Zwischen Kindheit und Jugend – ein sehender Blick auf Kinderzeichnungen

Gabriele Wopfner

Zusammenfassung

Die Kinderzeichnung wird in diesem Artikel als ein Medium herangezogen, um die Zeit des Übergangs von der Kindheit zur Jugend zu verstehen. Die dokumentarische Methode, in ihrer Anwendung auf die bildliche Ausdrucksform, liefert dazu das Instrumentarium, um das, was uns die Zeichnungen zeigen, auch sehen und explizieren zu können.

Die exemplarische Darstellung einer Zeichnung (Fernseher in der Wüste) führt die Leserinnen und Leser entlang der Arbeitsschritte der dokumentarischen Bildinterpretation zur Rekonstruktion des Dokumentsinns der Zeichnung. Im vorliegenden Fall ist das die Auseinandersetzung der Bildnerin mit den altersspezifischen Entwicklungsaufgaben: den Herausforderungen mit dem reifenden Körper, den gesellschaftlichen Erwartungen und der Entfaltung einer für sie stimmigen (Geschlechts-) Identität am Übergang von der Kindheit zur Jugend.

Schüsselwörter: Kinderzeichnungen, dokumentarische Bildinterpretation, Präadoleszenz, Geschlechtsidentität, Übergangsraum

Summary

This article sees children’s drawings as a medium to understand the time of transition from childhood to adolescence. The documentary method and its application to children’s drawings provide the means to actually see and explicate what the drawings show.

The example of a drawing (TV in the desert) outlines the documentary process steps to reconstruct the document’s inherent meaning. In the present case it is the creator’s inner engagement with age-specific developmental tasks: the challenges of a maturing body, societal expectations and the unfolding of a consistent (gender-) identity during the transition from childhood to adolescence.

Keywords: children’s drawing, documentary interpretation of drawings, preadolescence, gender identity, potential space

1. Einleitung

Bilder verstehen – uns selbst verstehen – der Titel dieser Ausgabe des Journals für Psychologie kann als Metapher für die Intention jener Studie betrachtet werden, die diesem Beitrag zugrunde liegt. Dabei wurden die Geschlechterorientierungen von Mädchen und Jungen im Alter zwischen elf und zwölf Jahren in einem Milieuvergleich an drei österreichischen Schulen aus deren Zeichnungen rekonstruiert. Das Zeichnen als kindspezifische Ausdrucksform soll dabei Einblick in jene Prozesse geben, die am Übergang von der Kindheit zur Jugend durch die beginnenden körperlichen Veränderungen und die an die Kinder herangetragenen gesellschaftlichen Erwartungen, einsetzen und die heranwachsenden Mädchen und Jungen vor die Herausforderung stellen, eine für sie stimmige (Geschlechts-) Identität zu entfalten.

In Relation zu anderen Altersphasen sind die Mädchen und Jungen zwischen elf und zwölf Jahren in der empirischen Forschung eher vernachlässigt und deshalb auch als »Lücke-Kinder« (Fuhs 2010: 722) bezeichnet worden; in den letzten Jahren rücken sie allerdings vermehrt ins Zentrum des Interesses (vgl. Krüger/Grunert 2010). Die Selbstbilder der Kinder, ihre Auseinandersetzungsprozesse mit der Entfaltung einer Geschlechtsidentität sowie die unterschiedlichen Sozialisationsbedingungen im Sinne milieuspezifischer Differenzierungen bleiben dabei jedoch weitgehend unbeleuchtet. Zeichnungen als Selbstzeugnisse von Kindern und Jugendlichen und als Quellenbereich empirischer Untersuchungen finden in der Kindheits- und Jugendforschung im Allgemeinen und für die beforschte Altersgruppe im Speziellen kaum Beachtung (vgl. ebd.). Im Rahmen der Forschungsarbeit, auf die sich dieser Artikel bezieht (Wopfner 2012), kommt der Zeichnung hingegen ein besonderer Stellenwert zu. Es wird ihr eine spezifische Potenz zugeschrieben, die Boehm (2008, S. 39) als »Macht [...]: zu sehen [zu] geben, die Augen zu öffnen, zu zeigen« formuliert.

Das Wissen um Geschlechterorientierungen liegt nicht vorwiegend auf einer bewussten Ebene. Unsere Orientierungen von Geschlecht wurzeln in Erfahrungen, die wir in frühester Kindheit gemacht haben (vgl. u.a. Rendtorff 2003). Sie liegen auf einer vorreflexiven Ebene, sind eher bildlich denn sprachlich gespeichert. Um dieses implizite (Orientierungs-) Wissen rekonstruieren zu können, liegt es nahe, schon in der Erhebungsphase das Zeichnen als eine Symbolisierungsform einzusetzen, die der Logik des Bildhaften näher ist als der Sprache (vgl. Langer 1987, S. 95). Wie u.a. Norbert Neuß (2005) ausführt, lassen sich im Medium der Ikonizität nicht nur innere Bilder und Gefühle leichter ausdrücken. Auch emotionale und unaussprechliche Anteile fließen stärker ein, und so wird über den Prozess des Zeichnens die Darstellung von Konflikthaftem gefördert. Gerade in der Zeit der Präadoleszenz sind die Mädchen und Jungen in der Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Konstruktionen von Kindheit, Jugend und Geschlecht eingebunden in einen ständigen Prozess des Suchens und Tastens, des Ausprobierens von Verhaltensmöglichkeiten und Spielräumen. Gesellschaftliche Diskurse um Weiblichkeit und Männlichkeit gewinnen auch bezogen auf sexuelle Orientierungen und soziale Normierungen an Bedeutung und beeinflussen die psychosexuelle Dynamik. Unsicherheiten, Brüche und Inkohärenzen gehen nicht selten mit diesen Prozessen einher.

Als Forschungsansatz bietet sich damit jene Methode an, die sich, fundiert in der Wissenssoziologie Karl Mannheims, schon in ihren Ursprüngen mit Bildern auseinandergesetzt hat und einen Zugang zu impliziten und inkorporierten Wissensbeständen ermöglicht: die dokumentarische Methode in ihrer speziellen Anwendung auf die Interpretation von (Kinder-) Zeichnungen.

In diesem Artikel lege ich im Folgenden zuerst die methodologische Einbettung meines Forschungsprojektes in eine praxeologische Wissenssoziologie kurz dar. In einem weiteren Schritt erkläre ich das methodische Vorgehen der dokumentarischen Interpretation von Kinderzeichnungen. Dabei gehe ich auf das Spezifikum von Kinderzeichnungen ein, auch wenn sich die abbildenden Bildproduzent/innen an der Schwelle zum Erwachsenwerden befinden. Exemplarisch stelle ich in einem dritten Schritt die Zeichnung eines Mädchens vor. Im Rahmen der entwicklungspsychologischen Fragestellung wird jenen Spuren nachgegangen, in denen sich die abbildende Bildproduzentin mit dem körperlichen Reifungsprozess und den wahrgenommenen gesellschaftlichen Geschlechtstypisierungen auseinandersetzt. Dabei richtet sich der Blick auch auf die Sozialisationsbedingungen, da die milieuspezifische Prägung das psychodynamische Geschehen beeinflusst und die Ko-Konstruktion des geschlechtlichen Alltags mitbestimmt. In diesem Sinn wird der Prozess des Zeichnens abschließend in Zusammenhang mit Donald W. Winnicotts (2006 [1971]) Vorstellung des Übergangsraums gebracht und analysiert.

2. Die dokumentarische Bildinterpretation – ein methodisch kontrollierter Weg des Verstehens und Erklärens von Kinderzeichnungen

Die dokumentarische Methode wurde schon in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts von dem Wissenssoziologen Karl Mannheim ausgearbeitet und eröffnet einen Zugang zum handlungsleitenden Wissen, zur Handlungspraxis und ihrer Fundierung in existenziellen (konjunktiven) Erfahrungsräumen. Mannheim (1964) hat seine ersten Ausführungen zur dokumentarischen Methode anhand der bildenden Kunst erläutert (vgl. Barboza 2009). Auf diesen Aufsatz bezog sich sein Zeitgenosse, der Kunsthistoriker Erwin Panofsky, explizit, als er den für die Kunstgeschichte bahnbrechenden Analysewechsel von der Ikonografie zur Ikonologie vollzog, um zur tiefer liegenden Semantik, zum Wesenssinn kunstgeschichtlicher Werke vorzudringen.[1] Ralf Bohnsack hat die dokumentarische Methode als eine Methode zur Interpretation von Bildern – eine sozialwissenschaftliche Ikonik – methodisch wie methodologisch weiterentwickelt (u.a. 2009). Indem er dabei auf die kunsthistorischen Ansätze von Erwin Panofsky (u.a. 1964) und Max Imdahl (1980, 2006) zurückgreift, führt er die inter- und transdisziplinäre Verbindung kunsthistorischer und sozialwissenschaftlicher Methoden von Mannheim (1964, 1980) weiter. Über die systematische Rekonstruktion der Sinnstruktur des Bildes – in besonderer Weise über die Rekonstruktion der Formalstruktur – eröffnet die dokumentarische Bildinterpretation Zugang zu den, wie es bei Mannheim (1964, S. 98) heißt, »atheoretischen« oder impliziten Wissensbeständen der abbildenden Bildproduzentinnen und Bildproduzenten.

Die dokumentarische Interpretation von Kinderzeichnungen orientiert sich nicht an dem sichtbaren Sujet, vielmehr interessiert, was sich über die Kinder und ihre konjunktiven Erfahrungsräume in bzw. – um es in der Terminologie der dokumentarischen Methode konkret zu fassen – durch die Zeichnung dokumentiert (vgl. Bohnsack 2007, S. 170). Intentions- und Motivebene müssen für die Rekonstruktion dieses Sinns suspendiert werden – es braucht den Bruch mit dem Common Sense, um auf die Ebene jenes Wissens vorzudringen, das in der selbst erlebten Praxis erworben wurde und als modus operandi handlungsleitend ist.

Mit dem Wechsel der Analyseeinstellung vom Was zum Wie ermöglicht die dokumentarische Methode einen methodisch-systematischen Zugang zu fremden Erfahrungsräumen und Weltanschauungen (vgl. Bohnsack 2005 S. 64). Ein solches methodisch kontrolliertes Fremdverstehen (Schütze et al. 1973) schließt dezidiert inhaltlich-gegenstandsbezogene Vorannahmen über den Untersuchungsgegenstand aus. Es geht also nicht um ein »Besserwissen« (Luhmann 1990), sondern darum, die »zu untersuchenden Lebenswelten in ihrer Eigenlogik und andersartigen Normalität sichtbar werden zu lassen« (ebd., S. 69). Dieses Fremde zu verstehen und zu erklären, fordert die von den Beforschten selbst hergestellten Kontexte und deren Genese ins Zentrum zu rücken. Forschungspraktisch interessiert im Rahmen der Bildinterpretation nicht die Detaildarstellung, sondern »die simultane Relation von Einzelelement und Gesamtkontext des Bildes« (Bohnsack 2010, S. 54, Hervorhebung im Original). Die Generierung einer gegenstandsbezogenen, empirisch fundierten Theorie setzt dabei nicht im Voraussetzungslosen an, vielmehr bedarf es einer »präzise[n] Fundierung im Bereich der Meta-Theorien« (Bohnsack 2005, S. 71).

3. Die empirische Forschungspraxis der dokumentarischen Interpretation von Kinderzeichnungen

Die methodologische Differenzierung von immanentem und dokumentarischem Sinngehalt bestimmt die Arbeitsschritte der dokumentarischen Bildinterpretation. Entsprechend dieser Leitdifferenz unterscheiden wir, analog zur dokumentarischen Interpretation von Texten, die formulierende und die reflektierende Interpretation. Während die formulierende Interpretation der Frage nachgeht, was auf der Zeichnung dargestellt ist, orientiert sich die reflektierende Interpretation am Wie der Herstellung, dem modus operandi, und zielt auf das konjunktive Erfahrungswissen der abbildenden Bildproduzent/inn/en, das in der Praxis angeeignet wurde und ihnen selbst nur zum Teil bewusst ist. Zu diesem regelgeleiteten Vorgehen bedarf es auch der Berücksichtigung der Eigenheiten von Kinderzeichnungen. Besonderheiten sind in diesem Kontext u.a. wenn Kinder oder Jugendliche wie in einem Röntgenbild auch das zeichnen, was sonst verborgen ist und diesen Zeichnungselementen damit einen besonderen Stellenwert zuschreiben (vgl. John-Winde 1981).

3.1 Die Herausforderungen der formulierenden Interpretation von Kinderzeichnungen

Mit der Frage nach dem Was steht der immanente Sinngehalt der Zeichnung im Rahmen der formulierenden Interpretation im Mittelpunkt. Panofsky (1992) folgend, wird zwischen der vor-ikonografischen und der ikonografischen Ebene unterschieden.

3.1.1 Die vor-ikonografische Ebene

Auf der vor-ikonografischen Ebene formulieren wir, was in der Zeichnung zu sehen ist. Die möglichst detaillierte Beschreibung der sichtbaren Gegenstände, Phänomene und Bewegungsdarstellungen gestaltet sich bei Kinderzeichnungen oft recht schwierig, da die kind- bzw. jugendlichen Gestaltungen und Fantasiefiguren sachlich ins Wort gebracht werden müssen. Damit stellt dieser Arbeitsschritt hohe Anforderungen an die Beschreibungssprache, die immer wieder offen für Variationen (Polysemie) sein muss, um zu vermeiden, die Zeichnungselemente aus der Erwachsenenperspektive zu deuten. Als Ausweg bietet sich in dieser Situation an, bei der Beschreibung mehrere Möglichkeiten des Vergleichs anzuführen. So kann im Rahmen der formulierenden Interpretation z.B. ein Viereck in einer Kinderzeichnung u.a. mit einer Kiste, einer Sandkiste, Sandburg oder gar mit einem Sprung- oder Schwimmbecken in Verbindung gebracht werden (vgl. weiter unten die exemplarische Darstellung der Zeichnung von Suna). Bei allem Aufwand ist dieser Arbeitsschritt für die weiterführende Interpretation wesentlich. Gleiche Abstände, wiederkehrende oder entgegengesetzte Linienführungen, markante Detaillierungs- oder Farbunterschiede geben meist erste Hinweise auf die formalen Konstruktionselemente, denen in der reflektierenden Interpretation nachgegangen wird.

3.1.2 Die ikonografische Ebene

Bei kunstgeschichtlichen Bildern oder bei Fotografien fließt auf der ikonografischen Ebene das Sujet oder die Stilgeschichte in die Analyse ein. Würden wir analog Kinderzeichnungen ein Thema oder Sujet zuschreiben, basierte dies auf einem an die Zeichnung herangetragenen narrativ-textlichen Vorwissen. Im Rahmen des praxeologischen Forschungsvorgehens der dokumentarischen Interpretation ist die Einklammerung narrativ-textlichen Vorwissens jedoch konstitutiv und damit gilt es, Attribuierungen zu suspendieren. Narratives Wissen ist nur dort unproblematisch, wo wir es mit institutionalisierten oder kommunikativ-generalisierenden Wissensbeständen zu tun haben. Damit gilt es, in den ästhetischen Produkten von Kindern und Jugendlichen Spuren aus deren Erfahrungsräumen nachzugehen. So zeigt sich vielleicht ein Hinweis auf eine gerade populäre Kindersendung, ein Kinderspiel oder, bei Jugendlichen, der Hinweis auf einen aktuellen Song, eine Musikrichtung oder eine bestimmte Jugendszene. Entsprechendes Hintergrundwissen fließt an dieser Stelle in die Interpretation ein.

Auf der Ebene der ikonografischen Interpretation interessieren auch, welche Elemente der Zeichnung als erste gezeichnet wurden und wo, an welcher Stelle, sich die abbildenden Bildproduzent/inn/en eventuell selbst darstellen.

3.2 Die reflektierende Interpretation von Kinderzeichnungen

Um nun auf die Ebene des konjunktiven Wissens der Kinder und Jugendlichen zu gelangen, bedarf es des paradigmatischen Wechsels vom immanenten zum dokumentarischen Sinngehalt, der sich an Imdahls Ikonik orientiert und das genuin Bildliche ins Zentrum rückt – die formalen Strukturelemente des Bildes: die planimetrische Komposition, die szenische Choreografie und die perspektivische Projektion. Diese Modalitäten wirken im Bild als Einheit zusammen, für die Interpretation müssen sie nacheinander beschrieben und methodisch klar voneinander unterschieden werden, um die Sinnkomplexität der Darstellung – das, was uns die Zeichnung »zeigt« – differenziert sichtbar werden zu lassen (vgl. Bohnsack 2009, S. 86).

3.2.1 Die planimetrische Ganzheitsstruktur der Kinderzeichnung

Bei der Rekonstruktion der Formalstruktur der Zeichnung – der planimetrischen Komposition – machen wir uns auf jenen Weg, der uns von der Bildsyntax zur Bildsemantik führt (vgl. Mollenhauer 1996) und den Imdahl (1980, S. 92) als ein »sehende[s] Sehen« beschreibt. In Abgrenzung zum wiedererkennenden, Gegenstände identifizierenden Sehen zielt das sehende Sehen auf die gegenstandsindifferente Komposition des Bildes bzw. der Zeichnung und trägt damit in besonderer Weise der Eigengesetzlichkeit des Bildes Rechnung (vgl. Przyborski 2008, S. 86).

Das Bild stellt – wie Imdahl (1980) eindrücklich zeigt – ein ganzheitliches System dar, in dem die einzelnen Bildelemente durch Größe, Form, Richtung und Lokalisierung im Bildfeld auf das Bildformat Bezug nehmen. Bilder bzw. Kinderzeichnungen sind »Kompositionen«, »individuelle Organisationsformen«, die uns Einblick gewähren in jeweils mehr oder weniger stringent systematisierte Zusammenhänge von Körper und Raum, über die alles in allem »kopräsent« ist (ebd., S. 23). Auf der Basis seiner eigenen Forschungspraxis konnte Imdahl herausarbeiten, dass das bestimmende Strukturelement des Bildes die Linie ist, die uns als zentrale Komponente der Formalstruktur des Bildes dessen semantischen Gehalt vermittelt (vgl. dazu weiterführend Przyborski 2008, S. 84ff. sowie Przyborski und Slunecko in diesem Heft). Forschungspraktisch ist es damit wesentlich, jene planimetrische(n) Linie(n) zu finden, die das Bild bzw. die Zeichnung hinsichtlich seiner Planimetrie als Ganzes strukturiert bzw. strukturieren.

3.2.2 Die perspektivische Projektion – ein Eben-Hier

Bohnsack (2009) unterstreicht, dass wir über die perspektivische Projektion »Einblicke in die Perspektive der abbildenden Bildproduzent(inn)en und ihre Weltanschauungen, ihren Habitus« (ebd., S. 38) erhalten. Panofsky (2001) hebt den Inszenierungscharakter der Perspektive hervor, da die perspektivische Akzentuierung es den Künstler/inne/n ermöglicht, das Interesse auf bestimmte Bildelemente zu legen und damit die Betrachter/innen »gleichermaßen in respektvollem Abstand zum Geschehen zu halten wie [ihnen, G.W.] größte Nähe zu gewähren« (ebd., S. 15). Dieses Eben-Hier der perspektivischen Projektion bezieht die Betrachter/innen damit in das Raumbild ein – für sie, wie für die Interpret/inn/en, wird »der verbildlichte Raum zum einfühlbaren Erlebnisraum« (Imdahl 1980, S. 19). Sozialwissenschaftlich ist die Rekonstruktion der perspektivischen Projektion vor allem dann relevant, wenn die Bildproduzent/inn/en Gegenstand der Untersuchung sind (vgl. Bohnsack 2009, S. 39).

Die Analyse der perspektivischen Gestaltung von Kinderzeichnungen stellt ein Spezifikum dar, da sich in ihnen kaum eine einheitliche Perspektivität rekonstruieren lässt. Kinderzeichnungen können nicht oder nur in Ansätzen mit den ästhetischen Produkten einer bestimmten Epoche oder mit Fotografien verglichen werden. Vor allem für die diesem Artikel zugrunde liegende Studie mit Elf- bis Zwölfjährigen ist es sinnvoll, die Erkenntnisse Mollenhauers in Betracht zu ziehen, der sich in seinen Untersuchungen auf eben diese Altersstufe bezieht. Unter Berücksichtigung von Erkenntnissen aus Entwicklungstheorien, Therapie und Kunstgeschichtsschreibung hat Mollenhauer sieben Stile kindlicher Malerei kategorisiert. Da er sich sowohl auf die Ikonologie Panofskys als auch die Ikonik Imdahls beruft, sind seine Stile methodologisch für die dokumentarische Interpretation von Kinderzeichnungen anschlussfähig. Die Mädchen und Jungen fertigten im Rahmen seiner Untersuchung jeweils mehrere Zeichnungen an und variierten dabei ihre Stile. Thesen einer entwicklungslogischen Verortung sowie einer Parallele von Ontogenese und Phylogenese sind so für die relevante Altersgruppe zumindest in Frage zu stellen (vgl. Mollenhauer 1996, S. 137f.; Bohnsack 2009, S. 246; Wopfner 2012, S. 79f.).

Die Berücksichtigung, ob und welcher Modus der Perspektivität bzw. welcher Fluchtpunkt gewählt wird, ist für die dokumentarische Methode und ihre Frage nach dem Wie der Herstellung, dem modus operandi, von Bedeutung. Wesentlich in der Interpretation der Kinderzeichnungen ist, welche Person, welche sozialen Szenerien und/oder welche gestalterischen Details von den abbildenden Bildproduzent/inn/en fokussiert werden.

Für die sich in Kinderzeichnungen zeigende Perspektivität bietet sich u.a. auch der Rückgriff auf kunsthistorische Analysen an. So kann bei der Interpretation einer Mischperspektive in einer Kinderzeichnung die Auseinandersetzung Max Imdahls (2006, S. 312f.) mit Jacob van Ruisdeals Gemälde Mühle von Wijk hilfreich sein. Indem Ruisdeal die Mühle in einer gänzlich anderen Perspektive gemalt hat, hebt er sie von der umgebenden Landschaft in besonderer Weise ab. Die perspektivische Andersartigkeit stellt eine Akzentuierung dar, die den Blick der Beschauer/innen anzieht. Nach Imdahl erhält die Mühle so eine normgebende Wertigkeit und bringt die Betrachter/innen mit ihr in einen Direktbezug. In ähnlicher Weise finden sich auch in Kinderzeichnungen Elemente und Szenen, die sich perspektivisch vom Rest der Zeichnung abheben. So hat z.B. ein Junge aus der Studie, die diesem Artikel zugrunde liegt, einem Drogenzelt eine besondere Wertigkeit zugeschrieben, indem er ausschliesslich das Zelt in einer Art Zentralperspektive zeichnete. In Analogie zu Imdahls Ausführungen erscheint das Drogenzelt im Rahmen der Gesamtgestaltung damit als ein normgebender Wert. Über die perspektivische Akzentuierung entsteht ein Direktbezug zu den Beschauer/inne/n, dem, so wird interpretiert, ein Mitteilungscharakter innewohnt.

3.2.3 Die szenische Choreografie – das Eben-Jetzt

Imdahl (1980, S. 19f.) beschreibt die szenische Choreografie als »szenische Konstellation der in bestimmter Weise handelnden oder sich verhaltenden Figuren in ihrem Verhältnis zueinander«. Die räumliche Position der abgebildeten Figuren und Gestalten, ihre Blicke und Gebärden zu- bzw. aufeinander stellen einen Aktualitätsausdruck dar, den er mit einer »miterlebte[n] Augenzeugenschaft« in Verbindung bringt.

Betrachten wir die drei formalen Analyseschritte der reflektierenden Interpretation zusammenfassend, wird deutlich, dass sie uns zwingen, die Elemente der Darstellungen nicht isoliert, sondern immer im Zusammenhang mit anderen Elementen zu betrachten – was eine wesentliche Forderung der dokumentarischen Methode darstellt.

Im Sinne von Imdahls Unterscheidung von erkennendem und sehendem Sehen erfordern die perspektivische und die szenische Choreografie ein wiedererkennendes Sehen, während die planimetrische Komposition mit ihren selbstgesetzlichen Relationen auf ein formales und sehendes Sehen ausgerichtet ist. Für die dokumentarische Interpretation stellt die planimetrische Komposition ein System höherer Ordnung dar, das konstitutiv für den Dokumentsinn ist. Sie eröffnet einen Zugang zum Bild als selbst-referenzielles System und gibt uns Einblick in die Eigengesetzlichkeit des Erfahrungsraums der Bildproduzent/inn/en und ihren spezifischen Habitus.

3.3 Ikonologisch-ikonische Interpretation

Über die Synthese aus den Erkenntnissen der formalen Elemente und der vor-ikonografischen und ikonografischen Ebene gelangen wir nun auf die Ebene des atheoretischen Wissens der abbildenden Bildproduzent/inn/en, das ein vorwiegend metaphorisches Wissen ist, in dem – der Sprache vorgelagert – soziale Szenerien und Ausdrucksformen bildlich gespeichert sind und ausgedrückt werden. Über die Rekonstruktion des Herstellungsprozesses des Dargestellten erhalten wir Zugang zum Habitus der abbildenden Bildproduzent/inn/en und dessen Genese in existenziellen Erfahrungsräumen.

4. Fernseher in der Wüste – der Übergang von der Kindheit zur Jugend

Die Zeichnung, die nun exemplarisch dargestellt wird, ist jener Studie entnommen, die an drei österreichischen Schulen durchgeführt wurde, um die Geschlechterorientierungen zwischen Kindheit und Jugend in einem Milieuvergleich zu rekonstruieren. Im Sinne des Prinzips maximaler Kontraste (Strauss/Corbin 1996) wurden möglichst unterschiedliche Schulen ausgesucht: ein großstädtisches Gymnasium, eine multikulturelle großstädtische kooperative Mittelschule und eine ländlich geprägte Hauptschule. Um Zugang zu jenem (Orientierungs-) Wissen zu erhalten, das die Geschlechtervorstellungen der Mädchen und Jungen prägt, wählte ich als Erhebungsinstrument die Zeichnung, da das Zeichnen, wie schon erwähnt, eine Symbolisierungsform darstellt, die der Logik des Bildhaften näher ist als der Sprache (vgl. Langer 1987, S. 95).

Ein Wüstenbild diente in der Erhebungssituation als Zeichenimpuls. Mit der Aufforderung sich vorzustellen, zusammen mit neun Freundinnen und/oder Freunden vier Wochen in der Wüste zu sein, sollten die Kinder eine Szene dieser Wüstenexpedition zeichnen. Da im Rahmen der Gesamtstudie eine Methodentriangulation vorgesehen war, wurden im Anschluss an das Zeichnen Erlebnisaufsätze zum Thema »Lageraufbau« geschrieben, mit einzelnen Kindern Gespräche zu ihren Zeichnungen geführt und Gruppendiskussionen abgehalten. Der empirische Kern der Studie setzt sich aus 90 Zeichnungen und Erlebnisaufsätze, 14 Einzelgespräche und neun Gruppendiskussionen zusammen. Entsprechend der Forderung der dokumentarischen Methode, textliches (Vor-) Wissen bei der Interpretation von Zeichnungen auszuschließen, wurden die Zeichnungen im Rahmen der Studie als erstes interpretiert. In diesem Sinn beschränkt sich auch dieser Artikel auf die Interpretation der Zeichnung, das Wissen aus den dokumentarisch interpretierten Gesprächen fließt nicht ein.

Die Zeichnung Fernseher in der Wüste stammt von einem 12,6 Jahre alten Mädchen namens Suna. Sie ist Schülerin an einem großstädtischen Gymnasium, das sich explizit einer bewussten Koedukation und einer geschlechtersensiblen Lernkultur verschrieben hat. Das Leitbild der Schule legt die Intention offen, mit den Schülerinnen und Schülern, die einem vorwiegend gutbürgerlichen Milieu zuzuordnen sind, tradierte Handlungsmuster zu hinterfragen und sie zu alternativen Handlungsmustern zu ermuntern.

Die Fokussierungsqualität, die zur Auswahl dieser Zeichnung im Rahmen der Studie führte, lag in der Gegenüberstellung zweier Szenen, die sich in ihrer Darstellungsweise unterscheiden. Das Auswahlkriterium für den vorliegenden Artikel liegt in der markanten planimetrischen Komposition, in der die planimetrische Hauptlinie als strukturierendes Element der Zeichnung und als Träger des semantischen Gehalts gut nachvollziehbar sichtbar wird.

Die exemplarische Interpretation der Zeichnung von Suna skizziert die Interpretationsschritte der dokumentarischen Bildinterpretation und geht anschließend jenen Spuren nach, in denen sich Hinweise auf die Entfaltung der (Geschlechts-) Identität der abbildenden Bildproduzentin dokumentieren.

Abb. 1: Fernseher in der Wüste (DIN3 – Bleistift)

4.1 Formulierende Interpretation

4.1.1 Vor-ikonografische Ebene

Aus Platzgründen kann die für die dokumentarische Bildinterpretation wesentliche Beschreibung der Zeichnung nicht komplett ausgeführt werden. Zusammenfassend werden jene Details angeführt, die für die formalen Kompositionsschritte der reflektierenden Interpretation bedeutend sind. Die genaue Beschreibung bringt einerseits gleiche Abstände zwischen verschiedenen Zeichnungselementen zutage, andererseits lassen sich verschiedene parallel verlaufende Linien (= Iterationen) innerhalb der Zeichnung ausmachen.

Gleiche Abstände finden sich:

4.1.2 Ikonografische Ebene – kommunikativ-generalisierende Wissensbestände (Common Sense-Typisierung)

Die abbildende Bildproduzentin hat sich selbst als oberste Figur – über dem Horizont schwebend oder fliegend – dargestellt und mit »ICH« bezeichnet. Die abgebildeten Bildproduzent/inn/en werden nicht namentlich genannt, damit wird nicht offensichtlich, ob sich die Bildnerin hier auf ihre Peers bezieht. Während die Figuren im Bildmittelgrund nicht geschlechtstypisierend zugeordnet werden können, lassen sich von den drei Personendarstellungen im Vordergrund – stereotyperweise – zwei als weiblich und eine als männlich beschreiben.

4.2 Reflektierende Interpretation

4.2.1 Formale Komposition

4.2.1.1 Planimetrische Komposition

Der gesamte Bildaufbau wird dominiert von der Gruppe im Vordergrund und ihrer Blickrichtung auf das Viereck am rechten Bildrand. Wird die Richtung des auf das Viereck weisenden Arms aufgenommen, lässt sich eine schräg von links oben nach rechts unten verlaufende Linie einzeichnen, die das Bild prägt und in zwei Bereiche teilt. An dieser planimetrischen Hauptlinie befinden sich die drei großen Figuren im Vordergrund und der Gegenstand rechts von ihnen. Die Bildmittelsenkrechte und die Bildmittelwaagrechte fokussieren das Gesicht der mittleren Person.

Abb. 2: Planimetrische Komposition

Planimetrische Weiterführung

Die planimetrische Hauptlinie, die in einem stumpfen Winkel von ca. 200° vom linken Zeichnungsrand nach rechts unten verläuft, findet eine Entsprechung in der rechten Dünenkontur der oberen Geländeformation, die sich in der Vordachkante des Zeltes an der rechten Bildkante fortsetzt. Eine weitere Iteration der planimetrischen Hauptlinie lässt sich in der Ausrichtung der gekritzelten Linien im linken unteren Zeichnungseck einzeichnen. Die Iteration der planimetrischen Hauptlinie in der rechten Dünenkante legt nahe, auch den Verlauf der linken Dünenkanten zu betrachten. Auch diese Linienrichtung wiederholt sich in einer der Zeltkanten am rechten Zeichenrand.

Abb. 3: Planimetrische Weiterführung

Während nun die planimetrische Hauptlinie die Zeichnung in zwei Bereiche teilt, zeigt sich über die Iterationen, die direkt (in der rechten Dünenschräge und in der Ausrichtung des Kritzelelements) und indirekt (in der linken Dünenschräge) auf die planimetrische Hauptlinie Bezug nehmen, ein strukturierter Aufbau der Gesamtkomposition, der die Trennung der beiden Bereiche zwar nicht aufhebt, sie jedoch abschwächt.

4.2.1.2 Perspektivische Projektion

Das Bild bringt über die dezentrierte perspektivische Projektion eine Unterscheidung von Vordergrund und Hintergrund ein und verweist auf einen subjektiven Blickpunkt der abbildenden Bildproduzentin (vgl. Panofsky 1992, S. 116ff.). Die Gruppe im Vordergrund tritt wie bei einem Blick durch die Lupe dicht an das Auge (vgl. Mollenhauers »Nähe-Stil«). Da sich der Fluchtpunkt im oberen Bereich des Bildes befindet, oszilliert die Aufmerksamkeit beim Betrachten der Zeichnung zwischen dem planimetrischen Zentrum und dem perspektivischen Fluchtpunkt.

4.2.1.3 Szenische Choreografie

Die szenische Choreografie weist auf zwei Gruppenkonstellationen hin. Die rhythmische Reihe der jeweils gleichen Abstände (siehe vor-ikonografische Ebene) legt ein Einbeziehen des Bildelements am linken Bildrand in beide Szenen nahe und lässt eine Überlappung der zwei Szenerien sichtbar werden. Damit unterscheidet die szenische Choreografie homolog zur planimetrischen Komposition zwei Bereiche, allerdings macht die szenische Choreografie auf die Doppelzugehörigkeit des Sprung- oder Schwimmbeckens aufmerksam.

Die abbildende Bildproduzentin hat sich selbst als Mitglied der hinteren Gruppe gezeichnet, dort an dominanter Stelle und in einer gänzlich anderen Position als ihre Peers.

In der szenischen Choreografie dokumentiert sich des Weiteren eine Homologie zwischen der Position der abbildenden Bildproduzentin und jener der linken Figur im Bildvordergrund. Beide Personendarstellungen sind in der jeweiligen Szenerie so platziert, dass ihnen gegenüber den anderen Mitgliedern der eigenen Gruppe ein größeres Blickfeld eröffnet wird.

Abb. 4: Szenische Choreografie

4.2.1.4 Goldener Schnitt[2]

Der Goldene Schnitt fokussiert je eine Person aus den beiden sozialen Szenerien: die am weitesten rechts gezeichnete, liegende Jugendliche, deren Hand auf das rechte Viereck weist, sowie die ebenfalls am weitesten rechts gezeichnete kleine Figur im oberen Bereich.

Abb. 5: Goldener Schnitt

4.2.2 Ikonologisch-ikonische Interpretation: Auf dem Weg vom Kind zur Jugendlichen

Zwei Szenen – getrennt und doch eins

Über die perspektivische Projektion fokussiert die abbildende Bildproduzentin auf die Gruppe im Vordergrund, die sie gestalterisch von der Gruppe im Hintergrund unterscheidet bzw. stellt sie die beiden Szenerien, bei unterschiedlicher Wertigkeit, gegenüber. Zudem ist es die Darstellungsweise der Figuren im Vordergrund, die den Bildaufbau strukturiert, von der planimetrischen Hauptlinie aufgenommen wird und die Unterscheidung der beiden Bereiche akzentuiert. Auch die szenische Choreografie differenziert zwischen den beiden Gruppierungen, weist jedoch mit ihrer Überlappung der sozialen Szenerien auf eine Verbindung im Bereich des Sprung- bzw. Schwimmbeckens hin. In allen drei Analyseschritten der formalen Komposition – planimetrische Komposition, szenische Choreografie und perspektivische Projektion – dokumentiert sich (wenn auch unterschiedlich ausgeprägt) homolog eine Übergegensätzlichkeit (Imdahl 1980): Trennung bei gleichzeitiger Verbundenheit.

Der Bereich oberhalb der planimetrischen Hauptlinie wird mit der Entwicklungsphase der ausgehenden Kindheit in Verbindung gebracht, der Bereich unter der planimetrischen Linie steht lebenszyklisch für das Ende der Pubertät. Im Bild stehen sich die zwei Welten – Kindheit und Jugend – vorerst gegenüber. Die abbildende Bildproduzentin, die sich im Bild selbst der Gruppe der Kinder zuordnet, zeichnet ihre Altersgenoss/inn/en mit einem schematischen Körper, der keine Hinweise auf eine geschlechtliche Zuordnung aufweist und so die Vorstellung nahelegt, dass in dieser Gruppe das geschlechtliche Wachstum noch nicht begonnen hat. Die Aktivitäten der kleineren und jüngeren Figuren transportieren zudem ein kindliches Herumtollen. Dem steht die Welt der schon älteren Jugendlichen gegenüber, die in ruhigen, zum Teil fast bewegungsunfähigen Posen dargestellt sind. Die szenische Choreografie verbildlicht mit ihrer Überlappung einen Übergang im Bereich des Sprung- bzw. Schwimmbeckens, das gestalterisch (über die Größe der Darstellung) mit der hinteren und damit jüngeren Gruppe in Verbindung gebracht wird, formal über die Planimetrie jedoch in einer Übergegensätzlichkeit der vorderen, älteren Gruppe gleichermaßen zugeordnet ist. Es scheint, als habe die abbildende Bildproduzentin die tumultartig erlebten Geschehnisse der Präadoleszenz hier als Filmsequenz dargestellt. Die kindlichen Figuren tollen über den Hügel, es wirbelt sie herum, bis sie schließlich über einen Sprung ins Becken in der Welt der Jugend landen. Der Weg von der Welt der Kindheit führt über ein nicht näher ausdifferenziertes Stadium – eine Metamorphose? – in die Welt der Jugend. Dabei zeigt die Bildnerin zwar nicht, wie es passiert, am Ende des Weges stehen jedoch junge Erwachsene, die geschlechtstypisiert dargestellt sind. Über die Aktivität des Sprungs, der in der dokumentarischen Interpretation als ein Sprung aus der Welt der Kindheit in die Welt der Jugend rekonstruiert wird, dokumentiert sich zum Ungewissen etwas Intentionales, Lustvolles.

Der Röntgenblick auf den sich entwickelnden weiblichen Körper

Betrachten wir das Mädchen im planimetrischen Zentrum, dann fällt die fahrige, mehrmals ansetzende Strichführung auf und legt die Assoziation des Kritzelns nahe, dem nach Mollenhauer ein leibbezogener Stellenwert zugeschrieben wird. Die Darstellung der Bekleidung eröffnet zwei Deutungsmöglichkeiten: Der Rock kann als ein dünner durchsichtiger Sommerrock gesehen werden, der einen breiten Bund hat oder unter dem eine Hose zu erkennen ist. Es kann sich aber auch um das gestalterische Mittel des Röntgenbildes handeln, das uns zeigt, was sonst verdeckt, verborgen ist – die Beine, die Bikinihose oder den Slip. Auch wenn das Stilelement des Röntgenbildes dem vorvisuellen Realismus (Miedl 2004, S. 41) zugeschrieben wird, in der Literatur finden sich Hinweise, dass noch 12-Jährige diese Art des Zeichnens wählen, wenn ihnen die Dinge (darunter) wichtig sind. Die Bildproduzentin thematisiert den Blick auf das Darunter, den Körper an sich. Die Position des Mädchens am Bildmittelpunkt und im planimetrischen Zentrum betont die Bedeutung dieses Dokumentsinns für die abbildende Bildproduzentin.

Auch bei dem rechts liegenden Mädchen sind die Körperkonturen skizzenhaft gezeichnet. Es trägt ein Bikinioberteil, sonst ist der Oberkörper nackt. Beide Mädchen sind entblößter dargestellt als der Junge, der zudem kompakter und mit exakterer Strichführung gezeichnet ist. Er trägt ein dunkles T-Shirt und eine Hose. In der unterschiedlichen Strichführung bei der Darstellung des Jungen und der Mädchen dokumentiert sich die Auseinandersetzung mit der eigenen Körperlichkeit und dem geschlechtlichen Reifungsprozess der Bildnerin. Die Vorstellung vom Anderen – des Männlichen – scheint klarer bzw. konkreter (anziehender?) als die der eigenen Genusgruppe, des sich entwickelnden Weiblichen.

Indem die planimetrische Hauptlinie über die Körper der beiden reiferen Mädchen verläuft, wird der Kopf dem Bereich der Kindheit und der Körper dem Bereich der Jugend zugewiesen. Die Bildnerin stellt hier die adoleszente Problematik dar, wenn der Körper mit seinen (zu schnellen) Reifungsprozessen als befremdend und irritierend wahrgenommen wird, die psychische Integration der (genitalen) Leiblichkeit dabei noch nicht gegeben ist.

Die heranwachsende abbildende Bildproduzentin zeigt sich konfrontiert mit dem Heranreifen der sexuellen Potenz, den damit einhergehenden Begrenzungs- und Endlichkeitserfahrungen sowie den unterschiedlichen Facetten von Geschlechterbedeutungen (vgl. King 2004, S. 219).

Die Auseinandersetzung mit gesellschaftlich transportierten Rollenstereotypen – der Wunsch nach Authentizität

Die Position des Fernsehers an der das Bild strukturierenden planimetrischen Hauptlinie impliziert die machtvolle Wirkung der Medien und der damit einhergehenden gesellschaftlichen Diskurse, die auf die Gruppe – in besonderer Weise auf die Mädchen – ausstrahlen, gleichzeitig deren Aufmerksamkeit auf sich ziehen.

Über das Zur-Schau-Stellen des weiblichen Körpers und das offensichtliche Bekleidet-Sein des männlichen Körpers thematisiert die abbildende Bildproduzentin die Differenz in der gesellschaftlichen Aufmerksamkeit gegenüber weiblichen und männlichen Körpern. Der Verlauf der planimetrischen Hauptlinie kann – der Sinnkomplexität von Bildern entsprechend – auch in diese Richtung interpretiert werden. Ist der Junge als ganze Person in die planimetrische Konstruktion eingebunden, werden die Gesichter der Mädchen durch die planimetrische Hauptlinie von ihren, zudem entblößter dargestellten Körpern abgetrennt. Da das Gesicht als der wichtigste Träger des Ausdrucks der individuellen, der persönlichen Identität betrachtet wird, wird den Mädchen hier ihre Individualität abgeschnitten – sie sind, bezogen auf die planimetrische Hauptlinie, reduziert auf ihren Körper. Sie scheinen ihrer Individualität beraubt. Nicht so der Junge – er ist als ganze Person im vorderen Bereich der Bildkomposition präsent. Die abbildende Bildproduzentin spricht hier ein gesellschaftskritisches und geschlechtsspezifisches Thema an. Der Blick auf den sich entwickelnden Körper der Mädchen, der als männlicher Blick interpretiert werden kann, blendet die Identität und Persönlichkeit der beiden weiblichen Jugendlichen aus, gleichzeitig fokussiert er deren Körper.

Die Analyseeinstellung des Goldenen Schnitts betont das im Liegestuhl liegende Mädchen. Sie ist nicht nur dem Fernseher am nächsten, sie ist es auch, deren Arm in seine Richtung weist. Zudem ist sie in der am unbeweglichsten Position und Körperhaltung dargestellt, ihre Physiognomie ist am undeutlichsten. Trägt das Mädchen die Brille auf der Stirn oder bedeckt die Sonnenbrille die Augen? Die wenig prägnante Darstellung des Gesichts korrespondiert mit der Darstellung einer entspannten, schlaffen (?) Körperhaltung. In der eher unbeweglichen Körperhaltung und in der undifferenzierten Darstellung des Gesichts dokumentiert sich eine kritische Haltung der abbildenden Bildproduzentin. Sie stellt die weibliche(n) Jugendliche(n) als gefangen von den medial vermittelten Inhalten dar. Der Verlauf der planimetrischen Hauptlinie von links oben nach rechts unten hin zum Fernseher –als negativen Horizont – unterstreicht, dass die Wirkmacht gesellschaftlicher (Geschlechter-) Diskurse die beiden weiblichen Jugendlichen stärker betrifft und gefangen hält als den Jungen. Über die Gegenüberstellung eines aktiven Kindes und einer kaum handlungsfähigen älteren und weiblichen Jugendlichen im Goldenen Schnitt führt die abbildende Bildproduzentin ihre Kritik weiter. Sie veranschaulicht den Verlust von Authentizität durch eine Orientierung am bzw. durch ein unkritisches Unterordnen unter das Diktat medial verbreiteter gesellschaftlicher Diskurse, von dem sie sich distanziert.

Der Flug mit dem Greifvogel – der kritisch-reflexive Blick

Die Darstellung der eigenen Person erhält von der abbildenden Bildproduzentin eine Sonderposition im Rahmen der szenischen Choreografie – des Entwicklungsprozesses. Der Flug mit dem Greifvogel ermöglicht, trotz des Seins in der Gruppe der Kinder, eine Vogelperspektive[3] auf beide Szenerien. »ICH« ist noch Teil der jüngeren Gruppe, hat aber das, was die Älteren tun im Blick – Interesse, Neugier und Kritik werden transportiert.

Grenzt sich die abbildende Bildproduzentin über ihren kritisch-reflexiven Blick vor allem von den beiden reifer dargestellten weiblichen Jugendlichen ab, so verweist die Homologie in den Positionierungen der eigenen Personendarstellung und des Jungen innerhalb der jeweiligen sozialen Szenerien mit dem damit transportierten Weitblick auf einen Sonderstatus des Jungen. Die Bildnerin zeigt sich mehr mit dem Jungen identifiziert, der dem Diktat gesellschaftlicher Diskurse weniger ausgesetzt ist bzw. weniger von ihnen in Bann gezogen scheint. Zudem wird dem Jungen ein weiterer Horizont zugeschrieben als den beiden weiblichen Jugendlichen.

4.3 Zwischen Kindheit und Jugend

In der Zeichnung Fernseher in der Wüste steht die Welt der Kindheit der Welt der Jugend gegenüber. Über die planimetrische Komposition und die szenische Choreografie veranschaulicht die abbildende Bildproduzentin den Übergang von der Kindheit zur Jugend als einen unausweichlichen Prozess, der sie vor zwei wesentliche Herausforderungen stellt: die Auseinandersetzung mit dem reifenden Körper und die Entfaltung einer für sie authentischen Geschlechtsidentität. Im planimetrischen Zentrum – und damit im Zentrum des Dokumentsinns – steht eine weibliche Jugendliche, deren Körper, entsprechend des Verlaufs der planimetrischen Hauptlinie, im Aufmerksamkeitsbereich zweier Fokusse steht: einerseits in dem Ausstrahlungsbereich des Fernsehers als Massenmedium, andererseits in dem Blick vom Anderen, der als männlicher Blick interpretiert wird. Die besondere Bedeutung dieses Aspekts des Entwicklungsprozesses wird über die Planimetrie, das Ausgrenzen der Gesichter/der Individualität und die Gestaltung des weiblichen Körpers, die den Blick auf das Darunter freigibt, unterstrichen. In einer Übergegensätzlichkeit dokumentiert sich im Bild Beängstigendes und Lustvolles dieser neuen Erfahrungen.

Die abbildende Bildproduzentin thematisiert ihre Auseinandersetzung mit dem reifenden Körper, der das Ende der Kindheit markiert, sowie die eigene Betroffenheit von den damit einhergehenden Erfahrungen, den realen Erfahrungen im Blick der (männlichen) Anderen und der Herausforderung, in der Auseinandersetzung mit den gesellschaftlich transportierten Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit eine für sie stimmige authentische weibliche Geschlechtsidentität zu entfalten. In der Zeichnung werden Spuren progressiver Ansätze sichtbar, wenn im Zusammenhang mit dem Sexuell-Werden auf die Möglichkeit des Spiels mit den neuen Reizen, dem eigenen Begehren (vgl. »Röntgenbild«) hingewiesen wird. Im Medium der Ikonizität dokumentiert sich auch die innere, psychische Dynamik, die den Prozess des Übergangs von der Kindheit zur Jugend begleitet.

Die rekonstruierte kritisch-reflexive Auseinandersetzung der abbildenden weiblichen Bildproduzentin mit den gesellschaftlichen Rollenerwartungen in der Zeichnung Fernseher in der Wüste wird, entsprechend der Anlage des Forschungsdesigns, mit den Sozialisationsbedingungen in einem großstädtischen, gutbürgerlichen Milieu sowie mit der gesellschaftskritischen Orientierung des von ihr besuchten Gymnasiums in Verbindung gebracht. Im Rahmen der komparativen Analyse der Studie Geschlechterorientierungen zwischen Kindheit und Jugend wurde diesem Hinweis auf eine milieutypische Auseinandersetzung mit exterioren normativen gesellschaftlichen Erwartungen weiter nachgegangen. Die in der Zeichnung Fernseher in der Wüste rekonstruierten Orientierungen konnten mit jenen des gleichen und jenen der anderen beiden Schul- und Bildungsmilieus kontrastiert, differenziert und schließlich in einer Milieutypik dargestellt werden. Dabei zeigt sich, dass in der Zeit des Übergangs von der Kindheit zur Jugend das sozial-räumliche Milieu die Auseinandersetzungen mit den gesellschaftlich transportierten Rollenerwartungen stärker prägt als das Bildungsmilieu (vgl. Wopfner 2012).

5. Das Zeichnen als Bereitstellung eines Übergangsraums

Die Bildnerin befindet sich in einer Lebensphase, in der die psychische Anstrengung nicht nur den Abschied von der Kindheit und den kindlichen Beziehungen betrifft. Sie zeigt sich in der kritischen Auseinandersetzung mit gesellschaftlich transportierten Diskursen, die sich durch die Zeichnung als negative Horizonte dokumentierten, gefordert, Aspekte des Bestehenden in Frage zu stellen und, für sie stimmig, kreativ umzugestalten. Die damit einhergehenden Unsicherheiten und Ängste stellen die inneren Bedingungen dieses Individuierungsprozesses dar, die uns die Zeichnung – im Medium der Ikonizität – zeigt. Indem in Sunas Bild inneres Erleben und äußere Realität in eins gesetzt sind, entspricht die Darstellung Winnicotts Konzept der intersubjektiven Genese des Selbst und des intermediären Raums (2006 [1971]).

Ausgehend von seiner Kritik am Dualismus von Innen und Außen, Subjekt und Objekt führte Winnicott mit der Beschreibung von Innen, Außen und Zwischen einen dritten Aspekt ein. Er entwarf einen intermediären Raum der Erfahrungen zwischen Subjekt und Objekt, zwischen innerem Erleben und äußeren Erfahrungen, in dem beide erst entstehen bzw. Neues, Kreatives sich entfalten kann. Sein Konzept des intermediären Raums wird in der Literatur mit der Struktur der Identitätsarbeit verglichen, die eine Balance zu schaffen hat zwischen äußeren Erwartungen, gesellschaftlichen Rollenanforderungen und der inneren Wirklichkeit, in der Identifizierungen, Abkömmlinge unbewusster Fantasien und idiosynkratische Wünsche enthalten sind. Martin Altmeyer (2005) spricht pointiert von einem sozialen Geburtsraum der (Geschlechts-) Identität (vgl. ebd., S. 48).

In diesem Sinn hat der Prozess des Zeichnens in der Erhebungssituation einen Raum zur Verfügung gestellt, in dem kulturelle Vorgaben und internalisierte Muster, innerpsychische Fantasien und Wünsche mit einander verbunden werden konnten und einen Ausdruck fanden. Mit Winnicott wird die Kinderzeichnung so zu einem Übergangsraum oder intermediären Raum, in dem sich die Erfahrungen des Außen mit dem Inneren treffen und Latentes einen Raum erhält, sich zu äußern.

Die nicht nur erkennende sondern auch sehende Analyseeinstellung der dokumentarischen Interpretation ermöglichte, die sich in der Zeichnung dokumentierenden Herausforderungen des Übergangs von der Kindheit zur Jugend in einer Komplexität zu rekonstruieren, wie sie uns wohl nur das Medium des Bildes zeigt.

Literatur

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Wopfner, Gabriele (2012): Geschlechterorientierungen zwischen Kindheit und Jugend. Dokumentarische Interpretation von Kinderzeichnungen und Gruppendiskussionen. Opladen, Berlin, Toronto (Barbara Budrich).

Endnoten:

[1]

Zur Kritik an der dokumentarischen Methode Mannheims innerhalb der Kunstgeschichte: Barboza 2009, S. 53, zur Kritik an der Kritik: ebd., S. 57.

[2]

Der Goldene Schnitt wird als möglicher Analyseschritt in die formale Interpretation aufgenommen. Er teilt Strecken in einem Verhältnis von 2:3 oder 3:5 und wurde schon in der Antike als Inbegriff von Harmonie und Ästhetik betrachtet. Er gilt auch heute noch als ideale Proportion in Kunst und Architektur. Bohnsack (u.a. 2009, Kap. 4.2.2) führt diesen Analyseschritt in seiner Methodenbeschreibung nicht explizit an, forschungspraktisch weist er – u.a. in Forschungswerkstätten – auf diese Möglichkeit jedoch hin.

[3]

Die Vogelperspektive verweist über den weiteren Horizont symbolisch auf eine reflexive Auseinandersetzung. Diese differenziertere Art des Denkens ermöglicht den 12- bis 14-Jährigen eine weitgehende Dezentrierung des Subjekts, die als kognitive Voraussetzung den Individuierungsprozess der Adoleszenz erst möglich macht (vgl. u.a.: zweite Maxime von Hurrelmann 1999, S. 75; King 2004, S. 86).

Über die Autorin

Gabriele Wopfner

Dozentin am Institut für Religionspädagogische Bildung der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule – Edith Stein, Fachbereich Ausbildung, 6422 Stams, Stiftshof 1.

E-Mail: gabriele.wopfner@kph-es.at