Nicht die Sprache, sondern das Sprechen wird als Gegenstand der Psychologie behauptet. Als wichtigstes der Projekte zur Untersuchung des Sprechens wird die Psychoanalyse vorgestellt. Favorisiert wird in dieser Darstellung die Ausarbeitung des psychoanalytischen Projekts durch Jacques Lacan. Er hat die gesellschaftliche Sphäre explizit in die Psychoanalyse zurückgeholt und dies in einer Weise, die das Sprechen des Subjekts im Zentrum gesellschaftstheoretischer Reflexion zu halten gestattet. Lacans Analyse des Diskurses wird hier zum Diskurs der Medien weitergeführt und damit auf die »Postdemokratie« bezeichnete Transformation und die in ihr sich entwickelnde Gestalt des »Diskurses der Macht«. »Subjektivierung« wird damit als Übernahme der Parolen des Diskurses der Macht durch die Subjekte darstellbar.
Schüsselwörter: Sprache, Sprechen, Gespräch, Erzählung, Narration, Diskurs psychoanalytisches Gespräch, Diskurs der Macht, Medien, Postdemokratie, Subjektivierung
It is not language but speech that is claimed as the subject matter of psychology. Psychoanalysis represents the most important projects to investigate speech. In this paper, the psychoanalysis of Jacques Lacan is given priority. He explicitly incorporated the social sphere into psychoanalysis by ways of putting the speaking subject in the center of social theory reflexions. Lacan’s discourse in this article becomes the discourse of the media and as such represents the post-democracy and the unfolding of the discourse of power. As such, subjectification becomes understandable as defrayment of the paroles of the discourse of power.
Keywords: language, speech, conversation, narrative, narration, discourse psychoanalytic conversation, discourse of power, media, post-democracy, subjectification
Gegenstand der Psychologie kann nicht »die Sprache« (als solche) sein – dafür sind die Sprachwissenschaften zuständig – sondern nur das Sprechen. Die Sprache kommt nur als das Medium des Sprechens in den Blick des Psychologen. Die Sprache ist seine Bedingung, die Bedingung der Möglichkeit des Sprechens, eine der Bedingungen, die andere: das (sprechende, des Sprechens fähige) Subjekt.
Die umfangreichste Untersuchung des Sprechens haben wir in der Psychoanalyse, und zwar die Untersuchung des Sprechens zu zweit. Freud hat die Psychoanalyse geradezu als das Reden von Zweien miteinander definiert (Freud 1926/1968, 213).
Es gibt allerdings noch weitere Einschränkungen dieses »Miteinander-Reden-zwischen-Zweien«: die »Grundregel«. Sie macht das Reden zwischen zweien erst zum psychoanalytischen: »Sagen Sie alles, was Ihnen durch den Kopf geht«, als Aufgabe des »Analysanden«, d. i. einer der beiden TeilnehmerInnen des psychoanalytischen Gesprächs.
Das Verhör? Damit es nicht zum Verhör wird, bedarf es einer zweiten Regel, bzw. der Explikation der einen, dieses Mal / damit zugleich auch den Analytiker betreffend: »immer auf der Ebene des Sprechens und in der Beziehung zwischen Analytiker und Analysand zu bleiben«, also eine Verpflichtung (auch) des Analytikers zur Verschwiegenheit gegenüber anderen außerhalb der analytischen Beziehung, sowie die Beschränkung des Geschehens »zwischen Zweien« auf das Reden. Also: genau dieses »nichts anderes« der Definition Freuds.
Diese Regel(n) unterscheiden das Sprechen in der psychoanalytischen Situation von vielen anderen Formen und Weisen des Redens – auch vom Schweigen. Lacan (1953/54) bezeichnet es das »volle Sprechen« – im Unterschied zum »leeren«. Dabei ist das »volle Sprechen« ein Begriff für ein sich in der Zukunft realisierendes oder zu realisierendes Sprechen, ein Sprechen, um das der Analysand sich bemüht, bzw. worum er sich zu bemühen aufgefordert (worden) ist. Während das »leere Sprechen« durchaus ein aktuell geübtes Sprechen bezeichnen kann. Am besten allerdings wird es damit bezeichnet, dass es den Zustand des vollen Sprechens nicht erreicht (hat) – noch nicht.
Diese Zweiteilung des Feldes des Sprechens ist also keine einfache, aber man kann ihr bekannte Unterscheidungen zuordnen. Z.B. »Wahrheit und Lüge«: Das volle Sprechen wäre dasjenige, in dem sich die Wahrheit realisiert, sich zeigt, während die Lüge im Register des leeren Sprechens angesiedelt wäre. Man könnte auch sagen: die Lüge zeigt nicht die Wahrheit – des Subjekts, sie verbirgt sie. Das wäre bereits die Bezeichnung einer Absicht – die Lüge ist meistens von einer Absicht getragen: der Absicht des Verbergens.
Nach Lacan sind, »wenn zwei miteinander reden«, vier Positionen besetzt, bzw. wird das »Reden zwischen zweien« durch vier Positionen strukturiert:
Jeder der beiden Anwesenden ist in zwei verschiedenen Registern repräsentiert, verdoppelt: bewusst – unbewusst imaginär – symbolisch konkret – abstrakt
S: das sprechende Subjekt A: der Andere, (nicht anwesend): das »Symbolische« Register: »unbewusst«.
»bewusst«: das »Imaginäre« Register: a’: das Ich, wie das sprechende Subjekt, sich sieht a: der andere, wie das sprechende Subjekt, ihn sieht.
Der wichtigste Vektor verläuft von A nach S: im Sprechen des Subjekts (S) spricht der Andere (A), indem es auf den Anderen antwortet. Dies ist dem Subjekt nicht bewusst.
Lacan hat das in einer anderen Formel ausgedrückt, in der Formel des Diskurses.
»Diskurs« wird bei Lacan definiert als eine »notwendige Struktur, die das, stets mehr oder weniger gelegenheitsmäßige, Sprechen um vieles übersteigt«, wenngleich sich die »fundamentalen Beziehungen«, in denen er besteht, ohne die Sprache nicht aufrechterhalten könnten (Lacan 1969-70, S. 11).
Unter »fundamentalen Beziehungen« versteht Lacan die eines Signifikanten zu einem andern Signifikanten. Ein Signifikant (hier: S1) ist dadurch definiert, dass er ein Subjekt () bei einem anderen Subjekt (hier S2) repräsentiert. Damit kommen wir zu folgender – noch unvollständiger – Formel:
Als Formel des Diskurses gelesen bedeutet dies:
S1 interveniert in das bereits konstituierte Feld der anderen Signifikanten (S2), die »Signifikantenbatterie« des »Feldes eines Wissens« (Lacan ebd., S. 12). In demselben Augenblick erscheint das Subjekt (), das durch diesen Signifikanten bei dem anderen Signifikanten repräsentiert wird und das insofern vom lebenden Individuum zu unterscheiden ist (ebd., S. 13). Das Subjekt, das durch dieses In-Bezug-treten auftaucht, wird zugleich von einem gewissen Verlust repräsentiert (S. 18), der »Grenze des Wissens«, dem »Genießen, das irgendwo hinmuss« (S. 19), bezeichnet als das »Objekt a«. Dieses besetzt den vierten Platz in der – nun vollständigen – Formel des Diskurses:
Auch hier haben wir eine Zweiteilung: dem Subjekt ist nicht bewusst, was es sagt, indem es spricht – im Unterschied zur Lüge. Die Zweiteilung geht durch das Subjekt: das gespaltene Subjekt:
Während in der Lüge das Subjekt etwas verbirgt – vor dem anderen, »verbirgt« es hier etwas: vor sich selbst nein: der Diskurs verbirgt es dem Subjekt der S1dem das »unten« steht, unter dem Bruchstrich, (der »Barre«).
Auch bei Lyotard scheint die Rolle eines Subjekts eher den Diskursen, Diskurs-Arten und Satzregelsystemen zuzufallen (Lyotard 1983, 10; s. Bruder 2007).
Ein Satz wird von einer Gruppe von Regeln gebildet (Regelsystem, Regime). Es gibt mehrere Regelsysteme von Sätzen: Argumentieren, Erkennen, Beschreiben, Erzählen, Fragen, Zeigen, Befehlen usw. Zwei Sätze ungleichartiger, heterogener Regelsysteme lassen sich nicht ineinander übersetzen. Sie können in Hinblick auf einen durch eine Diskursart festgelegten Zweck miteinander verkettet werden. Wobei der Einsatz darin besteht, dass die beiden Parteien Übereinstimmung hinsichtlich der Bedeutung eines Referenten erzielen. Diese Diskursarten liefern Regeln zur Verkettung ungleichartiger Sätze, mit denen Ziele erreicht werden können: Wissen, Lehren, Rechthaben, Verführen, Rechtfertigen, Bewerten, Erschüttern, Kontrollieren (Lyotard 1983, These).
Die Ziele aber »erwachsen […] aus den Diskursarten«. »Sie nehmen von den Sätzen Besitz und von den durch sie dargestellten Instanzen, insbesondere von »uns«. »Wir« streben sie nicht an. Unsere »Absichten« sind die Spannungen bei gewissen Verkettungsweisen, die die Diskursarten übertragen auf die Empfänger und Sender von Sätzen, auf deren Referenten und Bedeutungen«. »Wir glauben, dass wir überreden, verführen, überzeugen … – doch zwingt nur eine dialektische, erotische, didaktische, ethische, rhetorische, »ironische« Diskursart »unseren« Satz und »uns« selbst ihren Verkettungsmodus auf. Es gibt keinen Grund, diese Spannungen Absichten und Willen zu nennen, außer der Eitelkeit, – der Verkehrung des Anthropozentrismus – auf unser Konto zu verbuchen, was dem Vorkommnis und dem Widerstreit zukommt, den es zwischen den verschiedenen Weisen daran anzuknüpfen, hervorruft« (Lyotard 1983, § 183). Das Subjekt ist »immer auf »Knoten« des Kommunikationskreislaufes gesetzt, auf Posten, die von Nachrichten verschiedener Natur passiert werden. […] Sie durchqueren es, indem sie ihm die Stelle entweder des Senders oder des Empfängers oder des Referenten zuordnen« (Lyotard 1979, 55).
Der Satz enthält die Positionen: Sender – Empfänger/Adressat – Referent – Bedeutung (Sinn)
»Sender und Empfänger sind markierte oder nicht-markierte Instanzen, die durch einen Satz dargestellt werden. Dieser Satz ist keine Botschaft, die von einem Sender zu einem Empfänger – beide von ihm unabhängig – gelangt. Sender und Empfänger werden im Universum, das der Satz darstellt, situiert, genauso wie dessen Referent und dessen Sinn« (Lyotard 1983, § 18). Sie sind erst mit dem Satz gegeben, gehen ihm keinesfalls voraus.
Vergleichen wir diese Struktur mit dem Schema des Sprechens (bei Lacan), so fällt zunächst die Eindimensionalität auf: es fehlt bei Lyotard der »2. Satz« hinter, unter, »jenseits« des ersten, der gemeinte, jenseits des gesagten Satzes – der »Positivismus« der Postmoderne (Foucault).
Dies wird noch deutlicher, wenn wir die Positionen im Satz anders schreiben, statt in einer Linie, folgendermaßen: Sender Empfänger / Adressat Referent Bedeutung (Sinn)
Zwar können wir darin die Lacansche Formel des Diskurses erkennen (Lacan 1969/70):
Auch hier haben wir 4 Positionen (die hier von S1, S2, und a eingenommen werden). Auch hier werden die Positionen nicht durch S1, S2, und a definiert, sondern durch den Diskurs.
S1, die »Aussage« interveniert in die Batterie der bereits vorhandenen Signifikanten S2, die das Netz des Wissens bildet (Lacan 1969-70, 12). »In demselben Augenblick, in dem der S1 in das bereits konstituierte Feld der anderen Signifikanten interveniert, erscheint $, das gespaltene Subjekt« (Lacan ebd., 13). Dieses wird repräsentiert »von einem gewissen Verlust«, »dem Objekt a«, von Lacan als Mehrlust [plus-de-jouir] bezeichnet (Lacan ebd., 18).
»Wir extrahieren diese Funktion des verlorenen Objekts aus dem Diskurs Freuds über den spezifischen Sinn der Wiederholung beim sprechenden Sein. Die Wiederholung hat einen bestimmten Bezug zu dem, was, von diesem Wissen, die Grenze ist und was sich das Genießen nennt – das Wissen als das Genießen des Anderen« (Lacan ebd., 13). »Das Wissen ist das was bewirkt, dass das Leben an einer bestimmten Grenze zum Genießen hin innehält. Denn der Weg zum Tode hin ist nichts anderes als das, was sich das Genießen nennt« (Lacan ebd., 17). Es handelt sich um ein Genießen, »das unter allen andern privilegiert ist – nicht dadurch, dass es das sexuelle Genießen ist, denn das, was dieses Genießen bezeichnet ist der Verlust des sexuellen Genießens, die Kastration« (Lacan ebd., 18).
Die – erste – Form des Diskurses, in der ein Signifikant ein Subjekt bei einem anderen Signifikanten repräsentiert, »lässt sich als die Artikulation des Diskurses des Herrn festmachen: S1, die Signifikantenfunktion, worauf sich das Wesen des Herrn stützt, S2 das dem Sklaven eigene Feld: das Wissen« (Lacan ebd., 20). »Der Sklave ist es, weil er über ein Gewußt-wie [savoir-faire] verfügt« (ebd., 21).
Es geht darum, aus diesem Wissen des »Gewusst-wie« »die Essenz herauszuziehen, damit dieses Wissen Herrenwissen wird« (Lacan ebd., 21). »Die Philosophie in ihrer historischen Funktion ist diese Extrahierung, fast würde ich sagen: dieser Verrat, am Wissen des Sklaven, um daraus die Transmutation in Herrenwissen zu erhalten« (Lacan ebd., 22).
Der Apparat des Diskurses mit seinen vier Positionen kann dazu dienen, vier grundlegende Diskurse zu definieren (Lacan ebd., 19): neben dem Diskurs des Herrn (H), die Diskurse der Wissenschaft (U), des Analytikers (A) und der Hysterika (Hy):
Die unterschiedlichen Diskurse ergeben eine unterschiedliche Positionierung von S1, S2, und a auf den Positionen:
Die Diskurse sind – durch eine Vierteldrehung – miteinander verbunden, die zeigt, dass sie alle den Diskurs des Herrn stützen. Die »Vielfalt« der Diskurse ist also eine des »Diskurses des Herrn«, in dem das Subjekt als »gespaltenes« () produziert wird: als »Sklave, der sich als Herr fühlt«.
Zurück zu Lyotard:
Zwar ist das Subjekt nicht Subjekt seines Satzes, Subjekt seiner Position – bei Lyotard ebenso wenig wie bei Lacan. Die Position wird ihm zugewiesen – durch den Satz. Es wird »gesprochen« (Lacan).
Die Diskursart schreibt die Verknüpfung vor, d.h. in der Diskursart des Befehls kann man nur gehorsam folgen (oder Gehorsam verweigern; schweigen). Der Diskurs (die Diskursart) schreibt vor, wie, mit welchem Satz wir in ihn eintreten, wie wir unsere Sätze bilden (»verketten«) – oder schweigen (müssen). In einem bestimmten Diskurs (Diskursart) nicht mögliche Sätze können nicht gebildet werden – sie können nur durch Schweigen vertreten werden. Die Macht (das Unbewusste) ist die Macht des Diskurses, Diskursmacht (s. Bruder 2005 b).
Aber: das Unbewusste, bei Lacan der Diskurs des Anderen, wird hier (bei Lyotard) um den Anderen verkürzt. Das Unbewusste ist nur noch der Diskurs – ohne einen Anderen, der sein Subjekt wäre. Der Andere fehlt hier (in der postmodernen Formulierung Lyotards), und zwar nicht der konkrete andere, es fehlt nicht das Du der Dyade, sondern der abwesende Andere. Der Diskurs bleibt eigenartig »Herrenlos«.
Der Diskurs ist nicht mehr die »dritte« Dimension, jenseits der Dyade:
Alles spielt sich so ab, es gäbe es nur die Ebene a' – a, die Ebene der Dyade. Auf ihr ist somit die »Intersubjektivität« anzusiedeln, die der »Narrationen« (Erzählungen). Und damit die Selbstkonstitution (in der Narration).
Wir stellen uns selbst her, ebenso wie unsere Welt, durch unsere Erzählungen, durch das Erzählen der Geschichte über mich (und andere). Es erscheint so, als ob das Subjekt wieder in seine Herrenrolle eingesetzt wäre, so als ob sich das Unbewusste aufgelöst hätte und damit: die Macht, die unser Reden, Denken, Handeln bestimmt, gegen unseren Willen und ohne unser Bewusstsein.
Zugleich ist aber diese Macht nicht zu bestreiten, die unser Reden, Denken, Handeln usw. bestimmt – gegen unseren Willen und hinter dem Rücken unseres Bewusstseins. Das ist die Situation der Postmoderne, die »condition postmoderne« (Lyotard): die Macht ist unserem Bewusstsein nicht zugänglich. Sie ist »jenseits« unseres Lebenshorizonts angesiedelt, unpersönlich, unserer bewussten Erfassung, unserer sinnlichen Erfahrung entzogen, abstrakt: nur an ihren Wirkungen zu erfassen (Foucault), die ohne unser Bewusstsein wie gegen unseren Willen zustande kommen: unbewusst.
Die Wirkungen der (abstrakten) Macht zeigen sich unbestreitbar in unserem Alltag. Dort sind sie (konkret) zu erfahren: in der Intersubjektivität personaler Beziehungen.
Und weil sie dort, in den Beziehungen erfahren werden, werden sie (die Wirkungen der abstrakten Macht) auch als solche (Wirkungen) der konkreten Beziehung wahrgenommen, als vom (anwesenden) anderen kommend, vom Subjekt beantwortet, agiert: Die »Machtkämpfe« in den Beziehungen – als Kämpfe um Anerkennung des Subjekts durch den anderen, Kämpfe um Überlegenheit (Adler), als »Souveränität« des Subjekts.
Und im Umkehrschluss werden die (gesellschaftlichen) Machtbeziehungen (-verhältnisse) nach dem Muster dieser Erfahrung/Wahrnehmung (in der Dyade) als Machtbeziehungen zwischen Personen gedeutet und in den Beziehungen begründet, als grundlegende, überhistorische condition humaine. Die Abstraktheit der (gesellschaftlichen) Macht wird konkretisiert, mit den Figuren unserer persönlichen Erfahrungswelt bevölkert. Deshalb ist (immer noch) die Max Webersche Definition von Macht überzeugend: Macht als »Chance«, innerhalb einer »sozialen Beziehung« – seinen »eigenen Willen durchzusetzen« (Weber 1922, 28). Macht als personale Macht über andere – innerhalb einer sozialen Beziehung: Die »Phantasmen der Macht«.
Mario Erdheim (1982) sieht in ihnen die Weise, wie sich die Beherrschten ihre für sie unerträglichen Lebensbedingungen, den Zustand gesellschaftlicher Herrschaft erträglicher zu machen versuchen, die Abstraktheit der Macht mit Fleisch und Blut auszustatten, fassbar zu machen. Sein Beispiel: Freud gegenüber der Kriegserklärung Franz Josefs. Dieser konnte sich nicht vorstellen, dass der Kaiser nicht – wie der ersehnte gütige Vater – alles für sein Volk gibt und den Feinden des Volkes die Stirn bietet – so wie es heute für viele noch unvorstellbar ist, Bush hätte den Anlass für den Krieg gegen den »Terrorismus« selbst initiiert (Wie in dem Film »Loose Change« (Kleingeld) von Dylan Avery ein US-Geheimdienst).
Allenfalls beurteilen wir die ergriffenen »Konsequenzen« als falsch: der Krieg gegen den Terrorismus verstärke diesen erst, sagen wir, er zerstöre die Demokratie – der Zustand in Afghanistan und Irak bestätigt dies. Aber wir können kaum glauben, dass dies das Ziel (gewesen) sein könnte. Wir können sogar soweit gehen, die Erscheinungen (des Terrorismus in der arabischen Welt) als Folgen falscher Entscheidungen, Handlungen (des Westens) in der Vergangenheit zu erklären (die Demütigung der islamischen Welt – durch die westliche Überheblichkeit (Imperialismus). Wir können uns aber nicht vorstellen, dass diese »Folgen« einkalkuliert (beabsichtigt) gewesen sein könnten, dass sie bereits in die Planung der »falschen Gründe« eingegangen, einbezogen worden waren.
Genauso wie wir denken, es sei falsch, die bestehende Arbeitslosigkeit durch Verlängerung der Arbeitszeit zu bekämpfen – womit wir recht haben. Aber wir unterstellen dabei, dass es das Ziel der Politik sei, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen.
Wir betrachten die Welt nicht aus der Perspektive der Herren, die die Folgen viel genauer im Auge haben, von denen wir immer nur überrascht sind, weil sie die »Ursachen« selber geschaffen haben. Wir trauen den Machthabern nicht zu, derart zynisch jene »Folgen« zu provozieren, dass sie den Tod von Tausenden einkalkulieren. Wir denken von der Herrschenden, sie seien »Menschen wie »du und Ich« – Obwohl wir immer wieder eines Schlechteren belehrt werden.
Bei Lacan wird der Diskurs ausdrücklich als ein »Diskurs des Herrn« gekennzeichnet:
Auf dem Platz von S1 steht diejenige Signifikantenfunktion, worauf sich das Wesen des Herrn stützt: der Befehl. Lacan: Die Funktion des Herrn ist es, den Befehl auszugeben – die Arbeit müssen andere machen: diejenigen, die sich auf dem Feld befinden, in das er interveniert: das Feld des Wissens (S2). In der Antike das Feld der Sklaven. Der Sklave ist (in der Politik des Aristoteles) der Träger des Wissens (Lacan 1969/70, S. 20).
Dieses Wissen dem Sklaven zu rauben und daraus Herrenwissen zu machen: die Aufgabe der Philosophie (S. 21).
Damit kommt das Wissen an die Stelle, die ursprünglich im Diskurs des Herrn der Befehl eingenommen hatte.
Der Befehl wird durch das Wissen versteckt – eine Funktion, die heute der Diskurs der Medien übernommen hat (s. Bruder 2010 a).
Damit kommt eine politische bzw. gesellschaftstheoretische Dimension in die Psychoanalyse, die allerdings bei Lacan bereits in der Bezeichnung »symbolisch« für das Register des Sprechens des Subjekts/des Unbewussten und im Begriff des Diskurses selbst gegeben war; [s. später].
Der (Signifikant des) Herr(n), der das Subjekt für einen anderen Signifikanten bezeichnet, »diskursiviert« es damit zugleich, macht es zum Element des Diskurses. Es wird sein Geschöpf.
Diese »Beherrschung« ist dem Subjekt nicht bewusst. Es ist es ja, das spricht. Aber das ist ja das Unbewusste, dass im Subjekt der Andere spricht (die Unter-Ordnung).
Die Zweiteilung: der verschiedenen Register des Sprechens, in denen jeder der beiden Anwesenden des Gesprächs verdoppelt repräsentiert ist – ist eine der Über/Unterordnung
Das symbolische (abstrakte) Register überlagert das imaginäre (das konkrete), die »natürliche« Dualität wird überlagert durch die »künstliche«, abstrakte – der Herrschaft / Macht, die Beziehung durch die Struktur der Verhältnisse (»Tauschwert/Gebrauchswert« bei Marx).
Die »Wirkung« des »symbolischen« Verhältnisses A – S (auf das imaginäre a–a’) zeigt sich in der Drehung der Formel des Diskurses: von:
Hier »versteckt« S2 den Herren(signifikanten) S1richtet sich auf a, das »Objekt der Begierde« und »produziert« so das gespaltene Subjekt $
Auf Lacans Schema des Sprechens abgetragen:
In dem der Vektor der Wirkung von A auf S gerichtet ist: würde die Formel des Diskurses sich so darstellen:
S2 richtet sich also auf a, das »Objekt der Begierde« über (den Umweg) $, das – gespaltene – Subjekt. (S2 erreicht a nur über diesen Umweg, bekommt das Objekt der Begierde nur über das – gespaltene – Subjekt, über dessen »Mithilfe«).
Worin besteht diese »Mithilfe«? Im Verrat – der Beziehung zu a, der «Verleugnung«: Die »Spaltung« des Subjekts.
Der Vektor der »Produktion des gespaltenen Subjekts $, der Zerstörung der Beziehung $ – a kommt aber »ursprünglich« von S1, dem Herrensignifikanten. Der Vektor von S2 auf $ ist die Folge des Vektors von S1 auf S2, dessen »Fortsetzung«, Weitergabe an das Subjekt $
D.h. er ist der Befehl, der ursprünglich von S1, dem Herrn ausgeht, die »Parole« (Deleuze & Guattari 1980, S. 106f).
S2 ist nur der Vermittler, der den ursprünglich von S1 kommenden Befehl weiterleitet, an das Subjekt weitergibt, das »Medium« zwischen dem Subjekt und dem »Herrn«.
Die Verleugnung (des Objekts) seines Begehrens: der Beziehung zu a durch das Subjekt – ist also eine durch den Signifikanten des Herrn S1 erzwungene, im Angesicht der Macht, vermittelt durch S2.
Lacan bezeichnet diesen Aggregatzustand des Diskurses (des Herrn) als »Diskurs der Philosophie«. Dieser verbirgt (versteckt) den (Herrensignifikanten des) Diskurses.
Die «Parole«: die Aussage »S!«, der mit Ausrufezeichen versehene Signifikant Die Aufforderung, Anweisung, der Befehl, aber auch die Bitte, Verführung, alles, was den Adressaten dazu bringt, zu folgen, »gehorsam«, dem Willen des Aussagenden gefügig und je nach dem Verhältnis zwischen beiden aber immer mit der Möglichkeit, die Regel des «!«, die ein Gesetz des jeweiligen Verhältnisses ist, nicht zu befolgen, nicht zu erfüllen (Lyotard 1983, §43) – eine Möglichkeit, die das »Subjekt« ausmacht, die (aber) (meist) nicht ohne Folgen ist, bleibt. Für die, die innerhalb der Regeln dieses Verhältnisses bleiben, ist die Parole das »Kennwort«, an dem sie sich erkennen, als Dazugehörige, Hörige: die »Losung«.
Die Vermittler, die die »Parolen« weitergeben, werden heute als »die Medien« bezeichnet: Sie »vermitteln« zwischen dem (den) Herren der Macht und den Beherrschten. Sie »vermitteln« dem Bürger (»dem Menschen« wie Merkel sagt) den (Signifikanten des) Herrn, die Parole, (Befehl) und stellen dadurch das – gespaltene – Subjekt (erst) her. Sie »repräsentieren« »die Macht«, die »repräsentative Demokratie«, die Herrschaft mit dem Volk, vermittels des Volkes (Canfora 2004).
Wir haben hier eine Analyse des Sprechens, die wir unmittelbar auf gesellschaftliche Zusammenhänge übertragen können, eben weil sie zwar eine Analyse des Sprechens zwischen Zweien ist, aber in gesellschaftstheoretischer Perspektive. Es ist keine psychologisierende Analyse gesellschaftlicher Zusammenhänge (wie wir sie aus den alltäglichen Inszenierungen aus den Medien kennen, wo politische Kräfte der Ausdruck und die unmittelbare Wirkung persönlicher Kräfte und ihres Zusammen- und Gegeneinanderspiels sind). Die gesellschaftstheoretische Perspektive wird bereits in der Analyse des Sprechens selbst eingenommen, zentral mit dem kategorialen Begriff des Diskurses und dem diesem zugehörigen Register des Symbolischen.
Der Diskurs in seinen verschiedenen Gestalten des Diskurses des Herrn, der Philosophie, Universität (und können wir hinzufügen und damit erweitern: der Medien) usw. kulminiert (heute, wie Derrida feststellte) im Diskurs der Macht, dem wie Derrida ihn charakterisierte »herrschsüchtigen Diskurs«.
Die Medien sind sein Ort, an dem dieser Diskurs geführt wird, bzw. veröffentlicht wird. Sie besetzen (heute) den öffentlichen Raum, sie »beherrschen überall die öffentliche Kundgebung«.
Die Medien sind sein Medium, das Medium zwischen uns und der Macht. »Die Medien« sind dieser Ort, nicht bloß weil sie »Vermittler« sind – sondern weil sie zwischen der Macht und den Beherrschten »vermitteln«, die Parolen der Macht uns vermitteln (Merkel: »dem Bürger vermitteln«, das ist ihre Aufgabe).
Dank ihrer Vermittlung, der Vermittlung der Medien werden die Diskurse der politischen Klasse, der massenmedialen Kultur, und der akademischen Kultur miteinander verschmolzen in dem einen Punkt, dem Punkt der größten Kraft, der »die Zeugenschaft im öffentlichen Raum organisiert«, um die politisch-ökonomische Hegemonie und den Imperialismus zu sichern« (Derrida 1993, S. 90 f.).
Die Struktur dieses Diskurses der Macht ist die des Sprechens, wenn wir sie so weit entfalten, wie es mit Lacan möglich ist:
In der gesellschaftlichen Realität wird der Platz S2 von den Medien eingenommen: sie »vermitteln« die Parolen des Diskurses der Macht (des Herrn, S1) an die Bürger, die Platz $ einnehmen.
Die Subjekte (der Macht) (S1) sind unserem Blick (eher) entzogen, »unbewusst« (gemacht: Erdheim 1982) durch Stellvertreter, (S2) die ihren Platz besetzen, Darsteller der Macht, die uns zugleich als Stellvertreter unserer Mutti nahe gebracht werden – dank der Vermittlung der Medien.
Die verschiedenen »Strategien« der Unbewusstmachung« (der Macht) werden von Bourdieu als »Verstecken durch Zeigen« zusammengefasst, also haben die Struktur der Täuschung, bzw. auf der Ebene des Diskurses: der Lüge:
Was gezeigt wird variiert mit den unterschiedlichen Medien entsprechend dem Publikum, das diese ansprechen. Versteckt wird immer dasselbe: die Überlegungen und Handlungen der Macht, also die konkrete Ausführung ihrer Herrschaft.
Überwiegend ist die Inszenierung der Strukturen gesellschaftlicher Verhältnisse, von Macht und Herrschaft, als Beziehungen zwischen Personen, als persönlicher, familiärer, freundschaftlicher, kollegialer Beziehungen und Konflikte. (wie es seit der griechischen Antike die Aufgabe des Theaters war: s. Bruder 2006).
Bereits das – klassische (griechische) – Theater (vor allem das von Sophokles[1]) – war »psychologisch«, hatte die Psychologisierung gesellschaftlicher Probleme und Kämpfe auf die Bühne gebracht. Heute nehmen die Medien den Platz des Theaters ein: sie geben uns die Inszenierung der Personifizierung der Macht in ihren Vertretern mitsamt den Schauspielern vor.
Aber im Unterschied zum Theater kommt diese Inszenierung zu uns, drängt sich in unser Wohnzimmer, die Akteure sitzen bei uns am Tisch: »Pseudo-Freunde« (Bühl 2000).
Im Umkehrschluß wird die »Pseudo-Realität« zur »eigentlichen«: das »Simulakrum« (Baudrillard 1976) – scheinhaft, denn: Tatsächlich ist die Ebene hinter den Kulissen die entscheidende – gesamtgesellschaftlich gesehen: Dort laufen die politischen Entscheidungsprozesse, dort findet das Zusammenwirken von politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsträgern (S1) statt. Die demokratischen Institutionen im Vordergrund (S2) sind ihres politischen Inhalts entleert. Was sie nicht davor bewahrt, als »Repräsentative Demokratie« aus der Versenkung geholt zu werden. »Postdemokratie« nennt das Colin Crouch (2004; s.a Claudia Ritzi & Gary S. Schaal 2010). Agnoli (1968) hatte diesen Zustand als »Transformation der Demokratie« analysiert.
Die »Repräsentative Demokratie« wird aber erst dann beschworen, wenn Bürger die demokratischen Versprechungen beim Wort nehmen und sich selber einzumischen beginnen: so wie bei den Protesten gegen »Stuttgart 21«. Und auch das wird noch durch Inszenierungen abgefangen, die theatralisch dem Theater nachgemacht und medial ausgeschlachtet werden (die sogen. »Schlichtung« durch Heiner Geissler 2010).
Wie Canfora (2004) gezeigt hat, ist der Diskurs der Demokratie von Anfang an, bereits in der griechischen Geburtsstunde, als Herrschaft mit dem Volk – nicht: des Volkes – zu verstehen, also als das Paradebeispiel für die Ausübung der Herrschaft durch die Mächtigen, mit den Mitteln, die diese Herrschaft zu verstecken gestatten, bzw. als »Demokratie« i. S. der Herrschaft des Volkes, statt über das Volk darzustellen.
Die aktuellen »Überlegungen«, den politischen Ausdruck der Linken zurückzudrängen, bringen diese Bedeutung des Begriffes »Demokratie« wieder in Erinnerung und zu Bewusstsein. Die politischen Feinde des bestehenden Regimes nach Regeln zu eliminieren, die vorher festgelegt worden sind, hatte Otto Kirchheimer (1961) als die Aufgabe der »politischen Justiz« analysiert.
Die FAZ hat allerdings »Überlegungen« soweit sie in Richtung einer Wahlrechtsänderung gegangen waren, als »vorlaut« zurückgewiesen. Schließlich sind die gegenwärtig geltenden Wahlrechtsregeln – Personen-Wahl, Einteilung der Stimmbezirke, Sperrklauseln, usw. – bereits ausreichend, den »Willen des Wählers« zu verunklären. Zumindest ein Teil der Diskrepanz zwischen Meinungsumfragen und Wahlergebnissen kann auf diese zurückgeführt werden.
Als »Transformation der Demokratie« hatte Agnoli (1968) die Entmachtung des Parlaments durch die Konzentration der parlamentarischen Macht in einem »inneren Kreis« aus Abgeordneten und Vertretern der Konzerne und Verbände analysiert. Diese »Transformation der Demokratie« wird heute unter dem Stichwort Lobbyismus als »neu« skandalisiert: Nachdem Gammelin und Hamann (2005) den Einfluß der Vertreter von Unternehmen und Verbänden auf die Regierungsarbeit dargestellt hatten, legten Adamek und Otto (2008) eine Untersuchung darüber vor, »wie Lobbyisten selber die Gesetze schreiben, die die Regierung dann übernimmt«. Dann wäre es allerdings konsequent, dass Regierungsmitglieder nach dem Ausscheiden aus Regierung oder Parlamentarier aus dem »inneren Kreis« diese Lobbyarbeit selbst übernehmen, euphemistisch »Beratertätigkeit« oder »Nebentätigkeit« genannt – »nur ihrem eigenen Gewissen verantwortlich«, wie es die Abgeordneten nun mal sind – nicht ihren Wählern.
Überhaupt scheint das konsequente Modell der Demokratie das der Aktiengesellschaft zu sein: der Höhe der Aktienanteile entspricht die Zahl der Stimmen, während gleichzeitig die Demokratie aus den Fabriken selbst nahezu ausgeschlossen ist. Deshalb kommt die »Privatisierung« bisher öffentlicher Einrichtungen einer Rückkehr zum ursprünglichen Autoritarismus gleich (s. Rügemer 2008): Dort gilt tatsächlich noch die Kommandostruktur, der Befehl – »neoliberal« verschärft, wenn (mit dem shareholder-value als Maßstab) die Werte der Finanzspekulation an die Stelle der Realökonomie in die Fabriken selbst eindringen, alle bisherigen Standards zerstören, parallel zur Vermarktlichung der sozialen Beziehungen, zur »Prekarisierung«, zum Euphemismus der »Arbeitskraft-Unternehmen« (s. Wolf 2009; Bruder-Bezzel 2005).
Mit dem Vertrag von Lissabon wird auch die parlamentarische Form der Legislative aufgegeben, die gesetzgeberische Arbeit vollends in die Hand der Bürokratie von Brüssel verlegt, so dass die Spiele des Durchwinkens der Gesetzesvorlagen im Parlament entfallen können.
Die Behauptung der Notwendigkeit, mit deren Hilfe die Entscheidungen von Menschen als Quasi-Natur-Gesetze dargestellt werden sollen, die sich von selbst durchsetzen, lässt die Menschen, die diese Entscheidungen getroffen hatten, sich der Verantwortung entziehen.
Gleichzeitig aber wird aus dieser Vorstellung – oder: Behauptung – (der sich selbst verwirklichenden Notwendigkeit) nicht die Konsequenz gezogen, dann eben – statt der nicht verantwortlich zu machenden Menschen – die Regeln, Institutionen und Verhältnisse zur Disposition zu stellen, die diese unerträglichen und verheerenden Auswirkungen zeitigen. Es erscheint undenkbar, einen vergleichbaren notwendigen Zusammenhang zwischen Globalisierung, Arbeitslosigkeit und Krieg überhaupt nur zu thematisieren, auch wenn ebenso die Euphemismen der »humanitären Kriege«, des »Kriegs für Freiheit, Demokratie und Frieden« kaum ernst genommen werden.
Dieses scheinbare Desinteresse gegenüber den Konsequenzen der eigenen Behauptung lässt vermuten, dass dieser Behauptung selbst ein anderer Sinn zugrunde gelegen hatte, ein anderer nicht geäußerter Satz, aus dem die genannte Konsequenz nicht folgte, und der durch die Behauptung versteckt werden sollte. Die Struktur dieses Verhältnisses zwischen geäußerter Behauptung und nicht geäußerter Bedeutung ist die der Lüge: Verschweigen durch Reden; Verleugnen durch Behaupten. Verleugnet wird die Organisation des gesellschaftlichen Zusammenlebens und Wirtschaftens als zumindest eine der Bedingungen des Elends, in dem eine übergroße Zahl der Menschen in unseren Tagen leben muss.
Die andere Inkonsequenz der Behauptung der Notwendigkeit der gegenwärtigen Form unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens ist, dass Menschen uns durchaus als Akteure vorgeführt werden können – wenn es um die Feier »großer Männer« geht, die angeblich Geschichte gemacht haben, Entscheidungen frei gewählt, Chancen ergriffen, Möglichkeiten durchgesetzt, während gleichzeitig als »erzwungen« dargestellt wird, was dieses Phantasma der großen Mannes beschädigen könnte. Auch dieser Widerspruch zwischen dem Wunsch nach großen Heroen und dem Verstecken hinter den Zwängen zeigt die Kurzatmigkeit der Lügengespinste. Und: was soll man schließlich mit Hitler und ähnlichen Menschen machen, die groß zu nennen nur durch die Größe des Elends und der Gewalt, die in ihrem Namen und Befehl verbreitet, sich verbietet? Der große Verrückte? Das ist die eine Linie des Ausweichens vor den Konsequenzen des eigenen Denkens.
Die andere Möglichkeit, die Träger und Nutznießer politischer Entscheidungen und gesellschaftlicher Verhältnisse zu verstecken und ihrer Verantwortung zu entziehen: dem Volk die Schuld zuzuschieben. Die »Schuld des Volkes« wurde bereits nach dem 1. Weltkrieg entdeckt und bemüht, so auch von Freud – Adler hatte sich damals mit einer glänzenden Analyse (1919) dagegen gewandt und erklärt: die »Schuld des Volkes« sei die der Peiniger, die ihre Schuld an ihre ehemaligen Opfer abschieben wollten. Nach dem 2. Weltkrieg wurde die gleiche »Schuldgemeinschaft« zur Gründungslegende der BRD gemacht.[2]
Ihre Art der »Aufarbeitung des Faschismus« führt immer wieder und bis zu ihren gegenwärtigen Epigonen zu der selben Frage, vorgebracht mit dem Ausdruck völligen Nicht-Verstehens: »wie konnte es dazu kommen, dass ein ganzes Volk bereitwillig … [bis in die Katastrophe marschierte]?«
Diese Frage ist in der Tat falsch gestellt, denn sie unterscheidet nicht zwischen denen, die »bereitwillig« die Beschlüsse gefasst hatten und denen die »erzwungen(ermaßen)« diese – von anderen gefassten Beschlüsse – ausführten, ausführen mussten. Sie unterscheidet nicht zwischen denen, die die Inszenierung gemacht hatten und denjenigen die ihr beigewohnt, zugeschaut, sie erlebt, sie erlitten haben.
Warum ausgerechnet die Mächtigen machtlos angesichts der Verhältnisse sein wollen und die Machtlosen es nicht sein sollen, sondern sogar diese Verhältnisse geschaffen haben sollen, bleibt das Geheimnis dieser »Umkehrung aller Zusammenhänge«. Aber es ist kein Wunder, dass ihre Vertreter von denjenigen hofiert werden, die es besser wissen, denn sie handeln nicht danach: Immer wieder beschließen bestimmte Politiker ihre Gesetze und politischen Aktionen gegen den Willen der großen Mehrheit der Bevölkerung. Es ist in der Tat ein Skandal der Politik unserer Tage, dass »immer die Mehrheit des Bundestages gegen die Mehrheit der Bevölkerung« stimmt, wie Lafontaine nicht müde wird zu wiederholen (z.B. in Phönix, 15.1.07).
Dieser Skandal wird nur noch überboten durch die Beschwörung des Gespenstes des »Populismus« sobald sich jemand dieser Bundstagsmehrheit in den Weg stellt: sei es mit politischen Vorschlägen, die sich näher an den Wünschen und Interessen der Bevölkerung halten oder sei es das Abstimmungsverhalten der Bevölkerung selbst, wie die Ablehnung der EU-»Verfassung« durch die Referenden in Frankreich und den Niederlanden und zuletzt in Irland. Die Regierungen reagierten darauf mit der Suspendierung der Volksabstimmungen, sie übergingen das Abstimmungsergebnis und erklärten die durchgefallene Beschlussvorlage unter neuem Etikett und ohne Abstimmung für rechtskräftig. Die widerstrebende Bevölkerung von Irland wollen sie solange erneut abstimmen zu lassen, bis dies endlich das gewünschte Ergebnis gebracht hat.
Was ist aus dem – verfassungsmäßigen – Auftrag der Regierung und des Parlaments, »im Namen des Volkes« zu handeln, geworden? So gesehen ist es auch nicht verwunderlich, die »Aufgabe der Politik« darin zu sehen, das gegen den Willen der Bevölkerung durchgeführte Handeln der Politiker »dem Bürger verständlich zu machen« (Merkel). Es ist vielmehr die notwendige Konsequenz. In der Tat: eine Politik, die nicht die Interessen der Bürger im Auge hat und verfolgt, muss dem Bürger erst nahe gebracht werden, »verständlich gemacht«. Der Neusprech ist zugleich die Definition. Wenn man sie schon »dem Bürger verständlich machen« muss, kann diese Politik nicht im Sinn des Bürgers sein – oder weiß der Bürger nicht, was er will? Oder was ihm »gut tut«?
Die Figur des Bürgers, den man vor sich selber schützen müsse, gehört ja zur Grundausstattung bestimmter Politiker wie ihrer Medien, deren Selbstdefinition und Selbstbewusstsein. Das Handeln dieser Politiker dagegen erweckt eher den Eindruck, als müssten sie, die politischen Vertreter des Bürgers, sich vor dem Bürger schützen. Die mit dem »Krieg gegen den Terrorismus« gerechtfertigte breite Überwachung und Kontrolle der Bevölkerung zeigt es deutlich genug.
Dass der »Terrorismus«, so wie die Staaten im Schlepptau der USA diesen definieren, nicht militärisch bekämpft werden kann, war unbestritten – von Anfang an. Noam Chomsky war der prominenteste der unzähligen Kritiker. Mittlerweile müssen selbst Befürworter oder wohlwollende Begleiter dieser Politik einräumen: »Wenn ein Kriegseinsatz nach einer derart langen Zeit – länger als der Erste oder Zweite Weltkrieg – nicht beendet ist, dann ist er verloren. Das militärische Hauptziel des Afghanistan-Krieges (Vertreibung der Talibanterroristen, Aufbau eines demokratischen Partnerstaates, Stabilisierung der Region) ist bis heute nicht erreicht und wird – nach Aussagen der Kommandierenden vor Ort – auch in Jahren nicht gelingen« (Wolfram Weimer, Herausgeber und Chefredakteur der Monatszeitschrift Cicero, im Aprilheft von 2008).
Aber diese Lüge vom »Krieg gegen den Terrorismus« war zugleich ein Vorwand für die Möglichkeit, überall auf der Welt zu »intervenieren«, d.h. seine Interessen mit militärischen Mitteln gegen den Willen der Staaten und ihrer Bevölkerung durchzusetzen, die nicht freiwillig »kooperieren«. Sie war ein Vorwand für die permanente Aushöhlung der Demokratie im »Inneren«: für die Zerstörung der Privatsphäre, der Bürgerrechte, indem die Bevölkerung in einem permanenten Erregungszustand gehalten wurde.
Wie jede Paranoia, so hat auch die des »Überwachungsstaats« ihren realistischen Kern: Die Angst der Herrschenden hat ihre Entsprechung in ihrer Überheblichkeit, ihrer Missachtung des deutlichen Willens der Bevölkerung – s.o.: sowohl in den Kriegen, denen die Bevölkerung ablehnend gegenübersteht, als auch in der Zerstörung der sozialen Netze, der Missachtung der Gesetze und der Verfassung, Missachtung der »3. Gewalt«. Nicht nur einmal wurden die Gesetze, bzw. die Verfassung gebrochen. Zwei Beispiele von vielen: der Tornado-Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan, der Einsatz der Bundeswehr in Heiligendamm – in beiden Fällen musste erst ein Bundesgericht die Unrechtmäßigkeit, den Völkerrechtsbruch feststellen – Rechtsbruch nicht durch die Bevölkerung, im Gegenteil, die Rechtsbrüche waren gegen den Willen der Bevölkerung verübt worden. Und die Bundesrichter hatten ihr Urteil noch nicht gesprochen, da war schon der nächste Rechtsbruch verübt worden.
Die Lüge wird aber nur Realität, wenn die Belogenen ihr dazu, zu diesem Status verhelfen, wenn die Belogenen sich nach ihr richten, (vulgo: ihr glauben), ihr zustimmen, wenn sie die Lüge wiederholen, aufgreifen, nachsprechen, weitertragen, sich so verhalten, als stimme die Lüge mit der Realität überein – die klassische Definition von Wahrheit. Hier wird die Bedeutung der Definition der Lüge von Augustin klar, bzw. welche Bedeutung die Definition von Augustin auch haben könnte: »Deine Rede soll keine falsche Aussage enthalten« – »falsch« nicht gemessen am nicht gesagten Denken, am Vorbehalt des inneren Monologs, sondern gemessen am Ausgesagten selbst, am Diskurs: keine nach den Regeln des Diskurses »falsche« Aussage (Lyotard 1983).
Auf der Ebene der Verhältnisse wird das nicht mehr im Angesicht des Mächtigeren, also durch unmittelbare Gewalt erzwungen, sondern durch die Gewalt der Verhältnisse. Auf der Ebene der Verhältnisse tritt an die Stelle des unmittelbaren Austauschs zwischen zweien oder mehreren, die miteinander reden: der Diskurs. Er ist – auf dieser Ebene – das Medium des Austauschs.
Der »herrschende« Diskurs versteckt zugleich, dass er der Diskurs der Herrschenden ist – indem er sich als der einzige, allein und für alle gültige behauptet, von partikularen Interessen unabhängig, objektiv, die reine Notwendigkeit artikulierend. Darin besteht seine Lüge. Er nimmt dem Mächtigen die Notwendigkeit zu lügen ab. Sein Diskurs erledigt das für ihn. Deshalb kann er sich selbst dahinter verstecken: »seine Hände in Unschuld waschen«.
Das heißt gerade nicht, dass der Mächtige glaubt, dass er nicht durchschaut, was er tut, und was der herrschende Diskurs ihm ermöglicht zu tun, dass er selbst Opfer seiner Aussagen wäre. Die Mächtigen verstecken sich hinter dem Diskurs (der Macht), hinter der Behauptung seiner desinteressierten Objektivität und Allgemeingültigkeit, seiner Naturnotwendigkeit.
Sie wissen sehr wohl zwischen sich und »den anderen« zu unterscheiden, die nicht dazu gehören. Sie sind keineswegs selber Opfer ihrer eigenen Lügen vom gleichen Boot. Im Gegenteil – ein Blick in die Zeitung genügt, um zu sehen, dass sie sich ihrer Klasse sehr bewusst sind und dessen, dass sie auf Kosten der »anderen« leben – sonst bräuchten sie die Lüge nicht, die Zusammenkünfte in den Hinterzimmern und die Absprachen unter Ausschluss der Öffentlichkeit – wozu auch, wenn ihnen nicht voll bewusst wäre, dass sie nicht im Allgemeininteresse handeln, dass sie nicht einfach »den Gesetzen des Marktes Folge leisten«.
Wenn der Chef der Deutschen Bank mitten in der Krise 2007/08, nachdem sich mehrere Milliarden Euro in seiner Bank in Luft aufgelöst hatten, die erstaunte Öffentlichkeit wissen ließ, dass er »nicht mehr allein an die Selbstheilungskräfte der Märkte« glaube, so war das schon wieder eine Lüge, mit der er die frühere als Irrtum beschönigen wollte, – die Propagierung des gegenteiligen Glaubens an diesen sich selbst regulierenden Markt, – denn er hat nie an diese Selbstregulation geglaubt, sondern immer schon an die jetzt nur wieder erinnerte Staatshilfe, sprich Steuersenkung für die Unternehmen, wie jetzt die Übernahme der Verluste durch den Staatshaushalt, und das heißt: auf Kosten des noch Steuer zahlenden Teiles der Bevölkerung.
Und die FAZ sekundiert ihm mit der ihr eigenen Maske der Häme, hinter der sie ihre eigentliche Botschaft versteckt, wenn sie (am 19.3.08) unter der Überschrift »Ackermann und der Staat« schreibt: »Es hat nichts mit Sozialneid zu tun, daran zu erinnern, daß erfolgreiche Bankmanager zweistellige Millionenbeträge im Jahr verdienen, erfolgreiche Manager von Hedge-Fonds und Private-Equity-Häusern sogar noch viel mehr. In solchen Zeiten gerieren sich Bankmanager als Advokaten freier Märkte. Droht das Kartenhaus der Spekulation zusammenzubrechen, sollen Notenbanken und Steuerzahler sie heraushauen. Dem Staat bleibt im Interesse des Gemeinwesens nichts anderes übrig, als das zu tun«.
Dieser letzte Satz ist die entscheidende Botschaft, die zugleich eine Lüge ist: dem Staat bleibt ganz im Gegenteil sehr viel anderes übrig, dem aber die FAZ von vornherein den Riegel vorzuschieben beabsichtigte.
Und die Banken zeigten auch nicht die geringsten Anzeichen von Häresie oder Gesinnungswandel. Sie geben keinen Fuß breit von dem von ihnen besetzten Terrain preis, sie beanspruchen nach wie vor die angemaßte Rolle des neoliberalen Generalstabs. Der »Bundesverband Deutscher Banken« bezeichnete in seinem Konjunkturbericht vom 2. April 2008 die kurz zuvor beschlossene Verlängerung der Bezugsdauer des Arbeitslosengelds und die angekündigte außerplanmäßige Rentenanhebung als »falsche Signale«, die »nicht dem Ziel dienten, die Lohnzusatzkosten zu senken«. Sie könnten nur als »kontraproduktiv« bezeichnet werden – was sie von der Forderung nach Abschreibung der Verluste der Banken nicht behaupten. Denn: »produktiv« – für die Unternehmen – sind beide Methoden: sie können sich das Geld direkt von den Arbeitern holen oder indirekt, vermittelt über den Staat. Was die Neoliberalen von anderen Apologeten des Kapitalismus unterscheidet ist vielleicht nur dies: sie lassen ihre Klasse schärfer erkennen – parallel dazu, dass sie ihren Reichtum aggressiver zur Schau stellen (s. Silverman 1986; Bruder 1988). Vielleicht heißt »neo« nur: »wir sind wieder da!« Dieser Triumphalismus, von dem auch Derrida (1993) spricht, beginnt in den 80er Jahren in den USA im Gefolge der Demokratisierung und der Anti-Vietnam-Kriegs-Bewegung, der Ghetto-Revolten, und der Bürgerrechtsbewegung mit dem Lamento vom »nachgiebigen Staat«.
Es gibt keine »Notwendigkeit« – in den menschlichen Verhältnissen – notwendig im Sinne von »unabhängig von den Menschen«, von »objektiv«, im Sinne von Natur oder Gottgewollt. Weder die »objektiven« Verhältnisse, Lebensverhältnisse, Arbeitsverhältnisse, Austauschverhältnisse, noch das Bewusstsein von diesen, die Theorie darüber, die Ideologie, noch die Beziehung zwischen beiden sind »unabhängig« vom Handeln der Menschen. Es ist alles eine Frage der Macht.
Deshalb die Lüge. Denn um die Macht aufrecht zu erhalten, zu vergrößern, bedarf es nicht nur der Gewalt, sondern auch – zumindest des Anscheins – der Legitimität. Und weil die Macht zugleich die Macht einer Minderheit (über die Mehrheit) ist, dadurch ist sie von Anfang an und prinzipiell legitimationsbedürftig, hat sie, wie man heute sagt, ein Legitimationsdefizit (s. a. Dege 2010).
Die Lüge: das Kind von Macht-Unterschieden (Klassenunterschieden), die nicht einfach hingenommen werden. Die, weil von Menschen selbst gemacht, vielmehr von diesen auch wieder verändert werden können. Gegen diese Möglichkeit wird die Lüge mobilisiert.
Denn: Mit der »Verschlingung aller Völker« in das »Netz des kapitalistischen Regimes« »wächst die Masse des Elends, des Drucks, der Knechtschaft, der Entartung, der Ausbeutung, aber auch die Empörung« (MEW 23, S. 790f.). Dagegen wird die Lüge ins Feld geführt. Sie soll die Empörung abschwächen, ablenken, umlenken, indem sie die Empörten verhöhnt, Protest und Widerstand delegitimiert, kriminalisiert – und zwar nicht nur aktuelle Widerstandsaktionen, sondern auch oder vielleicht verstärkt, die der Vergangenheit, wie wir es gegenwärtig mit der Geschichte von 68 erleben (ebenso wie mit der Vergangenheit der DDR). Auch gegen sie wird neben dem Register der Kriminalisierung das der Verhöhnung ebenso gezogen: s. z.B. Timo Frasch in der FAZ vom 11.04.2008 über Rudi Dutschke: »Er glaubte zu meinen, was er sagte«. Gleichzeitig werden parallel dazu die Hoffnungen und Ziele der delegitimierten Bewegungen – zumindest als Versprechen – aufgegriffen: »Selbstbestimmung«, »Kreativität«, »Autonomie« (s. Boltanski & Chiapello 1999; s.a. Bruder 2005 a).
Der Diskurs der Macht ist notwendig für die Aufrechterhaltung der Herrschaft des Kapitals – weil sie den Bürgern nichts bringt, oder: zu wenig von dem Reichtum, den sie selbst erarbeiten. Deshalb müssen die Apologeten dieser Herrschaft ja ununterbrochen die Beschwörungsformel wiederholen: »der Aufschwung kommt beim Bürger an«. Während man zur Zeit des »Wohlfahrtsstaats« feststellen konnte, dass der »gesellschaftliche Konsens« – eine Art »Zustimmung ohne zugestimmt zu haben« – durch die (bescheidene) Teilhabe am Konsum hergestellt worden war (s. Brückner 1978), kann man heute verstärkte mediale Anstrengung beobachten.
Wenn die Regierung ihre Gesetze und Interventionen gegen die Meinung und den erklärten Willen von zwei Dritteln der Bevölkerung beschließen, so ist das nicht der beste Beweis für eine funktionsfähige Demokratie. Bedeutet aber zugleich auch dass die Mehrheit der Bevölkerung nicht zustimmt, dass sie die Lügen nicht schluckt, mit denen diese Politik legitimiert werden sollte. Sie stimmt weder der amerikanischen Lüge des »Andauernden Friedens« zu, noch der deutschen von der »humanitären Intervention« in Afghanistan und vom Wiederaufbau, noch den innenpolitischen Lügen vom ankommenden Aufschwung.[3]
Wir erleben zur Zeit am Auseinanderfallen, an der großen Kluft zwischen den Äußerungen der Regierenden und ihrer medialen Helfer einerseits und den Antworten der Bevölkerung in Befragungen und Meinungserhebungen auf der anderen Seite, dass der gesellschaftliche Konsens immer wieder von neuem hergestellt werden muss. Dies ist auch der Sinn oder die Funktion der »Medien«: den gesellschaftlichen Zusammenhalt aufrecht zu erhalten, das »emotionale Band« zwischen den Regierten und den Regierenden durch Herstellung des Konsens vermittels des permanenten Diskurses.[4]
Die Medien sind nicht nur Vermittler, des Diskurses der Macht, sondern – als große Konzerne, Monopole, die die Macht haben, die Meinung zu verbreiten, die sie wollen, selbst Teilnehmer am Diskurs der Macht, insofern nicht nur »Vierte Gewalt«, die die anderen Gewalten kontrollieren würde, sondern selbst Teil der Macht.
Die Interessen, die sie vertreten, die sie zu Wort kommen lassen, denen sie ihre Spalten leihen, sind zugleich auch ihre eigenen. Die Diskurse, die sie veröffentlichen, sind nicht nur der Macht zu Diensten, sondern Diskurse der Macht, in erster Linie Werbung – für das System der Ausbeutung, von dem sie leben, für die herrschenden Verhältnisse.
Ihre Wirkung liegt weniger darin, dass sie »die Bedürfnisse ihrer Leser ansprechen«, wie uns immer wieder weiß gemacht wird, sondern in ihrer Macht, zu verbreiten, was ihre Position affirmiert, in ihrer Macht, »die Bedürfnisse ihrer Leser« zu schaffen – mit den Mitteln des Diskurses (vor allem Verstecken durch Zeigen oder Verschweigen durch Reden, kurz: durch die Lüge),[5] so dass die Empfänger der Botschaft zustimmen können). Aber auch mit der (finanziellen) Macht, die Verbreitung und damit die Häufigkeit der Wiederholung der Lügen (und des Ausblendens, Unterdrückung widersprechender Diskurse) bestimmen zu können.
Die (Zwangs-)Integration der Bevölkerung läuft über den Markt, hatte der Psychoanalytiker Peter Brückner (1978) notiert. Nur die, die nicht über den Markt integrierbar sind, weil sie vom Markt ausgeschlossen sind (s. Martin Kronauer 202/2010), werden über die »repressiven« Staatsapparate »erreicht«: die Drohung: auch eine Diskurs-Art (Lyotard), eine Gewalt ohne Zweifel.
Und: gleichzeitig werden sie durch diese Gewalt vom anderen Teil der Bevölkerung, der über den Markt gefüttert wird, abgespalten, mit der Demonstration der Gewalt (zu ihnen hin, auf dem »Markt«: Arbeitsmarkt, besser: Arbeitslosenmarkt und dem gleichzeitigen Verschweigen der Gewalt: in den Medien).
Der Diskurs ist in beiden Fällen für die Integration notwendig. Er richtet sich zu beiden Seiten hin – in unterschiedlichen Dialekten: der Diskurs, der vermittelt: zwischen den Bevölkerungen und der Macht als auch sich dazwischen stellt, der spaltet zwischen den Integrierten und den Ausgeschlossenen.
Dieser Diskurs ist der der Macht. Er setzt selbstverständlich »Macht« voraus, und d.h. gesellschaftliche Ungleichheit, oder sagen wir es doch gleich: Klassen, herrschende und deshalb auch Beherrschte.
Der Diskurs der Macht ist nicht nur das Medium zwischen uns und der Macht. Er ist zugleich das Medium der »Subjektivierung« (Foucault 1982).
Das Individuum wird zum Subjekt – zum Subjekt des Diskurses zunächst – indem es in den Diskurs einsteigt. Es erlebt sich als Subjekt des Diskurses – so wie der »Kluge Kopf«, der hinter einer »Zeitung für Deutschland« steckt, der die Parolen als seine eigenen erlebt, die er sich zu eigen gemacht hat (s. Adler 1919).
Aber natürlich ist es mit dem Status des Subjekts verbunden, dass der Diskurs auf es Rücksicht nehmen muss (Foucault), seinen Status des Subjekts berücksichtigen muss.
Das Individuum antwortet auf die die Parolen (des Diskurses) der Macht – es »subjektiviert« sich durch die Zustimmung zu den Parolen der Macht. In diesem ine ist die »Parole« nicht der Befehl, sondern eher das »Kennwort«, an dem man den Dazugehörigen erkennt.
Trotzdem: die Regeln des Diskurses, der Teilnahme am Diskurs, die Spielregeln muss man natürlich erst lernen. Auch dieses Lernen ist daran gebunden, dass man in den Diskurs einsteigt, dass man mitspielt: zunächst mit der Mutter, mit den Erwachsenen der nächsten Umgebung, mit den anderen.
Diese »Einführung« des Kindes in die Welt der Sprache (der Erwachsenen) ist (für das Kind) rätselhaft, zweideutig (Laplanche 1991). Ein »Spiel« zwischen ungleichen Partnern – von Natur aus ungleich, trotzdem eine Vorbereitung für die ganz und gar nicht naturgegebene, soziale Ungleichheit die folgt.
Die Vermittlung zwischen dieser Natur und der späteren sozialen Ungleichheit läuft – wieder über die Sprache, das Sprechen.
Die Geschichten, Märchen, Lieder, Erzählungen der Erwachsenen bereiten darauf vor, lange bevor das Kind, älter geworden, diese selbst erlebt, überprüfen kann: »Allein mit d Sprechen gibt es Dinge, die sind und die nicht sind« (Lacan 53-54, 289).
Und: »Mit der Dimension des Sprechens gräbt sich ins Reale [nicht nur] die Wahrheit ein, [sondern] auch die Lüge und andere Register.
»Das Sprechen ist wesentlich zweideutig.« (289)
Das Sprechen entfaltet sich nicht auf einer einzigen Ebene allein (S2). Es hat immer seine zweideutigen Hintergrundsebenen (S1), die bis zum Moment des Unsagbaren gehen. (291)
Denn: mit dem (Bezug zum) anderen ist zugleich eine zweite Ebene gegeben: Neben dem, was dem anderen gesagt wird, gibt es noch etwas, was ihm nicht gesagt wird, neben der Ebene des Gesagten die Ebene des Verschwiegenen, neben der Ebene des Sichtbaren die des Nicht-Sichtbaren. Mit dem Zeigen, taucht zugleich die Möglichkeit des Verbergens auf, mit dem Reden die des Verschweigens.
Reden / ZeigenVerschweigen / Verstecken
Diese Struktur der zwei Ebenen kommt mit dem Bezug zum anderen herein: die Struktur der Dyade. Die Lüge hat darin die Bedingung ihrer Möglichkeit: als Differenz zwischen den beiden Ebenen – des Gesagten/Gezeigten und des Nicht-Gesagten/Nicht-Gezeigten, und im Verschweigen dieser Differenz – oder der Behauptung der Nicht-Differenz zwischen den beiden Ebenen: und zwar etwas anderes zeigen, sagen, behaupten, als man »denkt« oder tut.
Im engeren Sinne besteht die Lüge in der Differenz zwischen dem gesagten und dem nicht gesagten Satz (Weinrich (1966), dem verschwiegenen ersten Satz hinter (unter) dem geäußerten (»was wirklich gedacht war«).
S2 geäußerter Satz . S1 nicht geäußerter Satz
die – vom nicht gesagten Satz S1 – abweichende Behauptung S2
Damit umgeht die Linguistik die Schwierigkeit, die aus der Rückbindung der Lüge an die »Wahrheit« entstanden ist – selbst wenn man diese als »Übereinstimmung mit der Realität« definierte.
Gleichwohl ist die »Übereinstimmung zwischen dem gesagten und dem nicht gesagten Satz«, die an Stelle der »Übereinstimmung mit der Realität« tritt, nicht losgelöst von jeglicher »Realität« außerhalb des sprechenden und denkenden Subjekts, sondern immer schon auf einen anderen bezogen, insofern sich das Sprechen an einen anderen richtet.
Die zwei Ebenen des Sprechens wären also:
S2 an einen anderen gerichtetes Sprechen S1 Selbstgespräch, innerer Monolog
Wahrheit wäre, wenn man in diesem Rahmen von ihr sprechen wollte, Wahrheit des mit einem anderen sprechenden Subjekts (Lacan) – also nicht Robinsons Wahrheit – gleichwohl Übereinstimmung des Sprechenden mit »sich selbst«, seines Redens mit seinem »Denken«, seiner Überzeugung, des geäußerten Sprechens mit seinem »inneren Monolog«.
Die(se) Übereinstimmung (zwischen geäußertem und nicht geäußertem Satz) steht zugleich unter der Spannung, die von der Forderung des Diskurses ausgeht, einen Satz mit einem anderen zu beantworten – zu »verketten« (Lyotard 1983), und zwar mit einem Satz, der derselben Diskursart angehört.
Die Lüge wäre eine Möglichkeit, dieser Spannung nachzugeben, indem sie den vom Diskurs geforderten Satz äußert – »sagen, was die anderen hören wollen, sagen, was man sagen soll« – auf Kosten der Übereinstimmung zwischen geäußertem und nicht geäußertem Satz, d.h. die Wahrheit des Subjekts verrät.
Die Unterschidung zwischen zwei Sätzen, zwischen dem gesagten und dem nicht gesagten Satz
S2 geäußerter Satz . S1 nicht geäußerter Satz rekurriert also auf eine Struktur des Sprechens, ist zugleich eine Struktur des Sprechens selbst: die Doppeltheit (duplicité) der Vorgänge der »Aussage« (l’énoncé) (…) und des »Aussagens« (l’énonciation)« – eine »Doppeltheit [die] sich in jeder sprachlichen Operation« wieder findet (Lacan 1958-59, S. 122).
S2 Aussage (énoncé) S1 Aussagen (énonciation)
Das darf allerdings nicht so verstanden werden, als wäre die Lüge eine Funktion der »duplicité«, also der Sprache selbst. Lacan wollte durch diese Doppeltheit der Vorgänge der »Aussage« (l’énoncé)(…) und des »Aussagens« (l’énonciation)« (nicht mehr aber auch nicht weniger) als der »Dimension des Nicht-Gesagten« Raum gegeben haben: «cette dimension du non dit que je viens d’introduire par la distinction du procès de l’énonciation et du procès de l’énoncé» (Sém VI, 03.12.1958). Lüge: ein Phänomen des Sprechens – nicht der Sprache, eben der Benutzung der Sprache – die in der Struktur der Sprache die Bedingung ihrer Möglichkeit hat. Damit die Möglichkeit aber realisiert wird, bedarf es der Handlung eines – sprechenden – Subjekts. Zugleich bietet diese selbe Struktur der Sprache, die die Lüge möglich macht, die zweite Möglichkeit, die Lüge wiederum selbst zu verstecken. Insofern könnte man von struktureller Lüge sprechen.
Lüge: ein Phänomen des Sprechens, das heißt der Benutzung der Sprache – im Register der – bewussten – Täuschung – oder: die sprachliche Form, oder Weise der Täuschung, Täuschen mittels, mit Hilfe der Sprache.
Die Struktur der Sprache bleibt dieselbe, auch wenn die Doppeltheit (duplicité) nicht zu einer Lüge benutzt wird, auch wen es nicht darum geht, etwas nicht sagen zu wollen, sondern etwas nicht sagen zu können, oder: nicht zu wissen, was man sagt, gesagt hat. Kurz das Unbewusste. Das Unbewusste – der Mutter, der Eltern – geht in das Sprechen mit dem Kind ein, macht das Rätselhafte dieser Einführung des Kindes in die Sprache aus (Laplanche).
Unbewusst, auch ohne dass die Mutter/Eltern es wollen, wird der Diskurs der Macht dem Kind vermittelt, zunächst durch die Eltern, eher implizit als explizit: das »was man macht«, »was man denkt«, »was man sollte«, »was man nicht sollte, nicht darf«.
Denn: Im Sprechen »zwischen Zweien« sind immer mehr »immanent« als die beiden: das »man«, das vorschreibt, was zu machen ist, zu denken, zu sagen, und was nicht zu machen, zu denken, zu sagen ist: das falsche Wort, die falsche Bewegung (Augustinus über die Lüge; s. Bruder 2009).
Und gleichzeitig wird deren Immanenz verleugnet, »unbewusst gemacht«.
Die Zweideutigkeit der Differenz zwischen dem Sagen und dem Nicht-Sagen wird dem Kind sichtbar aufgrund der Differenz, oder des Widerspruchs zwischen dem Gesagten und dem Tun.
So entsteht eine Kluft, die – vom Kind – gefüllt werden muss/kann: die »Lösung des Rätsels« (Laplanche: die Deutung). Das Beispiel, das Laplanche wählt, ist das Freudsche vom geschlagenen Kind.
In Freuds Beispiel lautet die Lösung des Rätsels, die das Kind der beobachteten Szene gibt: »wer richtig liebt, der schlägt (auch)«.
Das Unbewusste der Eltern, das dem Kind dadurch übertragen wird, das durch die Eltern unbewusst gemachte ist bei Laplanche/Freud also die Sexualität.
Es gibt keinen Grund für die Einschränkung. Freud selbst hat den Inhalt des unbewusst Gemachten später auf »das Peinliche« verallgemeinert. Und was ist – für das »autonome erwachsene weiße westliche protestantische« Subjekt peinlicher, als den Parolen der anderen, der Macht gefolgt zu sein, statt seinen eigenen – selbst Herr sein wollen, sich selbst die Parolen zum Krieg gegeben zu haben, ist in der »anderen Seite« Adlers die Behauptung (und Überzeugung) derer, die sich freiwillig zum Kriegseinsatz gemeldet hatten.
Heute ist sehr zum Bedauern der herrschenden Klassen die Zustimmung zum Krieg nicht, noch nicht gewonnen – im Gegenteil: die überwiegende Mehrheit der Deutschen Bevölkerung ist nach wie vor gegen den Krieg eingestellt. Aber oder deshalb können wir seit einiger Zeit die massiv verstärkten Anstrengungen der Medien und der medialen Inszenierungen beobachten. Die ersten Ergebnisse zeigen sich an der »Innenpolitischen Front« in der »Vereisung des sozialen Klimas«, der »Verrohung der privilegierten Schichten« gegenüber den »Opfern« des Klassenkrieges von »oben« (s. Heitmeyer 2010).
Verrohung als »Verarbeitung«, Verleugnung des schlechten Gewissens der »Besserverdienenden« gegenüber denen, die »schlechter weggekommen« sind, durch die »Krise«, »Verarbeitung« der neoliberalen Parolen von der Rechtfertigung der Bereicherung durch Verarmung der anderen, Rechtfertigung der Ungerechtigkeit durch eine »Ideologie der Ungleichwertigkeit«.
Wir machen uns zum Herrn, so wie wir uns zum Subjekt machen, indem wir die Parole des (Diskurses des) Herrn als eigene ausgeben, uns zueigen machen, uns aneignen, befolgen, als wäre es unsere eigene.
Damit aber verleugnen wir zugleich auch: dass wir uns dadurch zum Subjekt machen, dass wir im Diskurs als Subjekt auftreten, und das heißt: uns den Regeln des Diskurses unterwerfen, den (An)Forderungen (des Herrn) des Diskurses, den Regeln des »Sprachspiels«.
Die »Parole«, die wir als unsere eigene ausgeben, das »Kennwort« ist die »Rationalisierung« für die Verleugnung. Der Parole (des Diskurses) der Macht folgen, bedeutet aber zugleich auch: gerade nicht der eigenen folgen. Verleugnung (nicht nur der Macht, sondern auch) der eigenen »Parole«, der »eigenen Stimme«. Verrat des eigenen Begehrens (Lacan):
$ verleugnet a, das Objekt seines Begehrens (damit sein Begehren selbst), unter der Einwirkung der durch (S2) vermittelten »Parole« der Macht (S1).
In der paradigmatischen Situation der Verleugnung Christi durch Petrus ist es die Magd des Kaiphas, des Herrn des Verhörs von Christus, die den Platz von S2 einnimmt. Sie ist es, die Petrus ($) zur Verleugnung Christi (a) verführt mit der fragenden Behauptung »bist du nicht einer von denen, die ihm (Christus) gefolgt sind?« (s. Bruder 2010 b).
Auch im Sprechen der Mutter mit dem Kind, im Zwiegespräch zwischen beiden ist der »Dritte« anwesend (die »Magd des Herrn«), repräsentiert im Unbewussten der Mutter (Laplanche), in dem, was die Mutter nicht sagt, nicht in dieses Zwiegespräch bringt. Denn: sie »sagt« damit zugleich – mehr als sie sagen will, vielleicht mehr als sie weiß.
Nichts anderes als das ist die »Ambiguität« (»Dublicité«) des Sprechens. Und damit: die »Schwierigkeiten mit der Sprache hatte, mit den Wörtern«, über die Sarte von Gustave Flaubert berichtet:
»Als der kleine Gustave Flaubert verstört, noch »tierhaft« aus dem frühkindlichen Alter auftaucht, erwarten ihn die Techniken. Und die Rollen. Die Dressur beginnt: offenbar nicht ohne Erfolg; Dagegen wissen wir, daß der zukünftige Schriftsteller mit der ersten großen Probe, dem Erlernen der Wörter, Schwierigkeiten hatte.[6]
Die Schwierigkeit, mit ihnen die Differenz aufzufüllen: z.B. hat man ihn damit geneckt, dass man sagte, der Sprechende sei nicht da, woraufhin Gustave ging und ihn suchen wollte.
Schwierigkeiten mit den Wörtern heißt auch, Schwierigkeiten bei der Beachtung der Augustinische Parole: »kein falsches Wort zusagen« (s. Bruder 2009). Was man zunächst in Relation zum Nicht-Gesagten interpretiert, und was in Relation zum bereits Gesagten oder in der Zukunft zu sagenden zu sehen: die Regel des Diskurses befolgen – muss erst gelernt werden.
Sozialisation (»Subjektivierung): eine Einübung in diese Diskurs-Regeln. Damit tritt die »Spaltung« des Subjekts in Erscheinung – die Lacan zunächst unverständlicherweise ins »Spiegelstadium« verlegt hatte, also in die Dyade »zwischen Zweien«, statt wie später in die »Triangulierung« durch das symbolische Register, wie er es dann mit Beginn seiner Seminare getan hat, in die »Einführung in die Sprache«, und »die Maloche« (Lacan 1953-54, 282).
Die Sprache wird in dieser Zeit erlebt als etwas, was nicht nur von außen aufgezwungen, sondern auch vom Individuum her die Möglichkeit der Distanzierung, Verstecken, Täuschung bis hin zu Lüge ermöglicht. Als Mittel des »Widerstands« gegen die (Über)Macht der Erwachsenen, und anderen. Es bleibt deshalb auch immer offen, wie es weitergehen wird.
»Sozialisation« vertraut deshalb auch nicht auf ein »ein für allemal«, sondern setzt auf »lebenslanges Lernen«. Der Dressur in der Familie folgt die außerhalb: in Schule, Berufs-Ausbildung und Berufs-Ausübung, nicht zu vergessen Militär, Sport-Verein, usw.
Der »Schwierigkeit mit den Wörtern« wird tagtäglich aufs Neue nachgeholfen: durch die Medien. Die wiederum die Gespräche mit Material versorgen: am Arbeitsplatz, unter Kollegen, Freunden, mit den Kindern, mit der Frau vielleicht auch. Dort geschieht die »Verstärkung« der Parolen des Diskurses der Macht.
Und: die »Beherrschung« der Wörter, der Kenn-Wörter, Parolen, also die Zustimmung zu ihnen wird ebenso ständig überprüft: die Aufgabe der empirischen Sozialforschung, der Erhebungen aller möglichen »Institute«, regierungsamtliche, aber auch solche der Parteien, Gewerkschaften, Kirchen usw. (s. Bruder 2003; Bruder 2010 c). Zurückgefüttert an die Medien und in den Diskurs eingespeist. Eine, wenn die nicht die wichtigste alternative Stimme in diesem Chor: die Langzeitstudie »Deutsche Zustände« des Bielefelder Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung« (Leitung: Wilhelm Heitmeyer).
Seit 2002 erfragen sie in repräsentativen Stichproben aus der Bevölkerung Deutschlands die Äußerungen von Meinungen zu politischen, kulturellen, sozialen Fragen und stellen eine steigende Zunahme »abwertender, menschenfeindlicher Einstellungen gegenüber schwächeren sozialen Gruppen« fest, eine zunehmende Abwertung von Menschen aufgrund von ethnischen, kulturellen oder religiösen Merkmalen, der sexuellen Orientierung, des Geschlechts, einer körperlichen Einschränkung oder aus sozialen Gründen, aktuell insbesondere gegenüber Muslimen und wirtschaftlich Ausgegrenzten.
Diese Haltung kennzeichne vor allen Dingen die Schicht der Besserverdienenden. Die Forschergruppe spricht von einer zunehmend »rohen Bürgerlichkeit«. Diese zeichne sich durch deutliche Hinweise auf eine »entsicherte wie entkultivierte Bürgerlichkeit« aus. Deren Formel »Selbstverantwortung« – der sozial Schwachen den Abbau von sozialstaatlichem Anrecht auf Unterstützung legitimiere und propagiere (Heitmeyer 2010).
Und: sie halten fest, dass die Stichworte dieser Diskurse »auch über »angeblich liberale Tages- und Wochenzeitungen« verbreitet werden, – während die Presse in ihren Berichten über diese Studie das beunruhigende Ergebnis mit der Wirkung der Wirtschaftskrise erklärt haben will, oder gar einer »durchweg wirtschaftlich geprägten Gesellschaft« – wohlweislich damit die Verantwortung der Medien für die Ausbreitung dieser Verrohung aus dem Blick rückend.
Die nun bereits über 10 Jahre hinweg durchgeführten Untersuchungen demonstrieren eindrücklich die unübersehbare Bedeutung der Medien als Meinungsbildende, konsens-herstellende (Chomsky) Diskurs-Maschinen.
Gegenüber der Diskurs-Maschine der Medien stellen die Gespräche am Arbeitsplatz, unter Kollegen, Freunden, in der Familie, mit der Frau, den Kindern, in denen diese Diskurse »nachgesprochen« werden, in gewisser Weise zugleich auch eine eigene Ebene des Diskurses dar, mit eigener Struktur und Geschichte: die der »Erzählungen« (»Narrationen«).
Erzählungen entstehen aus dem »Wollen« der »Leute«, dass »man« »die Welt« »mit ihren Augen sieht«. Dann nämlich sagt sie, »erzählen sie Geschichten« (Brigitte Bothe 2011, S. 1).[7] »Wer erzählt, macht das Ich zur Figur im Spiel, die Welt zur Bühne, die anderen zu Mitspielern… »Erzähler [] führen mit Worten ein Drama im Zeichen von Erfüllung und Misere, Happy End und Katastrophe auf«.
Diese Erzählungen sind auch Verarbeitungsformen des durch die Medien angebotenen Materials, und insofern Diskurs-Elemente. Interessant ist, wie sie zu Elementen der Diskurse werden, bzw. was sie vorher waren. Sicher werden Materialien für diese Erzählungen wieder aus dem Angebot der Medien genommen, sind insofern bereits Diskurs-Elemente, andere werden aber aus den Erzählungen der Mutter, Eltern, der Familie und deren literarischem Bildungsschatz genommen.
Sie bewegen sich auf einer andern Ebene, in einem anderen Register: im »imaginären« – statt im symbolischen, auf der Ebene der Lebenswelt (statt des Systems, wen man die Unterscheidung von Habermas zugrunde legt):
Sie können vom System, d.h. vom Diskurs angeeignet werden, haben aber eine eigene Geschichte, die quer steht zu der der Diskurse und System. Sie stammen »aus älteren Zeiten«, in Märchen und Mythen aufbewahrten.
Die Gespräche auf der Couch? Sind sie Teil dieser Gesprächs-»Kultur«, oder Narrations-Maschine oder eine Befreiung davon? Ca depend – sie bieten die Möglichkeit dazu. Befreiung ist immer (nur) eine Möglichkeit, ebenso wie Affirmation.
Wenn mit Freud das Projekt der Psychoanalyse als eines in die Welt gesetzt wurde, das er als Sprechen, zwischen Zweien bestimmte, so dachte er daran, dass damit zum Sprechen befreit werden sollte das, was daran gehindert worden ist (und wird): durch das Verbot zu sprechen, durch Sprechen über anderes, das »leere« Sprechen, durch den Diskurs der Macht.
Aber auch dieses Projekt schwankt, ist mit Ambiguität gezeichnet. Bereits von Freud damit ausgestattet. Möglichkeit für die bürgerlichen Frauen, die nirgendwo »unzensiert« sprechen durften und zugleich nicht frei von dem Versuch, das Sprechen der Hysterika in den Diskurs der Macht zurückzubiegen: mit der Behauptung: die Sexualität sei es, die das »Über-ich« verbiete.
Lacan betrachtet sie als eine mögliche Form des Diskurses des Herrn – solange es »Herren« gibt, sind auch die Gespräche von ihnen umstellt. Und: der Diskurs der Macht ist nicht der einzige, der durch Sprechen möglich, in dem Sprechen sich realisieren kann.
Adamek, S. & K. Otto (2008): Der gekaufte Staat. Köln.
Adler, A. (1919): Die andere Seite. Eine massenpsychologische Studie über die Schuld des Volkes. Wien (Verlag von Leopold Heidrich). [Reprint (Faksimile) 1994, neu hrsg. und mit einem Vorwort versehen von Almuth Bruder-Bezzel].
Agnoli, J. (1968): Die Transformation der Demokratie. In Johannes Agnoli & Peter Brückner (S. 5-87), Die Transformation der Demokratie. Frankfurt/M.
Augustinus (395): De mendacio. Kap. IV. In Bibliothèque Augustienne: Oeuvres de Saint Augustin. Opuscules. II: Problèmes moraux. Ed. Gustave Combès. Paris 1948.
Baudrillard, J. (1976): L’échange symbolique et la mort. Paris (Éditions Gallimard). [Die fatalen Strategien. München: Matthes & Seitz (1982)].
Boltanski, L. & È. Chiapello (1999): Le nouvel Ésprit du Capitalisme. Paris. [dt.: Der neue Geist des Kapitalismus. Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft (2003)].
Bothe, Brigitte (2011): Das Narrativ. Biographisches Erzählen im psychotherapeutischen Prozess. Stuttgart: Schattauer.
Bourdieu, P. (1996): Sur la télevision. Liber – Raison d’agir. 1996 [dt.: Über das Fernsehen. Frankfurt/M.: Suhrkamp (1998)].
Brückner, Peter (1978): Über Krisen von Identität und Theorie. Konkursbuch, 1, 39-60.
Brückner, Peter (1978): Versuch, uns und anderen die Bundesrepublik zu erklären. Berlin: Wagenbach.
Bruder, K.-J. (1988): Reagan’s Amerika? Zur politischen Psychologie der USA. In Leviathan-Sonderheft 'Politische Psychologie heute' hrsg. von König.
Bruder, K. J. (2003): Die biographische Wahrheit ist nicht zu haben« – für wen? In Die biographische Wahrheit ist nicht zu haben«. Giessen: PSV (2003).
Bruder, K.-J. (2005a): Selbstthematisierung. Journal für Psychologie, 3, 189-211.
Bruder, K.-J. (2005b): Das Unbewusste, der Diskurs der Macht. In Michael Buchholz & Günter Gödde (Hrsg.): »Macht und Dynamik des Unbewussten – Auseinandersetzungen in Philosophie, Medizin und Psychoanalyse«, Bd. II (S. 635-668). Giessen: Psychosozial-Verlag.
Bruder, K.-J. (2006): Die Freudsche Erzählung von Ödipus als Mythos der Macht. In Klaus-Jürgen Bruder & Almuth Bruder-Bezzel (Hrsg.), Individualpsychologische Psychoanalyse (S. 163-183). Frankfurt/New York: Peter Lang.
Bruder, K.-J. (2007): La condition postmoderne – est-ce qu’elle est passée? Eine Zeitdiagnose. Gestalttherapie, 21 (1), 3-23.
Bruder, K.-J. (2009): Die Lüge: das Kennwort im Diskurs der Macht. In Klaus-Jürgen Bruder & Friedrich Voßkühler, Lüge und Selbsttäuschung. Göttingen (Vandenhoeck): Reihe Philosophie und Psychologie im Dialog: Jüttemann, Gerd & Christoph Hubig (Hrsg.), S. 7-66, und 112-130.
Bruder, K.-J. (2010a): Keynote zum Panel: »IMMER DIE GLEICHE SOßE? ZUR PRODUKTION UND REPRODUKTION VON DISKURSEN IN DEN MASSENMEDIEN«. In Martin Dege, Till Grallert, Carmen Dege & Niklas Chimirri (Hg.) (2010), Können Marginalisierte (wieder) sprechen? Zum politischen Potential der Sozialwissenschaften… Kongress der Neuen Gesellschaft für Psychologie: Sozialwissenschaften und Möglichkeiten politischen Handelns. 28.- 30.07.2008 in Berlin. Giessen: PSV, Reihe »Psychologie & Postmoderne.
Bruder, K.-J. (2010b): «…wirst Du mich dreimal verleugnen« – Skizze zur Politischen Psychologie. Journal für Psychologie (1/2010).
Bruder, K.-J. (2010c): Die Kontinuität des bewussten Diskurses – biographisches Interview und psychoanalytisches Gespräch. In Birgit Griese (Hg.), Subjekt – Identität – Person? Reflexionen zur Biographieforschung (S. 73-92). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Bruder – Bezzel, A. (2005): Arbeitslosigkeit – eine Herausforderung für die Psychoanalyse. Psychoanalyse – Texte zur Sozialforschung 9, 1 (16), 57-74.
Bühl, W. L. (2000): Das kollektive Unbewußte in der postmodernen Gesellschaft. Konstanz (Universitätsverlag).
Canfora, Luciano (2004): »Kurze Geschichte der Demokratie« [(dt.): Köln 2006].
Chomsky, N. (2002): Media Control. Hamburg (Europa Verlag) 2003.
Crouch, Colin (2004): Post-Democracy. Cambridge (Polity Press) [dt.: Postdemokratie. Frankfurt/M.: Suhrkamp (2009)].
Dege, Carmen (2010): Die Lüge und das Politische – Transformationen von Freiheit und Sicherheit in der Präventionsgesellschaft. Giessen: PSV, Reihe: Psychologie und Postmoderne.
Deleuze, Gilles & Felix Guattari (1980): Mille Plateaux. Paris [dt.: Tausend Plateaus – Kapitalismus und Schizophrenie. Berlin 1992].
Derrida, J. (1993): Spectres de Marx. Paris [dt.: Marx' Gespenster: Der verschuldete Staat, die Trauerarbeit und die neue Internationale. Frankfurt/M.: Fischer (1995)].
Erdheim, Mario (1982): Die gesellschaftliche Produktion von Unbewußtheit. Frankfurt/M.: Suhrkamp.
Foucault, M. (1982): The Subject and Power. In Hubert L. Dreyfus & Paul Rabinow (Eds.), Michel Foucault: Beyond Structuralism and Hermeneutics. Chicago (Univ. of Chicago Press), 208-226 [dt.: Das Subjekt und die Macht. In: Hubert L. Dreyfus & Paul Rabinow (Hrsg.): Michel Foucault: Jenseits von Strukturalismus und Hermeneutik. Frankfurt/M.: Athenäum (1987), 241-261].
Freud, Sigmund (1926): Die Frage der Laienanalyse. In S. Freud, Gesammelte Werke, XIV. London: Imago 1940-52 und Frankfurt a. M.: Fischer 1968 und 1987.
Gammelin, C. & G. Hamann (2005): Die Strippenzieher. Manager, Minister, Medien – wie Deutschland regiert wird. Düsseldorf: Econ.
Heitmeyer, Wilhelm (2010): Deutsche Zustände. Folge 9. Frankfurt/M.: Suhrkamp 2010.
Kirchheimer, Otto (1961): Politische Justiz. Verwendung juristischer Verfahrensmöglichkeiten zu politischen Zwecken. Princeton/New Jersey [Deutsche Ausgabe: Neuwied und Berlin 1965].
Kronauer, Martin (2002): Exklusion. Die Gefährdung des Sozialen im hoch entwickelten Kapitalismus. Frankfurt/M., New York: Campus 2002; 2. aktualisierte und erweiterte Auflage 2010.
Lacan, Jacques (1953-54): Das Seminar, Buch I. Paris 1974: Editions du Seuil. Deutsch von W. Hamacher: Weinheim: Quadriga 199o.
Lacan, Jacques (1958-59): Das Seminar, Buch VI. Das Begehren und seine Deutung. (Zusammenfassende Wiedergabe durch J.-B. Potalis. [Übersetzt von Johanna Drobnig; unter Mitarbeit von Hans Naumann und Max Kleiner. Zürich 1998]).
Lacan, Jacques (1969-70): Das Seminar, Buch XVII. Die Kehrseite der Psychoanalyse. [dt. von Gerhard Schmitz, 1997].
Laplanche, Jacques (1991): L’interprétation entre déterminisme et herméneutique: une nouvelle position de la question. Revue Française de Psychoanalyse [dt.: 1992. Deutung zwischen Determinismus und Hermeneutik. Eine neue Fragestellung. In Psyche XLVI, 6, Juni 1992, 467-498].
Losurdo, Domenico (2008): Demokratie oder Bonapartismus. Triumph und Niedergang des allgemeinen Wahlrechts. Köln.
Lyotard, Jean-Francois (1979): La condition postmoderne. Paris (Éditions de Minuit [dt.: das postmoderne Wissen. Graz/Wien: Hermann Böhlaus Nachf. 1986].
Lyotard, Jean-Francois (1983): Le Differend. [dt.: Der Widerstreit. München: Fink 1987].
Ritzi, Claudia & Gary S. Schaal (2010): Politische Führung in der »Postdemokratie«. In Politik und Zeitgeschichte (APuZ 2-3/2010).
Sartre, Jean-Paul (1971): L’Idiot de la famille. Paris (Éditions Gallimard) [dt.: Der Idiot der Familie. Deutsch von Traugott König. Reinbek: Rowohlt 1977ff], S. 11.
Silverman, Deborah (1986): Selling Culture. Bloomingdale’s, Diana Vreeland, and the New Aristocracy of Taste in Reagan’s America. New York.
Weber, Max (1922): Wirtschaft und Gesellschaft. Tübingen: Mohr.
Weinrich, Harald (1966): Linguistik der Lüge. Heidelberg: Lambert Schneider [6. erw. Auflage München: Beck 2000].
Wolf, Michael (2009): Die Organisierung des sozialen Krieges: zur staatspolitischen Dimension der Hartz-IV-Reform. http://www.grundrisse.net/grundrisse31/organisierung_sozialen_krieges.htm#_ednref1
* 497/496 v. Chr. in Kolonos; † 406/405 v. Chr. in Athen
wieder unter Beteiligung der Psychoanalyse (Mitscherlich), die dadurch zur moralischen Instanz der postfaschistischen Gesellschaft werden konnte.
Wirtschaftliche Interessen (»Sicherung des Zugangs« zu den Rohstoffen, »Sicherung« der Energieversorgung und der Handelswege) werden von der CDU/CSU immer offensiver als ausreichende Gründe für neue Kriege angeführt. Die »Sicherheitsstrategie für Deutschland« der Unionsfraktion vom 6.5.08 sieht eine »Ausweitung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr« vor, aber auch der »Inlandseinsätze« – »gegen die dagegen zu erwartenden Proteste«.
»manufactoring consent«: Walter Lippmann; zit. n. Chomsky (2002)
deshalb ist Wikileaks aufklärerisch, notwendig: seine Veröffentlichung von Bergen von Geheimdokumenten zeigen das »Versagen« der meisten Medien, wie deren Reaktion auf die Veröffentlichung ihr »Versagen« als Absicht decouvriert.
Sarte: Sartre, J.-P. (1971): L’Idiot de la famille. Paris (Éditions Gallimard) [dt.: Der Idiot der Familie. Deutsch von Traugott König. Reinbek (Rowohlt) 1977ff], S. 11
Brigitte Bothe (2011): Das Narrativ. Biographisches Erzählen im psychotherapeutischen Prozess. Stuttgart (Schattauer)