Podiumsdiskussion mit Markus Brunner, Hans-Joachim Busch, Lilli Gast, Julia König und Rolf Pohl

Markus Brunner, Hans-Joachim Busch, Lilli Gast, Julia König, Rolf Pohl, Marc Schwietring & Sebastian Winter

Rolf Pohl: Wir wollen auf dieser Podiumsdiskussion zum Ausklang der Tagung einige Grundfragen, welche die gesamte Tagung durchzogen haben, sowie einige, die bisher nicht angesprochen worden sind, aber in ein Resümee hineingehören, diskutieren.[1] Außerdem wollen wir uns mit so genannten »anwendungsbezogenen« – auch wenn dieser Ausdruck grundsätzlich problematisch ist – Fragen und Themen beschäftigen. Dies bezieht sich auf ältere und neue Forschungsfelder. Vielleicht kommen wir auch noch einmal zu den methodischen Fragen zurück, obwohl wir diese eigenständige Methodendiskussion selbst an dieser Stelle nicht weiterführen sollten. Die dritte Frage, die uns ja alle interessiert, ist die nach den Strategien und Perspektiven, d.h. nach der Organisation und nach der institutionellen Einbindung der hier vertretenen Ansätze einer weitgehend psychoanalytisch ausgerichteten Politischen Psychologie. Abgeschlossen werden soll die Podiumsdiskussion mit einer kleinen Abschlussrunde. Der erste Bereich, also Grundfragen und konzeptionelle Grundlagen, berührt die Frage, welchen Status die Psychoanalyse eigentlich hat oder welcher ihr in einer subjekt- und gleichzeitig gesellschaftstheoretisch ausgerichteten Politischen Psychologie zukommen kann. Bevor wir uns mit der Frage beschäftigen, welche Ansätze hier besonders wichtig und brauchbar sind, sollten wir uns zunächst einer zentralen Grundfrage stellen, die wir im Verlauf der Tagung immer vorausgesetzt, aber noch nicht systematisch behandelt haben, nämlich: Was ist eigentlich das Politische an der Politischen Psychologie? Was ist der Unterschied zwischen Politischer Psychologie und analytischer Sozialpsychologie und welche Rolle spielt dabei die Psychoanalyse als Metapsychologie? Brauchen wir letztere dafür? Aber vor allen Dingen die Frage: Was ist das Politische an der Politischen Psychologie? Damit wollen wir jetzt beginnen.

Hans-Joachim Busch: Für eine Politische Psychologie ist Psychoanalyse natürlich elementar. Das ist eigentlich überflüssig hier zu erwähnen, aber es soll einmal deutlich gesagt werden: Es gibt keine andere, und das wurde im Rahmen der Tagung angesprochen, Allgemeinpsychologie, die so eine differenzierte Theorie der menschlichen Psyche liefert. In diesem Zusammenhang möchte ich auf das Thema Metapsychologie eingehen, dessen Wichtigkeit mir der letzte Vortrag[2] noch mal sehr deutlich gemacht hat. Die Anknüpfungsmöglichkeiten einer Politischen Psychologie sind gerade dadurch gegeben, dass sich eine metapsychologische Ebene in der Psychoanalyse finden lässt, die eben auch, ich will es mal abgekürzt sagen, eine Widerständigkeit des Subjekts überhaupt erst denkbar werden lässt. Also aus einer überschüssigen Basis des Es, der Triebhaftigkeit oder der Leiblichkeit. Der Gedanke des Subjekts ist ohne psychoanalytische Zutaten nicht zu denken und er ist der Kern, der eine politisch-psychologische Verwendung dieses Ansatzes nahe legt und äußerst sinnvoll macht. Ich will noch einige Gedanken hierzu anfügen. Ich finde, dass die Triebtheorie, wie ich schon sagte, maßgeblich ist, und es wurde ja gestern von Alfred Krovoza in dem auf Castoriadis gemünzten Beitrag oder auf ihn sich beziehenden Beitrag[3] gesagt, dass »wo Ich war, Es werden soll«. Es war ein interessantes anregendes Spiel mit der Metapsychologie Freuds, das man natürlich nicht so weit treiben sollte, dass nur noch Es herrscht, das wäre eine gefährliche Verführung. Es zeigt, dass auf der Basis der Metapsychologie wichtige subjekttheoretische Fragen behandelt werden können. Vor allem ist ja auch die psychoanalytische Metapsychologie in Freuds Konzept der Kultur sehr stark eingewandert, was ich für eine psychoanalytische Sozialpsychologie und Politische Psychologie ganz, ganz bedeutend halte. Ohne diese metapsychologische Grundlegung würde ja auch Freuds Konzept der Kultur gar nicht denkbar sein. Um noch einen anderen Gedanken von Frau Kirchhoff aufzugreifen: Wir sind natürlich auch Natur, aber in einem – wie Hans-Dieter König auch schon andeutete[4] – vermittelten Sinn, in dem wir angeeignete Natur sind oder uns im Prozess der Aneignung der Natur durch die Geschichte bewegen. Aber das Naturelement immer wieder auch im Spiel zu haben, das ist ja gerade der Sinn der Freudschen Metapsychologie und dann darf man sich auch nicht vor begrifflichen Berührungen mit den platten naturwissenschaftlichen Anwendungen, Blicken oder Zugriffen auf die Psychoanalyse irritieren lassen, sondern man muss dieses Feld wieder von der eigenen Konzeption her besetzen und diesen Naturbegriff in der eigenen Weise auslegen und dann den Neurowissenschaften entgegenhalten. Also bei Alfred Lorenzer kann man ja auch sehen, dass er in seinem Konzept so etwas wie eine Sozialwissenschaft des Körpers angelegt hat und dass er damit auch schon – das kann man in seinem Buch vom Anfang dieser Dekade[5] sehen – auf materialistisch-sozialisationstheoretischer Grundlage einen Vorstoß in das Gebiet der Neurowissenschaft macht. Ich denke ferner, dass man sich, wenn es um Anwendungen, um theoretische Felder der Psychoanalyse geht, vor allem, was hier bei dieser Tagung sehr selten vor kam, sehr stark auf die psychoanalytische Entwicklungspsychologie stützen kann und deren Entwicklung in empirischer Hinsicht. Das ist für mich ein wichtigeres Feld als etwa die Neuropsychoanalyse.

Lilli Gast: Für mich ist der Beitrag der Psychoanalyse – ob das dann schon Politische Psychologie ist, sei erst einmal dahingestellt -, ihr Ansatzpunkt, die Schnittstelle, das, was die Psychoanalyse genuin an dieses Feld heranträgt, der Umstand, dass aus meiner Sicht die Psychoanalyse die vielleicht umfassendste Theorie der Bedeutungsgenese ist. Ihr geht es um die Frage: Wie vollziehen sich Prozesse der Bedeutungsstiftung, der Bedeutungsgenerierung, ihr Fokus ist auf die Hervorbringungsprozesse der Subjekte gerichtet, die immer nur Subjekte sind, weil sie deutende Wesen sind und die, wie Castoriadis, um ihn nochmals aufzugreifen, es treffend umschreibt »inkarnierte Bedeutung« sind. In diesem Verständnis des Subjekts als ›inkarnierte Bedeutung‹ ist der Körper enthalten und zu diesem Körpersubjekt gehört eben auch die Triebstrukturierung des Subjekts. Die Triebstruktur wiederum verweist auf den Bereich des Phantasmatischen, der mit der Konstitution von Bedeutung und Subjektivität und Sinnstiftung verschränkt ist. Frau Kirchhoff hat die Geburt des Wunsches bereits mit Freud umrissen. Ich denke, diese Einschreibung von Wunsch und Phantasmen in ein intersubjektives Feld einer Analyse zugänglich und beschreibbar zu machen, wie sich gewissermaßen die Triebstruktur in Institutionen, also in ein, im weiteren Sinn, politisches Feld einschreibt und wie von diesem Feld wiederum Subjekte in ihrem Hervorbringungsprozess geformt werden, das ist in meinen Augen der direkte und vielleicht genuinste Beitrag der Psychoanalyse zu dem, was eine Politische Psychologie sein kann oder was man so bezeichnen könnte.

Rolf Pohl: Man kann die Frage danach, was das Politische an der Politischen Psychologie ist und was ihre Gegenstandsbereiche sind, was ihr Beitrag als eine Theorie der Subjektkonstitution ist, die Frage nach dem politischen Gehalt oder den politischen Bereichen und deren Möglichkeiten der Aufklärung auch ein wenig zuspitzen. Wenn wir uns an die Tradition der Politischen Psychologie insbesondere hier in Hannover erinnern, die sehr stark mit dem Namen Peter Brückner verknüpft ist, dann können wir ein kleines Schlaglicht auf diese notwendige Diskussion werfen: Ich erinnere die Studierenden im ersten Semester, wenn sie danach fragen, was Sozialpsychologie und ihre Aufgabe eigentlich ist, an die bekannte Definition Brückners: Die Sozialpsychologie ist eigentlich dafür da, herauszukriegen und den Leuten beizubringen, warum die Menschen sich das antun was sie sich antun.[6] Und wenn man dieses Zitat bei Brückner genau nachliest, heißt es ja nicht nur »dass sie sich antun, was sie sich antun«, da könnte man auf Entwicklungspsychologie und frühkindliche Störungen gehen und ist wieder bei diesem Pathologisierungsproblem, das wir bereits von verschiedenen Seiten diskutiert haben. Sondern das vollständige Zitat lautet: »Warum sich die Menschen das geschichtlich antun, was sie sich antun.« Und da ist diese Einbettung in das, was Peter Brückner mit Produktionszusammenhang oder Produktionsregeln von Gewalt meint. Diese ganze Gewaltproblematik, die hier anklingt, ist, glaube ich, eine der vordringlichsten Problematiken überhaupt und – ich zögere wieder das Wort »Anwendungsgebiete« zu benutzen – einer der genuinen Bereiche einer Politischen Psychologie, und ich denke, dass der Aufklärungswert der Psychoanalyse gerade deshalb ungemein hoch ist, weil es keine andere Psychologie, wie Adorno geschrieben hat, gibt, die diesem unbewussten und irrationalen Anteil systematisch auf den Grund geht[7]. Dafür ist auch die Metapsychologie absolut notwendig. Und zwar auch eine, die sich nicht verflachen lässt, wie das mit der Entwicklung weg von der Triebtheorie zur Ich-Psychologie, zur Selbstpsychologie und zur Objektbeziehungstheorie ein Stück weit gelaufen ist. Und deswegen ist die Rückbesinnung, die Rekonstruktion und die Neu-Übersetzung immer wieder neu erforderlich.

Siebo Siems: Ich bin dir ganz dankbar, dass du Brückner erwähnt hast. Das wäre auch meine Frage, ob man nicht bei dieser Tagung auf den genuinen hannoverschen Ansatz von Brückner eingehen könnte, insbesondere jetzt, wenn es darum geht die Frage zu stellen: Was ist Politische Psychologie? Die andere Bemerkung die ich machen wollte, ist, ob es nicht dazugehört, auf Aspekte gesellschaftlicher Herrschaft zu reflektieren, wenn man von Politischer Psychologie spricht.

Markus Brunner: Ja, jetzt wurde alles vorweggenommen, was ich auch sagen wollte. Ich finde es sehr wichtig, auf die Traditionen hinzuweisen und wie überhaupt so etwas wie eine analytische Sozialpsychologie innerhalb der Kritischen Theorie entstand. Diese Hinwendung hin zur Psychologie war damals historisch drängenden Fragen geschuldet: Wieso findet die Revolution nicht statt? Wieso wirken die Menschen am Grauen, unter dem sie leiden, mit? Wie etablieren sich Herrschaftsverhältnisse im Subjekt? Brückner greift diesen Impuls auf und versucht ihn nochmals praktisch zu wenden, indem er an Emanzipationsbewegungen andockt und sich mit ihnen auseinander setzt. D.h. er schaut, wie die Psychoanalyse auch dazu beitragen kann herauszufinden, wie diese im Subjekt verankerten Herrschaftsstrukturen wieder aufzubrechen sind. Das kann nur in der Auseinandersetzung mit gesellschaftlicher Praxis geschehen. Bei Brückner geht es um einen Selbstreflexionsprozess auch dieser politischen Praxis und eine kritische Intervention in diese gesellschaftliche Praxis hinein.

Julia König: Was bleibt jetzt für mich? Ich möchte auch auf diesen Punkt der Schnittstelle, diesen Punkt der Nicht-Einordbarkeit der Politischen Psychologie wie auch der Psychoanalyse als Wissenschaft – und das ist in vielen, um nicht zu sagen allen, Vorträgen angeklungen – eingehen. Die Politische Psychologie will die Herrschaftsverhältnisse in den Subjekten mit einer psychoanalytischen Methode sichtbar machen. Das besondere an der Politischen Psychologie ist ja eigentlich der Versuch, die familialistischen Beschränkungen der Psychoanalyse zu sprengen und das dabei aufscheinende Gesellschaftliche der inneren Natur subjekttheoretisch fruchtbar zu machen, um dann die Vermittlung mit einer Analyse der objektiven Verhältnisse leisten zu können. Deswegen möchte ich das Gesagte noch einmal unterstreichen, auch wenn ich es jetzt wiederhole. Das Politische an der Politischen Psychologie kann vielleicht als das Hinterfragen des Absolutismus der Wirklichkeit, das Hinterfragen des Augenscheinlichen, verstanden werden, über welches das Moment der Vermittlung der unterschiedlichen Strukturebenen gerade auch im Bereich von Natur – als die Natur des Sozialen und gleichzeitig als Gesellschaftlichkeit der Natur – analysiert werden kann.

Hans-Joachim Busch: Ich möchte gerne nochmals was zu Peter Brückner sagen. Es ist ja hier auf dieser Tagung eine Beziehungsaufnahme und ein Dialog zwischen verschiedenen Zentren der Politischen Psychologie zu Stande gekommen. Viele kommen wie ich aus Frankfurt und ich kenne die hannoversche Tradition der Sozialpsychologie nicht so genau. Aber ich erinnere mich gerade an die eine politische Situation, in der auch eine gewisse Solidaritätsaktion entstand, als Peter Brückner seine Stellungnahme im Zusammenhang mit dem »Mescalero-Artikel«[8] machte und damit auch etwas davon praktizierte, was mit dem Verwenden einer psychoanalytischen Methode im politischen Feld zu tun hat. Nämlich mit dem Hinhören auf die Texte mit einem anderen Ohr als dem normalen Ohr, wenn ich es ein bisschen abgewandelt sagen darf.[9] Und da hat er ja gegen seinen dann praktizierten Rauswurf aus seinem Amt eine breite Unterstützung erfahren. Ich erinnere viele namhafte Kollegen, die daran beteiligt waren, auch Alfred Lorenzer – und das ist vielleicht ganz wichtig als eine Initialsituation in der Vergangenheit, die man in abgewandelter Form zwischen Hannover und anderen Zentren wiederholen könnte.

Rolf Pohl: Vielen Dank für die Erinnerung, die bei mir natürlich auch selbst hoch kam. Es war im Übrigen nicht nur Lorenzer, es waren auch Foucault und andere bekannte Wissenschaftler, die zur Unterstützung von Peter Brückner an diesem denkwürdigen Tag, an dem es in Hannover eine Veranstaltung und eine Demonstration gab,[10] anwesend waren. Aber die Frage nach der Politischen Psychologie und ihrem politischen Charakter berührt jetzt auch unmittelbar eine Frage, die wir bisher nicht systematisch behandelt haben. Ich veranstalte in diesem Semester zusammen mit meinem Kollegen Sebastian Winter ein »Kolloquium Politische Psychologie« aus Anlass des Todes von Paul Parin, über Texte von Paul Parin. Für mich war das sehr spannend, nach zwanzig, fünfundzwanzig oder dreißig Jahren diese Texte wieder neu zu lesen. Das war eine interessante Erfahrung. Wie da mit metapsychologischen Konzepten teilweise umgegangen wird, darüber war ich ein Stück weit enttäuscht, weil ich das ganz anders in Erinnerung hatte. Damals gab es einen starken Antrieb, sich mit der Psychoanalyse auch und gerade im politischen Kontext einzumischen. Das ist ja auch etwas, was bei uns, in der Tradition von Peter Brückner, sehr ausgeprägt gewesen war, und bei diesen Texten von Parin haben wir jetzt festgestellt, wie unglaublich stark er durch die amerikanische Ich-Psychologie geprägt ist, die er zwar an manchen Stellen kritisiert und sagt, wir müssten das Konzept von Hartmann aufnehmen und gesellschaftskritisch wenden. Aber die Grundkonzeption und die ich-psychologischen Grundannahmen sind in seiner ganzen Idee von Anpassungsmechanismen sozusagen tief verwurzelt. Da fehlt diese kritische Reflexion, die wir vorhin unter dem Stichwort Metapsychologie angedeutet haben. Das war ein Stück weit enttäuschend und gleichzeitig kommt dieser politische Impetus hinsichtlich der Rolle der Politischen Psychologie in Parins berühmter Frage, warum Psychoanalytiker so ungern zu brennenden Zeitproblemen Stellung nehmen, zum Ausdruck[11]. Das ist ja, neben »Gesellschaftskritik im Deutungsprozeß»[12], einer der berühmtesten Titel von Paul Parin. Und diese Frage möchte ich noch einmal aufwerfen. Wie kann eigentlich mit Mitteln der Psychoanalyse auf bestimmte politische und soziale Veränderungen eingegangen werden, ohne dass wir dabei mechanisch scheinbar feststehende Konzepte der Psychoanalyse anwenden? Das hat sich ja durchgängig in den Diskussionen herausgestellt, dass wir dieser Deutungsmechanik, die der Psychoanalyse immer vorgeworfen wird, wirklich auch substantiell gut begegnen können. Aber was heißt das sozusagen in der praktischen Umsetzung? Wie können analytisch orientierte SozialwissenschaftlerInnen oder auch AnalytikerInnen zu brennenden Zeitproblemen, Veränderungen gesellschaftlicher und politischer Art Stellung beziehen?

Greta Wagner: Ich hatte gerade daran gedacht, dass es auch interessant sein könnte, nicht nur in großen Kontexten von Zeitdiagnosen zu denken; das ist natürlich die eine, durchaus sehr wichtige Sache. Auf der anderen Seite denke ich manchmal bei Ereignissen, wie zum Beispiel dieser Massentrauer nach dem Tod von Robert Enke, da wäre es so schön, wenn man mal eine vernünftige Sozialpsychologin in der Zeitung lesen würde, die was dazu sagen könnte, dass offenbar ganz viele Leute um jemanden trauern, der depressiv war. Diese Depression wurde in den Zeitungen oftmals als Stoffwechselkrankheit behandelt. Dass so eine Traurigkeit, in einer Zeit, in der man immer nur fit und happy sein soll, vielleicht auch irgendetwas zum Ausdruck gebracht hat, darüber ist nichts zu lesen. Das fand ich schade, dass so wenig vernünftige Auseinandersetzungen stattgefunden haben. Nicht über die Depression von Robert Enke, sondern über die Reaktion der HannoveranerInnen.

Hans-Joachim Busch: Also ich denke, man sollte diese Frage, warum Psychoanalytiker so ungern zu brennenden Zeitfragen Stellung nehmen, so langsam hinter sich lassen. Man hat als psychoanalytischer Sozialpsychologe die genuine Aufgabe, das zu tun. Psychoanalyse als klinisch-therapeutisches Feld ist einfach etwas anderes und man kann nicht auf Psychoanalytiker setzen, die aus ihrer Praxis oder aus ihrer Begabung oder Interessen heraus mehr oder minder zufällig etwas unternehmen. Wir wollen ja versuchen, eine systematische, wissenschaftliche Richtung zu etablieren, und die ist ja auch schon weitgehend etabliert. Da jetzt gerade das mit der Depression angesprochen wurde, möchte ich kurz darauf eingehen. Ich habe in dem Feld viel gearbeitet und zur Frage in Richtung Sozialpsychologie, wie jetzt diese Trauerprozesse zu Stande kommen, gab es eine interessante Arbeit von Angelika Ebrecht zur Trauer über den Tod von Lady Diana[13]. Die Betroffenheit und Trauer war weltweit und, was da für Prozesse ablaufen, ist interessant. Ich habe auch in der öffentlichen Diskussion bemerkt, was Sie auch sagten, dass dann eben – und das ist etwas Wichtiges in dem in den letzten Jahren geführten Depressionsdiskurs und das hat auch Alain Ehrenberg gut gezeigt – eine pharmakologische Interessenrichtung zu beobachten ist. Deswegen sprach ich gestern von der pharmakologisch-psychiatrischen Verdummung, die dann, auch in Richtung einer Vernaturwissenschaftlichung von Subjektivität, auf Selbststeuerungsmechanismen setzt, aber nicht im Sinne einer Selbsttheorie von Foucault, sondern von Techniken, die man dem eigenen Körper und der eigenen Psyche gegenüber anwendet. Das ist ein ganz wichtiges Feld, auf diesen Diskurs zu reagieren und ihm auch in der Öffentlichkeit etwas entgegenzusetzen. Was jetzt aber diese massenhafte Trauer bedeutet, da bin ich mir etwas unsicher in den Antworten. Es gibt auch Leute die da gut drauf antworten können, wenn sie denn in den Medien gefragt würden. Beim Freud-Institut gehen regelmäßig solche Anfragen ein, aber diesmal hat man eben darauf in der Form reagiert, dass man mehr so klinisch-therapeutische Scharmützel mit den Verhaltenstherapeuten geführt hat. Aber wer zum Beispiel aus unserem Feld dazu was sehr Fundiertes zu sagen in der Lage wäre, ist Rolf Haubl, der zur Sozialpsychologie der Depression gearbeitet hat. Da gab es im letzten Jahr ein sehr schönes Interview in der Zeitschrift Chrismon[14], die der Zeit und der Frankfurter Rundschau monatlich beigelegt ist.

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Julia König: Das steht jetzt nicht mehr im direkten Bezug, aber ich wollte noch einmal zu der Frage, was man als analytische Sozialpsychologin vielleicht Unzeitgemäßes zur Gegenwart sagen kann, Stellung nehmen. Ich stelle mir das zumindest immer so vor, dass es grundsätzlich darum geht, ganz nah an dem zu bleiben, was man untersuchen will, also an dem Material, und sehr genau zu beobachten und zu beschreiben. Und zwar nicht nur, was für Ereignisse sich abspielen, sondern auch welche Erlebnisweisen damit zusammenhängen und welche Erlebnisweisen in bestimmten Ereignissen virulent sind. In diesem Zusammenhang halte ich es, auch mit Brückner, für zentral, sich selbst als analytische Sozialpsychologin als Teil dieses gesellschaftlichen Interaktionsgefüges zu begreifen und eben dies zu reflektieren. Eine gute Möglichkeit sind natürlich rekonstruktive Studien, größere Studien; ich denke aber zudem auch an Formen der Reflexionen wie die, derer sich Adorno in der »Minima Moralia«[15] bedient hat. Da geht es ja auch darum, in dem konkreten Einzelnen das ihm eigene Besondere ganz genau zu beschreiben, sich auf ein Detail zu konzentrieren und zu versuchen darin etwas aufzuzeigen. Das geschieht natürlich in einer spezifischen mehrfachen Brechung und in vollem Bewusstsein des fragmentarischen Charakters jedes Einzelnen; da muss man sich auch gar nicht umständlich für die Methode rechtfertigen, es gilt allein, ein Phänomen zu beschreiben und es von einem – immer subjektiven und auch als solchen zu markierenden – Punkt aus zu analysieren. Jetzt habe ich gerade gesagt, man muss sich auch nicht immer dafür rechtfertigen, dass man so arbeitet. Das spricht glaube ich einen weiteren Punkt an, den der Offensivität, über den auch schon mehrfach geredet wurde. Zum Beispiel gestern bei dem Abendvortrag,[16] wo es um das Thema ging: Soll Politische Psychologie eher defensiv Rückzuggefechte führen, was ja auch immer dazu gehört und irgendwie mitunter sinnvoll sein kann, um Anknüpfungspunkte in anderen Disziplinen zu finden. Das gehört ja zur Politischen Psychologie: auch die herkömmlichen Fachgrenzen zu überschreiten, und dieser Punkt wurde in vielen der Beiträge zu der Tagung sehr deutlich. Aber ich halte es für unhintergehbar, in diesen Rückzuggefechten nicht aufzugehen und gleichzeitig immer wieder bei dem Hinterfragen des Augenscheinlichen zu bleiben; das ist eine Aufgabe, die ich für die Politische Psychologie sehe.

Lilli Gast: Ich würde da ganz gerne daran anschließen. Als Du, Rolf [Pohl], diesen Parin-Aufsatz ins Spiel gebracht hast, da habe ich gedacht, provokant formuliert, ›ich bin heilfroh, dass Psychoanalytiker nicht pausenlos zu allem Stellung nehmen‹. Denn in der Regel ist das Format, in dem dann die Stellungnahme eingefordert wird, eines, das höchst unanalytisch ist, weil es nämlich Erklärungsmuster abfragt. Ich möchte Ihnen jetzt nicht wieder mit den Antworten und den Fragen auf die Nerven gehen, aber das ist das Format, in dem diese Stellungnahmen abverlangt werden und es kommt in der Regel wirklich Unsinn heraus. Vielleicht sollten wir uns eher mit der Frage beschäftigen, warum Psychoanalytiker, also wir, dazu neigen, eher etwas zurückhaltend bis ungern Fragen an Phänomene, wie sie sich gesellschaftlich zeigen, heranzutragen; warum wir unsere Möglichkeiten und unser Instrumentarium – nicht technisch, sondern im denkerisch-intellektuellen Sinn – so ungern direkt an soziale Phänomene, wie sie sich jetzt im Moment und in ihrer Gegenwärtigkeit darstellen, herantragen und das Feld in einer distinkten Weise aufschließen könnten. In der Tat stelle ich dabei eine Zurückhaltung fest, worauf die beruht, warum das so ist, kann ich nicht beantworten, wäre aber, wie ich finde, einer Analyse wert.

Christoph H. Schwarz: Ich würde daran anschließen. Ich musste bei der Frage an David Becker denken und an seine Kritik des Traumabegriffes. Becker arbeitet ja auch mit dem Traumabegriff und kritisiert dennoch die Dynamik, die sich daraus ergibt, die zu einer Entpolitisierung von Man-Made Disasters führt. Ein Feld, zu dem sich Analytiker und Analytikerinnen durchaus äußern müssen, ist meines Erachtens die Psychologisierung von politischen Problemen, etwa indem man die politische Funktion von derartigen Beratungen oder Supervisionen kritisiert. Das heißt gar nicht, dass man solche Beratungen nicht machen soll. Hans-Joachim Busch hat das ja gestern als ein wichtiges Feld angesprochen. Es wäre doch interessant, stärker in Supervision oder professioneller Beratungstätigkeit tätig zu sein, ohne zu psychologisieren und damit diese kritische Spitze zu verlieren. Man müsste dazu offen die Funktion und die Dynamik kritisieren, die in einer beratenden Gesellschaft entsteht, indem man gerade in der Öffentlichkeit den politischen Gehalt der psychoanalytischen Begriffe wieder stark macht, mit denen man in diesem Feld arbeitet.

Rolf Pohl: Das ist ein wichtiger Hinweis. Vielleicht eine kleine Ergänzung, die auch die Anschlussstelle und die Arbeitsbereiche einer sich psychoanalytisch verstehenden Politischen Psychologie betrifft. Die Kritik am Trauma ist wichtig, weil es einerseits unheimlich viele heterogene Konzepte gibt. Es gibt keine wirkliche systematische Diskussion, aber es gibt allenthalben eine unglaublich inflationäre Verwendung des Traumabegriffes. Und zumeist wird der Begriff dabei klinisch in dem Sinne verkürzt: Jeder ist irgendwie traumatisiert. Dabei ist die Frage, was Traumata eigentlich sind, das große Problem, wenn historische Traumatisierungen, die einzelne Gruppen und Minderheiten usw. erfahren, mit diesem völlig verdinglichten PTSD- oder PTBS-Konzept, oder wie auch immer es genau übersetzt heißen mag, begegnet wird. Allein die unerträgliche Verkürzung, einen Krieg als »Stressor« bzw. als »Belastung« zu bezeichnen. Das steckt ja in diesem allgemein anerkannten Kürzel drin. Posttraumatisches Stresssyndrom oder Belastungsstörung, dass ist eine verharmlosende, eine euphemistische Umschreibung. Und die Kritik etwa von David Becker zielt genau in diese Richtung, wobei es um zwei Dinge geht.[17] Erstens: es wird die Genese, der Kontext, also das, was wir politische und psychosoziale Traumatisierungsprozesse nennen, völlig außer Acht gelassen und dabei wird das »post-« betont, d.h. das, was nach den traumatisierenden Ereignissen folgt, aber nicht, was zu ihnen geführt hat. Und zweitens: David Becker geht ja auf Hans Keilson und seine Idee der sequentiellen Traumatisierung zurück. Keilson unterscheidet drei große Sequenzen und macht das an der Untersuchung von jüdischen Kindern in den Niederlanden, die den Holocaust überlebt hatten, deutlich. Becker differenziert sie noch weiter in insgesamt sechs Phasen, aber das ist jetzt hier nicht das Entscheidende. Wichtig ist die Betonung des Prozesscharakters, die historische Einbindung und Kontextualisierung des gesamten Traumageschehens, die systematisch Berücksichtigung finden müssen. Eine Analyse dessen, was gerade im klinischen Sinn Traumatisierungsprozesse sind, ist eigentlich ohne eine systematische Einbeziehung dessen, was den Menschen historisch angetan worden ist und wie der politische Kontext gewesen ist, unmöglich. Ich glaube, dass hier ein ganz wichtiger Anknüpfungspunkt liegt. Und das zweite ist: man sollte wirklich auch über diese inflationäre Verwendung des Traumabegriffes und darüber nachdenken, wie und warum ein solcher Modebegriffe – bei dem Begriff »Identität« ist es zurzeit ganz ähnlich -, entsteht. Auch hier müssten bei uns die Alarmglocken schrillen und wir sollten daher unsere Instrumentarien schärfen und interdisziplinär über dieses Problem nachdenken. Wie kommt es dazu, dass »Identität« so ein unglaublich populäres und universell verbreitetes Modewort geworden ist -, z.B. als Geschlechts-Identität, nationale Identität, kollektive, ethnische Identität usw. Ich denke, dass es auch hier eine wichtige Aufgabe, ein Feld der Politischen Psychologie wäre, sich mit der inflationären Verwendung dieser Begriffe und ihrer Ursachen im historischen und politischen Kontext auseinanderzusetzen.

Markus Brunner: So sehr ich es spannend fände, jetzt über Identität zu reden, glaube ich, dass Lilli [Gasts] Einwand noch auf etwas anderes zielte, nämlich die Frage: Wie kann überhaupt in die aktuelle Debatte eingegriffen werden und in was für einem Medium ist das überhaupt möglich? Und ich finde das eine zentrale Frage, weil es für kritische TheoretikerInnen überhaupt wichtig ist, die Frage zu stellen, wie sehr man sich auf die Formen kulturindustrieller Produktion und die Formate der Öffentlichkeit einlassen kann und will. Und wie viel gibt man da Preis? Das ist ein Dilemma, in dem wir drinstecken, denn wenn man sich gar nicht einlässt, bleibt man völlig isoliert. Ich glaube, das wäre wichtig, auch darüber zu reflektieren.

Kerstin Sischka: Ich kann gut an die Frage des Sequentiellen in der Traumaauffassung von Herrn Keilson anschließen. Da geht es auch darum, dass ein Trauma weitergeht. Dass sozusagen gesellschaftliche Bedingungen oder bestimmte Interaktionsverhältnisse, intersubjektive Verhältnisse, dazu beitragen können, dass aus dem Trauma ein Prozess wird, dass traumatische Erfahrungen aufleben und sich verändern, vertiefen oder eben auch nicht vertiefen können. Was mich bei meinem Besuch hier in Hannover – ich komme aus Berlin und habe bisher kaum Verknüpfung mit der Sozialpsychologie hier in Hannover – überrascht hat, war der große Abstand zur Frage der Praxis. Das hat sicherlich seine Gründe und geht auch auf Implikationen oder Schwierigkeiten zurück, die in diesem Verhältnis stecken, also z.B. die Kritik am Anwendungsbegriff, worüber man noch intensiv diskutieren könnte. Dennoch frage ich mich: ich meine, in der klinischen Praxis kommt es auch nicht vor, dass Psychoanalytiker oder Psychoanalytikerinnen »nur« deuten. Sie müssen auch immer den Rahmen dafür herstellen, d.h. in der Lage sein, eine förderliche Beziehung zu ihren KlientInnen herzustellen, sodass Entwicklungs- und Veränderungsprozesse möglich werden. Also geht es denn, provokant zugespitzt, vor allem um die Kritik an Begriffen oder an bestimmten Auffassungen oder gesellschaftlichen Vorstellungen? Oder verstehen wir es auch – verstehen es diejenigen, die sozusagen ihr Commitment für diese Art der psychoanalytischen, Politischen Psychologie oder Sozialpsychologie geben -, einen Beziehungsrahmen herzustellen, mit dem wir dann auch arbeiten? Oder sagen wir von Vornherein: na ja, es gibt zwar die eine oder andere Intervention in öffentliche Diskurse und ansonsten gibt es vor allem die Arbeit an Texten oder wie auch immer. Der Abstand scheint mir doch sehr groß zu sein zu dem, was vielleicht eine psychoanalytisch ausgerichtete sozialpolitische Arbeit wäre, also Arbeit mit Gruppen, Arbeit mit Initiativen, sei es jetzt im Bildungsbereich oder im Gesundheitsbereich. Das sind ja keine unpolitischen Felder, ganz im Gegenteil. Was gehört denn noch zur Kompetenz hinzu, außer der natürlich sehr wichtigen Auseinandersetzung mit Begriffen, mit dem Bewusstsein über gesellschaftliche Zusammenhänge? Da gehört doch noch viel mehr hinzu, nämlich die praktische Beziehungsarbeit und die Frage nach den intersubjektiven Settings, in denen man sich als Forscher außerhalb des Klinischen bewegt.

Hans-Joachim Busch: Ich möchte auf das eingehen, was Sie gesagt haben. Es ist verständlich und sympathisch, was sie gesagt haben, aber es ist auch ein bisschen kurzschlüssig. Man muss sich diese Zusammenhänge in ihrer Differenziertheit klarer machen. Also man kann keineswegs jetzt, entsprechend zum deutlich umrissenen Praxiskontext der psychoanalytischen Behandlung, etwas Entsprechendes im öffentlichen gesellschaftlichen Feld etablieren oder behaupten. Das gibt es nicht. Die gesellschaftlichen Zusammenhänge sind sehr groß und haben sehr viele Bereiche. Das muss ich nicht erörtern. Politische Psychologie ist daher ein grundlegender Vermittlungsansatz, der dann in einzelnen Feldern auf je eigene Weise praktiziert werden kann. Um es in einem Beispiel zu sagen – ich weiß nicht, ob hier heute viele Pädagogen anwesend sind, die auch in praktischen Feldern arbeiten -: Es gibt ja auch die psychoanalytische Pädagogik. Wer mit diesem Konzept in diesen Feldern, d.h. vom Kindergarten bis zu der Arbeit mit Behinderten und in der Erwachsenenpädagogik, arbeitet, der arbeitet da, emphatisch gesehen, an einem anderen Subjektverständnis. Das ist eine praktische Arbeit, die auch im Sinne: »Das Persönliche ist politisch« eine politische Dimension hat. Das kann jetzt aber nicht unmittelbar von hier, von so einem Podium und so einer Großgruppe der Politischen Psychologie geleistet werden. Sondern da muss in solchen Praxisfeldern – man kann sich viele andere denken – dann operiert werden. Und wenn von dort her Interessenten kommen, die das auch wirklich noch bewusst politisch-psychologisch verstehen, dann finden die zu einer Gruppierung wie der unseren Anschluss. Und um es noch einmal umgekehrt zu sagen: hier gibt es vielleicht einige, die aus Praxisfeldern kommen und die auch etwas in diese mit zurücknehmen. Aber jetzt mal zu uns als Forschern in diesem Bereich: natürlich gibt es ja auch die Gegenstände, wie es der Hans-Dieter König zum Beispiel hier vorgetragen hat,[18] z.B. öffentliche, ich sag mal: »Objektivationen«, die aus dem politischen Feld kommen, wie Reden, Sendungen usw. Das sind ja in einer ganz anderen Weise Gegenstände, und wenn man sich denen zuwendet und sie interpretiert, macht man ja eine unmittelbar praktische Arbeit. Nur auf einem relativ verallgemeinerten Niveau, weil – du [Hans-Dieter König] hast es schon über Günther Anders gesagt – sich das Fernsehen eben an die singularisierten Individuen in den Wohnzimmern wendet. Also hat es einen Sinn, sich diesen Medienprodukten zuzuwenden und sie zu interpretieren, weil man darüber vielleicht auch etwas über die Wirkungszusammenhänge herausfinden kann. Deswegen muss man sich auch solchen allgemeinen Formaten zuwenden und sie sich als Ausdrucksform der Bewegung, des gesellschaftlichen Umgangs mit Subjektivität, vornehmen.

Michael Zander: Ich möchte noch einmal auf die Frage zurückkommen, die wir vorhin diskutiert haben, nämlich: wie ist es eigentlich, wenn man sich politisch-psychoanalytisch in der Öffentlichkeit äußert? Wie können wir eigentlich diese öffentlichen Aussagen so begründen, dass sie in sich schlüssig sind, dass sie datengestützt sind oder dass sie auch von Leuten verstanden werden können, die ein anderes theoretisches oder philosophisches Bezugssystem haben. Deswegen glaube ich auch, dass der Interdisziplinarität große Bedeutung zukommt. Es ist doch immer ganz schön, wenn man sich mit Erkenntnissen, auf die man durch seine eigene Theorie gut kommen kann, auch in Forschungen von Kolleginnen und Kollegen bewegen kann, die von ganz anderen Ansätzen her kommen.

Rolf Pohl: Das finde ich ist ein gutes Stichwort und ich glaube, dass wir auch ein bisschen über den Gesichtspunkt der Interdisziplinarität, über Anschlussstellen und Verknüpfungen usw. sprechen sollten. Das finde ich einen sehr wichtigen Aspekt. Wir haben hier einige Beiträge auch aus philosophischer Richtung zur psychoanalytischen Metapsychologie gehört. Das finde ich total wichtig. Wir haben in den letzten beiden Tagen auch über die Geschichtswissenschaft – also hier in Hannover konkret über das Projekt »Volksgemeinschaft«[19] – geredet und erkannt, dass hier nicht nur Anschlussstellen sind, sondern auch ein Bedarf seitens der HistorikerInnen besteht. Das heißt, wir sollten unser Licht nicht immer unter den Scheffel stellen und auf hohem Niveau unsere eigene Abwicklung beklagen. Wir sollten vielmehr offensiv herangehen und sagen: Hier sind wirkliche Lücken und Grenzen von wissenschaftlichen Herangehensweisen, wo bestimmte Disziplinen, z.B. die Geschichtswissenschaften, einfach nicht mehr weiterkommen, weil ihnen die Instrumentarien fehlen. Natürlich gibt es hier eine große Abwehr, aber den Zahn muss man versuchen, ihnen zu ziehen. Wir betreiben ja keine Psychohistorie – da tauchten vorhin ja auch so einige nette Beispiele auf und ich selbst kann hier auch eines beitragen, nämlich die Erklärung von Lloyd deMause zum zweiten Golfkrieg 1991. Da hat er etwas gesagt, das ja international durch die Gazetten gegangen ist: Saddam Hussein habe Kuwait besetzt, weil er sich damit seine abgeschnittene Vorhaut zurückholen wollte. Das macht eine analytisch orientierte Psychohistorie natürlich nicht besonders seriös und anschlussfähig und sie stößt mit solchen Dingen nicht auf große Begeisterung. Und hier liegt eine Angst und eine berechtigte Abwehr. Und oft, wenn man mit Historikern redet, merkt man, dass sie mit bestimmten Konzepten der Psychoanalyse einfach nichts anfangen können. Schwierig, das habe ich persönlich erlebt, ist zum Beispiel der Umgang mit dem Konzept des Todestriebs. Da gibt es sicherlich Grenzen und man muss sehen, ob und wie man das vermittelt bzw. ob das überhaupt notwendig ist. Es gibt bestimmte Konzepte, die sind schwierig, aber wir können auf diese Konzepte nicht einfach verzichten, so wie es beispielsweise C.G. Jung einmal getan hat. Er war ja zunächst zusammen mit Freud 1909 in den USA zum 20jährigen Jubiläum der Clark-University. Freud, dass habe ich gestern bereits erwähnt, kam übrigens völlig irritiert aus den USA zurück und meinte, Amerika sei ein einziger Irrtum. Anschließend ist er nie wieder hingereist. Jung ist aber wieder in die USA gefahren, alleine und kam dann voller Begeisterung zurück und erzählte Freud, wie es ihm gelungen sei, die Amerikaner, die der Psychoanalyse so ablehnend, sogar feindselig gegenüberstanden, die Psychoanalyse doch schmackhaft zu machen. Er sagte, man müsse einfach nur auf die Sexualität und die entsprechenden psychoanalytischen Konzepte verzichten! Wir können also natürlich nicht zu andern Wissenschaften hingehen und sagen, wir verzichten auf bestimmte Konzepte, sondern müssen überlegen, wie wir diese Konzepte auch tatsächlich offensiv mit einbringen, wenn sie uns als nützlich erscheinen, um bestimmte Phänomene zu erklären oder um an bestimmten Forschungsaufgaben produktiv mitarbeiten zu können.

[…]

Lilli Gast: Ich würde sogar noch einen Schritt weiter gehen. Auffällig ist ja, und ich reagiere damit auf Herrn Zander, dass, wenn man um eine Stellungnahme gebeten wird, eigentlich schon etwas verpasst hat. Und zwar hat man verpasst, das Thema überhaupt selbst aufzubringen. Die Diskurse, die derzeit eine Rolle spielen, werden eher von der FAZ und den Feuilletons als von Intellektuellen oder von Wissenschaftlern losgetreten. Das sind gar nicht mehr wir, die öffentliche Diskurse bestimmen, das machen längst andere, die nicht wirklich an nachhaltigen Diskursen und Analysen interessiert sind, sondern jeden Tag eine andere Sau durchs Dorf treiben. Wir werden dann ab und zu mal zu Partikularaspekten befragt oder wir werden gefragt, ob wir überhaupt etwas dazu zu sagen haben. Aber wir sind nicht mehr die, die die Diskurse aufbringen. Und ich denke – auch wenn es möglicherweise den Praxisbezug mangelt, den Sie einfordern -, dass wir das wieder werden sollten. Ich habe vor ein paar Jahren in Berlin eine Veranstaltung gemacht, die wir mit dem Titel »Zum Schweigen der Psychoanalyse im öffentlichen Raum« versehen haben. Und ich denke noch immer, dass genau dieses Schweigen schon im Vorfeld der Diskurse das Markante an unserer Position ist und nicht vordergründig die Frage, warum wir zu nichts Stellung nehmen. Mir geht es also eher darum, dass wir und warum wir über das, was uns auffällt, schweigen und warum wir es nicht in einen öffentlichen Diskurs einbringen, den wir auf diese Weise, und zwar nur auf die Weise, dann mitgestalten, ihm Richtung und Perspektive geben. Ich möchte aber auch noch an die Frage, die Markus [Brunner] aufgebracht hat, anknüpfen, nämlich was eigentlich das Medium ist: Ich finde, die Diskussion über die neuen Medien ist ein Beispiel. Wir haben nun die Möglichkeit einzustimmen in die Klage über den Verfall und über die ›erregte Gesellschaft‹ und wie all das jetzt durch die Subjekte hindurch rauscht usw. Wir können das tun und es dadurch dann auch affirmativ bestätigen. Wir können aber auch die Frage wieder öffnen und fragen: Was sind denn eigentlich die Strukturveränderungen in den Subjekten, die mit der allseits beschriebenen (und beklagten) Entwicklung einhergehen? Und wie entfaltet sich in diesem Kontext psychischer Raum? Ich denke, und da würde ich auch die Aufgabe der Psychoanalyse sehen, dass es richtig und notwendig ist, nicht nur diskursförmig bzw. entlang einer präformierten Diskursformation mit einzustimmen und dort irgendwo eine Nische zu suchen, sondern manche Fragen wieder offener zu gestalten. Mit Hilfe unserer Einsicht in die Strukturierungsprozesse der Subjekte, mit Hilfe unserer Einsicht in die Frage, wie psychischer Raum sich entfaltet, sollten wir fragen, wie Objektwelten sich konstituieren usw. Ich sehe unsere Aufgabe darin, mit Hilfe dieser Denkbewegungen, mit den uns zur Verfügung stehenden und durchaus besonderen Möglichkeiten, etwas zu denken, manche jener Fragen wieder offener zu gestalten und spezifische Prozesse vielleicht in ihrer je eigenen Spezifik einer Analyse zugänglich zu machen, die in einem, so wie ich es wahrnehme, gesellschaftlichen Diskurs bereits schon einem Urteil, bereits einer Wertung unterzogen worden sind, und zwar so, dass man sich im Grunde nur noch kulturoptimistisch oder kulturpessimistisch einstellen kann. Aber das sind nicht mehr wirklich offene Fragen. Ich denke, da verfügt die Psychoanalyse oder unsere Perspektive über ein großes Potential, etwas offen zu halten.

Karola Brede: Mir sind jetzt einige Zeitfragen eingefallen, zu denen man Stellung nehmen könnte. Die Themen sind nicht das Problem. Allerdings glaube ich, dass Stellungnahmen zu Zeitfragen in den letzten drei Jahrzehnten abgenommen haben. Die Stellungnahmen zu Zeitfragen waren früher psychoanalytisch und in Gänze für sich »kreativ«. Also die hatten wirklich so einen Pfiff. Das sind Interpretationsfiguren gewesen, die kann ich von meinem Fach her nicht produzieren. Der Zusammenhang, aus dem diese Originalität und diese Anstöße, die in der Originalität stecken, entstehen, ist ein Stück weit das Vermögen der Psychoanalyse. In dem Maße in dem natürlich die Psychoanalyse in ihren Vertretern selber ein bisschen vorsichtiger und konventioneller geworden ist, selber auch Angst vor Anstößigem hat, geht das verloren. Deswegen würde ich sagen: Im Grunde genommen muss man davon weggehen, dass die Psychoanalyse – also im Sinne ihrer Vertreter, also ihrer Berufsgruppen – diese Funktion übernimmt. Vielmehr ist das eine zeitdiagnostische Aufgabe – das hast du, glaube, ich auch gemeint, Hans-Joachim [Busch] -, die die Politische Psychologie unter anderem übernehmen kann. Allerdings geht das nicht ohne die psychoanalytische Kompetenz. Ich selber habe sie manchmal allenfalls durch Zufall, während die Psychoanalyse diese Originalität aufgrund ihrer Konstruktion viel anders und viel besser generieren kann. Das muss man einfach sehen.

Hans-Joachim Busch: Ich will das jetzt nicht polemisch verstanden wissen, aber ich will auch etwas klar stellen, was vielleicht auch wichtig ist. Es kommt jetzt von ihnen, Frau Gast, so immer mehr das Bewusstsein zum Vorschein eines WIR. Ich bin auch für ein Wir und erlebe hier auch ein Wir. Ich möchte aber daran erinnern, dass ich zum Beispiel kein Psychoanalytiker bin und viele das hier auch nicht sind. Und daran, wie man sich interdisziplinär verstanden wissen will oder versteht, sollte man auch weitere Reflexionen anknüpfen. Ich muss, als Sozialwissenschaftler, sehen, dass ich mich in der Sozialwissenschaft auch bemerkbar mache, und deswegen baue ich eben auch auf Subjekt- und Sozialisationstheorie oder Interaktionstheorie. Mein Erkenntnisinteresse ist Subjektivität. Und mein Erkenntnisinteresse ist nicht Psychoanalyse. Aber ich habe hinreichend erläutert, wie sehr man im Rahmen von Theorien der Subjektivität auf Psychoanalyse kommt und auf sie bauen kann. Aber ich halte für mich ganz deutlich fest: Ich bin Sozialwissenschaftler und muss mich dort auch im Diskurs bewähren. Und ich kann nicht wie ein engagierter medizinischer Psychoanalytiker, wie Horst-Eberhart Richter dies tut, erfolgreich in einem Betroffenheits- und Engagiertheitskurs agieren. Man kann auch von Richter, der lange Jahre Direktor des Freud-Instituts war, sehr viel darüber lernen, dass man auch als Analytiker in öffentliche Diskurse eingreifen kann. Herr Richter versteht es, mit den Medien umzugehen, z. B. eigene Pressekonferenzen zu arrangieren. Das ist beachtlich. Was ich zur Frage der Öffentlichkeit denke, ist: Man sollte sich den Medien, ob Presse oder Rundfunk und Fernsehen nicht verschließen. Die damit verbundenen narzisstischen eigenen Bestrebungen, die versuche ich auch mitzureflektieren, die erlebt man an sich selbst, wenn man solche Anfragen erhält. Man wird ja – und das ist die problematische Seite – immer in Formate verwiesen, die einen total verkürzen. Da kann man gar nicht viel gegen tun. Trotzdem muss man versuchen, im Rahmen dieser Formate irgendetwas unterzubringen, wenn das überhaupt mal passiert. Ich kann mal illustrieren, was mir kürzlich passiert ist. Ich hatte im November einen Vortrag zum Thema Melancholie in Bremen. Da kam eine Journalistin vom Weserkurier und sagte nach dem Vortrag, warum ich nicht über Robert Enke gesprochen hätte. Das mit seinem Selbstmord war gerade passiert. Ich hatte in meinem Vortrag stattdessen eingangs auf Sebastian Deisler Bezug genommen, der ja auch durch seine Depression vom Leistungssport Fußball weggekommenen ist und der auch von Florian Holsboer, dem Leiter des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie in München, welcher auch die Pharmakologieinteressen ganz stark vertritt, behandelt worden ist. Und die Journalistin war wie gesagt ein bisschen enttäuscht, dass ich nicht über Robert Enke gesprochen hatte. Denn ihre Chefredakteurin hatte sie aus dem Anlass hingeschickt. Gerade weil das Thema Robert Enke gerade aktuell war, war dieser Vortrag interessant geworden, der sonst nie interessant geworden wäre für den Weserkurier. Nun, es ist auch ein Artikel erschienen, leider nur im Lokalteil, und die Journalistin hat, weil sie den Vortrag nicht gut verstanden hat, einfach fast die Hälfte abgeschrieben und so hieß die Überschrift: »Nur wer Leidenschaft hat, kann leiden«. Also es ist nicht das Schlechteste, aber es hat nur ein Teil der Bremer Bevölkerung, nämlich der im Stadtteil Osterholz, gelesen.

[…]

Markus Brunner: Gerade weil jetzt nochmals dieses Thema Medien und der Umgang mit Medien zur Sprache kam und vorher die Frage nach dem Anschluss an andere Disziplinen oder an Debatten war, möchte ich mich zu Wort melden. Ich glaube, es zeigt sich bei beiden Fragen ein ähnliches Problem, was ich ja vorher auch eher als Frage formuliert habe. Wie gelingt es einerseits – wie Du es sagst, Lilli [Gast] -, dass man eigene Fragen stellt, das Feld öffnet – und gerade dieses Feld-Öffnen und eigene-Fragen-Stellen hat ja immer auch etwas Kritisches gegenüber diesen Diskursen und wird deshalb da auch nicht angenommen – und auf der anderen Seite das Bestreben, Anschluss zu finden und nicht nur in Diskurse einzugreifen, sondern vielleicht auch BündnispartnerInnen in anderen Disziplinen zu suchen. Und die Frage ist ja wirklich: an wen schließt man sich an? Wie schließt man sich an? Und – gerade mit dem kritischen Impuls -: gegen wen tritt man an? Wir sind alle ins gesellschaftliche Ganze eingebunden und können nicht so tun als könnten wir irgendwo unsere eigenen Fragen stellen. Man kann sich natürlich auch völlig abschotten, aber dann wird man institutionell »abgesägt«. Das wäre dann die nächste Frage: Wie will man institutionell angebunden bleiben und trotzdem das kritische Potenzial noch behalten? Ich glaube, das ist ein struktureller Widerspruch, der nicht aufzulösen ist: Sowohl den eigenen – kritischen – Fragen nachgehen zu können wie auch institutionell angebunden und wirklich in Diskursen präsent zu sein.

[…]

Greta Wagner: Ich wollte noch einmal auf so ein institutionelles Problem zu sprechen kommen, nämlich die nicht vorhandenen Räume für die Zukunft von Sozialpsychologen. Das ist die eine Sache. Aber man muss ja auch überlegen, wovon man irgendwann mal lebt, und in der Akademie ist es, wenn man psychoanalytisch arbeitet, mittlerweile sehr schwierig. Die psychoanalytisch orientierten Soziologieprofessuren werden durch Neubesetzungen oder durch Abwicklung abgeschafft, und eine Möglichkeit, die viele Sozialwissenschaftler, die ich kenne – inklusive mir selbst – sehr attraktiv finden, wäre eben Psychoanalytikerin zu werden. Das dürfen wir aber nicht, weil wir keine Psychologen sind und bei den Psychologen gibt es wiederum kaum Leute, die Psychoanalytiker werden wollen. Im Psychologiestudium ist Freud die Lachnummer am Ende der Vorlesung. Und da muss man eben überlegen, welche Möglichkeiten kann man für Sozialwissenschaftler schaffen, einen Master in Klinischer Psychologie zu machen. Diese Privatuni in Berlin[20] kann sich kaum eine leisten, für das Studium müsste man sich noch zusätzlich zur späteren Ausbildung verschulden. Es ist eben ein hochgradig klassistisches System, diese Analytikerausbildung. Vielleicht gibt es ja Leute im Raum, die in Positionen sind, von denen aus sie Einfluss auf die Schaffung neuer Masterstudiengänge in Klinischer Psychologie nehmen können, die Sozialwissenschaftler aufnehmen. Es gibt in Kassel wohl Bestrebungen so etwas zu machen, aber ich habe dennoch den Eindruck, dass auch dort dann nur 15 Leute aufgenommen werden und es einfach viel zu wenige Möglichkeiten für Sozialwissenschaftler gibt, ihr diesbezügliches Interesse zu verfolgen.

Rolf Pohl: Ich denke, das ist eine wichtige Frage. Es greift ja auch das auf, was Alfred Krovoza am ersten Abend im Rahmen seines Vortrags gesagt hat.[21] Diese Rückgewinnung oder Wiederintegration in die Hochschule, wie könnte die eigentlich unter den neuen Bedingungen – wir wollen und können ja gar nicht die alten Zustände und Positionen wieder einsetzen – erreicht werden? Und dazu nur eine kleine Bemerkung. Wie wichtig unsere Ansätze sind, sehe ich immer dann, wenn wir LehramtsstudentInnen im Fach Psychologie prüfen und dann immer wieder feststellen müssen, nicht, dass sie von Psychoanalyse keine Ahnung haben, das ist nicht der Punkt, aber wie wenig Ahnung sie von der Adoleszenz haben, denn das ist nicht systematischer Bestandteil der Pädagogischen Psychologie, jedenfalls nicht bei uns in Hannover – und damit zusammenhängend haben sie auch nur wenig Kenntnisse über die Institution Schule und ihre Auswirkungen. Und dann sollen diese unaufgeklärten und unvorbereiteten LehrerInnen auf die Schulen losgelassen werden. Wir sind erschreckt darüber, wie gering hier die Kenntnisse und Kompetenzen sind. Dieses Beispiel zeigt, was die Praxis- und Ausbildungsfelder angeht, ganz wichtige Bereiche, in denen es unabdingbar ist, eine subjektorientierte Binnenperspektive der Adressaten ihrer Bemühungen einnehmen zu können.

Sebastian Winter: Ja, da kann ich auch nur zustimmen. Ich denke, es ist tatsächlich ein strukturelles Grunddilemma, dass die sozialwissenschaftliche und die Psychoanalyseausbildung zumindest in Deutschland dermaßen getrennt sind. Es ist von den Ausbildungswegen her schwierig, das in einer Person zu vereinigen. Und das läuft auch ganz entgegengesetzt zur Vorstellung von Freud. Ich wollte aber auch noch mal auf das zurückkommen, was Markus Brunner meint: dieses Problem der Öffentlichkeit. Wir haben jetzt sehr viel darüber geredet, wie man Einfluss nehmen kann, wie man in öffentliche Diskurse intervenieren kann. Markus hat dann betont, dass dies schwierig ist, weil die Einflussnahme eine kritische ist, bzw. sein soll. Eine die sich gerade gegen die öffentlichen Diskurse ein Stück weit richten müsste. Was wir jetzt noch sehr wenig betont haben ist, dass es vielleicht zu allgemein ist, von Öffentlichkeit an sich zu reden. Psychoanalytische Sozialwissenschaft war bislang immer getragen von im weitesten Sinne politisch-emanzipatorischen Bewegungen, die entsprechende Fragen gestellt haben. Von denen das nachgefragt wurde. Es ist nicht zufällig, dass in den 1970er Jahren hier das Institut gegründet wurde. Es ist nicht zufällig, dass Brückner einen sehr engen Kontakt zu entsprechenden emanzipatorischen Bewegungen hatte. Und ich denke, die aktuelle Lage von solchen Bewegungen oder die weitgehend fehlende Existenz von solchen Bewegungen muss einfach mitreflektiert werden, wenn wir zu einer Einschätzung kommen wollen, wie die gesellschaftliche Lage der psychoanalytischen Sozialwissenschaften heute ist. Inklusive der Überlegung, ob es nicht doch möglich ist, sich an die Ansätze von emanzipatorischen Bewegung, die es ja trotz allem gibt, wieder anzunähern. Sonst gibt es nicht nur eine Trennung zwischen psychoanalytischer Sozialwissenschaft und Öffentlichkeit allgemein, sondern auch zwischen in den Unis verankerter psychoanalytischer Sozialwissenschaft und der außeruniversitären Theoriegenese und Theoriediskussion. Es gibt ja durchaus politische Gruppen, die sehr intensiv Psychoanalyse und Kritische Theorie rezipieren. Deren Mitglieder haben nur leider meist keine Stellen an den Unis.

Jan Lohl: Meine Frage geht in eine ähnliche Richtung und greift verschiedene Aspekte wieder auf, die gerade schon angesprochen worden sind. Um sich in öffentliche Diskurse einzumischen und gehört zu werden, ist es nicht unwichtig, eine institutionelle Anbindung zu haben. Wenn man z.B. als Psychoanalytiker oder Sozialpsychologe arbeiten muss und dies nicht an der akademischen Institution tun kann, kann es – allein schon aus Zeitgründen – schwierig sein, sich überhaupt einmischen zu können. Und daher meine Frage an Lilli Gast ganz direkt: wie sieht dass denn eigentlich an der IPU aus? Ist geplant, dort Politische Psychologie zu machen? Psychoanalytische Sozialpsychologie, Politische Psychologie, das kommt ja, so wie ich es von außen wahrnehme, explizit bislang nicht vor. Ist die IPU nicht ein Raum, wo so etwas, vielleicht auch gerade weil es eine Privatuniversität ist, einen Raum haben könnte?

Lilli Gast: Es ist geplant. Es ist nicht als Politische Psychologie geplant, aber es ist ein Studiengang geplant, der »Psychoanalyse und Kulturtheorie« oder »Psychoanalytische Kulturtheorie« heißen soll. Das ist das Eine. Das ist sozusagen das Qualifizierende und eine in einem Master-Studiengang eingebundene Schwerpunktsetzung. Aber, was uns ein ganz grundsätzliches Anliegen ist, und das wird sich in der Berliner Psychoanalyselandschaft sehr wohl abbilden, ist, die Türen aufzumachen, d.h. Symposien zu veranstalten, durch Vorträge in Austausch zu kommen, nicht nur mit niedergelassenen Analytikern, sondern mit allen psychoanalytisch orientierten intellektuellen Ressourcen, die wir in der Stadt haben. Wir planen ja nicht nur Vernetzungen; diese Vernetzungen und Kooperationen realisieren sich im Moment bereits. Aber bitte halten sie uns zugute: das ist das erste Semester, es läuft jetzt in der siebten Woche – was nicht heißen soll, dass es keine Vorarbeit gegeben hätte, aber jetzt institutionalisiert sich die Sache. Wir haben schon eine direkte Kooperation mit dem Zentrum für Literatur- und Kulturforschung, mit Frau Kirchhoff. Das ist eine von noch weiteren, die folgen werden. Dieser Vernetzungsgedanke ist im Selbstverständnis der IPU integral enthalten. Ich gebe ihrer Forderung Recht, dass das natürlich an die staatlichen Universitäten zurückkehren muss. Ich unterstütze sie darin. Denn eine Privatuniversität sozusagen als alleinige Vertreterin der Psychoanalyse in der Hochschullandschaft Deutschlands kann nicht das letzte Wort sein. Betrachten Sie die IPU – neben allem, was sich dort an Kreativem, an Innovativem realisieren wird – auch als einen Akt der Notwehr. Es ist ja nicht so, dass wir gedacht haben: wir machen jetzt mal was ganz Feines, Elitäres für Handverlesene. Das ist doch nicht der Punkt. Der Punkt ist, dass alle, die wir dort lehren, alle, die wir in irgend einer Weise damit verbunden sind, eine lange Patchwork-Biografie an deutschen Hochschulen hinter uns haben, und wir haben alle mindestens einmal, wenn nicht gar mehrfach, in unserem Berufsleben die Erfahrung gemacht, dass die Psychoanalyse abgewickelt worden ist. Und das ist ein bundesweites Phänomen, das ich hier in Hannover wirklich nicht erklären muss. Daraus erklären sich diese Stiftung und diese Initiative. Es ist ein privat und als Stiftung organisiertes Moment, um etwas an universitärer Psychoanalyse zu behalten und es ist eine Absage an die Vorstellung, die Fachgesellschaften sollten an diese Stelle treten und das Verlorene mit übernehmen. Genau das können die Fachgesellschaften mit ihrer, wenn auch avancierten klinischen Ausrichtung nicht. In diesem Umfang haben sie auch die intellektuellen, die personellen Ressourcen nicht. Es geht schließlich auch um den Erhalt der nicht-klinischen Anwendungsbereiche der Psychoanalyse, um ihr breit angelegtes diskursives Potential. Da, wo Kooperationen möglich sind, wollen wir kooperieren – mit universitären und außeruniversitären Einrichtungen und Institutionen, die der Psychoanalyse nahe stehen ebenso wie mit den psychoanalytischen Fachgesellschaften. Ich denke, wenn es so läuft, wie wir es uns denken, wird es ein wirklich guter, ein kostbarer Ort. Und ich hoffe, dass es in einer Weise Schule macht, dass die staatlichen Universitäten nicht mehr umhin können, dieses Potential wieder an sich zu binden. Und ich glaube, dann wären wir alle mit dieser Entwicklung sehr einverstanden.

Marc Schwietring: Ich möchte kurz daran anknüpfen. Ich bin Student an der IPU, jetzt in der ersten Generation sozusagen dabei. Und ich will jetzt keine Konkurrenzwerbung machen oder so, aber vielleicht kann man die IPU gerade auch als Zeichen, als Symbol sehen, dass sich da was tut. Also das sind auch die Möglichkeiten von Bologna, dass es nun einen nicht konsekutiven Masterstudiengang gibt. Natürlich gibt es auch die Barriere der Finanzierungsmöglichkeiten. Aber ich glaube, dass in der Debatte wieder Perspektiven drin sind. Es gibt neue Möglichkeiten. Das mit Kassel habe ich auch schon gehört, andere Privatunis überlegen auch, ihr Angebot zu verbreitern. Vielleicht ist das wirklich auch ein Symbol, dass etwas in Bewegung geraten ist. Das muss man weiter verfolgen und beobachten, ob neue Möglichkeitsräume eröffnet werden. Das vielleicht noch zum Abschluss.

Rolf Pohl: Und das ist ja eigentlich auch ein ganz guter Abschluss. Wir haben uns überlegt, dass wir jetzt eine kleine kurze Abschlussrunde mit den TeilnehmerInnen hier auf dem Podium machen. Ich bitte Sie, vor dem Hintergrund ihrer persönlichen Eindrücke eine Einschätzung der Tagung und ihrer Perspektiven vorzunehmen. Wir wollen jetzt nicht unbedingt Lob hören – das wollen wir natürlich auch, wir sind ja alle nicht frei von Narzissmus. Wichtig ist für uns aber vor allen Dingen die Kritik und damit die Frage, was Veränderungen, Anschlussmöglichkeiten und vielleicht neue Themen angeht. Es wäre auch für unsere weiteren Planungen und Perspektiven sehr hilfreich, wenn wir von Ihnen ein paar Anregungen bekommen würden.

Hans-Joachim Busch: Ja, ich finde das hier sehr erfreulich, dass sich hier eine so große Gruppe zusammengefunden und über die lange Zeit von zwei, drei Tagen auch durchgehalten hat. Auf jeden Fall sollte man sehen, dass man das hier in Hannover verstetigt und dass wir einen guten Austausch und sogar eine Vernetzung mit unserem Frankfurter Arbeitskreis[22] hinkriegen. Darüber hinaus muss man aber auch daran denken, alle mit psychoanalytischen Ansätzen zusammenhängenden Initiativen, im Politischen und Sozialen und in der Wissenschaft, unter dem Titel – jetzt mal probeweise formuliert – »Gesellschaft für psychoanalytische Sozialpsychologie« zusammenzufassen, um wirklich auch einen Sammlungseffekt herzustellen. Was ich auch ganz elementar finde, ist, dass wir die akademischen Positionen auch deswegen verloren haben, weil Leute ausstiegen und nichts nachkam. Natürlich waren auch Habilitierte da, aber dennoch sehe ich auch für uns als gravierend die Frage nach der Förderung des Nachwuchses. Da könnte ich mir zum Beispiel vorstellen, dass eine Veranstaltung wie diese, wenn sie sich wiederholt, nicht die einzige Form sein muss, sondern dass man so – ich würde anbieten, mich da an Überlegungen zu beteiligen – eine Art Promotionskolleg im deutschsprachigen Raum konstituiert.

Lilli Gast: Es wurde zwar ausdrücklich kein Lob gewünscht, aber ich wünsche mir natürlich auch, dass diese Debatte weitergeht. Ich glaube, das war jetzt, ohne die vorangegangene Arbeit der Arbeitsgemeinschaft schmälern zu wollen, eine Bestandsaufnahme. Es hatte wohl auch ein wenig von einer Selbstvergewisserungs-Zusammenkunft, um zu schauen, wo der Einzelne, wo wir als Gruppe der an Politischer Psychologie / Psychoanalyse Interessierten stehen. Ich bin über die Teilnehmerzahl auch sehr beeindruckt. Ich habe nicht damit gerechnet, dass es so eine Resonanz finden würde. Ich denke, das gibt dem Unternehmen mehr als Recht. Ich würde mich freuen, wenn das eine Fortsetzung fände, die vielleicht nicht wieder im Grundsätzlichen beginnen müsste. Ich denke, dieses Feld haben wir jetzt doch gut abgesteckt. Ich fände es gut, wenn wir uns vornähmen, nun in dieses Feld hineinzugehen und miteinander erste Strategien zu entwickeln. Vorstellbar wäre auch, dass wir ein wenig Work-in-Progress austauschen. Und was die Vernetzung angeht: die wechselseitige Verlinkung zwischen der Arbeitgemeinschaft Politische Psychologie und der International Psychoanalytic University haben wir bereits vereinbart. Die Medien gehen schon einmal voran und die Inhalte lassen, so glaube ich, nicht lange auf sich warten.

Julia König: Was für mich in der ganzen Tagung sehr deutlich und dominant war und was ich auch wirklich sehr gut fand, und auf keiner Tagung seit langem so erlebt habe, ist, dass – sowohl inhaltlich wie auch in der Art und Weise, wie hier diskutiert wurde oder wird und wie sich auf gesellschaftliche oder politische oder institutionspolitische Prozesse bezogen wird – es hier schon eine ganz andere Haltung gibt. Und ich habe auch während der Diskussion darüber nachgedacht, dass sich Politische Psychologie, vielleicht gerade wie die Psychoanalyse auch, durch eine spezifische Haltung auszeichnet. Insbesondere den Inhalten und Gegenständen gegenüber: durch dieses Nachfragen, dieses »das Augenscheinliche Hinterfragen« und sich nicht um die Grenzen der herkömmlichen Disziplinen scheren. Aber auch in Bezug auf ein politisch-praktisches Interventionsfeld. Und ich fand es noch ganz spannend, was Sebastian Winter eben angesprochen hat. Die Nähe oder Distanz zu sozialen emanzipatorischen Bewegungen zu reflektieren, wäre vielleicht eine gute Richtung, in die man weitergehen könnte. Dies wiederum hebt natürlich auf das Theorie-Praxis-Verhältnis ab. In den Eröffnungsvorträgen wurde beispielsweise bereits angesprochen, dass Denkweisen natürlich auch Praxis sind. Auseinandersetzungen um das Theorie-Praxis-Verhältnis haben aber auch einen Zeitkern; so erscheinen über lange Zeiträume inhaltlich ähnliche Diskussionen, Sachverhalte und Konfliktlinien immer wieder in einem historisch-gesellschaftlich anderen Licht – und sie erscheinen nicht nur anders, in diesen verschiedenen gesellschaftlich-historischen Kontexten sind jene Auseinandersetzungen effektiv anders zu diskutieren, zu analysieren und politisch produktiv zu machen. Deswegen glaube ich, dass gerade diese Auseinandersetzung immer wieder geführt werden muss und fände es sehr perspektivreich, wenn solche Diskussionen weiter geführt würden.

Markus Brunner: Ich kann mich dem allen, glaube ich, nur anschließen. Ich war auch überrascht von der TeilnehmerInnenzahl hier und fand das wirklich eine sehr tolle Atmosphäre. Ich hatte das Gefühl, dass durch die Referate sehr angeregte Diskussionen entstanden und dass es den Leuten, die hier sitzen, um etwas geht. Das ist nicht selbstverständlich für eine wissenschaftliche Tagung. Vielleicht hat das ja gerade auch damit zu tun, dass die Politische Psychologie eben nicht nur eine wissenschaftliches Angelegenheit ist, sondern sich immer auch als etwas Politisches versteht. Was ich auch wichtig fand, war, was Herr Busch angesprochen hat: die Förderung des Nachwuchses. Ich habe das Gefühl, auch als wir die Tagung zusammengestellt haben und die Papers herein bekommen haben, dass da so eine Lücke in der Generationenfolge existierte. Einerseits gab es die Leute, die schon etabliert sind, die aber auch oft schon kurz vor der Emeritierung stehen. Auf der anderen Seite gibt es sehr junge Leute und dazwischen relativ wenig: die Generation der Leute, die vierzig und fünfzig sind, sind hier relativ untervertreten und das hat gerade damit zu tun, dass es seit den 60er, 70er Jahren gar keine Möglichkeiten mehr gab, mit so einer Richtung wie der Politischen Psychologie irgendwo institutionell Fuß zu fassen und Möglichkeiten zu finden, damit Geld zu verdienen. Wie Greta Wagner meinte, wir müssen alle irgendwie auch unseren Lebensunterhalt sichern mit unserer Arbeit. Und deshalb finde ich diese Förderung des Nachwuchses wichtig. Man muss darauf hinarbeiten, dass Finanzierungsmöglichkeiten für diese Leute entstehen. Und nun zum Dritten, was ich noch sagen wollte. Für unsere nächste Tagung: Da schließe ich mich Julia König und Sebastian Winter an oder würde das vielleicht noch weiter fassen, dass wir irgendwie schauen, dass wir immer wieder Tagungen organisieren, auf denen es auch um das Ausloten von möglichen Berührungspunkten mit verschiedenen politischen, kritischen BündnispartnerInnen geht, seien es wissenschaftsbetriebsinterne oder seien das außeruniversitäre Kräfte. Aber dass wir vor allem auch auf tatsächliche Anschlussstellen fokussieren, die nicht nur Anschlussstellen an Disziplinen sind – da muss man sich immer irgendwie anbiedern -, sondern dass wir uns die Frage stellen: wo gibt es an anderen Orten auch politische und kritische Kräfte?

Rolf Pohl: Dem habe ich nicht mehr viel hinzuzufügen. Dass wir den Nachwuchsgesichtspunkt sehr stark im Auge haben, sieht man daran, so glaube ich, dass wir eine gute und hoch interessante Mischung der Referentinnen und Referenten hinbekommen haben. Wir haben nicht »nur« die älteren, gestandenen und etablierten Personen und ihre Ansätze zu Wort kommen lassen, sondern auch viele NachwuchswissenschaftlerInnen, die sehr spannende Projekte vorgestellt haben. Ich finde, es war insgesamt eine sehr anregende und angenehme Tagung. Bedanken möchte ich mich an dieser Stelle noch im Namen der gesamten Arbeitsgemeinschaft Politische Psychologie insbesondere bei den drei Studierenden Jesper Schulze, Insa Kleimann und besonders bei Verena Letsch, die unsere Hauptstütze in der ganzen Vorbereitung seit Wochen ist, dafür, dass alles so gut geklappt hat. […] Zum Thema Verstetigung der Tagung: Wir wurden bereits vor Ende der Tagung angeregt, für das nächste Jahr eine Fortsetzung zu planen. Es wird sicherlich etwas in ähnlicher Form geben und ich denke, dass wir dabei vor allem die starke Einbeziehung von NachwuchswissenschaftlerInnen unbedingt beibehalten sollten. Sie werden von unserer Planung in jedem Fall rechtzeitig erfahren. Falls Sie Informationen brauchen, schreiben Sie uns und besuchen Sie uns auf der Homepage (www.agpolpsy.de), da bekommen Sie die neuesten Informationen über unsere laufenden und geplanten weiteren Aktivitäten. […]

Endnoten:

[1]

Die Transkription der Podiumsdiskussion hat Sören Creuzig durchgeführt.

[2]

Christine Kirchhoff: Wozu noch Metapsychologie? Vgl. den gleichnamigen Beitrag in dieser Schwerpunktausgabe.

[3]

Alfred Krovoza: Psychoanalytisch verstandene Subjektivität als emanzipative/revolutionäre Ressource.

[4]

In seinem Beitrag: Zur empirischen Erforschung politpsychologischer Fragestellungen mit Hilfe der Psychoanalyse.

[5]

Vgl. Alfred Lorenzer 2002: Die Sprache, der Sinn, das Unbewusste. Psychoanalytisches Grundverständnis und Neurowissenschaften. Frankfurt a.M: Suhrkamp.

[6]

Das Zitat lautet genau: »Die politische Psychologie lebt von der Idee des Zusammenhangs zwischen der Lebensgeschichte der einzelnen Individuen und dem, was sie einander geschichtlich antun« (Agnoli & Brückner (1968): Transformation der Demokratie, Frankfurt a.M.: Europäische Verlagsanstalt, S. 94).

[7]

Der Adorno-Verweis bezieht sich auf dessen Aussage, dass die analytische Psychologie »die einzige [sei], die im Ernst den subjektiven Bedingungen der objektiven Irrationalität nachforscht« (Theodor W. Adorno (1997 [1955]): Zum Verhältnis von Soziologie und Psychologie. GS 8, S. 42-43).

[8]

Brückner veröffentlichte trotz eines Verbots den Text »Buback – Ein Anruf«, den ein unter dem Pseudonym »ein Göttinger Mescalero« firmierender Student nach der Ermordung von Generalbundesanwalt Siegfried Buback durch die RAF in einer Göttinger Studierendenzeitschrift publiziert hatte, und analysierte sowohl den Text wie auch den hysterischen Umgang damit in Presse und Politik. Dafür wurde er vom Dienst suspendiert. Vgl. dazu: Peter Brückner (1977): Die Mescalero-Affäre. Ein Lehrstück für Aufklärung und politische Kultur. Hannover: Internationalismus.

[9]

Busch bezieht sich auf Theodor Reiks Beschreibung des psychoanalytischen »Hörens mit dem dritten Ohr«. Vgl. Theodor Reik (1976 [1948): Hören mit dem dritten Ohr. Die innere Erfahrung eines Psychoanalytikers, Hamburg: Hoffmann und Campe Verlag.

[10]

1978 fand in Hannover eine große Demonstration gegen Brückners Suspendierung statt.

[11]

Vgl. Paul Parin (1978): Warum die Psychoanalytiker so ungern zu brennenden Zeitproblemen Stellung nehmen. In: Psyche 32: S. 385-99.

[12]

Paul Parin (1975): Gesellschaftskritik im Deutungsprozeß. In: Psyche 29: S. 97-117.

[13]

Angelika Ebrecht-Laermann (1999): Das gläserne und das steinerne Herz. Zur politischen Psychologie der Monarchie am Beispiel von Prinzessin Diana. In: Sabine Berghahn & Siegrid Koch-Baumgarten (Hg.): Mythos und Politik: Diana – von der Princess of Wales zur Queen of Hearts. Gießen: Psychosozial, S. 117-132.

[14]

Rolf Haubl (2008): »Wir kultivieren den Depri«. Interview. Chrismon 5, S. 67-72.

[15]

Theodor W. Adorno (1969 [1951]): Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben. Frankfurt a.M.: Suhrkamp.

[16]

Hans-Joachim Busch: Psychoanalytische Politische Psychologie heute. Zwischenbilanz und Perspektiven.

[17]

Vgl. dazu David Becker (2006): Die Erfindung des Traumas. Verflochtene Geschichten. Freiburg: Edition Freitag.

[18]

Vgl. Endnote 2.

[19]

Gemeint ist das Niedersächsische Forschungskolleg »Nationalsozialistische 'Volksgemeinschaft'? Konstruktion, gesellschaftliche Wirkungsmacht und Erinnerung vor Ort«.

[20]

Gemeint ist die International Psychoanalytic University (IPU) Berlin.

[21]

Vgl. Endnote 2.

[22]

Gemeint ist der Arbeitskreis Politische Psychologie innerhalb der Dt. Vereinigung für politische Wissenschaft (DVPW).

Autorenhinweis

Markus Brunner

Markus Brunner, M.A. Sozialpsychologie und Soziologie, Doktorand an der Justus-Liebig Universität Giessen, Stipendiat des Schweizerischen Nationalfonds und Lehrbeauftragter an der Sigmund Freud Universität Wien. Arbeitsschwerpunkte: Politische Psychologie; Psychoanalyse; Verhältnis von Gesellschaftskritik, Kunst und politischer Praxis.

E-Mail: markusbrunner@soziologie.ch

Web: http://www.agpolpsy.de/brunner

Hans-Joachim Busch

Hans-Joachim Busch, Diplom-Soziologe, Diplom-Supervisor (DGSv), Prof. Dr. phil., Hochschullehrer für Sozialpsychologie am FB Gesellschaftswissenschaften der J. W. Goethe-Universität Frankfurt am Main und wissenschaftlicher Mitarbeiter des Sigmund Freud-Instituts in Frankfurt am Main; Sprecher des Arbeitskreises Politische Psychologie innerhalb d. Dt. Vereinigung f. politische Wissenschaft; zahlreiche Publikationen zur psychoanalytischen Sozialpsychologie und zur politischen Psychologie, u.a. "Subjektivität in der spätmodernen Gesellschaft. Konzeptuelle Schwierigkeiten und Möglichkeiten psychoanalytisch-sozialpsychologischer Zeitdiagnose", Weilerswist 2001, sowie, als Hrsg., "Spuren des Subjekts. Positionen psychoanalytischer Sozialpsychologie", Göttingen 2006, "Liebe im Kapitalismus" (mit A. Ebrecht), Gießen 2008.

E-Mail: busch@soz.uni-frankfurt.de

Web: http://www.sfi-frankfurt.de/mitarbeiter-innen/prof-dr-phil-hans-joachim-busch.html

Lilli Gast

Lilli Gast, Prof. Dr.phil., Dipl. Psych., Professorin im Studienbereich Theoretische Psychoanalyse, psychoanalytische Subjekt- und Kulturtheorie der International Psychoanalytic University Berlin (IPU) sowie Vizepräsidentin der IPU. Apl. Professorin an der Leibniz Universität Hannover, Institut für Soziologie und Sozialpsychologie. Forschung, Lehre und Veröffentlichungen im Bereich der psychoanalytischen (Erkenntnis-) Theorie und Theoriegeschichte der Psychoanalyse sowie der psychoanalytischen Subjekt- und Geschlechtertheorie. Aktueller Forschungsschwerpunkt: ethische Dimensionen der Psychoanalyse und ihre Verbindung zur philosophischen Anthropologie.

Prof. Dr. Lilli Gast International Psychoanalytic University Berlin Stromstr. 3 D-10555 Berlin

E-Mail: lilli.gast@ipu-berlin.de

Web: http://www.ipu-berlin.de/?p=staff/lilli.gast

Julia König

Julia König, Dipl.-Päd., Lehrbeauftragte am Institut für Allgemeine Erziehungswissenschaften der J.W.Goethe-Universität Frankfurt am Main. Arbeitsschwerpunkte: Konstitution sexueller Subjektivität; Konzeptionalisierung einer kritischen Philosophie der Natur (zusammen mit Philip Hogh); Analyse des Verhältnisses von Rechtsordnung und der (Nicht-)Lebbarkeit alternativer Beziehungsweisen und Familienformen (zusammen mit Sonja Buckel).

Dipl.-Päd. Julia König Münchener Str. 18 D-60329 Frankfurt am Main

E-Mail: j.koenig@em.uni-frankfurt.de

Web: http://www.agpolpsy.de/koordination/lohl

Rolf Pohl

Rolf Pohl, Prof. Dr. phil, Institut für Soziologie und Sozialpsychologie der Leibniz Universität Hannover, Politische Psychologie, Analytische Sozialpsychologie, Geschlechterforschung.

Prof. Dr. phil. Rolf Pohl Im Moore 21 D-30167 Hannover

E-Mail: pohl@sozpsy.uni-hannover.de

Web: http://www.agpolpsy.de/koordination/prof-dr-rolf-pohl

Marc Schwietring

Marc Schwietring, M.A. Politikwissenschaftler, Doktorand an der Leibniz Universität Hannover, Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Internationalen Akademie (INA) gGmbH der FU Berlin, Wiss. Begleitung von Modellprojekten des Themenclusters "Arbeit mit rechtsextremistisch gefährdeten Jugendlichen" im Bundesprogramm "Vielfalt tut gut. Jugend fuer Vielfalt, Toleranz und Demokratie", Fabeckstr. 13, 14195 Berlin. Tel.: +49 (0)30 838 75461, Fax: +49 (0)30 838 52130

Arbeitsschwerpunkte: Rechtsextremismus- und Antisemitismusforschung, Politische Psychologie, Geschichtspolitik

E-Mail: schwietring@ina-fu.org

Sebastian Winter

Sebastian Winter, Sozialpsychologe M.A., wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Soziologie und Sozialpsychologie der Leibniz Universität Hannover, Arbeitsschwerpunkte: Politische Psychologie des Geschlechterverhältnisses, Sozialisationstheorie, Geschlechtergeschichte der Völkischen Bewegung, Im Moore 21, 30167 Hannover.

E-Mail: winter@sozpsy.uni-hannover.de

Web: http://www.agpolpsy.de/koordination/sebastian-winter