Im Zuge der Strategie, Europa zum »wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum« zu machen und der daraus folgenden viel diskutierten Umsetzung der so genannten Bologna-Richtlinien (nach einer Erklärung der KultusministerInnen der EU-Staaten 1990 in Bologna, mit nachfolgenden regelmäßigen Treffen zur weiteren Ausarbeitung und Konkretisierung der Ziele, z.B. höhere Mobilität, uniforme Einführung dreigliedriger Studiengänge, Qualitätssicherung des Systems sowie der Studiengänge und Qualifikationen) kommen auf die Hochschulen Veränderungen zu. Vordergründig als Maßnahme der Internationalisierung und besseren Vergleichbarkeit von Studiengängen deklariert, bringt die konkrete Umstellung auf Curricula in die dreigliedrige Studienordnung (gemäß Bologna-Kriterien) in Bachelor, Master und Doktorat und deren Ausgestaltung aber auch viel an Vereinheitlichung der Psychologie-Curricula mit sich, was nicht der Breite und Binnendifferenziertheit des Faches entspricht. Somit entsteht mit den Bologna-Richtlinien auch ein Instrumentarium der Verschulung, Standardisierung und Verschmälerung der Lehre. Durch innerdisziplinären Anpassungsdruck sowie dem korporativen Bedürfnis nach Paradigmenstabilität verbindet sich damit eine Festschreibung der Psychologie als Naturwissenschaft. Die Beiträge der vorliegenden Schwerpunktausgabe mit dem Thema Bologna-Prozess. Curriculum und Paradigmen in der Psychologie setzen sich mit den Folgen aber auch den Intentionen dieser strukturellen Veränderungen, die im Zuge der Hochschulreform im deutschsprachigen Raum zur Zeit vor sich gehen, auseinander.
Angesichts dessen hält es Lars Allolio-Näcke für an der Zeit, sich von den Grabenkämpfen um eine richtige Psychologie zu verabschieden. Schließlich sei seit Wundt das Programm einer Kulturwissenschaft, an der sich »Philologen und Historiker, Theologen und Ethnologen in vereinter Arbeit« zusammen mit PsychologInnen beteiligen sollten, entworfen. Er plädiert für ein interdisziplinäres Forschungsprogramm wie es bereits ein Großteil der Psychologie in den USA vormacht. Wir könnten diese Herausforderung annehmen und unseren psychologischen Erkenntnis- und Karriereweg jenseits einer disziplinär restringierten Psychologie gehen.
Ebenfalls mit der gegenwärtigen Situation des Fachs Psychologie an den Universitäten befasst sich Peter Mattes. Er fragt, ob eine Psychologie als Kultur- und Sozialwissenschaft noch Entwicklungsmöglichkeiten innerhalb der akademischen Strukturen hat, oder ob sie an einem anderen Platz im disziplinären Gefüge besser aufgehoben wäre, etwa im Rahmen von Cultural Studies.
Worauf sich die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Psychologie bezüglich der Bologna-Studienarchitektur und der konkreten Ausgestaltung der Curricula beziehen, wird im Beitrag von Jarg Bergold erläutert. Er sieht einen Rückschritt darin, dass die Erforschung des Verhältnisses von Theorie und Praxis und die Reflexion dessen in der Psychologie kaum mehr Platz hat. Neben den Kritikpunkten an den Entwicklungen im Zuge der Bologna-Implementierung werden auch Überlegungen angestellt wie Psychologie-Curricula aussehen müssten, um der Ambiguität, die sich aus der Vorstellung vom Menschen als bio-psycho-soziale Entität ergibt, gerecht zu werden.
Günter Mey kritisiert den knappen Raum, der für Lehre und Ausbildung in qualitativer Forschung im Curriculum des Fachs Psychologie vorgesehen ist sowie die Art, wie diese meist vermittelt wird. Angesichts prosperierender Forschungs- und Entwicklungstätigkeit in und mit diesen Methoden begründet er die Notwendigkeit einer Erweiterung und Verbesserung, wie sie das »Memorandum für eine fundierte Methodenausbildung in den Human- und Sozialwissenschaften« fordert.
Martin Dege bezieht sich auf die Situation an den amerikanischen Universitäten. Er zeigt auf, dass der Vergleich mit den amerikanischen Eliteuniversitäten, der so häufig bei Prozessen der Neustrukturierung von Abläufen an Universitäten im deutschsprachigen Raum herangezogen wird, dahingehend funktioniert, dass Veränderungen stark von einem ökonomischen Diskurs, der auf die Schaffung von Vergleichbarkeit und Mehrwert fokussiert ist, überdeckt werden. Dem gegenüber projektiert er Voraussetzungen und Möglichkeiten einer anderen Universität der Zukunft.
Im Beitrag von Eric Charles wird ein ernüchterndes Bild von den Einführungskursen in Psychologie an den US-amerikanischen Universitäten entworfen. Er warnt davor, deren Struktur und Inhalte im Rahmen der curricularen Umgestaltungen für die europäischen Hochschulen zu übernehmen.
In Verbindung mit dieser Ausgabe des Journal für Psychologie sind zwei Beiträge in unser Forum eingestellt, mit denen wir ausdrücklich zu Diskussionen auffordern wollen. Dies gilt konkret für einen Aufruf von Jochen Fahrenberg, ein in den Curricula praktikables und dem Stand der methodologischen Diskussion entsprechendes Lehrbuch zu schaffen. Allgemeiner stellt Gerald Ulrich gegenwärtige Kurzsichtigkeiten in einen historisch größeren Zusammenhang, für eine multiperspektivische Interdisziplinarität und Nicht-Aufgabe alter Bildungsideale plädierend.
Weiters enthält diese Heft-Ausgabe einen nicht thematischen Beitrag. Marc Roedenbeck befasst sich darin mit Kritik an Erhebungsinstrumenten und theoretischen Modellen zur Arbeitszufriedenheit und stellt die Entwicklung eines neuen komplexen Modells der Arbeitszufriedenheit unter Berücksichtigung wichtiger Erkenntnisse der Zufriedenheitsforschung vor.
Wien – Berlin – Klagenfurt, im April 2008 Irene Strasser Peter Mattes