Leben machen und sterben lassen: Antimuslimische und andere Rassismen in der Regulierung von »Drogenabhängigen« ohne deutsche Staatsangehörigkeit

Viktoria Bergschmidt

Zusammenfassung

Im Mittelpunkt des Beitrags steht die besondere Gefährdung »ausländischer Drogenabhängiger«, zu sterben oder abgeschoben zu werden, die sich aus dem Ineinandergreifen ausländer-, sozial- und betäubungsmittelrechtlicher Regulierungen ergibt. Unter Rückgriff auf Michel Foucaults Bio-Machtanalytik analysiert der Beitrag diese »Gefährdung« als Effekt jener leben machenden und sterben lassenden Zäsursetzung, die für Foucault den Kern des Rassismus ausmacht. Der Beitrag geht den vielfältigen kulturalisierenden, orientalisierenden und biologisierenden Rassismen nach, die in die Logik und die Genealogie der gesetzlichen Regulierung »ausländischer Drogenabhängiger« eingehen, an die auch der antimuslimische Rassismus anknüpft. Dies ist insbesondere die Konstruktion von »nichteuropäischen Ausländern« als besondere »Gefahr« für die »Volksgesundheit«, in die u.a. die verbreitete Repräsentation von »Ausländern« als »Dealer« eingeht. Die leben machenden und sterben lassenden Effekte der hier analysierten Regulierungen werden dabei nicht unter Aussetzung des Rechts, sondern mit dem Recht, innerhalb des Rahmens des freiheitlich-demokratischen Rechtsstaats erzeugt, so das Fazit des Beitrags.

Schüsselwörter: Drogenabhängigkeit, Ausländerrecht, Rassismus, antimuslimischer Rassismus, Volksgesundheit, Biomacht

Summary

This contribution is centered on the special danger of dying or being deported, which characterizes the situation of «drug-addicts” without German citizenship. This danger is produced by the intersection of social-, immigrant-, citizenship- and narcotic drug laws. This «danger” is analyzed in terms of Michel Foucault’s analysis of bio-power as the power «to make live and to make die”. The article sketches the intersections of diverse strands of racisms in the logic and genealogy of regulating «drug-addicted non-citizens”, including culturalizing, orientalizing und biologizing racisms, to which current anti-muslim racisms connect. Specifically, these racisms include the construction of «non-european foreigners” as particularly «dangerous” for the «Volksgesundheit” or the health of the population, which reproduces the widespread racist image of «foreigners” as «drug dealers”. The regulation of drug-addicted non-citizens differentiates between those, who are to live and those, who can be symbolically und physically let to die, which for Foucault characterizes racism. As the article highlights, this racism is not produced by the suspension of law, but by means of law, within the framework of the constitutional state.

Keywords: Drug-addiction, foreigner’s law, racism, anti-muslim racism, people’s health, bio-power

Im Mittelpunkt dieses Beitrags steht die besondere Gefährdung »ausländischer Drogenabhängiger«[1], zu sterben oder abgeschoben zu werden.[2] Diese Gefährdung ergibt sich aus dem Ineinandergreifen ausländer-, sozial- und betäubungsmittelrechtlicher Regulierungen, die der Beitrag unter Bezugnahme auf Michel Foucaults (1999) Rassismusanalyse als leben machende und sterben lassende Zäsursetzung analysiert. Ausgangspunkt der Darstellung bildet das Praxisbeispiel einer »migrantenspezifischen« Langzeitdrogentherapieeinrichtung. Es folgt die Analyse der unterschiedlichen Logik der gesetzlichen Regulierung »ausländischer« und »deutscher Drogenabhängiger«, die »ausländische Drogenabhängige« als besonders »gefährlich« für die »Volksgesundheit« konstruiert. Dies entspricht der verbreiteten Repräsentation von »Ausländern«[3] als »Drogendealer«, in die ebenso wie in die Konstruktion einer besonderen Gefährlichkeit »nichteuropäischer Ausländer_innen«[4] vielfältige kulturalisierende, orientalisierende, sexualisierende und biologisierende Rassismen eingehen, an die auch der antimuslimische Rassismus anknüpft. Die gesetzliche Regulierung von »Ausländer_innen« und »Drogenabhängigen« formierten sich als bevölkerungspolitische Technologien der Bio-Macht, die auch innerhalb des freiheitlich demokratischen Rechtsstaats ihre leben machenden und sterben lassenden Wirkungen zeitigen, so das Fazit des Beitrags.

»Die sind schon fast alle tot oder abgeschoben« – Suchthilfe für »ausländische Drogenabhängige«

Am ersten Tag meiner Forschungshospitation in einer Langzeittherapieeinrichtung für drogenabhängige »Migranten« führte mich einer der Klienten[5] durch das Haus. Als wir an einer Reihe von Fotografien vorbeikamen, die ehemalige Klienten der Einrichtung zeigen, sagte er: »Die sind schon fast alle tot oder abgeschoben«. Durch diesen Kommentar wurde ich auf eine Problematik gestoßen, die aus der psychosozialen Fachdiskussion und Forschung zu »interkultureller Suchthilfe« weitgehend ausgeblendet wird, jedoch für die suchttherapeutische Arbeit mit Drogenabhängigen ohne deutschen Pass von zentraler Bedeutung ist: Die Gefahr des Verlusts des ehemals scheinbar »sicheren« Aufenthaltsstatus, die sich aus dem Ineinandergreifen betäubungsmittelstrafrechtlicher und ausländerrechtlicher Regulierungen ergibt. Aufgrund der Schwierigkeiten, die sich daraus u.a. für die Kostenübernahme ergeben, haben aufenthaltsrechtliche Probleme wiederum eine gravierende Erschwerung des Zugangs zur Suchthilfe zur Folge.

Im Gegensatz zu »deutschen Drogenabhängigen« sind »ausländische Drogenabhängige«[6] also gefährdet, im Verlauf ihrer Abhängigkeit ausgewiesen und abgeschoben zu werden. Entsprechend tragen sie im direkten Vergleich ein deutlich höheres Risiko, mangels Suchthilfe zu sterben – sei es an den sog. »Folgeerkrankungen« des (intravenösen) Konsums unter Kriminalisierungsbedingungen (Hepatitis, HIV usw.), anderen nichtbehandelten Krankheiten oder einer versehentlichen oder gewollten Überdosis. Die eingangs erwähnte Therapieeinrichtung wurde dementsprechend Anfang der 1980er Jahre mit dem Ziel gegründet, ein qualifiziertes suchttherapeutisches Angebot zu schaffen, das auch für Drogenabhängige mit aufenthaltsrechtlichen Problemen zugänglich ist. Während meiner Forschungshospitation 2004/2005 hatte etwa die Hälfte aller Klienten bei der Aufnahme einen unklaren Aufenthaltsstatus oder eine Duldung. Hierbei handelte es sich fast ausschließlich um die Klienten »nichteuropäischer«, zumeist türkischer oder libanesischer Herkunft, die trotz ihrer Geburt und/oder ihres Aufwachsens in Deutschland rechtlich als »Ausländer« gelten. Die Klienten ohne aufenthaltsrechtliche Probleme hatten zumeist aufgrund der ihnen zugeschriebenen »Deutschstämmigkeit« die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten.

Die aufenthaltsrechtlichen Probleme werden oftmals als existentiell bedrohlich erlebt; sie erschweren den Verzicht auf den Substanzkonsum und erhöhen die Rückfallgefahr. Die kompetente psychosoziale Unterstützung nicht nur bei der Stabilisierung der aufenthaltsrechtlichen Situation sondern auch bei der Bewältigung der mit dieser Situation verbundenen Angst und Hoffnungslosigkeit ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass sich die Klienten überhaupt auf die Therapie einlassen können. Eine Stabilisierung der aufenthaltsrechtlichen Situation ist allerdings, wie eine Mitarbeiterin Anfang 2005 im Experteninterview erzählte, insbesondere für die »nichteuropäischen« Klienten zunehmend schwierig geworden. Zuvor konnte die Mitarbeiterin auf der Grundlage einer positiven Prognose hinsichtlich der Fähigkeit eines Klienten, nach dem Abschluss der Therapie ein drogenfreies Leben führen zu können, oftmals sogar erreichen, dass statt einer Duldung (wieder) eine (wenngleich befristete) Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Nun werde häufig noch nicht einmal mehr die Duldung der Klienten über die Zeit der Therapie hinaus verlängert, vielmehr werde ihnen mitgeteilt, dass sie nach der Therapie sofort abgeschoben werden.

Zur Begründung verweise die Ausländerbehörde darauf, dass ihr eine positive Prognose nicht ausreiche; diese sei schließlich keine Garantie dafür, dass jemand nicht doch wieder rückfällig werde und Straftaten begehe. Die Ausländerbehörde berufe sich dabei oftmals auf die verschärften »Sicherheitsregelungen«, die seit den sog. »Septemberattentaten« von 2001 eingeführt worden sind. Der Einrichtung blieb in diesen Fällen nur noch die Vorbereitung der Klienten auf ein »cleanes« Leben in jenem Land, in welches sie später abgeschoben werden – ein Therapieziel, das 2005 erstmals in den Therapieplan eines Klienten aufgenommen wurde. In den Folgejahren beendeten fast alle Mitarbeiter_innen ihre Arbeit in der Einrichtung, und zwar u.a. auch, weil sie die zunehmende Beschneidung ihrer Handlungsmöglichkeiten als zu belastend erlebten, und/oder sich auf politischer Ebene gegen diese Beschneidung ihrer Handlungsmöglichkeiten, die ihnen die aufreibende Einzelfallarbeit als zunehmend sinnlos erschienen ließ, einsetzen wollten. Heute existiert die Einrichtung de facto nicht mehr, was für drogenabhängige »Migrant_innen« mit aufenthaltsrechtlichen Problemen eine weitere Verschärfung ihrer Situation bedeutet.

Leben, das weniger zählt

Das Betäubungsmittelstrafrecht bedroht jeden unerlaubten Umgang mit Betäubungsmitteln (BtM) mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren (§ 29 BtMG), auch dann, wenn dieser unerlaubte Umgang nur dem Zweck des BtM-Konsums dient. Dies entspricht der Strafandrohung für schwere Brandstiftung, Vergewaltigung oder gefährliche Körperverletzung. Im Zuge der Reformen des Betäubungsmittelstrafrechts war das angedrohte Strafmaß einerseits immer weiter erhöht worden. Zugleich schuf man für betäubungsmittelabhängige Straftäter die Möglichkeit, eine Freiheitsstrafe durch eine der »Rehabilitation dienende Behandlung« zu ersetzen (Therapie statt Strafe, §§ 35ff. BtMG), was dem juridischen Selbstverständnis nach eine »Humanisierung« des Betäubungsmittelstrafrechts darstellte (vgl. Körner 2001).

Im Hinblick auf »Drogenabhängige« solle das Betäubungsmittelgesetz generell nicht als Strafinstrument, sondern als »lebensrettender Initialzwang zur Therapie« gehandhabt werden, so ein einschlägiger Kommentar zum Betäubungsmittelgesetz (Körner 2007, S. VII). Im gleichen Kommentar heißt es, dass drogenabhängigen »Verurteilten aus dem Ausland« zwar ebenfalls grundsätzlich »Therapie statt Strafe« zu gewähren sei – jedoch nur, wenn dem keine »ausländerrechtlichen Bedenken« entgegenstünden (ebd., S. 1194). Gerade bei betäubungsmittelabhängigen Straftätern, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind, und ausgewiesen wurden, sei davon auszugehen, dass sie die Entlassung aus der Haft nutzen würden, um sich der Abschiebung zu entziehen; nur dann, wenn mit der Vollstreckung der Abschiebungsverfügung nicht zu rechnen sei, dürfe «Therapie statt Strafe« gewährt werden (ebd., S. 1195).

Wie dieses Beispiel zeigt, unterhöhlt das Ausländerrecht eben jene zentrale Therapie-statt-Strafe-Regelung, die dem juridischen Selbstverständnis nach zur »Humanisierung« (vgl. ebd., S. 2001) des Betäubungsmittelstrafrechts im Hinblick auf betäubungsmittelabhängige Straftäter eingeführt wurde. Denn im Ausweisungsrecht ist es anders als im Strafrecht, das seinem Selbstverständnis nach an der Tatschuld orientiert ist, völlig unerheblich, ob eine Straftat aufgrund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen worden ist oder nicht – es geht allein um die Abwehr möglicher zukünftiger »Gefahren«, die sich aus dem Aufenthalt des »Ausländers« im Bundesgebiet ergeben könnten. Eine Betäubungsmittelabhängigkeit wirkt sich dabei auf die ausländerbehördliche Gefahrenprognose nicht nur nicht »mildernd« aus (wie dies im Strafrecht der Fall ist), sondern kann sogar verschärfend wirken, wie den Begründungen der Ablehnung einer Verlängerung der Duldung über die Zeit der Therapie hinaus durch die Ausländerbehörde zu entnehmen ist.[7] Zugleich hat eine Ausweisung eine viel einschneidendere Wirkung als eine (zeitlich immer begrenzte) Freiheitstrafe, da sie in das Recht eingreift, überhaupt Rechte zu haben (vgl. Greabsch 1998), und so Auswirkungen auf alle Lebensbereiche hat.

So hat eine Ausweisung u.a. auch zur Folge, dass jemand auch dann, wenn er oder sie nie einen Asylantrag gestellt hat, unter das »Asylbewerberleistungsgesetz« fällt. Dies bedeutet nicht nur ein Leben unterhalb des für Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger berechneten Existenzminimums, eingeschränkte Mobilität und ein zeitlich befristetes Arbeitsverbot sondern auch die starke Beschränkung des Zugangs zu medizinischen, einschließlich suchttherapeutischen Leistungen. Eine Ausweisung kann dabei keineswegs nur verfügt werden, wenn jemand eine Straftat begangen hat. Vielmehr kann eine Ausweisung beispielsweise auch aufgrund des Bezugs von Sozialhilfe oder Hilfen zur Erziehung erfolgen (§§ 55 Abs.2 Nr.6 und Nr. 7 AufenthG) – Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch also, deren Aufgabe es ist, »ein menschenwürdiges Dasein zu sichern« (§ 1 Abs. 1 SGB I).[8]

Obgleich also das BtMG keine Norm enthält, die »Ausländer« diskriminiert, ergibt sich aus dem Ineinandergreifen betäubungsmittelstrafrechtlicher, sozialrechtlicher und ausländerrechtlicher Regulierungen eine grundsätzlich unterschiedliche Logik der Regulation »deutscher« und »ausländischer Drogenabhängiger«: Während die betäubungsmittelstrafrechtliche Regulierung von »Drogenabhängigen« heutzutage nicht mehr auf Strafe sondern auf ihre Zuführung zu einer »lebensrettenden« Therapie zielt, steht im Hinblick auf »ausländische Drogenabhängige« mit einer Ausweisung die Abwehr von Gefahren im Vordergrund – ihr Leben ist Leben, das weniger zählt.

»Gefahr« für die »Volksgesundheit« – »Ausländer« als »Verführer« und »Dealer«

Schutzgut des Betäubungsmittelstrafrechts, das jeden unerlaubten Umgang mit BtM mit einer vergleichsweise hohen Freiheitsstrafe bedroht, ist die »Volksgesundheit«. Dieser Begriff bezieht sich nicht nur auf den Schutz des Lebens und der Gesundheit des Einzelnen, der bereits im Strafrecht normiert ist (§§ 211ff., 222, 223ff. StGB). Und er beinhaltet auch mehr als die Gesundheit vieler Menschen, wie dies beispielsweise im Lebensmittel- und Arzneimittelrecht oder im Umweltstrafrecht der Fall ist, wo der Begriff »Volksgesundheit« gleichbedeutend mit »öffentlicher Gesundheit« verwendet wird (Nestler 1998, S. 710). Im Betäubungsmittelstrafrecht beinhaltet der Schutz der »Volksgesundheit« vielmehr auch den Schutz von »Rechten und Interessen Dritter und der Gesellschaft« (ebd.), so z.B. der Schutz der Allgemeinheit vor dem Wegfall von Arbeitskräften, vor Belastungen der Kranken- und Sozialkassen, vor der sog. »Beschaffungskriminalität«, vor der Zerstörung von Familien usw.

Die doppelte, betäubungsmittel- und ausländerrechtliche Normierung eines Verbots des unerlaubten Betäubungsmittelumgangs und der besondere Stellenwert, den ein Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz im Ausländerrecht[9] hat, konstruieren »Ausländer« im Vergleich zu »Deutschen« als besonders abschreckungsbedürftig im Hinblick auf das Begehen von BtM-Straftaten und damit als besondere »Gefahr« für die »Volksgesundheit«. Diese wird zwar, so die Logik der Regulation, auch durch die Betäubungsmittelkonsument_innen gefährdet. Insbesondere wird aber der »illegale Händler«, der »gewissenlos am Unglück der anderen Menschen [profitiert]«, als »Verbrecher« charakterisiert, der »die ganze Schärfe des Gesetzes erfahren« solle, wie es bereits 1970 in der Begründung des Betäubungsmittelgesetzentwurfes heißt (BR-Drs. 1970, 665/70, S.2, zit. in Nestler 1998, S. 711.).[10]

Im medialen Diskurs der Nachkriegszeit wurde die Verbreitung des »Rauschgiftkonsums« in der Gesellschaft von Anfang an mit »Ausländern« in Verbindung gebracht. Wie eine Inhaltsanalyse von Printmedien der Boulevardpresse aus der Zeit von 1957 bis 1987 zeigt (vgl. Stehr 1998), wurde bereits im Vorfeld der Wahrnehmung eines gravierenden gesellschaftlichen »Drogenproblems« die »Verführung« deutscher Frauen zum »Marihuanagenuss« mit den in Deutschland stationierten U.S.-amerikanischen Streitkräften verknüpft – und hier insbesondere mit den afroamerikanischen Soldaten. So warnte beispielsweise die BUNTE die »deutsche Öffentlichkeit« bereits 1964 vor der Verführung zum Marihuanakonsum, der in mehreren Fällen »mit einem Ausländer [begann]«: »Viele weibliche Personen, die mit Negern befreundet sind [...], wurden an Marihuanagenuss gewöhnt« (Bunte Nr. 13/1964, zit. in Stehr 1998, S. 97).[11] Wenig später waren es dann auch die türkischen »Gastarbeiter«, die laut Mediendarstellung den »Heimaturlaub« nutzen, um als »Nebenverdienst« Drogen in die Bundesrepublik zu schmuggeln (vgl. ebd., S. 96f.).

Wie eine Vielzahl solcher Beispiele aus der Medienberichterstattung zeigt, ist das frühe Bild vom »Ausländer« als »Dealer« sowohl rassifiziert als auch sexualisiert, und zudem mit orientalisierenden Motiven wie »Teehäuser in Tanger« und der »chinesische[n] Opiumhöhle« (ebd.) verknüpft. Solche orientalisierenden Konstruktionen finden sich bereits am Anfang der Einführung der »Morphiumabhängigkeit« in dem öffentlichen Diskurs, und gehen bis heute in die Konstruktion »kulturfremder« psychotroper Substanzen ein. So führte die Berliner Klinische Wochenschrift 1875 den Morphiumkonsum zu Genusszwecken als »Mode unserer gebildeten und höheren Stände« ein, der sowohl vom »Alkoholrausch« des »gemeinen Mannes« abgegrenzt wird als auch vom Opiumkonsum des »Muselmannes« bzw. »Türken«, der das Opium »mit gekreuzten Beinen dem Tschibuk entnimmt« (zit. in Ridder 2000, S. 27): Ihrer »höheren Kultur entsprechend« nähmen sie das Opium gleich als »reines Alkaloid« zu sich (ebd.). Und das dem Cannabis zugeschriebene »amotivationale Syndrom« wird noch Mitte der 1990er Jahre mit »orientalisch anmutende(r) Gelassenheit« verbunden (Täschner 1994, S. 13, zit. in Graebsch 1998, S. 109).

Für die Ende der 1970er Jahre ausgerufene »Heroin-Krise« wurden dann nicht mehr nur vereinzelte »türkische Gastarbeiter unter Verdacht [gestellt]« (vgl. Stehr 1998, S. 98), sondern eine Professionalisierung des BtM-Handels unterstellt. So schreibt das Nachrichtenmagazin STERN von »Profi-Tricks« der »türkischen Produzenten«, die »von der US-Mafia bekannt« seien (Stern Nr. 43/1979, zit. ebd.). Das Heroin würde »in Autotanks eingeschweißt« oder »im so genannten ‚Container-Verkehr’ transportiert«: Frauen schoben sich »Heroin gefüllte Präservative in die Vagina, Männer schluckten Heroin-gefüllte Präservative, um sie hernach in der Bundesrepublik wieder auszuscheiden« (ebd.). Diese Assoziation von »Drogen« mit »Ausgeschiedenem« macht den organisierten »Rauschgifthandel« buchstäblich zum »schmutzigen Geschäft« (QUICK Nr. 7/1984, zit. ebd., S. 99), und die »Rauschgifthändler« zu »Verbrechern«, die »keine Moral« haben, sondern »nur Geld [wollen]« (Bunte 15/1964, zit. in ebd., S. 97). »Opfer« dieser »eiskalte[n] Geschäftsleute, die jetzt in unser Land drängen«, seien dabei insbesondere »unsere Söhne und Töchter« (Bunte 13/1964, zit. in ebd., S. 97). Diese Konstruktion einer Gefährdung »unserer« Nachkommen verleiht der »Gefährdung« der »Volksgesundheit« durch die »ausländischen Dealer« eine weitere, rassenhygienische Dimension.

Die Repräsentation vom »Ausländer« als »Dealer« findet sich auch in dem als Autobiografie inszenierten, 1978 erstmals erschienenen STERN-Bestseller »Wir Kinder vom Bahnhof Zoo – Die Geschichte der Christiane F.« (Anonyma 1999). So ist für den als »Experte« zu Wort kommenden Leiter der Rauschgiftinspektion der Berliner Polizei klar: »Die Schmuggler und Großhändler sind [...] fast ausschließlich Ausländer (ebd., S. 238). Und auch für die Protagonistin »Christiane« sind die »Kanaken« bzw. »Türken« »geborene Dealer« (ebd., S. 279). Christiane setzt sich zwar von dem gängigen Medienbild ab, dass sie als »armes Mädchen von einem bösen Fixer oder Dealer angefixt wurde« und betont, dass die »meisten Jugendlichen [...] ganz allein zum H [kommen]« (ebd., S. 91). Gleichwohl spielt die Figur des »Kanaken« in Christianes Narration eine zentrale Rolle. Der Begriff »Kanake« taucht erstmals in der Inszenierung des Bahnhof Zoo als Ort auf, wo »das letzte Pack ist« (ebd., S. 112): »Die Stricher, die Bräute, die Kanaken, Bullen, Penner, die ganze Kotze« (ebd., S. 113). »Kanaken« werden zunächst sexualisiert, nämlich als »Freier« inszeniert, die dauernd hinter (deutschen) Mädchen her seien, und denen sich Christiane überlegen fühlt, wenn sie ihnen eine »Absage« erteilt, und sie mit »eingezogenen Schwänzen [...] davonschleichen« (ebd., S. 113).[12] Als sie sich selbst zur Finanzierung ihres Drogenkonsums prostituiert, ist es zentral für ihre »Stricherehre«, nie mit »Kanaken« zu gehen – das galt allgemein als »das Letzte« (ebd., S. 143). Als sich Christiane im weiteren Verlauf ihrer Drogenabhängigkeit dazu gezwungen sieht, diese Grenze zu überschreiten, wird sie selbst buchstäblich zu »Dreck« (ebd., S. 151), und hofft, dass ihr Körper »einfach wegstirbt« (ebd., S. 161).

Auch wenn »Dealer« in der Geschichte der Christiane F. nicht gezielt zum Drogenkonsum verführen, gefährden »Ausländer« als »geborene Dealer«, die selbst trotz gelegentlichen Rauschgiftkonsums nicht abhängig werden, den Bestand der gesamten westlichen Bevölkerung:

»Ich merkte, dass diese Kanaken echt mit Rauschgift umgehen konnten. Ganz anders als die Europäer. Für uns Europäer war H ungefähr dasselbe wie früher für die Indianer das Feuerwasser. Ich dachte mal, mit H könnten die Orientalen die Europäer und Amerikaner genauso ausrotten, wie damals die Europäer mit Alkohol die Indianer« (Anonyma 1999, S. 279).

Solche Konstruktionen von »Ausländern« als »Dealer«, die das Leben vieler Menschen bedrohen, finden sich nicht nur in Boulevardpresse und Sensationsliteratur, sondern auch im seriösen Diskurs des bereits zitierten Kommentars des BtMG. So ist zum einen von »afrikanischen Dealern« die Rede, die »Bewohner von Asylantenwohnheimen« BtM verkaufen lassen, und von »ganze[n] Wohnsiedlungen von Kurden [...], die Geheimzellen [bilden], die sich mit dem Schmuggel und Handel von Heroin befassen« (Körner 2001, S. 871). Im Vorwort zur Fassung von 2007 findet sich darüber hinaus die Verschränkung der Konstruktion des »ausländischen Dealers« mit dem Diskurs des auf die Tötung möglichst vieler Menschen ausgerichteten »Terrorismus«:

»Drogenhändler bieten nicht nur die verschiedensten Arten von BtM [...] sondern auch verschiedene Sprengstoffe an. Selbstmordattentäter konsumieren vor dem Einsatz BtM, um den Einsatz bis zur Explosion durchzustehen und möglichst viele Menschen mit in den Tod zu nehmen« (Körner 2007, S. VIII).

Besonders »gefährlich«: »Nichteuropäische Ausländer«

Die rechtliche Konstruktion einer besonderen »Gefährlichkeit« von »Ausländern« für die »Volksgesundheit« betrifft nicht alle »Ausländer« gleichermaßen, sondern nur Staatsangehörige aus Ländern, die nicht der Europäischen Union angehören, also »nichteuropäische Ausländer«. So findet das Aufenthaltsgesetz »keine Anwendung auf Ausländer, deren Rechtsstellung von dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern geregelt ist« (§ 1 Abs. 2 Satz 1 AufenthG).

Das 2005 in Kraft getretene Aufenthaltsgesetz entstand zum einen als »Antwort auf die zunehmende Globalisierung und die damit verbundene Flexibilisierung der Arbeitsmärkte« sowie die »Mobilisierung der Arbeitskräfte«, wie es im Gesetzeskommentar heißt (Renner 2011, S. 6). Die ohnehin stattfindende »Zuwanderung« soll wirtschaftlichen Interessen entsprechend und unter Berücksichtigung der »Integrationskapazitäten« der Bundesrepublik gesteuert und vor allem »begrenzt« werden (vgl. § 1 Abs. 1 AufenthG). Dementsprechend wird »Integration« durch Kurse, »die Ausländer an die Sprache, die Rechtsordnung, die Kultur und die Geschichte Deutschlands heranführen« (§ 43 Abs. 2 AufenthG), erstmals umfassend im Ausländerrecht geregelt (vgl. Renner 2011, S. 7). Zu diesen Kursen können »Ausländer« verpflichtet werden; wenn »notwendige« Integrationskurse nicht besucht werden, kann dies aufenthaltsrechtliche Konsequenzen haben (§ 44a AufenthG).

Einen zweiten genealogischen Strang des Aufenthaltsgesetzes in seiner heutigen Form bilden die Anschläge auf das World Trade Center vom 11. September 2001. In der Folgezeit wurde das Ausweisungsrecht verschärft und es wurde eine Reihe von Ausweisungsgründen hinzugefügt, die die These nahelegen, dass gegenwärtig insbesondere jene »nicht-europäischen Ausländer« als besonders »gefährlich« gelten, die als »muslimisch« markiert sind. So ergeben die neu hinzugekommenen Ausweisungsgründe eine geradezu paradigmatische Konstruktion des »Anderen« der »westlichen Kultur« (vgl. Attia 2007) bzw. der Bundesrepublik Deutschland als westlicher, demokratisch-freiheitlicher Rechtsstaat[13]: Billigung von Terrorismus, religiöser Fanatismus und »Hasspredigten«, gezielte Einwirkung auf Kinder und Jugendliche zum »Hass auf Angehörige anderer ethnischer Gruppen oder Religionen«, »Integrationsverweigerung« und die Bildung von »Parallelgesellschaften«, Einschränkung sexueller Freiheit insbesondere jener von Frauen durch »Zwangsehen«.[14] Zwar sind auch diese Ausweisungsgründe im Gesetz nicht explizit im Hinblick auf »Muslime« und »den Islam« bezogen (was auch dem Diskriminierungsverbot widersprechen würde). Die historischen Bedingungen der Gesetzesreformierungen und der seit den »Septemberattentaten« zunehmend im öffentlichen Diskurs verbreitete antimuslimische Rassismus legen jedoch nahe, dass die genannten Ausweisungsgründe im Wesentlichen auf die Abwehr von »Gefahren« zielen, die angeblich von einer wachsenden »nicht-integrierten«, religiös-fanatischen »muslimischen« Bevölkerungsgruppe ausgehen.[15]

Nimmt man die restlichen Ausweisungsgründe hinzu, also die Ausweisung wegen Straftaten, Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz, »Gewerbsunzucht« (Prostitution), Gefährdung der öffentlichen Gesundheit, Obdachlosigkeit, Sozialhilfebezug usw., dann verweist dies auf die Verschränkung biologisierender und kulturalisierender Diskurse in der ausländerrechtlichen Konstruktion einer besonderen »Gefährlichkeit« »nichteuropäischer Ausländer«. Wie unzählige Medienbeispiele zeigen, verschränken sich in dieser Gefährlichkeitskonstruktion antimuslimischer Diskurse, die den »Islam« als »Gegen-Westen« bzw. »Muslime« als »wesenhaft anders« konstruieren, mit biologisierenden und sozialrassistischen Diskursen, die muslimische Einwander_innen als »kriminell, faul, dumm, arm, gewalttätig« (Attia 2007, S. 67) konstruieren. Angesichts der als besonders hoch wahrgenommenen Geburtenraten innerhalb der muslimischen Bevölkerung werden Muslim_innen zudem auch als bevölkerungspolitische Gefahr angesehen (vgl. Sarrazin 2012). Der antimuslimische Rassismus ist also nicht nur durch eine »Amalgamierung von kulturell-religiösen und ethnischen Kategorien« charakterisiert (Shooman 2011, S. 93), sondern es fließen auch der Diskurs einer »qualitativen Bevölkerungspolitik« (vgl. Weingart/Kroll/Bayertz 1988) und damit biologisierende Rassismen in den antimuslimischen Rassismus ein.

Eine »Amalgamierung« kulturalisierender und biologisierender Diskurse charakterisiert auch die Bestimmung dessen, wer überhaupt als »Ausländer« gilt, und welche »Ausländer« qua Einbürgerung Teil des deutschen Staatsvolks werden können. So gilt als »Ausländer [...] jeder, der nicht Deutscher im Sinne des Artikels 116 Abs. 1 des Grundgesetzes ist« (§ 1 Abs. 2 AufenthG). Seit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes 1949 gilt als »deutsch« nicht nur, wer über die deutsche Staatsangehörigkeit verfügt, sondern auch »Flüchtlinge oder Vertriebene deutscher Volkszugehörigkeit« (GG Art. 116 (1)). Das Bundesvertriebenengesetz von 1953 wiederum bestimmt die deutsche Volkszugehörigkeit fast wortgleich mit dem ersten Teil der Definition des NS-Reichsinnenministeriums von 1939:

»Deutscher Volkszugehöriger [...] ist, wer sich in seiner Heimat zum deutschen Volkstum bekannt hat, sofern dieses Bekenntnis durch bestimmte Merkmale wie Abstammung, Sprache, Erziehung, Kultur bestätigt wird« (§ 6 Bundesvertriebenengesetz).[16]

Noch Anfang der 1990er Jahre stand die expansive Einbürgerungspraxis gegenüber »Volksdeutschen« in einem starkem Kontrast zu der besonders restriktiven Einbürgerung aller anderen »Ausländer« (vgl. Brubaker 1994), die zu diesem Zeitpunkt überwiegend türkische Staatsangehörige waren.

Mit dem Inkrafttreten des reformierten Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 1.1.2000, das erstmals seit der Gründung des Deutschen Reiches den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch die Geburt im Inland vorsieht (§ 4 Abs. 3 StAG), wurde zwar die historische Kontinuität der ausschließlichen Gültigkeit des Abstammungsprinzips (ius sanguinis) durchbrochen. Allerdings ist die entsprechende Regelung an die Voraussetzung gebunden, dass ein Elternteil seit mindestens acht Jahren »rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat« und über ein »unbefristetes Aufenthaltsrecht« (also die Niederlassungserlaubnis nach § 9 AufenthG) verfügt. Zu den Erteilungsvoraussetzungen gehört hier wiederum neben der Sicherung des Lebensunterhalts (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG), dass kein Ausweisungsgrund vorliegt (§ 5 Abs. 1. Nr. 2 AufenthG). Auf diese Weise erhalten die oben analysierten kulturalisierenden, biologisierenden und sozialrassistischen Diskurse, die im Ausweisungsrecht bestimmte nichteuropäische »Ausländer« als besonders »gefährlich« konstruieren, erneut Eingang in die Bestimmung dessen, wer bei Geburt die Option auf die deutsche Staatsangehörigkeit erhält, und wer nicht – trotz der Ergänzung des ius sanguinis durch das bedingte ius soli.[17]

Abwehr innerer und äußerer »Gefahren« für die Bevölkerung

Die gegenwärtige gesetzliche Regulierung »ausländischer Drogenabhängiger« formierte sich seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert unter den Bedingungen von Industrialisierung, Bevölkerungswachstum, transnationaler Arbeits- und Flüchtlingsmigration und kolonialer Expansion. So knüpfen die heutigen gesetzlichen Regulierungen von »Ausländern« und »Drogenabhängigen« direkt an das Opiumgesetz von 1929, das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz von 1913 und an die Ausländerpolizeiverordnung von 1938 an, die ihrerseits auf die preußische Ausländerpolizeiverordnung von 1932 zurückgeht. Wie die folgenden genealogischen Skizzen zeigen, entstanden diese Gesetze zur Abwehr innerer und äußerer »Gefahren« für die »Bevölkerung«, in deren Konstruktionen vielfältige Rassismen eingegangen sind, an die auch der gegenwärtige antimuslimische Rassismus anknüpft.

So formierte sich das Ausweisungs- und Staatsangehörigkeitsrecht zur Abwehr von »Gefahren«, die angesichts der zunehmenden transnationalen Mobilität von »Außen« zu drohen schienen. Diese Abwehr richtete sich im Hegemonialstaat Preußen seit Mitte der 1880er Jahre insbesondere gegen jüdische Pogromflüchtlinge sowie gegen sog. »auslandspolnische« Arbeiterinnen, deren Arbeitskraft zwar dringend benötigt wurde, deren dauerhafte Niederlassung im preußischen Staatsgebiet aber durch ein europaweit einzigartiges Rotationsystem verhindert werden sollte (vgl. Herbert 2001). Die »Gefahr« der »Polonisierung« war dabei zunächst vornehmlich in »kulturellen«, d.h. in sprachlichen und konfessionellen Begriffen formuliert worden. Seit Mitte der 1880er Jahre erfuhr die Konstruktion eines »west-östlichen Kulturgefälles« jedoch eine zunehmende Biologisierung und Rassifizierung, die nicht nur »fremde« sondern auch »eigene« Staatsangehörige Preußens wie die polnische und insbesondere die jüdische Minderheit zunehmend als nichtzugehörige »Fremdkörper« isolierten (vgl. Gosewinkel 2001).

Auch das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz von 1913 entstand im Zuge einer Reforminitiative, die auf die Abwehr »äußerer« Gefahren zielte. Zwar fanden nicht alle Forderungen der Reforminitiative, wie bspw. die Verweigerung der deutschen Staatsangehörigkeit für Nachkommen aus Ehen zwischen »weißen« deutschen Männern und sog. »eingeborenen« Frauen aus den Kolonialgebieten, Eingang in das Gesetz (vgl. Gosewinkel 2001). Jedoch verankerte das Gesetz weite Ermessensspielräume für die Einbürgerungsentscheidung, die sich an ministerialen Richtlinien zu orientieren hatte (vgl. ebd.), die zur Zeit der Gesetzesformierung u.a. wie folgt lauteten: Die Einbürgerung »stammesfremder Elemente aus dem Osten« sei unerwünscht (zit. in Herbert 2001, S. 70) und die Einbürgerung von »Eingeborenen und Mischlingen« nur in Ausnahmefällen möglich (zit. in Gosewinkel 2001, S. 309).

Im Weimarer Verfassungsstaat setzte sich die Verschiebung von »kulturellen« zu biologisierend-rassifizierenden Gefährlichkeitskonstruktionen, in denen sich u.a. antisemitische und antislawische Diskurse verschränkten, weiter fort. So verfügte das Reichsinnenministerium im gleichen Jahr, als die preußische Ausländerpolizeiverordnung von 1932 erlassen wurde: Die Einbürgerung von »Ausländer[n] [...] aus Ländern niedriger oder doch völlig fremdartiger Kultur, insbesondere also den Angehörigen der slawischen Oststaaten und den Ostjuden« sei weiterhin im »Dienste einer gesunden Bevölkerungspolitik« besonders restriktiv zu handhaben (zit. in Oltmer 2005, S. 51). Unter der Maßgabe einer »gesunden Bevölkerungspolitik« wurde schließlich auch nach dem ersten Weltkrieg die »Arbeitskrafteinfuhr« aus dem Ausland diskutiert: Solange die »Ausländer« von der einheimischen Bevölkerung »separiert« blieben, galt die Verlagerung monotoner und die Gesundheit beanspruchender Arbeiten auf die »Ausländer« als hygienisch erwünschte Förderung der »Volkskraft« (vgl. Herbert 2001, S. 51).

Gewissermaßen komplementär zur Abwehr »äußerer« Gefahren formierte sich das Opiumgesetz von 1929 als Abwehr einer »Gefahr«, die aus dem »Inneren« des Gesellschaftskörpers zu drohen schien: Die Gefahr der »Degeneration« (vgl. Foucault 1977). Wurde die »Degenerationsgefahr« zunächst im Hinblick auf den verbreiteten Alkoholkonsum in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in religiös-moralischen Begriffen als »sittlicher Verfall« konstruiert, dominierte seit Ende des 19. Jahrhunderts die Sorge um die biologische Degeneration der »Bevölkerung« (vgl. Weingart et al. 1988). Bereits um 1900 wurde die »Trunksucht« in erster Linie als rassenhygienisches Problem diskutiert, und zunehmend mit einem sozialdarwinistisch beeinflussten »Unterschichtsdiskurs« verknüpft (vgl. ebd.). Der Morphinismus hingegen galt zunächst als Problem der »höheren und gebildeten Stände« (Ridder 2000). Bis zum Inkrafttreten des Opiumgesetzes von 1929 war jedoch die Verschränkung des Morphinismusdiskurs und des Trunksuchtdiskurses erfolgt. So wurde im Zuge der Weimarer Strafrechtsreformen gefordert, dass die »Rauschgiftsucht« ebenso wie die »Trunksucht« rechtliche »Sicherungsmittel« wie die Zwangsunterbringung zur Heilbehandlung erfordere, die u.a. im zu reformierenden Opiumgesetz von 1921 geregelt werden könnte (vgl. Fraeb 1927). Das Opiumgesetz von 1929 enthielt dann zwar lediglich die strafbewehrte Verpflichtung der Ärzte, in der Behandlung von »Rauschgiftsüchtigen« auf eine stationäre Heilbehandlung hinzuwirken. Gleichwohl formierte es sich als Teil eines Dispositivs zur Abwehr von »Gefahren«, in deren Konstruktion sozial- und rassenhygienische Diskurse eingingen, und das auch den ersten Entwurf eines Sterilisationsgesetzes zu eugenischen Zwecken beinhaltet, der 1932 dem preußischen Landtag vorgelegt wurde (Weingart et al. 1988).[18]

Die bevölkerungspolitischen Zielsetzungen, die sowohl in die Formierung der gesetzlichen Regulierung von »Ausländern« als auch von »Drogenabhängigen« eingegangen sind, legen es nahe, diese Gesetze als Elemente jener auf die Optimierung des »Lebens« der »Bevölkerung« ausgerichteten modernen Machtform zu konzipieren, die Michel Foucault »Bio-Macht« nennt (Foucault 1977, 1999).[19] Diese überlagerte zunehmend die alte, feudal-absolutistische »juridische« Machtform der »Souveränität«, wie sich beispielsweise in der Transformation der Ausweisung zeigt: Aus einem juridischen Akt der Bestrafung eigener und fremder Untertanen, die sich gegen die Gesetze des Souveräns erhoben haben, wurde ein auf fremde Staatsangehörige beschränktes bevölkerungspolitisches Instrument. Aber auch in folgender Argumentation für die Zwangsheilbehandlung »Rauschgiftsüchtiger« zeigt sich eine entsprechende Verschiebung von der juridisch-souveränen Logik der Bestrafung einer schuldhaften Gesetzesübertretung hin zur Sicherheitslogik: Die Beschränkung des Strafrechts auf »schuldhafte Handlungen« möge »der Gerechtigkeit genügen«; der Anforderung der »Sicherheit«, nämlich der »Beseitigung ihres für die Gesellschaft gefährlichen Zustands« der »Rauschgiftsucht« hingegen genüge sie nicht (Fraeb 1927, S. 15).

Leben machen und sterben lassen

In Umkehrung des Rechts der Souveränitätsmacht über Leben und Tod der Untertanen, das Foucault als »Recht, sterben zu machen und leben zu lassen« (Foucault 1977, S. 162, Herv. i. O.) bezeichnet, kennzeichne die Bio-Macht »die Macht, leben zu ‚machen’ und sterben zu ‚lassen’« (Foucault 1999, S. 284). Sowohl die Therapie-statt-Strafe-Regelung als auch die Ausweisung verfolgen als leben machende und sterben lassende Technologien der »Bio-Macht« das Ziel des Schutzes der Gesundheit und der Sicherheit der Bevölkerung – wenn auch auf sehr unterschiedliche Art und Weise. So zielt Therapie-statt-Strafe darauf, den »gefährlichen Zustand« des Individuums zu »neutralisieren« (Foucault 1976, S. 28), während die Ausweisung auf die dauerhafte Entfernung der »Gefahrenquelle« aus dem Staatsgebiet setzt. Ausgewiesene Drogenabhängige interessieren dann noch nicht einmal mehr als Objekte der Disziplinierung. Sie fallen aus dem dicht gewebten »Kerkernetz« der Disziplinierungs- und Normalisierungsverfahren heraus, das Foucault im Hinblick auf »deutsche Drogenabhängige« (und »ausländische Drogenabhängige«, deren Aufenthaltsstatus noch stabil ist) zutreffend beschreibt: Jeder Ausschluss (wie beispielsweise die disziplinarische Entlassung aus der Therapie) sei ein Ausschluss in weitere Einschlüsse (wie beispielsweise die JVA). Mit der Ausweisung entsteht jedoch ein Bereich jenseits des Ausschlusses in andere Einschlüsse: Die »vage Hölle« des »Außen« (ebd., S. 388).[20]

Indem sie mit der Ausweisung weitgehend das Recht verlieren, überhaupt Rechte zu haben, weshalb Christine Graebsch auch von der »Ausweisung aus dem Recht« spricht (1998, S.114f., Hervorhebung V.B.), werden ausgewiesene Drogenabhängige im symbolischen wie im physischen Sinne »sterben gelassen«. Dieses Sterbenlassen qua Ausweisung steht dabei nicht im Widerspruch sondern vielmehr im Dienste der leben machenden Bio-Macht: Die Ausweisung erfolgt zum Schutze des Lebens und der Gesundheit der »Allgemeinheit« (Körner 2001, S. 1195) bzw. der restlichen Bevölkerung. Die entscheidende Frage ist also, welche Bevölkerungsgruppen zur »schützenswerten« Bevölkerung gezählt werden und welche nicht – eine Zäsursetzung zwischen dem, was »leben soll« und dem, was »sterben gelassen« werden kann, die für Foucault genau das ausmacht, was »Rassismus« sei (vgl. Foucault 1999, S.301).

Wie diese leben machenden und sterben lassenden Zäsursetzungen verlaufen, lässt sich Kriterien für die Gewährung und den Entzug eines Aufenthaltstitels entnehmen. Wie dieser Beitrag am Beispiel »ausländischer Drogenabhängiger« gezeigt hat, kann ein Aufenthaltstitel nicht nur bei Straftaten oder »Terrorismusverdacht« entzogen werden, sondern u.a. auch bei Nichtteilnahme an »notwendigen« Integrationskursen, längerfristige Obdachlosigkeit, nichtbehandelte ansteckende Krankheiten, nichtbehandelte Drogenabhängigkeit und Sozialhilfebezug. Die »sterben lassenden« Zäsursetzungen treffen also nicht nur das »gefährliche Individuum«, das es zu disziplinieren gilt, sondern insbesondere auch die »Überzähligen« (vgl. Castel 2008), die als nicht mehr in die (spät-)kapitalistische Ökonomie integrierbar gelten. Während mit dem neuen Ausländerrecht die Ausweisungspraxis im Hinblick auf die »gefährlichen« und »überzähligen« Bevölkerungsgruppen also einerseits verschärft wurde, wurde zugleich die Einreise und der Aufenthalt für bestimmte qualifizierte Fachkräfte erleichtert.

Die leben machenden und sterben lassenden Zäsursetzungen, die dieser Beitrag im Hinblick auf »Drogenabhängige« thematisiert hat, erfolgen dabei keineswegs im Rahmen einer »Überschreitung« oder »Aussetzung« des Rechts (vgl. Agamben 2002), sondern mit dem Recht, innerhalb des Rahmens des gegenwärtigen freiheitlich-demokratischen Rechtsstaats. So gilt die aufenthaltsrechtliche Ungleichbehandlung eigener und fremder Staatsagehöriger sowohl verfassungs- als auch völkerrechtlich als selbstverständlich (vgl. Renner 2011, S. 4). Formell wird die Verwirklichung des Rechtsstaats u.a. in der Normierung des verwaltungsgerichtlich einklagbaren pflichtgemäßen Ermessens bei ausländerbehördlichen Entscheidungen gesehen, und inhaltlich in der Orientierung des Grundgesetzes an den Menschenrechten, wodurch sich u.a. auch die »Rechtsstellung von Fremden […] an den Status von Staatsbürgern« angeglichen habe (Habermas 1994, S. 24, zit. in Graebsch 1998, S. 124). Schließlich sollen humanitäre Regelungen im Ausländerrecht unverhältnismäßige »Härten« bei der Ausübung territorialer Souveränität vermeiden (z.B. § 25 und 25a AufenthG).

Doch weder das Grundgesetz noch das Allgemeine Gleichstellungsgesetz (AGG) noch die »humanitären« Regelungen im Ausländerrecht noch die »Humanisierung« des Betäubungsmittelstrafrechts heben die leben machenden und sterben lassenden Zäsursetzungen auf, die nicht nur die Regulierung »ausländischer Drogenabhängiger« kennzeichnen. Humanitäre Regelungen definieren lediglich Ausnahmen innerhalb einer grundsätzlich als legitim erachteten rechtlichen, politischen und ökonomischen Ordnung, weshalb Miriam Ticktin (2006) auch von der »Gewalt« des »Humanitarismus« spricht. Während in der Öffentlichkeit vereinzelte Abschiebungen von »gut integrierten«, »gebildeten« und »unbescholtenen« »Ausländern« durchaus Protest hervorrufen, haben ausgewiesene »Drogenabhängige« keine »Lobby«, wie es eine Mitarbeiterin der eingangs beschriebenen Drogentherapieeinrichtung formuliert; ihre Abschiebung gilt nicht als »inhuman« und löst auch keine Empörung hervor. Die in diesem Beitrag analysierten rassistischen Diskurse und ikonischen Repräsentationen konstruieren »ausgewiesene Drogenabhängige« vielmehr als »nichtbetrauerbar«: Ihr »Sterben« oder »Verschwinden« gilt innerhalb der hegemonialen symbolischen und diskursiven Ordnung, die zwischen mehr oder weniger betrauernswerten Bevölkerungsgruppen unterscheidet, nicht als »Verlust« (vgl. Butler 2010, S. 30).

Literatur

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Weingart, Peter; Kroll, Jürgen & Bayertz, Kurt (1988): Rasse, Blut und Gene. Geschichte der Eugenik und Rassenhygiene in Deutschland. Frankfurt a.M. (Suhrkamp).

Endnoten:

[1]

In diesem Beitrag verwende ich den Begriff »Ausländer«, um den rechtlichen Status der nicht-deutschen Staatsangehörigkeit zu verdeutlichen. Zudem verwende ich kontextabhängig die Bezeichnung »Migrantinnen« oder »Migranten« in Anführungszeichen. Denn auch dieser Begriff ist ebenso wie der »Ausländer«-Begriff problematisch, weil er zur Zuschreibung von Nichtzugehörigkeit beitragen kann, da er auch den in Deutschland geborenen und aufgewachsen Kindern und Enkeln der Einwanderer noch einen Fremdheitsstatus zuweist. Auch kann die Verwendung des Begriffs »Migrant« ebenso wie die des Begriffs »Migrationshintergrund« dazu beitragen, bei nicht-deutschen Staatsangehörigen die ausländerrechtliche Problematik auszublenden. Den Begriff der »Drogenabhängigkeit« verwende ich gleichbedeutend mit »Betäubungsmittelabhängigkeit« anstatt des allgemeineren Begriffs der »Substanzabhängigkeit«, um den Aspekt der selektiven Kriminalisierung einer bestimmten Gruppe von »Substanzabhängigen« hervorzuheben.

[2]

Der Beitrag basiert auf meiner ethnografisch-diskursanalytischen Untersuchung (Bergschmidt 2012), die drei Analysestränge kombiniert: Die teilnehmende Beobachtung des Alltags der hier erwähnten Langzeitdrogentherapieeinrichtung, die Diskursanalyse der gesetzlichen Regulierung von Drogenabhängigen ohne deutschen Pass sowie deren narrativ-biografische Selbstkonstruktionen. Der Beitrag präsentiert die Ergebnisse der Diskursanalyse, die sich der Methode der dekonstruktiven Lektüre der Rechtstexte »gegen den Strich« bedient (vgl. Seibert 2009).

[3]

In den medialen Repräsentationen werden »Dealer« so gut wie immer »männlich« konstruiert.

[4]

Diese Schreibweise entspricht der aus der queer-Theorie stammenden Variante des »gendergap«, der durch die Leerstelle Raum für marginalisierte Positionen (z.B. Transgender) jenseits der hegemonialen Zweigeschlechtlichkeit öffnet.

[5]

Die Klienten der Einrichtung waren in der Zeit meiner Forschungshospitation durchgehend männlich, weshalb ich im Text immer dann, wenn ich mich auf die Klienten der Einrichtung beziehe, ausschließlich die männliche Form verwende.

[6]

Dieser Beitrag verwendet Anführungszeichen um herauszustellen, dass sowohl »Deutsche« als auch »Ausländer« als auch »Drogenabhängige« keine natürlichen Gegebenheiten sind, sondern als soziale Konstruktionen begriffen werden müssen.

[7]

Dies kann dann durchaus zur Folge haben, dass eine Strafe zwar wegen eines BtMG-Verstoßes zur Bewährung ausgesetzt wird oder sogar die Strafverfolgung eingestellt wird, die Person aber dennoch anlässlich dieses Verstoßes abgeschoben wird.

[8]

Auf diese Leistungen haben »Ausländer« auch dann nicht im vollen Umfang einen Anspruch, wenn sie über eine Aufenthaltserlaubnis verfügen, wie beispielsweise der Sonderregelung der »Sozialhilfe für Ausländerinnen und Ausländer« (§ 27 SGB XII) zu entnehmen ist.

[9]

Dieser Stellenwert zeigt sich beispielsweise darin, dass die Regelausweisung aufgrund von Straftaten ein rechtskräftiges Urteil und ein Mindeststrafmaß vorrausetzt, bei BtMG-Verstößen jedoch allein die Aufnahme staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen ausreicht (§ 54 Nr. 3 AufenthG). Diese Sonderstellung im Ausländerrecht teilte der BtMG-Verstoß bis 2005 nur mit dem Landfriedensbruch; seit 2005 ist der Verdacht auf die Unterstützung von »Terrorismus« hinzugekommen.

[10]

Holzer (2007, S. 142ff.) zufolge verweise der Begriff der »Volksgesundheit« ebenso wie die mit dem BtMG von 1972 eingeführte Verbrechenstypologie, die erstmals die BtM-Konsumenten kriminalisierte und die »illegalen Handler« als »gefährliche Verbrecher« konstruierte, auf die rassehygienische Genealogie dieses Gesetzes, in das u.a. die nationalsozialistische Konstruktion des »gefährlichen Gewohnheitsverbrechers« einging.

[11]

Das »N-Wort« ist ein rassistischer Begriff, der hier nur deshalb ausgeschrieben wird, weil es sich um ein direktes Zitat handelt.

[12]

Im Motiv des »Kanaken« der mit »eingezogenen Schwanz davon schleicht« ist das Motiv der »Entmannung« enthalten. Für eine Analyse der Verschränkungen von »Homophobie und Islamophobie« siehe Çetin (2012).

[13]

In diesem Zusammenhang ist Iman Attias (2009) These der Konstruktion eines muslimischen Antisemitismus und einer »Demokratiefeindlichkeit« der Muslime als spezifische Elemente des antimuslimischen Rassismus im bundesdeutschen Kontext des Postnationalsozialismus von Relevanz.

[14]

Vgl. die in § 55 Abs. 2 Nr. 8, Nr. 9, Nr. 10 u. Nr. 11 AufenthG normierten Ausweisungsgründe.

[15]

So auch das Ergebnis der Analyse des deutschen Ausweisungsdiskurses zwischen 1996 und 2007 von Tobias Schwarz (2010). Für die Spezifizierung des Verhältnisses von medialen Diskursen einerseits und der Formierung und Auslegung von Gesetzen andererseits siehe Schwarz (2010) und Holzer (2007).

[16]

Der zweite, »nichtgesagte« Teil lautet wie folgt: »Personen artfremden Blutes, insbesondere Juden und Zigeuner, sind jedoch niemals deutsche Volkszugehörige [...]« (zit. in Hansen 2005, S. 11).

[17]

Die Einführung eines nur bedingten ius soli lässt sich ebenso wie die Normierung eines »besonderen Ausweisungsschutzes« für »Ausländer«, die in Deutschland geboren oder aufgewachsen sind (§ 56 AufenthG), der gleichwohl die Ausweisung und Abschiebung dieser »faktischen Inländer« weiterhin erlaubt, mit Partridge (2012) als »exkludierende Inkorpration« (exclusionary incorporation) bezeichnen.

[18]

Obgleich der Begriff der »Volksgesundheit« nicht »eindeutig« nationalsozialistischen Ursprungs ist, wie Holzer (2007, S. 515) meint, da die Volksgesundheit bereits Schutzgut des ersten Opiumgesetzes von 1921 ist (vgl. Nestler 1998), lässt sich also Holzers (2007) These der rassehygienischen Genealogie des Betäubungsmittelstrafrechts aufrechterhalten. Diese ist jedoch nicht erst an der »völkischen« Bedeutung des nationalsozialistischen Volksgesundheitsbegriffs festzumachen, sondern vielmehr an dem sich bereits weit früher formierenden Hygienedispositivs (vgl. Foucault 1977), das den Fokus von der ärztlichen Linderung des Leides des Einzelnen hin auf die staatlich organisierte Regulierung der Gesundheit der Bevölkerung als Ganze verlagerte –und dies zunehmend auch auf Kosten der Gesundheit und der Freiheit des Einzelnen (vgl. Weingart et. al 1988).

[19]

Für eine Einführung in Foucaults Bio-Machtanalytik siehe Lemke (2007). Für eine ausführliche Erläuterung des Verhältnisses von »(Bio-)Macht« und »Recht« bei Foucault siehe Biebricher (2009).

[20]

Die Ausweisungsproblematik stößt Foucaults (1976) disziplinarmachttheoretischen Ansatz, der aufgrund der dichten Vernetzung der Disziplinarverfahren die Nichtexistenz eines solchen »Außen« postuliert, somit auf eine konstitutive Grenze.

Über die Autorin

Viktoria Bergschmidt

Viktoria Bergschmidt ist Diplom-Psychologin und unterrichtet Soziale Arbeit mit einem klinischen Schwerpunkt an der Alice-Salomon-Hochschule Berlin. Zudem ist sie praktisch im Bereich des »Therapeutisch Betreuten Einzelwohnens« tätig. Arbeitsschwerpunkte: Poststrukturalistische und postkoloniale Theorie, Diskursanalyse, Subjekttheorien, Kritische Medizinanthropologie. Ihre Dissertation Konstruktionen ‚verworfener‘ Subjekte. Eine ethnographisch-diskursanalytische Untersuchung am Beispiel von Drogenabhängigen ohne deutschen Pass erscheint 2013 im transcript Verlag.