Mit dem Schwerpunktthema verbinden sich verschiedene Suchrichtungen zu Inter/Generationalität, die weit über jene Fragen hinausgehen, die angesichts des demografischen Wandels zumeist auf der wissenschaftlichen und (fach-) öffentlichen Agenda stehen, wenn etwa allgemein nach dem »Verhältnis der Generationen« gefragt wird. In den vier hier versammelten Beiträgen werden verschiedene Fragestellungen bearbeitet, die die Zentralität von transgenerationalen Bezugnahmen en détail herausarbeiten.
Franz Breuer wendet sich in einem sozialwissenschaftlichem Essay der Frage zu, wie sich die vielfältigen Verweisungszusammenhänge in Nachfolger-Vorgänger-Beziehungen beschreiben und theoretisch fassen lassen und fokussiert dabei auf die Weitergabe von Objekten. Ausgehend von einem weiten Objektbegriff wendet er sich z.B. der Weitergabe von Unternehmen, Erbschaften und Ideen zu und kondensiert die Betrachtungen in einem Grounded-Theory-Modell. Intergenerationale Verbindungen via Objekte werden hierbei zu identitären Prozessen in Beziehung gesetzt und in die Bedeutungs- und Handlungskontexte der Beteiligten gestellt und dadurch aufgezeigt, wie darüber existenzielle Fragen inkludiert sind und (nicht) ausgehandelt werden.
Angela Moré stellt die Bezugnahmen und Verwobenheit des generationalen Mit- und Gegeneinanders in einen anderen Kontext. Mit einem dezidiert psychoanalytischen Blick und unter besonderer Berücksichtigung von Übertragungsphänomenen fragt sie nach der Tradierung von Traumata. Angela Moré fundiert ihre Überlegungen bezugnehmend auf Eltern-Kind-Interaktionen unter Rückgriff auf die psychoanalytisch-empirische Säuglingsforschung, um sich dann ausführlich der Frage der ungewollten Weitergabe von (extremen) Traumatisierungen an die Nachkommen von Opfern oder aber von Schuldverstrickungen an die Nachkommen von Nazi-Täter/innen zu widmen.
Carlos Kölbl und Anna Schrack behandeln ebenfalls die Frage der Auseinandersetzung von nachfolgenden Generationen mit dem Nationalsozialismus, allerdings aus einem anderen theoretischen Blickwinkel. Unter Rekurs auf den genetischen Strukturalismus und die kulturhistorische Schule entfalten sie zentrale Konstituenten einer Entwicklungstheorie historischer Sinnbildung, entlang derer auch herausgearbeitet wird, wann Intergenerationalität eine Rolle spielt und wie sich – dargestellt an Ergebnissen aus Interviews und Gruppendiskussionen mit Jugendlichen – »Geschichtsbewusstsein intergenerational« zeitigt.
Carolin Demuth schließlich fragt im Rahmen einer kulturpsychologisch angelegten Studie, inwieweit sich in Lebensentwürfen junger Erwachsener Aspekte der Identifizierung bzw. Abgrenzung zu den Wertevorstellungen der Ursprungsfamilie finden lassen. Hierbei zeigt sich, dass die von ihr rekonstruierten »Entwicklungspfade« mit den Bezugnahmen (und sei es ein Rekurrieren durch Abgrenzung) immer in soziohistorischen und soziokulturellen Kontexten eingebettet sind. Insofern werden Lebensgeschichten nicht einfach »übernommen« und »fortgeschrieben«, sondern sind immer Bezugspunkt von (mehr oder weniger bewussten) Auseinandersetzungen mit dem Angebotenen und Vorgelebten und dem Herstellen von Passung.
Mit dem Themenheft ist nur ein Ausschnitt der mannigfalten Formen der Beschäftigung mit dem Phänomenbereich kartiert und schon die vier Beiträge machen deutlich, dass innerhalb der Psychologie unterschiedlichste theoretische Standpunkte zur Beschreibung transgenerationaler Bezüge eingenommen werden: von der Psychoanalyse über kulturpsychologische Ansätze bis hin zum Genetischen Strukturalismus. Daneben überrascht es nicht, dass quer hierzu narrationstheoretische Überlegungen zum Tragen kommen, da sich mit ihnen die mit dem Generationenthema verbundene Zeitlichkeit und Sinnkonstruktionen gut fassen lassen. Denn wie die Beiträge zeigen, lebt Transgenerationalität in, aus und von der (gemeinsamen) Geschichte und sie ist in geteilten/übermitteten Familienerzählungen und darin verwobenen Werteorientierungen eingelagert. Auch die über ganz konkrete Dinglichkeit und (überlassene) Objekte hergestellte Transgenerationalität verweist auf Materialisierungen von (Privat-) Geschichtlichem. Die in diesem Heft aufscheinende Engführung von Interfamiliarität und Transgenerationalität ist hierbei nicht als thematisches Ausschließlichkeitskriterium misszuverstehen – auch dies verdeutlichen die Beiträge.
Die mit dieser Themenstellung verbundenen Möglichkeiten sind damit nur angedeutet, bei weitem nicht ausgeschöpft. Lohnenswert scheint es zu thematisieren, wie sich entwicklungspsychologisch »intergenerationale Entwicklungsaufgaben« konzipieren lassen, weil innerhalb der Entwicklungspsychologie zumeist altershomogene Betrachtungen vorherrschen, die die Sozialität und intergenerationale Ko-Konstruktion überwiegend ausblenden. Besonders ertragreich erscheint es auch, die Frage von Inter/Generationalität im Forschungskontext von Migration zu stellen und die Konstruktion der sog. 1., 2. und 3. Generation auszuleuchten. Die Thematisierung von Inter/Generationalität kann insofern den Blick für viele Fragen öffnen, den Subjektkonstruktionen und Identitätsprozessen wichtige Momente anfügen und sich als ein gerade für qualitative Forschung ertragreiches Forschungsfeld entfalten.
Es ist vorgesehen, das Thema weiterzuverfolgen (so ist für 2014 eine Buchausgabe geplant, in der die vorliegenden Beiträge ergänzt um weitere Erörterungen eingehen), und es sind Beitragseinreichungen für nachfolgende Ausgaben willkommen, die sich aus einer (entwicklungs-) psychologischen Perspektive der Inter/Generationalität widmen; ebenso sind alle Lesenden herzlich eingeladen, die vorliegenden Beiträge zu kommentieren (dies ist registrierten Lesenden jederzeit möglich).