Karriere- und Führungsberatung usw. usw.), deren Gemeinsamkeiten und Differenzen noch auszuloten sind. Das wirft natürlich nicht nur die Frage nach der Qualität solcher Angebote, sondern auch die nach der Qualität von Aus- und Weiterbildung von – bleiben wir noch bei dieser undeutlichen Bezeichnung – Beratern und Beraterinnen auf[1].

Ein bei aller Unterschiedlichkeit doch ähnlicher Prozess der Professionsbildung hat sich im Bereich der Psychotherapie abgespielt, der mit dem Inkrafttreten des Psychotherapeutengesetzes im Jahre 1999 einen (vorläufigen) Abschluss erreichte. Mitbedingt durch die Veränderungen der psychosozialen Versorgungslandschaft in der Folge dieser gesetzlichen Reglementierung haben auch im Beratungswesen Professionalisierungsbemühungen begonnen. Zu beobachten sind eine Zunahme einschlägiger wissenschaftlicher Publikationen, Bestrebungen zur Schaffung eines Beratergesetzes und zur Etablierung fachlicher und ethischer Standards sowie die Einrichtung von grundständigen und weiterbildenden Studiengängen im Bereich Counselling und Beratung, und es muss wohl nicht besonders betont werden, dass eine Professionalisierung der Ausübung von Beratung nicht ohne eine Professionalisierung der Ausbildung von Beratern gelingen kann. Das bringt allerdings neben Chancen wie der Entwicklung von Qualitätsstandards, Ethik-Richtlinien und der Konsolidierung eines zunehmend wichtigen Berufsstandes auch die Gefahr mit sich, »dass Beratung instrumentell verkürzt wird und nur noch methodische Verfahrensprinzipien verhandelt werden« (Keupp 2006, 865).

Bevor ich auf die Bedeutung dieser Professionalisierungsbestrebungen für die Beraterausbildung und auf den Beitrag der Ausbildung für diesen Prozess eingehe, soll jedoch klar gestellt werden, was gemeint ist, wenn in diesem Beitrag von Professionalisierung, Profession und anderen davon abgeleiteten Begriffen die Rede ist.

Begriffe: Profession, Professionalisierung

In der Alltagsrede finden wir die Charakterisierung einer Tätigkeit als »professionell« meist im Sinne von »fachlich qualifiziert«, »im Rahmen eines Berufes«, »vertraglich geregelt«»oder auch nur »bezahlt«, aber auch in der Fachliteratur finden sich ähnliche Verwendungen. Gelegentlich wird unter Professionalisierung auch der Einsatz spezifischer Strategien einer Berufsgruppe zur Verbesserung ihrer Arbeitssituation und damit ihrer Position in der Gesellschaft verstanden (z.B. Buer 1984. 11), dabei handelt es sich aber um eine recht unscharfe Definition, die wenig geeignet erscheint, das Spezifische des Überganges von einem Beruf zu einer Profession zu erfassen.

Die Debatte über die Professionalisierung beruflicher Tätigkeiten ist dabei nicht neu, sondern hat im Gegenteil eine lange Tradition. Schon vor mittlerweile fast 90 Jahren stellte Abraham Flexner die Frage, ob die Sozialarbeit eine Profession sei und nannte Kriterien zur Beurteilung. Die fachwissenschaftliche Analyse von Professionen und Professionalisierungsprozessen ist Gegenstand der Berufssoziologie. Mit ihr lässt sich der Begriff der Professionalisierung heute in zwei Bedeutungen verstehen. Wird er im Sinne einer Verberuflichung einer zuvor privat oder ehrenamtlich ausgeübten Tätigkeit benutzt, geht es beispielsweise um die Frage, was »professionelle« Beratung von Alltagsberatung unterscheidet. Im engeren Sinne – und darum geht es bei den Überlegungen in diesem Beitrag – meint Professionalisierung die Entwicklung eines Berufes zu einer Profession. Auf dem Kontinuum Arbeit – Beruf – Profession stellt die Profession den Endpunkt eines Entwicklungsprozesses dar, dessen Absolventen beanspruchen, »eine berufliche Leistung auf der Basis systematischen Wissens und von besonderem Wert für die Gesellschaft anzubieten« (Hartmann & Hartmann 1982, 194).

Als Merkmale einer Profession gelten eine in der Regel akademische Ausbildung, ein hoher Grad an beruflicher Organisation, eine eigene Berufsethik, soziale Bedeutsamkeit und gesellschaftliches Ansehen, die Verpflichtung auf zentrale gesellschaftliche Werte (wie z.B. Gesundheit, Rechtsdurchsetzung, Wahrheit usw.) sowie weitgehende sachliche Gestaltungsfreiheit bei der Ausübung der professionellen Tätigkeit. Professionen unterliegen primär einer kollegialen Selbstkontrolle und können weder durch den Markt noch durch Bürokratien angemessen kontrolliert werden (dazu Stock 2006).

Im Gegensatz zum Alltagsverständnis dient eine professionelle Ausbildung von Beratern also nicht nur dem Erwerb fachlicher Kompetenz, sondern auch der Identifikation mit dem Beruf und der Internalisierung von Normen und Idealen beruflicher Ethik. Die Sicherung der Qualität fachlichen Handelns durch beständige Weiterbildung insbesondere auch im Hinblick auf neueste wissenschaftliche Forschungsergebnisse gehört ebenfalls zu den Kriterien für Professionalität; in der Ausbildung von professionellen Beratern müssen diese die Fähigkeit zu selbstgesteuerter Aneignung von Beratungswissen und zur selbstgesteuerten Anwendung dieses Wissens auf ihre Beratungspraxis erwerben.

Der berufsspezifische ethische Kanon von Professionalität betrifft zum einen das Verhältnis von Professional und Klient (im Falle der Ausbildung also sowohl die Gestaltung des Verhältnisses zwischen Berater und Beratungsklient als auch zwischen Ausbildendem und Ausbildungsteilnehmer) und zum anderen das Verhältnis der Professionsangehörigen (also in unserem Fall der Ausbildenden) untereinander.

Die Regelung solcher Interaktionsbeziehungen gehört zu den Aufgaben von Berufs- und Standesorganisationen, deren Hauptaufgabe die Überprüfung der Kompetenz der Professionsangehörigen und die Überwachung der Einhaltung der beruflichen Normen ist. Somit erfolgt die Kontrolle solcher ethischen Standards zu einem großen Teil über Selbstkontrolle und Kontrolle durch Fachkollegen. Bei aller Autonomie, die ja zu den Kriterien einer Profession gehört, liegt die Berufsausübung also nicht vollständig und ausschließlich im Ermessen der Beteiligten.

Zu den Strategien, die Entwicklung eines Berufes zu einer Profession voranzutreiben, gehört häufig auch die Bemühung, die Etablierung staatlicher Ausbildungsordnungen und staatlicher bzw. staatlich anerkannter Prüfungen zu erreichen. Die eingangs erwähnte Professionalisierung der psychologischen Psychotherapie bietet mit der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung und der Einführung der staatlichen Prüfungen vor den jeweiligen Landesbehörden ein Beispiel hierfür, ein Beispiel allerdings auch für die negativen Seiten, die mit einer solchen Regelung einhergehen. Mit der Entwicklung zur Profession sind zwar Prestige und gesellschaftliche Anerkennung gestiegen, diese sind andererseits mit Reglementierungen und mit einer Bürokratisierung erkauft, die als schmerzlich empfunden werden (vgl. dazu Heisig & Littek 2003). Der Professionalisierungsprozess der Psychotherapieausübung brachte übrigens mit der staatlichen Anerkennung von Ausbildungsstätten auch eine Professionalisierung der Psychotherapieausbildung mit sich.

Ungeachtet der Frage, ob eine derartige Entwicklung für den Bereich der Beratung überhaupt als wünschenswert angesehen wird, sind gesetzliche Regelungen sicher erst realisierbar, wenn der Professionalisierungsprozess fortgeschritten ist. Eine Alternative bietet sich in der Entwicklung von einschlägigen Studiengängen mit entsprechenden Studien- und Prüfungsordnungen an Hochschulen bzw. von Ausbildungsgängen und Ausbildungsordnungen von Fachverbänden – unter der Prämisse der Akademisierung vorzugsweise in Kooperation mit Hochschulen. Wenn dann später eine gesetzliche Regelung gewünscht wird (oder droht, ohne dass sie gewünscht wird), können solche etablierten Studiengänge und Ordnungen Eckwerte setzen.

Professionalisierung der Ausbildung: Zwei Perspektiven

Ohne die Parallelität zu sehr zu strapazieren lässt sich doch aus dem Professionalisierungsprozess der Psychologischen Psychotherapie einiges lernen. Das Psychotherapeutengesetz hat zumindest auf der formalen Ebene die Professionalisierung der Psychotherapie festgeschrieben. Das brachte Unruhe in die psychosoziale Versorgung und wirkt sich auch auf das Selbstverständnis von Psychologischen Psychotherapeuten und damit auf deren Ausbildungserfordernisse aus. Aber diese Auswirkungen beschränken sich nicht auf die Professionalisierung von Psychotherapeuten, sondern auch auf die der Ausbilder in den staatlich anerkannten Ausbildungsstätten. So gehört zu den Anerkennungsvoraussetzungen für Ausbildungsstätten ein Qualifikationsnachweis für eingesetzte Dozenten, Supervisoren und Selbsterfahrungsanleiter. Wie sich leicht zeigen lässt, ist die Erkenntnis dieses Professionalisierungsprozesses und seiner Konsequenzen erst mit der Zeit in das Bewusstsein der Ausbildenden eingedrungen (ganz zu schweigen von der Akzeptanz). Das lässt auf der einen Seite Raum und Zeit für Reflexionen des neuen Rollenverständnisses, bringt auf der anderen Seite aber auch Komplikationen und Reibungsverluste mit sich.

Übertragen auf den Professionalisierungsprozess des Beratungswesens kann das heißen: Beratung und Beratungsausbildung ist in Bewegung geraten. Wenn diese Bewegung nicht in die Bedeutungslosigkeit führen soll, wird sie (mit oder ohne gesetzliche Regelung) in Richtung Professionsentwicklung für Berater und deren Ausbilder gehen müssen. Je eher dies in die Aufmerksamkeit der Beteiligten kommt, desto eher kann dieser Professionalisierungsprozess mitgestaltet werden – und vielleicht lässt sich so vermeiden, dass auf eine eventuelle gesetzliche Regelung nur mit »So haben wir das nicht gewollt« reagiert werden kann.

Konkret bedeutet das, dass sich an der Ausbildung Beteiligte auch darüber Gedanken machen müssen, was sie unter professioneller Ausbildung verstehen wollen und wie diese gestaltet sein soll, und wie sie ihre eigene Profession (Ausbildung von Beratern) und sich selbst als Angehörige dieser Profession definieren wollen – bevor es andere tun. Schließlich ist eine erfolgreiche Ausbildung zu professioneller Beratungstätigkeit ohne eine Professionalisierung der beruflichen Tätigkeit »Beratungsausbildung« nur schwer vorstellbar.

Ein Blick auf die Rolle der Ausbildung im Prozess der Professionalisierung des Berufes »Beratung« muss also aus zwei Perspektiven erfolgen: Wie sollte eine Ausbildung inhaltlich und formal-organisatorisch gestaltet sein, um für die Ausbildungsteilnehmer, also die zukünftigen Berater, Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass diese ihren Beruf professionell, d.h. im Sinne einer Profession im engeren Sinne, ausüben können? Wie steht es um die Professionalisierung der Ausbildung selbst? Das betrifft nicht nur Kompetenz und Selbstverständnis der Ausbildenden, sondern auch die formalen und institutionellen Bedingungen, unter denen sie diese ihre Arbeit ausführen. Perspektive 1: Professionelle Gestaltung der Ausbildung

Dass eine Ausbildung, die für eine verantwortliche berufliche Ausübung von Beratung qualifizieren will, die für das jeweilige Verfahren und das jeweilige Format notwendigen Kompetenzen und Performanzen vermitteln muss, steht wohl außer Frage und soll daher hier erwähnt, aber nicht weiter diskutiert werden. Das heißt jedoch zweierlei nicht: Es heißt nicht, dass es hinsichtlich dieser Kompetenzen und Performanzen keinen Reflexionsbedarf und keine Entwicklungsnotwendigkeiten gibt. Und es heißt nicht, dass es nicht angebracht ist, bei der Betrachtung der für Professionalität angelegten Kriterien auch darauf zu schauen, welche Bedeutung diese für die Gestaltung von Ausbildung haben.

Im Folgenden soll (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) der Blick auf Professionskriterien gerichtet werden, im Hinblick auf die eine Beratungsausbildung die Professionsbildung unterstützen kann und soll: Akademisierung, Berufsethik, Identifikation mit der Profession, Kommunikationskultur der Professionsangehörigen.

Akademisierung / Wissenschaftlichkeit: Nach der eingangs vorgenommenen Begriffsklärung verwundert es nicht, dass dieses Kriterium an prominenter Stelle auftaucht. Eine akademische, damit ist gemeint wissenschaftlich fundierte[2] Ausbildung gehört zu den allgemein anerkannten Merkmalen einer Profession. Zum Selbstverständnis der beiden Verbände, in denen sich Ausbildungsinstitutionen organisieren, gehören also auch die Förderung der »wissenschaftlich fundierten Beratung/Counseling« (Deutsche Gesellschaft für Beratung e.V. 2004) bzw. das Anliegen, »professioneller Beratung ein klares und eigenständiges, wissenschaftsfundiertes Profil zu geben« (Vereinigung von Hochschullehreinnen und Hochschullehrern zur Förderung von Beratung / Counseling in Forschung und Lehre e.V. 2004)

An dieser Stelle muss jedoch sogleich einer Missinterpretation vorgebeugt werden. Die Betonung der wissenschaftlichen Fundierung weist den Hochschulen zwar eine besondere Aufgabe und Verantwortung bei der Entwicklung des Beratungswesens zu, das heißt jedoch nicht, dass Ausbildung von Beratern ausschließlich oder vorrangig von und in Hochschulen stattfinden sollte. Der Bindung an Wissenschaft steht die prinzipielle Klientenbindung, die Orientierung an den Problemlagen und Erfordernissen derjenigen, die Beratung in Anspruch nehmen, gegenüber. Der zweite Pol dieses Spannungsverhältnisses einer sich entwickelnden Profession Beratung institutionalisiert sich in den Fachverbänden, die für die diversen Beratungsformate und Beratungsfelder stehen. Für eine gelingende Professionalisierung sind beide gefordert.

Und hier ist gleich ein weiteres Missverstehen, vielleicht ist es sogar ein Vorurteil, zu benennen: Diese Gegenüberstellung wissenschaftlicher Orientierung und Praxisorientierung meint nicht, dass Hochschulen praxisfern und nicht-hochschulische Verbände unwissenschaftlich sind. Sie benennt jedoch Aufgabenschwerpunkte, und das in dieser Diversität entstehende Spannungsverhältnis schafft Entwicklungsanstöße.

Wissenschaftlich fundierte Ausbildung gestalten heißt, die Ausbildungsinhalte einer fortwährenden Überprüfung am aktuellen Stand theoretischer Erkenntnisse zu unterziehen. Gefragt sind hier sowohl theoretische Entwicklungen und Ergebnisse empirischer Forschung der Beratungswissenschaft im engeren Sinne, als auch solche angrenzender Disziplinen, die Erklärungs- und Strukturierungswert für Beratungsprozesse haben, also zum Beispiel Persönlichkeits- und Entwicklungstheorie, Interventionstheorie, Praxeologie, sozialpsychologische Theorien etwa über soziale Beeinflussung, Einstellungs- und Verhaltensänderung, Gruppenprozesse – die Liste lässt sich ergänzen.

Wissenschaftlich fundierte Ausbildung gestalten heißt aber auch, ihre Absolventen zu einer fundierten Rezeption und zu kritischer Reflexion und Beurteilung theoretischer Konstruktionen und empirischer Untersuchungen zu befähigen und – last not least – zu motivieren!

Und angesichts der Tatsache, dass es eine Reihe zum Teil recht unterschiedlich fundierter Ansätze gibt, gehört zur Professionalisierung der Ausbildung auch die Auseinandersetzung mit der Tatsache, dass es Verfahren mit unterschiedlichen theoretischen und anthropologischen Grundlagen gibt, mit der Frage nach Kompatibilität bzw. Nichtkompatibilität von Vorgehensweisen aus unterschiedlichen Verfahren, mit der Frage nach dem Sinn und den Möglichkeiten konzeptorientierter Ansätze vs. einer allgemeinen Beratungstheorie usw.

Berufsethik: Der ethische Kanon, der eine Profession Beratung von beruflichem Expertentum unterscheidet und die Moral beruflichen Handelns fundiert, betrifft zum einen das Verhältnis der Professionsangehörigen – der Berater – zu ihren Klienten, zum anderen das Verhältnis der Professionsangehörigen – der Berater untereinander[3]. So gehört zu einer professionellen Ausbildung der Erwerb von, die Auseinandersetzung mit und die Internalisierung von beratungsspezifischen Normen und Idealen. Wichtig scheint mir dreierlei: Zur Ethik gehört auch die Sicherstellung der Legitimität des Beratungswissens durch Rezeption, Reflexion und Aneignung neuester wissenschaftlicher Ergebnisse. Dabei wird sowohl zwischen den verschiedenen Beratungsformen als auch zwischen den Formaten zu unterscheiden sein. Die Vermittlung der Grundlagen beratungsspezifischer Ethik taucht häufig nicht in den Ausbildungsplänen auf und es wird ihrer Fundierung und kritischen Reflexion kein eigener Raum gewidmet, sondern ethische Fragen werden gleichsam nebenbei im Kontext anderer Ausbildungsbestandteile mitbehandelt, zum Beispiel anhand von Fällen in der Supervision. Das ist sicherlich richtig und sinnvoll, auf der anderen Seite scheint mir eine explizite Thematisierung berufsspezifischer Normen und Werte als Teil professioneller Ausbildung notwendig[4]. Manfred Sader hat darauf hingewiesen, dass nur ein ziemlich kleiner Teil gesellschaftlicher (und d.h. auch berufsbezogener) Normen ausformuliert und damit sichtbar ist (Sader 2002, 198). Der weitaus größte Teil bleibt unthematisch, undiskutiert und damit unbezweifelbare Selbstverständlichkeit. Das hat mindestens zwei Folgen für zukünftige Berater. Eine rationale und kritische Auseinandersetzung über Sinn und Angemessenheit solcher beraterischer Normen wird (nahezu) unmöglich. Und: Unthematische Norm-Anforderungen führen dazu, dass Menschen – hier: Berater – Normen setzen, deren Erfüllung jedenfalls auf Dauer nicht möglich ist, und deren Ansprüche nicht hinterfragt werden können. So wird eine der Ursachen für das bei Berufen im Bereich der sozialen Unterstützung so häufig erlebte Burnout-Syndrom in der Unthematisierbarkeit der Berufsnormen zu sehen sein. Beratung betrifft wichtige Lebensbereiche von Menschen, und mit der voranschreitenden Entwicklung dieses Tätigkeitsbereiches zu einer Profession wächst seine Handlungsmacht. Daher: Nicht erst im Kontext der Berufsausübung, sondern bereits im Prozess des Erwerbs professioneller Beratungskompetenz sind (zukünftige) Berater mit der Frage zu konfrontieren, ob man als Professionsangehöriger alles tun darf, was man professionell tun kann.

So gehört zu den Bestandteilen professionell gestalteter Beraterausbildung die explizite Thematisierung und Reflexion des ethischen Normenkanons.

Zu bedenken ist dabei, dass in einem ethischen Regelwerk nur allgemeine Prinzipien moralischen Handelns für bestimmte Problemsituationen formuliert werden kann. Die Anwendung dieser Prinzipien auf den beraterischen Einzelfall bleibt der Urteilskraft des Beraters überlassen[5]. In einer professionellen Ausbildung von Beratern kommt daher der Schulung dieser Fähigkeit, ethische Prinzipien auf den Einzelfall anzuwenden, eine zentrale Bedeutung zu. Ein weiterer Aspekt erscheint mir dabei der Aufmerksamkeit wert: Es geht nicht allein um die ethische Bewertung einer möglichen Handlung, sondern auch um die Beurteilung einer Unterlassung, eines Nicht-Tätig-Werdens, obwohl Handeln möglich wäre. Auch die Reflexion der ethisch-moralischen Verbindlichkeit steht in der Verantwortung der Ausbildung: Beraterisches Handeln (oder Nicht-Handeln) kann ethisch möglich sein (der Berater darf so handeln), es kann ethisch notwendig sein (so zu handeln ist die Pflicht des professionellen Beraters) und es kann ethisch verboten sein (so zu handeln – oder eine bestimmte Handlung, die ethisch angemessen und faktisch möglich wäre, zu unterlassen – ist verwerflich oder gar strafbar).

Und noch etwas möchte ich einer professionell gestalteten Ausbildung als Aufgabe zuschreiben: Einsicht und Akzeptanz, dass ethische Verantwortlichkeit nicht nur in der Beziehung zwischen Berater und Klient existiert, sondern auch in der Beziehung des Beraters zu sich selbst. Auch die Vernachlässigung der eigenen Person ist unethisch.

Identifikation mit der Profession: »Beratung braucht eine eigenständige Identität – theoretisch/konzeptionell – praktisch/methodisch – professionell/versorgungsstrukturell …« (Nestmann, Sickendiek & Engel 2006, 802)

Professionelle Identität entsteht vor dem Hintergrund einer Identifikation mit dem Beruf und der Identifizierung als Professionsangehöriger durch andere. Dient professionelle Sozialisation neben dem Erwerb fachlicher Kompetenzen und der Aneignung eines professionsspezifischen ethischen Kanons auch der Identifikation mit dem Beruf, so lohnt es sich, hier genauer hin zu schauen. Angesichts der eingangs erwähnten relativen Unbestimmtheit des Begriffes dürfte eine Identifikation mit dem Beruf »Beratung« nur eingeschränkt hilfreich für die Entwicklung eines professionellen Selbstverständnisses von Beratern sein.

Also sollte – wenn man über professionelle Beratungsausbildung nachdenkt – zuvor geklärt werden, welche Art von Beratern jeweils ausgebildet werden sollen, denn angesichts des unscharfen Bedeutungshorizontes dieses Begriffes kann man wohl nicht »für Beratung« ausbilden[6]. Was oder wer also soll wie beraten werden? Geht es um die Ermöglichung, Initiierung, Unterstützung von personalen Entwicklungs-, Veränderungs-, Problembewältigungsprozessen? Geht es um Supportleistungen für Teams, Organisationen, …? Oder beides? Wenn letzteres: kann das innerhalb eines Curriculums geleistet werden? Oder wird der Beratungsbegriff strapaziert und unscharf (unschärfer als er sowieso schon ist), wenn man beides – personale und überpersonale Prozesse – gleichermaßen als Arbeitsfeld für einen Berater definiert?

Quer zu solchen als feldspezifisch bzw. -übergreifend bezeichneten Kompetenzen liegen solche, die sich aus »theorievorgeschalteten« Annahmen über Beratung(sausbildung) ergeben, die dem jeweiligen Curriculum zu Grunde liegen. Der Frage, wie denn theoretische Fundierung psychosozialer Beratung aussehen soll, kann man in einem ersten Schritt mit einer – zugegebenermaßen etwas plakativen – Gegenüberstellung begegnen. Auf der einen Seite stehen Versuche, eine allgemeine Beratungstheorie zu entwickeln, die nicht »schulengebunden« ist. Auf der anderen Seite stehen »konzeptorientierte« Ansätze (wie wir sie einmal nennen wollen). Der Installation einer professionellen Ausbildung vorangestellt ist also die Frage, ob ein »konzeptorientiertes« Beratungskonzept vermittelt werden soll, oder eine »allgemeine« Beratungstheorie und -praxis (im Sinne von Dietrich 1991), die nicht mit einer definierten Anthropologie, Persönlichkeitstheorie usw. verbunden ist. Nun soll die Kontroverse um konzeptorientierte (»schulengebundene«) oder allgemeine, oft auch integrativ[7] genannte Beratung hier nicht in ihrer Breite nachvollzogen werden, sondern nur in ihrer Bedeutung für professionalisierte Beratungsausbildung betrachtet werden.

Allgemeine Beratungstheorie: Ähnlich wie in der Psychotherapie (insbesondere Grawe 1998) gibt es auch im Bereich der Beratung Bemühungen, eine allgemeine Beratungstheorie aufzustellen. Bisher haben diese jedoch nicht zu überzeugenden Konzepten geführt. Es fehlt eine Interventionstheorie, die beraterische Praxis fundiert. Auch ist die Frage unbeantwortet, ob eine allgemeine Beratungstheorie der Vielfalt von Klienten- und Beraterpersönlichkeiten und der Komplexität menschlicher Problemlagen gerecht werden kann. Eine professionelle Identifikationsbasis auf der Grundlage einer »allgemeinen« Beratungsausbildung erscheint damit schwer zu erreichen[8].

Konzeptorientierte Ansätze: Vor allem zur Zeit des »Psychobooms« in der 70er Jahren entstanden auf der Grundlage unterschiedlicher theoretisch und empirisch fundierter Erkenntnisse und methodischer Zugänge der Prävention, Intervention und Rehabilitation eine ganze Reihe von (meist psychotherapeutisch orientierten) Beratungsansätzen (vgl. Rechtien 2004).

Das Interventionsinventar konzeptorientierter Beratungsansätze – also das, was ein Berater oder eine Beraterin im Rahmen seiner Profession tut – sollte, wenn es nicht zu einem beliebig zusammengestellten Sammelsurium verkommen, sondern Möglichkeiten zur professionellen Identifikation bieten soll, aus einem bestimmten, in gewisser Weise hierarchisch aufgebauten Theoriegebäude abgeleitet werden. Ein solches Gebäude enthält in mehr oder minder ausgearbeiteter Form Aussagen über das Entstehen beratungsrelevanter Problemsituationen und über Möglichkeiten ihrer Bearbeitung. Wenn es (auch) um Beratung als Förderung individueller Problembewältigungskompetenzen geht, enthält es vor allem eine Theorie der Persönlichkeit und eine Anthropologie, also Annahmen darüber, was es bedeutet ein Mensch zu sein, und wie sich Beziehungen zur Welt und zu anderen Menschen gestalten.

Eine solchermaßen gesicherte Identität als Berater bietet gute und sichere Voraussetzung auch für den »Blick über den Tellerrand«, also die Befassung mit anderen Konzepten und deren Prüfung auf sinnhafte Integrationsmöglichkeiten im konstruktiven Sinne, ohne Identitäts- und Orientierungsverlust[9].

Kommunikation und Kooperation: Wenn über den Beitrag der Beraterausbildung zur Entwicklung einer professionellen Kommunikationskultur nachgedacht wird, dann geht es nicht um Formen des alltäglichen Umgangs miteinander, und auch nicht um die Vernetzung zwischen verschiedenen Einrichtungen der psychosozialen Versorgung. Beides ist wichtig, gehört aber in den Bereich der beruflichen Expertise, bzw. als soziale Kompetenz zu den Voraussetzungen für die Aufnahme einer Beratungsausbildung.

Vielmehr geht es um die professionsbezogenen Kommunikations- und Kooperationsformen zwischen den Professionsangehörigen, um die Beziehung dieser Professionsangehörigen zu den Angehörigen anderer relevanter Professionen und nicht zuletzt zu den Klienten. Die Entwicklung einer solchen professionellen Kommunikations- und Kooperationskultur erfolgt natürlich nicht in der Ausbildung, sondern im Laufe der Berufsausübung der Professionsangehörigen, Obwohl die Annahme naiv erscheint, eine innerhalb der Profession akzeptierte und zur Professionsprofilierung und -weiterentwicklung dienliche Kommunikationskultur entstehe bei Ausbildung und Berufsausübung irgendwie naturwüchsig, wird in der Ausbildung von Beratern gerade dies implizit vorausgesetzt. Beraterausbildung kann und sollte zukünftige Berater für die Bedeutung dieses Aspektes ihrer Profession sensibilisieren und ihre Motivation und Fähigkeit zur Reflexion und Mitgestaltung dieser Kultur fördern.

Soziale Dynamik und lebenslanges Lernen: Eine Präzisierung des Selbstverständnisses von professioneller Beratungsausbildung muss den gesellschaftlichen Kontext und seine Dynamik berücksichtigen. Der Soziologie Hartmut Rosa schreibt zu dieser Dynamik:

»Die Halbwertzeit unseres Wissens sinkt – das betrifft vor allem praktisches Alltagswissen: Unser Wissen über die Wohnorte, Lebensgemeinschaften und Telefonnummern von Freunden, über den Gebrauch von Computerprogrammen, Handys und Mikrowellen, über Parteiprogramme, Spitzensportler, Geldanlagen und Bildungsprogramme muss in immer kürzeren Zeitabständen aktualisiert werden.« (Rosa 2008, 84)

und weiter:

»Beschleunigung des sozialen Wandels lässt sich damit definieren als Steigerung der Verfallsdaten von handlungsorientierenden Erfahrungen und Erwartungen und als Verkürzung der für die jeweiligen Funktions-, Wert- und Handlungssphären als Gegenwart zu bestimmenden Zeiträume.« (ebd.)

Traditionell und institutionell gestützte Verhaltensregeln müssen aufgegeben und durch neue Ergebnisse permanenten Lernens und Entscheidens abgelöst werden. Die Lernfähigkeit des Menschen muss mindestens so groß sein wie die Veränderungsdynamik der Umwelt. Diese Veränderungsdynamik betrifft auch die Bedingungen beruflicher Existenz; mit den Organisationsformen und Inhalten wandeln sich auch die Leistungs- und Qualifikationsanforderungen (vgl. dazu Tramm & Reetz 2003).

Zugleich mit dieser Dynamisierung lässt sich auch eine zunehmende Komplexität beruflicher und privater Lebenszusammenhänge konstatieren. Diese »Dynaxity« (Rieckmann 1996 & Rieckmann 1991) erhöht nicht nur die Wahrscheinlichkeit von Bewältigungskrisen, sondern mindert auch das zur Verfügung stehende alltägliche soziale Unterstützungspotential. Sie steigert damit den Bedarf an professioneller (nicht-therapeutischer) Unterstützung und verändert seine Qualität.

Für die Ausbildung bedeutet das zweierlei: Zukünftige Berater benötigen spezifische Kenntnisse und Fähigkeiten, um ihre Klienten bei der Entwicklung und Verbesserung von Kompetenzen zur Bewältigung dieser neuen Anforderungen zu unterstützen, und: sie benötigen selbst entsprechende Bewältigungskompetenzen, und zwar m.E. in ganz besonderem Maße, denn die aus Dynaxity resultierenden Anforderungen treten ihnen mehrfach entgegen, nämlich in ihrem eigenen Alltag und in den Problemlagen ihrer Klienten.

So macht es Sinn, als Teilaufgabe professioneller Beraterausbildung die Fähigkeit zur Förderung von Kompetenzen für die Bewältigung zunehmender Komplexität zu definieren.

Wenn Komplexität und Dynamik des beruflichen und privaten Alltags zunehmen, so wirkt sich das demnach auch auf Inhalte und Formen von beruflicher Aus- und Weiterbildung, also auch auf die Gestaltung von Beraterausbildung aus. Hier lohnt sich durchaus ein Blick auf die Erkenntnisse, die in der Erwachsenenbildung gewonnen worden sind. Institutionen, die Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen anbieten – und das gilt in unserem Fall sowohl für Universitäten als auch für die einschlägigen Fachverbände – müssen sich auf die Initiierung lebenslanger, selbstorganisierter und selbst gesteuerter Lernprozesse einstellen. Damit rückt die Bedeutung nichtorganisierter Lernprozesse, die seitens der Ausbildungseinrichtungen behutsamer Unterstützung bedürfen, in das Blickfeld. Schließlich muss für kontinuierliche Lernprozesse motiviert werden, die über situational gebundene Problemsituationen hinaus zur Entwicklung von Dispositionen und Kompetenzen führen. Lernende, auch zukünftige Berater, müssen systematisch mit neuen Anforderungssituationen und weiterführenden Denkanstößen konfrontiert werden. Wichtig sind daher die Förderung von Lern- und Methodenkompetenz, die Verfügbarkeit und Zugänglichkeit geeigneter Lernumgebungen, das Vorhandensein von Austausch- und Kommunikationsbeziehungen zwischen Lernenden und Ausbildern und die Verfügbarkeit von Ansprechpartnern zur Unterstützung und Beratung.

Ausbildungseinrichtungen – und dies gilt sowohl für Hochschulen als auch private Einrichtungen wie etwa Fachverbände – müssen sich angesichts dieser Anforderungen neu definieren. Dabei muss zwischen selbstgesteuertem und selbstorganisiertem Lernen unterschieden werden. Bei aller Betonung selbstorganisierten Lernens sollten in dieser Neudefinition Rolle und Bedeutung planmäßiger Veranstaltungen nicht geschmälert werden, denn die Erfahrung zeigt, dass ohne professionelle Unterstützung organisierte Lernarrangements fragil und unbeständig sind; notwendig ist die Entwicklung eines Mischsystems von situativem und planmäßig strukturiertem Lernen (vgl. Dohmen 2000). Perspektive 2: Professionalisierung der Ausbilder

Ausbildung, die den Prozess der Entwicklung der Beratungsarbeit von einem Beruf zu einer Profession fördern will – ich betone noch einmal, was ich eingangs bereits gesagt habe –, setzt m.E. eine Professionalisierung der Ausbildenden voraus, unabhängig davon, ob diese in einem einschlägigen Fachverband oder in einer Hochschule Ausbildung betreiben. Auch hier wird der Weg vom Beruf zur Profession schrittweise gegangen. Eine langjährige Tätigkeit als Ausbilder in einem Ausbildungsinstitut oder einem Fachverband oder als Hochschullehrer oder -dozent mag zu ausgezeichneter Expertise führen, jedoch nicht unbedingt zur Profession[10]. So lohnt sich ein Blick auf den Professionalisierungsstand der Ausbildenden anhand ausgewählter Professionskriterien.

Berufsorganisation: Am augenfälligsten und wohl am weitesten fortgeschritten ist die Professionalisierung im Bereich der beruflichen Organisation.

Im Jahre 2004 gründete sich nach einer längeren Vorbereitungszeit die erwähnte Deutsche Gesellschaft für Beratung / German Association for Counseling e.V. (DGfB), in deren Mitgliedsverbänden sowohl praktisch tätige Berater als auch Weiterbildungseinrichtungen zusammengeschlossen sind. Von der Zusammensetzung ihrer Mitgliedschaft her ist die DGfB also eher ein Zusammenschluss von in Berufsverbänden organisierten Beratern als von Beratungsausbildern, bietet aber auch Letzteren einen institutionellen Rahmen. Hauptanliegen der DGfB ist die Förderung der professionellen und wissenschaftlich fundierten Beratung. Insbesondere bemüht sie sich um inhaltliche Mindeststandards für Beratungsaus- und -weiterbildungen.

Im Gegensatz dazu sind in der ebenfalls 2004 gegründete und 2007 rechtsfähig gewordene Vereinigung von Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer zur Förderung von Beratung / Counseling in Forschung und Lehre e.V. (VHBC) Personen organisiert, die – an Hochschulen – in der Ausbildung von Beratern tätig sind, also entsprechende Studienangebote leiten und/oder in ihnen tätig sind. Zu den Zielen der VHBC gehört unter anderem, eine kritische und unabhängige wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Beratung zu unterstützen, ethische Fragen des Beratungshandelns aufzuzeigen und in der Formulierung ethischer Grundsätze Stellung zu beziehen, Qualitätsstandards für professionelle Beratung zu entwerfen und problematischen Entwicklungen entgegenzuwirken.

Mit der Gründung der DGfB e.V. und der VHBC e.V. wurde ein wesentlicher Schritt der Professionalisierung im Bereich der Berufs- und Standesorganisation von Ausbildenden getan. Zielsetzungen wie kritische wissenschaftliche Reflexion, Formulierung ethischer Fragen und Grundsätze, Entwicklung von Qualitätskriterien und Etablierung kollegialer Selbstkontrolle in der Vorbeugung von problematischen Entwicklungen verweisen deutlich auf Bemühungen zur Entwicklung einer Profession Beratung. Anzulegen sind diese Kriterien allerdings nicht nur auf die Gestaltung von Ausbildungsinhalten, sondern auch auf das professionelle Handeln der Ausbilder selbst.

Ausbildung der Ausbilder: Ohne dass dies explizit thematisiert wird, findet man nicht selten die Annahme, dass jemand das, was er praktizieren kann, auch anderen vermitteln kann. Dass diese Vorstellung naiv ist, braucht nicht besonders hervorgehoben werden. In einer professionellen Ausbildung von Beratern brauchen die Ausbildenden neben der theoretischen und praktischen Kompetenz in ihrem jeweiligen Verfahren (natürlich einschließlich persönlicher, fachlicher und sozialer Kompetenz) und in ihrem spezifischen Format methodisch-didaktische Kompetenzen in der Gestaltung und Begleitung von Lernprozessen Erwachsener, die auch auf das zu vermittelnde Verfahren zugeschnitten sind, insbesondere in der Begleitung lebenslangen Lernens sowie Kenntnisse in der Organisation von Aus- und Weiterbildung – wozu auch die Kenntnis institutioneller Rahmenbedingungen bzw. die Fähigkeit zur Erarbeitung dieser Kenntnis – und der Umgang mit diesen durch Institutionen gesetzten Bedingungen gehört.

Beraterausbildung findet in aller Regel in gruppalen Settings statt, was Kenntnis von und Kompetenzen im Umgang mit Gruppenprozessen und -strukturen erfordert: Rollenstrukturen und Rollenveränderung, Normentstehung, Macht, Kooperation und Konkurrenz, Gruppendruck, Konformität usw. Wir alle, Berater bzw. Ausbilder oder nicht, verbringen zwar den größten Teil unseres Lebens in Mehrpersonenkonstellationen. Die Erfahrung zeigt aber, dass auf ein naturwüchsiges Entstehen von Fähigkeit im Umgang mit und in der Gestaltung der Dynamik von Gruppen nicht gezählt werden kann, dass im Gegenteil gerade wegen dieser Selbstverständlichkeit die Notwendigkeit zur Entwicklung einer Expertise nicht gesehen wird.

Schließlich gehört zu einer professionellen Ausbildung auch ein professionelles Gestalten der Aus- und Weiterbildungsorganisation mit Öffentlichkeitsarbeit und Teilnehmerwerbung, Vertragsgestaltung und nicht zuletzt Qualitätssicherung der Ausbildung.

Berufsethik der Ausbildenden: Ethik der Ausbildenden – diese einleitende Spitzmarke ist eigentlich irreführend, denn professionsethische Fragen stellten sich nicht nur den Leitern von Ausbildungsgruppen, Supervisoren, Selbsterfahrungsanleitern, Lehrberatern, also denjenigen, die Ausbildung in direktem Kontakt mit den zukünftigen Beratern durchführen, sondern allen, die Beraterausbildung entwerfen, anbieten und organisieren. So ist zum Beispiel die Frage der Finanzierung nicht nur eine ökonomische, sondern auch eine ethische, insofern sie über Zugang bzw. Nicht-Zugang mitentscheidet. Ebenso, und vielleicht noch brennender ist der ethische Anteil bei der Festsetzung von Zugangsvoraussetzungen: soll durch strenge Kriterien hohe Qualität angestrebt werden und damit bestimmten Gruppierungen, etwa solchen ohne einen (bestimmten) Hochschulabschluss der Zugang verwehrt werden; bedeuten »weiche« Kriterien die Gefahr, weniger qualifizierte Berater in die Versorgung von Ratsuchenden zu entlassen?[11] Oben habe ich auf die ethische Bedeutung des fachlichen »State-of-the-Art« hingewiesen, das gilt – natürlich – nicht nur für die Ausbildenden vor Ort, sondern zum Beispiel auch für Curriculum-Entwickler und diejenigen, die dafür Rahmenbedingungen mitgestalten.

Ethische Richtlinien wenden sich nicht nur an Berater in ihrer Beziehung zu ihren Klienten, zu ihren Kollegen und zu sich selbst, sondern auch an Ausbilder in ihren Beziehungen zu den ihnen anvertrauten zukünftigen Beratern, zu ihren Kollegen und (das überrascht jetzt nicht mehr) zu sich selbst, an Institutionen (das wird doch leicht übersehen), in denen Beratungsausbildung stattfindet, und (das überrascht jetzt vielleicht doch den einen oder anderen) an die politischen Instanzen, die rechtliche und finanzielle Bedingungen für professionelle Ausbildung von Beratern setzen[12].

Verhältnis von Theorie und Praxis: »Professionswissen ist … ein Sonderfall praktischen Handlungswissens; es teilt mit diesem den Entscheidungsdruck, es steht aber auch unter einem wissenschaftlichen Begründungszwang; Professionalität ist demnach der Ort, wo eine Verwendung beider Wissenstypen stattfindet, und Professionalisierung ist der Prozeß in dessen Verlauf die Entwicklung solchen Professionswissens stattfindet.« (Winkler 1996)

Dieses Spannungsfeld zwischen der Orientierung an »wissenschaftlichem Wissen« und der »Klientorientierung« existiert nicht nur im Verhältnis zwischen Berater und Klient, sondern auch zwischen Ausbildern und Teilnehmern, und zwar in mehrfacher Hinsicht. Professionell gestaltete Beratung vermittelt ihren Teilnehmern nicht nur Kompetenzen im Umgang mit diesem Spannungsfeld, sondern muss sich selbst in diesem immer wieder neu orientieren. Darüber hinaus steht sie in der Notwendigkeit, sich des aktuellen Erkenntnisstandes zur Gestaltung von Lernprozessen – Stichwort lebenslanges Lernen – zu vergewissern, und diese Erkenntnisse auf ihre Zielgruppe, Erwachsene mit sehr unterschiedlichen Zugangs- und Lernvoraussetzungen, praktisch anzuwenden.

Soziale und kulturelle Diversität, Modularisierung und Beraterausbildung: Die Aufteilung von Curricula in thematisch geschlossene Module ist durch den sog. Bologna-Prozess zur Vorgabe für die Gestaltung von Studiengängen an Universitäten und Fachhochschulen geworden. Modularisierung findet sich allerdings nicht nur bei diesen, sondern zunehmend auch in Beraterausbildungen von Fachverbänden. Übergreifendes Ziel dieser Modularisierung – das muss an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt werden – ist die Herstellung von Vergleichbarkeit und damit Übertragbarkeit von Studienleistungen zwischen Anbietern innerhalb und außerhalb nationaler Grenzen. Erreicht werden soll das u.a. durch möglichst präzise Festlegungen von Inhalten, didaktischen Arrangements und »outcomes« der einzelnen Module in einem Modulhandbuch. So soll etwa einem Modul der personzentrierten Beraterausbildung des Anbieters A in Deutschland ein Modul des Anbieters B in den Niederlanden, Großbritannien, Frankreich usw. entsprechen.

So einleuchtend das zunächst erscheinen mag: Bei genauem Hinsehen – insbesondere im Hinblick auf die Ausbildung von Beratern – bleiben (mindestens) drei Fragen, die zu stellen sich lohnt[13]. Bietet die Modularisierung (deren Form bei Hochschulangeboten durch Akkreditierung und Reakkreditierung bis zu einem gewissen Grad festgeschrieben wird) genügend Raum für die Flexibilität, die das Konzept des lebenslangen Lernens erfordert? Ist die mit einer Modularisierung einhergehende Standardisierung von Inhalten, Vorgehen und Zielen wirklich für alle Studiengänge gleich welcher Disziplin und Ausrichtung in gleicher Weise sinnvoll; ist etwa soziale Arbeit oder psychosoziale Beratung in gleicher Weise modularisierbar wie etwa die Ausbildung von Ingenieuren oder Mathematikern oder macht ihre kulturelle und soziale Bezogenheit sie sperrig gegenüber einer Übertragung von sagen wir Baden-Württemberg nach Großbritannien? Zur Professionalisierung von Beratung gehört einerseits die Orientierung am wissenschaftlichen Erkenntnisstand, andererseits und grundlegend die Bezogenheit auf ihre Klientel und ihre Anliegen. Noch ist der Prozess der Globalisierung – erfreulicherweise – nicht soweit fortgeschritten, dass soziale Kontexte uniform geworden und kulturelle Identitäten aufgelöst sind. Wenn es zutrifft, dass Anliegen von Klienten wesentlich bedingt sind durch das soziale und kulturelle Umfeld dieser Klienten, dann stellt sich für die Ausbildung von Beratern schon die Frage der Übertragbarkeit der Inhalte und »outcomes« von Beraterausbildung von einem sozialen und kulturellen in einen anderen sozialen und kulturellen Kontext. Anders ausgedrückt: Versucht eine Standardisierung der Ausbildung eine Rollenausformung (der Leistungsrolle Berater) zu erreichen, ohne auf gesellschaftlich bedingte Variationen der Komplementärrolle (Leistungsempfänger Klient) zu schauen, oder bietet Modularisierung für die Berücksichtigung dieser unterschiedlichen Rollenerwartungen hinreichend Raum?

Darüber hinaus operiert Beratung nicht nur in verschiedenen sozialen und kulturellen Kontexten, sondern in mehreren gesellschaftlichen Funktionssystemen; dementsprechend – darauf hat Stichweh (2007) im Zusammenhang mit sozialer Arbeit hingewiesen – ist der zugeordnete Problembezug auch innerhalb eines sozialen Kontextes notwendigerweise diffus, was eine »outcome«-Standardisierung erschwert.

Operative Programme stoßen also im Bereich der Beratung an ihre Grenzen. Die Vermittlung von Fähigkeiten im Umgang mit fallspezifischer Problematik und eine entsprechende Interventionspraxis braucht eigenständige, nicht standardisierbare Wissensbestände, und dafür reicht bausteinorientierte Ausbildung allein nicht aus.

Hochschulangebundene Beraterausbildung und die »Neuen Steuerungsmodelle«: Mit Berufung auf Luhmann (Luhmann 2004) unterscheidet Stock bei seiner Analyse der »neuen Hochschulsteuerung« zwischen Organisation und Profession (Stock 2006). Danach lassen sich Hochschulen nicht angemessen begreifen, wenn sie nur unter dem Gesichtspunkt der Organisation betrachtet werden: sie haben es mit Forschung und Lehre zu tun, die den Professionen zugeschlagen werden. Stock kontrastiert die Realitätsunterstellungen der (hochschulinternen) Zielvereinbarungen mit der Logik professionellen Handelns.

Das Konzept der Zielvereinbarungen entstammt dem Management von Wirtschaftsbetrieben: »Management by Objectives«. Diesem unterliegt die Vorstellung, dass Hochschulen in der Lage seien, ihren Output zu kalkulieren und zu steuern, also über Forschung und Lehre in einem technischen Sinne verfügt werden kann und ihre Outputs also als plan- und berechenbare Größen betrachtet werden können. Die Hochschule erscheint als »Trivialmaschine, die nach bestimmten Regeln einen Input in einen Output verwandelt« (Stock 2006). Demgegenüber zeichnen sich Professionen durch Autonomie, die Verpflichtung auf zentrale gesellschaftliche Werte aus – im Bereich Beratungsausbildung etwa durch die Vermittlung von Fähigkeiten zur Prävention, zur Förderung persönlicher Ressourcen und Unterstützung beim Umgang mit Problemlagen. Sie können weder durch den Markt noch durch Bürokratien angemessen gesteuert werden.

Für die Entwicklung einer Strategie des lebenslangen Lernens ist ein Commitment der Hochschulleitung, Aufnahme der Hochschulweiterbildung in die Zielvereinbarungen sowie zielgerichtetes Personalmanagement notwendig. Eine Umstellung auf lebenslanges Lernen ist weder in hochschulpolitischer noch in hochschulorganisatorischer Hinsicht erfolgt.

Professionstheoretische Analysen (z.B. Oevermann 2005) zeigen, dass professionelle Problemlösungen – und die Ausbildung von Beratern ist eine solche – nicht standardisierbar sind und sich damit der Berechenbarkeit entziehen. Für Forschung und Lehre gibt es keine eindeutigen Regeln der Umwandlung eines Inputs in einen Output: »In der Forschung soll es ja gerade um noch unbekannte Sachverhalte gehen und auch in der Lehre hat man es mit Studenten zu tun, die immer noch frei über ihre Köpfe verfügen und nicht als Trivialmaschinen funktionieren.« (Stock 2006) Die bloße Anzahl der Absolventen pro Jahr enthält keine Information darüber, ob Lehre erfolgreich ist.

Ein Blick auf Untersuchungen in Ländern, die schon längere Erfahrungen mit solchen Steuerungsmodellen haben (z.B. Norwegen, Australien, Niederlande u.a. legen den Schluss nahe, dass die Professionsstandards für Forschung und Lehre mit den Anforderungen eines Managements mit Input-Output-Rationalität nicht in Übereinstimmung zu bringen sind. Die Implementierung des Zielvereinbarungskonzeptes mit einem Schema technischer Rationalität würde eine massive De-Professionalisierung bedeuten – wenn das faktische Handeln sich tatsächlich an ihm ausrichten würde. Stock geht davon aus, dass die Zielvereinbarungsrhetorik zwar bedient wird, das Handeln jedoch an Kriterien der Scientific Community orientiert ist.

Es mag demnach zwar (beruhigender Weise) so sein, dass Forschung und Lehre auf diese Art und Weise vor inadäquaten Anforderungen bewahrt werden. Ich möchte jedoch auf eine Gefahr aufmerksam machen, die in dieser Art des Umgangs mit Steuerungsmodellen liegt, nämlich die der missbräuchlichen Anwendung der Zielvereinbarungskriterien immer dann, wenn aus irgendwelchen Gründen Projekte in Forschung oder Lehre innerhalb der Hochschule unbeliebt sind. Dann können diese Kriterien leicht eine inhaltliche, an Professionskriterien orientierte Debatte ersetzen und als »Waffe« verwendet werden[14].

Fazit

Mit der Zunahme gesellschaftlicher Dynamik und Komplexität sind auch die quantitativen und qualitativen Anforderungen an soziale Unterstützungsleistungen durch Beratung gestiegen. Damit einher gehen Veränderungen im Selbstverständnis dieses Tätigkeitsfeldes; zu beobachten sind Bestrebungen, die über eine reine Verberuflichung und bloße Entwicklung von Expertise hinaus auf die Entwicklung zur Profession im eigentlichen Wortsinn zielen. Dass Beratung – gemessen an den dafür geltenden Kriterien – noch ziemlich am Anfang dieses Professionalisierungsprozesses steht, ist eher Herausforderung als Defizit. Beraterausbildung ist dabei unter zwei Gesichtspunkten zu betrachten: Welchen Beitrag kann sie zur Entwicklung eines Professionsverständnisses und einer professionellen Identität zukünftiger Berater leisten? Und: Wie steht es um die m.E. dafür erforderliche Professionalisierung der Ausbildungsanbieter?

Antworten darauf gibt es letztlich – auch in diesem Beitrag – noch nicht, aber Fragen und Hinweise, in welche Richtung zu denken sich lohnt. Deutlich geworden sein sollte jedenfalls, dass in einer professionalisierten Ausbildung von Beratern das professionelle Handeln der in der Aus- bzw. Weiterbildung Tätigen anspruchsvoller wird.

Für die Weiterentwicklung des Professionsverständnisses bedeutet das die Aneignung über die Vermittlungsfunktion hinausgehender Fähigkeiten und Qualifikationen für die Entwicklung und Realisierung selbstgesteuerter Lernarchitekturen sowie die Strukturierung und Bereitstellung von Wissensplattformen (vgl. dazu Forneck, Roback & Wrana 2001, 4). Diese Konzeption von Selbstlernarchitekturen, von komplexen Lernarrangements, die Förderung metakognitiver und reflexiver Prozesse erfordert umfassende inhaltliche, didaktische und organisationale Kompetenzen der an der Ausbildung von Beratern Beteiligten. Hier ist ein Blick auf die durch den Bologna-Prozess geforderten und an den Hochschulen schon vielfach eingerichteten Bachelor- und Masterstudiengänge angebracht. Im Hinblick auf die Erfordernisse einer professionellen Beraterausbildung erscheint die Modularisierung dieser Studiengänge (und das gilt mutatis mutandis auch für Angebote anderer nicht-hochschulischer Einrichtungen) in einem zweifachen Licht. Einerseits scheint die Aufgliederung von Ausbildungsinhalten in relativ eigenständige thematische Einheiten den Forderungen nach situationsbezogenem und selbstgesteuertem Lernen zu entsprechen, andererseits besteht die Gefahr, dass die durch Akkreditierungsprozesse und Modulhandbücher erzeugte Realität relativ starre und einer flexiblen Handhabung nur eingeschränkt zugängliche Strukturen aufweist. Inwieweit dies einer professionalisierten Beraterausbildung und einer Professionalisierung der Ausbildenden unter den Bedingungen zunehmender Dynamik des gesellschaftlichen Wandels zuträglich ist, bleibt zu fragen.

Andererseits und bei aller Einsicht in die Individualisierungsnotwendigkeit von Ausbildung: Gerade differenzierte und individualisierte Ausbildungswege bedürfen einer breiten, obligatorischen und curricular reflektierten Grundlegung «… mit einer Individualisierung von Curricula im Sinne selbstgesteuerten Lernens (darf) kein Rückfall hinter den mit der Curriculumsdiskussion erreichten Diskussionsstand erfolgen …, weil andernfalls statt Entbürokratisierung, Individualisierung und Selbstverantwortung tatsächlich die Dominanz ökonomischer Utilitarität, inhaltlicher Beliebigkeit und Orientierungslosigkeit« drohen könnte[15]. Dieser letzte Punkt schlägt den Bogen zurück zum Thema »Professionalisierung der Ausbildung«; er spricht die Rahmenbedingungen an, die für eine solche Ausbildung konstitutiv sind: Flexibilität durch Abkehr von starr durchstrukturierten Curricula und Hinwendung zu zwar aufeinander aufbauenden, aber relativ eigenständigen thematischen Einheiten, die auf diverse Tätigkeitsfelder abgestimmt werden können. Das darf allerdings nicht mit der Ausblendung übergreifender Inhalte oder einem Verzicht auf grundlegende curriculare Ziel- und Inhaltsfestlegungen verbunden sein.

Schließlich: Die mehrfach erwähnte zweifache Orientierung einer Profession Beratung an wissenschaftlicher Fundierung und Klientenorientierung legt statt Konkurrenz eine enge Kooperation zwischen Hochschulen und Fachverbänden bei der Ausbildung von Beratern nahe.

Literatur

Buer, Ferdinand (1984): Die Geschichte der Erziehungsberatung als Geschichte ihrer Professsionalisierung. In Hans Zygowski (Hg.), Erziehungsberatung in der Krise. Analysen und Erfahrungen (9-49). Tübingen: Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie.

Deutsche Gesellschaft für Beratung e.V. (2004): Ziele. http://www.dachverband-beratung.de/pa_060711jmt/Ziele_02.htm. 24.04.2008

Dietrich, Georg (1991): Allgemeine Beratungspsychologie. (2. Aufl.). Göttingen: Hogrefe.

Dohmen, Günther (2000): 12 Eckpunkte zur Entwicklung lebenslangen Lernens. Bonn: BLK.

Feltham, Colin (1997): Challeging the core theoretical model. Counselling, 8, 121-125.

Forneck, Hermann J. et al. (2001): 'Neues' Lernen und Professionalisierung. Quem-Bulletin, 1, 9-13.

Grawe, K. (1998): Psychologische Psychotherapie. Göttingen: Hogrefe.

Hartmann, Heinz & Marianne Hartmann (1982): Vom Elend der Experten: zwischen Akademisierung und Deprofessionalisierung. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 34, 193-223.

Heisig, Ulrich & Wolfgang Littek (2003). Der schwierige Weg zur Profession. Zur Lage der niedergelassenen Psychologischen Psychotherapeuten im Jahr 2 der neuen Zeit. http://www.psychotherapeutenjornal.de/pdfs/2003-01/02-Beitrag1.pdf. 21.04.2008

Holzbecher, Monika (2006): Bausteine für die Ausbildungspraxis. In Eva Arnold & Beatrix Franke et al. (Hg.), Ethik in Psychosozialen Berufsfeldern (58-91). Köln: GwG-Verlag.

Keupp, Heiner (2006): Beratungsziel: Fitness für den Markt oder Selbstsorge in der Zivilgesellschaft? Menschenbildoptionen der Beratung in der globalsierten Welt. Verhaltenstherapie und psychosoziale Praxis, 38, 865-879.

Luhmann, Niklas (2004): Das Erziehungssystem der Gesellschaft. Frankfurt: Suhrkamp.

Nestmann, Frank et al. (2006): Herausforderungen an Beratung in Bildung, Beruf und Beschäftigung. Verhaltenstherapie und psychosoziale Praxis, 38, 799-814.

Oevermann, Ulrich (2005): Wissenschaft als Beruf. Die Professionalisierung wissenschaftlichen Handelns und die gegenwärtige Universitätsentwicklung. Journal für Wissenschaft und Bildung, 14, 15-51.

Rechtien, Wolfgang (2004): Beratung. Theorien, Modelle und Methoden (2., überarb. und erg. Aufl.). München, Wien: Profil.

Rieckmann, Heijo (1991): Methodik und Praxis der Komplexitätsbewältigung. Dynaxibility – oder wie systemisches Management in der Praxis funktionieren kann. In Klaus Henning & Bertram Harendt (Hg.), Wirtschaftskybernetik und Systemanalyse. Wiss. Jahrestagung der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialkybernetik Bd. 16 Aachen: Duncker & Humboldt.

Rieckmann, Heijo (1996): Dynaxibility – oder: Quantensprung im Management. In Martin L. Landmesser & Johannes Scepan (Hg.), Was morgen zählt (13-17). Stuttgart: Neuhaussen.

Rosa, Hartmut (2008): Im Wirbel der Beschleunigungsspirale. Spektrum der Wissenschaft, 02/08, 82-87.

Sader, Manfred (2002): Psychologie der Gruppe. (8 Aufl.). Weinheim: Juventa.

Stichweh, Rudolf (2007): Professionen in einer funktional differenzierten Gesellschaft. In Irmhild Saake & Werner Vogd (Hg.), Moderne Mythen der Medizin. Studien zur organisierten Krankenbehandlung (329-344). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Stock, Manfred (2006): Zwischen Organisation und Profession. Das neue Modell der Hochschulsteuerung in soziologischer Perspektive. Vortrag auf der Konferenz »Neue Governance-Modelle an Hochschulen: Erwartungen, Praxis, Wirkungen«, Kassel, 4. – 5.5.2006.

Tramm, Tade & Lothar Reetz (2003). Berufliche Erstausbildung als Schlüssel zum lebenslangen Lernen. Reflexionen über die notwendige Fundierung eines bildungspolitischen Slogans. http://www.bwpat.de/profil1/. 3. März2008

Vereinigung von Hochschullehreinnen und Hochschullehrern zur Förderung von Beratung / Counseling in Forschung und Lehre e.V. (2004). Selbstverständnis. http://www.vhbc.de/index.php?option=com_content&task=view&id=13&Itemid=40. 24.04.2008

Winkler, Siegfried (1996). Professionalisierung. In: CD-ROM der Pädagogik. Hohengehren, Schneider.

Endnoten:

[1]

Ich bitte um Verständnis, wenn ich im Weiteren das grammatische nicht mit dem biologischen Geschlecht gleichsetze. Der Gebrauch der »männlichen« Form sagt nichts über die Geschlechtszugehörigkeit von Beraterinnen und Beratern, Ausbildern und Ausbilderinnen usw. aus.

[2]

Angesichts der Tatsache, dass die Bezeichnungen »akademisch« bzw. »Akademie« nicht selten von Einrichtungen benutzt werden, die mit Wissenschaft – um es salopp zu formulieren – »nichts am Hut haben«, ziehe ich diese Formulierung vor.

[3]

Und – will man die Ausbildung von Beratern als Profession begreifen, das der Ausbildenden und der Ausbildungsteilnehmer.

[4]

Dieser Einsicht wird seit einiger Zeit vermehrt Rechnung getragen (s. zum Beispiel Holzbecher 2006).

[5]

Bei Aristoteles findet sich das Beispiel von Arzt und Steuermann, deren theoretisches Wissen situationsspezifisch in Handeln umgesetzt werden muss.

[6]

Ein »Universalitätsanspruch« von Beratung(sausbildung) ist noch aus mindestens einem weiteren Grund obsolet: die Frage nach einer Spezialisierung stellt sich spätestens im Zusammenhang mit dem (angestrebten) Tätigkeitsbereich und damit der Frage nach erforderlichen Feldkompetenzen.

[7]

Ich halte den Begriff »integrativ« dann für problematisch und irreführend, wenn darunter nur das bloße Hinzufügen »fremder« Arbeitsweisen verstanden wird. Integration setzt Arbeit an dem, was integriert werden und an dem, in das hinein integriert werden soll, voraus, und ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Arbeit nicht in Veränderungen resultieren soll. Und manches ist so different, dass Integration nicht sinnvoll oder sogar nicht möglich ist.

[8]

Genau dies wurde von den Absolventen einer von uns durchgeführten universitären nicht »schulengebundenen« Weiterbildungsmaßnahme problematisiert!

[9]

Feltham (1997) argumentierte jedoch, dass durch diese Herangehensweise möglicherweise fruchtbare Dialoge, Debatten und Kreativität im Keim erstickt und Berater auf ein enges Verständnis der Klienten und ihrer Rolle hin sozialisiert werden.

[10]

Da sollte man sich auch nicht durch die Bezeichnung »Professor« täuschen lassen.

[11]

Mal ganz abgesehen von der Frage, ob strenge Zulassungskriterien ein wirklich taugliches Mittel der Qualitätssicherung sind, liegt hier wieder der Blick auf die Psychotherapieausbildung nahe: Ob die Anforderung des Psychologiediploms mit klinischer Psychologie als Zugangsvoraussetzung zur Psychologischen Psychotherapie und die abweichende Regelung für die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie für die Versorgung von Patienten förderlich ist, kann bezweifelt werden.

[12]

Bei Entscheidungen von Hochschulinstituten oder Fakultäten über die Einrichtung oder Einstellung von Beratungsstudiengängen allerdings sind mir professionsethische Überlegungen bisher nicht sichtbar geworden.

[13]

Auch wenn abschließende Antworten noch nicht zur Verfügung stehen.

[14]

Wofür es leider bereits Beispiele gibt.

[15]

Tade Tramm und Lother Reetz in der digitalen Festschrift für Willi Brand: Berufliche Erstausbildung als Schlüssel zum lebenslangen Lernen(2003).

Autorenhinweis

Wolfgang Rechtien

Wolfgang Rechtien, Dipl.-Psych., Dr. Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Kurt Lewin Institutes für Psychologie, FernUniversität in Hagen, Fakultät für Kultur- und Sozialwissenschaften. Ausbildungsleiter in Psychologischer Psychotherapie.

Wolfgang Rechtien, Dipl.-Psych., Dr. FernUniversität in Hagen Fakultät für Kultur- und Sozialwissenschaften D-58084 Hagen

E-Mail: Wolfgang.Rechtien@Fernuni-hagen.de

Web: http://vs.fernuni-hagen.de/Psychologie/KLI/rechtien.html