Der Artikel kreist in begrifflich-theoretischer und empirischer Perspektive um die Frage, was »Geschichtsbewusstsein intergenerational« heißen kann. Dazu werden das Konstrukt eines personalen Geschichtsbewusstseins sowie – unter Rekurs auf den genetischen Strukturalismus und die Psychologie der kulturhistorischen Schule – Konstituenten einer Entwicklungstheorie historischer Sinnbildung expliziert. Die begrifflich-theoretischen Explikationen werden sodann daraufhin diskutiert, in welchen Hinsichten in ihnen Intergenerationalität eine Rolle spielt. In einem weiteren Schritt werden empirische Erkundungen zu einem Phänomenfeld vorgestellt, in dem zumindest hierzulande Intergenerationalität einen prominenten Status inne hat: die NS-Geschichte im Geschichtsbewusstsein. Die entsprechenden empirischen Rekonstruktionen betreffen insbesondere Medien historischer Repräsentation, Aspekte der Identitätsbildung und grundlegende epistemische Operationen. Abschließend werden Perspektiven für die weitere empirische Forschung skizziert.
Schüsselwörter: Geschichtsbewusstsein, Intergenerationalität, genetischer Strukturalismus, kulturhistorische Schule, NS-Geschichte, Medien historischer Repräsentation, Identitätsbildung, epistemische Operationen
The article discusses possible meanings of «historical consciousness from generation to generation«. This is done in respect to theory, terminology, and empirical data. In this context the construct of a personal historical consciousness and – drawing on genetic structuralism and socio-cultural theory – constituents of a developmental theory of historical consciousness are explicated. The terminological and theoretical explications are then discussed as to which respects intergenerational matters play a role in them. In a further step empirical explorations are presented concerning a field in which intergenerational matters have a prominent status at least in Germany: the history of national socialism in historical consciousness. The respective empirical reconstructions mainly touch upon media of historical representation, aspects of identity development, and fundamental epistemic operations.
Keywords: Historical consciousness, intergenerational matters, genetic structuralism, socio-cultural theory, history of national socialism, media of historical representation, identity development, epistemic operations
Geschichte als Inbegriff der narrativen Verknüpfung einer kollektiv bedeutsamen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft (Barricelli 2005; Rüsen 1994; Straub 1998) wird in vielerlei Hinsichten von Generation zu Generation weitergegeben bzw. tradiert und ins individuelle Geschichtsbewusstsein so oder so integriert. Das geschieht in unterschiedlichen Kontexten (z.B. Familie und Schule), mit unterschiedlicher funktionaler Perspektive (z.B. Identitätsbildung, moralische Belehrung, Wissensvermittlung) und in unterschiedlichen bzw. mit Hilfe unterschiedlicher Medien (z.B. Erzählung, Bericht, Argumentation; Gestik, Mimik, Körperhaltung; filmisch, bildlich oder textuell [unterstützt]). Die Weitergabe von Geschichte erfolgt auch noch auf einer weiteren Ebene, nämlich über unterschiedliche kulturell bedeutsame »handfeste« Objekte. Im Zuge ihrer Aneignung eignen sich die Subjekte die in den Objekten »verdichteten« oder »gespeicherten« Erfahrungen derer an, die vor ihnen gelebt und zur Genese der entsprechenden Objekte beigetragen haben (vgl. Breuer in dieser Ausgabe). Entwicklungs-, Sozialisations-, Akkulturations- bzw. Enkulturations- und Lehr-/Lernprozesse sind allerdings keine unidirektionalen, sondern retroaktive Geschehnisse (Klewes 1983); mithin »wirkt« nicht allein die ältere Generation auf die jüngere ein, sondern es sind auch eine umgekehrte »Wirkrichtung« sowie »Interaktionseffekte« anzunehmen. Großelterliche Erzählungen etwa sind also auch eine Funktion der Erwartungshaltungen, Zuhörbereitschaften und Interessenlagen derjenigen, die diese Erzählungen rezipieren.
Wenn nicht bestritten wird – was u.E. auch gar nicht ernstlich bestritten werden kann –, dass die Begriffe »intergenerational« und »Geschichtsbewusstsein« in einem mehr als nur zufälligen Sinne in einer Beziehung zueinander stehen, so ist damit freilich noch keineswegs die Frage beantwortet, in welchem Sinne genau von »Geschichtsbewusstsein intergenerational« die Rede sein kann. Dieser Frage widmen wir uns im Folgenden in zwei Abschnitten, deren erster um allgemeine begrifflich-theoretische Klärungsversuche und deren zweiter um ein konkretes empirisches Phänomenfeld – die NS-Geschichte im Geschichtsbewusstsein – kreisen, das hierzulande nach wie vor besondere Aufmerksamkeit erfährt. Abschließend skizzieren wir Perspektiven für die weitere Forschung.
Welche theoretisch-begrifflichen Lesarten von »Geschichtsbewusstsein intergenerational« sind möglich? Zur Beantwortung dieser Frage scheint es uns sinnvoll, danach zu fragen, was Geschichtsbewusstsein ist und wo hier Intergenerationalität eine Rolle spielt, ferner, wie Grundzüge einer Theorie der Ontogenese des Geschichtsbewusstseins aussehen können.
Geschichtsbewusstsein (vgl. Kölbl 2004, S. 21–39) kann als jene mentale Struktur aufgefasst werden, die bei unserem kognitiven, motivationalen und emotionalen Umgang mit der kollektiv bedeutsamen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft als zugrunde liegend gedacht werden kann. Dabei kommt Leistungen, die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft narrativ synthetisieren, eine besondere Bedeutung zu (Barricelli 2005; Rüsen 1994; Straub 1998). Zumindest akzentuierend kann zwischen einem eher ich-fern operierendem und an szientifischen Rationalitätsstandards orientiertem Geschichtsbewusstsein als Statthalter der Wissenschaft und einem eher ich-nah operierendem, z.T. auch präreflexiven Geschichtsbewusstsein, das unsere existenzielle Verstrickung in Geschichte betrifft, unterschieden werden (für eine ähnliche Unterscheidung s. Carretero/Rosa/González 2006).
Das Geschichtsbewusstsein ruht auf einer ganzen Reihe psychischer Vermögen, u.a. auf mnestischen Fähigkeiten. Ohne die Erinnerung an historische Phänomene, wo auch immer wir sie erfahren oder über sie gelernt haben mögen, ist die Ausbildung eines historischen Bewusstseins nicht möglich. Das Geschichtsbewusstsein ist aber auf Gedächtnis noch in einem anderen Sinne angewiesen, nämlich nicht allein im Hinblick auf das individuelle, sondern auch auf das kollektive Gedächtnis (Halbwachs 1967 [1950]; Warburg 1992). Das kollektive Gedächtnis umfasst solche Inhalte, die den Individuen eines bestimmten Kollektivs gemeinsam sind. Dabei kann es sich um ganz unterschiedliche Kollektive handeln, etwa eine Familie, eine Firma oder eine ganze Nation. Personen haben nicht bloß an einem Kollektiv und damit an dessen kollektivem Gedächtnis teil, sondern an mehreren – was zu Konflikten führen kann. Der Ägyptologe Jan Assmann (1992) nun gliedert das kollektive Gedächtnis wiederum – ein begrifflich-theoretischer Kunstgriff, der mindestens in der deutschsprachigen Diskussion bekanntlich überaus einflussreich geworden ist – in ein kommunikatives und ein kulturelles Gedächtnis.
Die Vergegenwärtigung von Inhalten des kommunikativen Gedächtnisses dient weniger historischen Faktizitätsansprüchen als vielmehr der Stiftung und Aufrechterhaltung einer Gruppenidentität. Diese Gedächtnisform ist an die Existenz von Menschen gebunden und zwar jener, die Träger der Erfahrungen sind, die als Inhalte in das kommunikative Gedächtnis eingehen. Mithin verändert sich diese Gedächtnisform in einem bestimmten Rhythmus zwangsläufig: Nach drei, spätestens vier biologischen Generationen wandelt sich das kommunikative Gedächtnis einer Gesellschaft grundlegend. Dies ist auch der Grund dafür, dass hier mitunter vom Kurzzeitgedächtnis einer Gesellschaft die Rede ist (Assmann 1992, S. 10 f.; s.a. Welzer 2005, S. 13 f.).
Das kulturelle Gedächtnis umfasst solche Inhalte, die nicht mehr in erster Linie auf das Bewusstsein von Zeitgenossen angewiesen sind, sondern in externen Datenspeichern (Bücher, Ton- und Filmdokumente, CD-Roms etc.) aufbewahrt werden. Nicht alles, was in diesen Speichern aufbewahrt wird, gilt in gleicher Weise als bedeutsam. Vielmehr werden solche Inhalte kanonisiert, die in einer Kultur als identitätsstiftend angesehen werden. Das kulturelle Gedächtnis wird auch als Langzeitgedächtnis einer Gesellschaft bezeichnet, da es die durch höchstens vier biologische Generationen begrenzte Dauer des kommunikativen Gedächtnisses problemlos überschreiten kann (Assmann 1992, S. 12 ff.; s.a. Welzer 2005, S. 14 f.).
Das personale Geschichtsbewusstsein schöpft aus diesen Gedächtnisformen. Es ist ohne die Aneignung von Inhalten des kommunikativen und des kulturellen Gedächtnisses nicht denkbar.
Auf ein letztes ist im vorliegenden Kontext noch hinzuweisen: Das, was in einer Gesellschaft als ein angemessenes historisches Bewusstsein gilt, ist keine kulturelle Invariante, sondern unterliegt selbst sozio-historischem Wandel. Dieser Wandel betrifft trivialerweise Inhaltliches, aber auch Strukturelles. Für ein spezifisch modernes Geschichtsbewusstsein (Kölbl/Straub 2001; Koselleck 1989a; Koselleck/Meier/Engels/Günther 1975; Leitner 1994) lässt sich knapp und in idealtypischer Weise festhalten, dass es über die folgenden Konstituenten verfügt: Kontingenzbewusstsein – also das Bewusstsein, dass alles, das ist, auch ganz anders sein könnte; Alteritäts-, Alienitäts- und Differenzbewusstsein; die Auflösung des Topos der Geschichte als Lehrmeisterin – also das Bewusstsein darüber, dass nicht ganz schlicht aus der Geschichte gelernt werden kann; die Offenheit von Erfahrungsräumen und Erwartungshorizonten – also das Wissen darüber, dass das, was war, sich durch neue Erfahrungen wandeln kann und dass das, was sein wird, nicht festgelegt ist; die Säkularisierung historischer Narrative – also die Verweltlichung religiös-geschichtlicher Erzählungen; die Verwissenschaftlichung des historischen Bewusstseins.
In welchen Hinsichten kann man im Hinblick auf das Konzept eines personalen Geschichtsbewusstseins von Geschichtsbewusstsein intergenerational sprechen?
Das personale Geschichtsbewusstsein richtet sich in seinen Inhalten auf Phänomene, die (eine) frühere Generation(en) und intergenerationale Beziehungen betreffen (können).
Die Wissensbestände, die hierbei angeeignet werden, können aus dem kommunikativen und/oder dem kulturellen Gedächtnis stammen.
Der intergenerationale Aspekt ist bei dem kommunikativen Gedächtnis besonders offensichtlich, sind die Wissensbestände aus dieser Gedächtnisform doch an die Existenz der Menschen gebunden, die Träger dieser Wissensbestände sind (s.o.), und sind diese Menschen doch notwendigerweise Angehörige früherer Generationen.
Beim kulturellen Gedächtnis findet auch eine Weitergabe von Geschichte von Generation zu Generation statt, allerdings in einer Form, die nicht mehr an Bewusstsein und Leiblichkeit noch lebender »Geschichtsträger« gebunden ist, sondern an das Vorhandensein von Speichermedien. Damit wird die Weitergabe von Geschichte über die unmittelbar lebenden Generationen hinaus möglich. Außerdem kann – auch im Hinblick auf die Inhalte des kommunikativen Gedächtnisses – eine quellenbasierte Weitergabe stattfinden, die gerade auch auf historische Rationalitätsansprüche orientiert werden kann.
Die inhaltliche Ausstaffierung des Geschichtsbewusstseins unterscheidet sich von Generation zu Generation und zwar schon innerhalb des Zusammenhangs eines kommunikativen Gedächtnisses. Die Detailliertheit der jeweiligen historischen Kenntnisse, die emotionalen Valenzen und die Konnotationen bestimmter narrativer Abbreviaturen (etwa »die Schmach von Versailles«, »1933«; »der Berliner Mauerfall«) können vor dem Hintergrund unterschiedlicher generationstypischer Erfahrungen unterschiedlich ausfallen. Die Inhalte des Geschichtsbewusstseins können sich aber auch deshalb von Generation zu Generation ändern, weil die historische Forschung neue Erkenntnisse anbietet und neue Erfahrungen die Sicht auf Vergangenes ändern können. In den Worten Kosellecks:
»Die Ereignisse von 1933 sind ein für alle Mal geschehen, aber die darauf gründenden Erfahrungen können sich ebenfalls mit dem Ablauf der Zeit ändern. Erfahrungen überlagern sich, imprägnieren sich gegenseitig, mehr noch, neue Hoffnungen oder Enttäuschungen, neue Erwartungen schießen in sie ein. Also auch Erfahrungen ändern sich, obwohl sie als einmal gemachte immer dieselben sind. Dies ist die temporale Struktur der Erfahrung, die ohne rückwärtswirkende Erwartung nicht zu sammeln ist« (Koselleck 1989b, S. 358).
Die Struktur des Geschichtsbewusstseins kann sich im Laufe der Zeit von Generation zu Generation ändern. Freilich ist hier an längere Zeiträume zu denken, also nicht bloß an solche, die eine Generation von der anderen trennen, sondern an solche, die die unmittelbare Generationenabfolge weit hinter sich lassen. Während eine nicht-moderne Form des Geschichtsbewusstseins noch von einer mehr oder minder bruchlosen Idee der Geschichte als Lehrmeisterin ausgegangen ist, hat dieser Topos in einem modernen Geschichtsbewusstsein keinen Platz mehr.
Wie können Grundzüge einer Theorie der Ontogenese des Geschichtsbewusstseins aussehen (vgl. Kölbl 2004, S. 93–169)? In Anlehnung an den genetischen Strukturalismus Jean Piagets (z.B. Piaget 1973; s.a. Flavell 1963; Garz 1984) kann eine Entwicklungspsychologie des Geschichtsbewusstseins – wie auch eine Entwicklungspsychologie des mathematisch-logischen Denkens (z.B. Piaget 1971) und eine Entwicklungspsychologie des moralischen Urteils (z.B. Kohlberg 1984) – nicht zuletzt als empirische Epistemologie angelegt werden (s.a. Wineburg 1998). Das Bemühen einer solchen empirischen Epistemologie gilt im speziellen Falle des Geschichtsbewusstseins der Rekonstruktion von Genese, Struktur und Funktionen historischen Denkens. Die Anlehnung an Piaget weiterführend kann ferner festgehalten werden, dass das historische Denken sich vorzugsweise sprachlich oder anderweitig symbolisch äußert, wobei diese Äußerungen als die Performanz historischen Denkens gelten können. Historisches Denken als der eben genannten Performanz zugrundeliegend gedachte Struktur oder Kompetenz ist gerade auch narrative Kompetenz (Bruner 1998; Straub 1998). Das Erzählen-Können und das Verstehen-Können historischer Narrative – also Erzählungen über die kollektiv bedeutsame Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft – nimmt eine wichtige Rolle im historischen Denken ein. Freilich sind auch andere und z.T. damit einhergehende psychosoziale Kompetenzen für das Geschichtsbewusstsein wichtig, etwa Sprachkompetenz, Attributionsfähigkeit, die Fähigkeit zur sozialen Perspektivenübernahme oder moralische Urteilsfähigkeit (Straub 1998, S. 166).
Weiter oben wurde allerdings schon darauf hingewiesen, dass eine analytische Zweiteilung des Geschichtsbewusstseins sinnvoll erscheint, die einerseits das Geschichtsbewusstsein als Statthalter der Wissenschaft bestimmt, andererseits aber Geschichtsbewusstsein auch als Existenzial auffasst. Dieser zweite Aspekt geht nicht in einer empirischen Epistemologie auf. Vielmehr verweist er nicht zuletzt auf Identitätsbildungsprozesse, die auf Geschichte bezogen sind. Wir machen »uns selbst« also nicht allein zu Gegenständen wissenschaftlicher oder quasi-wissenschaftlicher Rekonstruktionsbemühungen, sondern betreiben Geschichtsschreibung in einem weiten Sinne gerade auch um einer Selbstverständigung und Identitätsbefragung willen. Geschichte ist nicht einfach ein Objekt kühlen wissenschaftlichen Denkens, vielmehr sind wir stets auch In-Geschichte-verstrickt, wie man in Anlehnung an Wilhelm Schapp formulieren kann (Schapp 1976 [1953]). Die Psychologie der Moralentwicklung scheint uns ein analoger Fall zu sein: Auch sie kann als eine Entwicklungspsychologie kognitiver Strukturen, aber auch als eine Entwicklungspsychologie der Identitätsbildung angelegt werden (Gilligan 1984 [1982], s.a. Kölbl 2012).
Man kann noch eine weitere Anleihe beim genetischen Strukturalismus machen, sie betrifft das Äquilibrationsmodell. Dieses Modell sieht bekanntlich das Wirken zweier Mechanismen am Werk, die für Weiterentwicklungen verantwortlich sein sollen: Assimilation und Akkomodation. Bei der Assimilation werden umweltseitige Anforderungen in bereits bestehende Schemata bzw. Strukturen eingepasst, bei der Akkomodation müssen die subjektseitigen Schemata bzw. Strukturen stärker verändert werden, um umweltseitige Anforderungen bewältigen zu können. Bei einer entsprechend weiten theoretischen Fassung können solche Anforderungen auch hermeneutische Anforderungen sein, mithin Probleme darstellen, die durch Akte des Fremdverstehens bearbeitet werden müssen – und um solche Akte geht es beim historischen Denken ja zentral. Dabei können assimilative Operationen mit dem Kantschen Konstrukt einer bestimmenden, akkomodative Operationen mit dem Kantschen Konstrukt einer reflektierenden Vernunft in Verbindung gebracht werden (s. Straub 1999).
Eine Entwicklungstheorie des Geschichtsbewusstseins braucht sich nicht allein vom genetischen Strukturalismus anregen zu lassen, sondern kann auch auf die Psychologie der kulturhistorischen Schule zurückgreifen (für einen Überblick zu dieser psychologischen Strömung s. Kölbl 2006, zsf. 2010). Dieser Rückgriff hat den Vorzug einer weitergehenden hermeneutischen Vertiefung der bislang entfalteten Grundzüge einer Entwicklungstheorie des Geschichtsbewusstseins. Darüber hinaus bietet die kulturhistorische Strömung eine dezidiert soziogenetische Theorie des Bewusstseins an, die auch für die Herausbildung des Geschichtsbewusstseins Relevanz beanspruchen darf.
In Auseinandersetzung mit der Psychologie der kulturhistorischen Schule (insbes. mit Vygotskij 2002 [1934]; Wygotski 1987 [1931]; Luria 1986; Leontjew 1971 [1959]) kann für unseren Zusammenhang festgehalten werden: Das personale Geschichtsbewusstsein bildet sich durch individuelle Aneignungen historischer Sinn- und Bedeutungsmuster aus. Diese Muster sind vorzugsweise sprachlich verfasst oder zumindest sprachlich vermittelt und liegen häufig als kulturelle Artefakte vor, etwa als Sachbücher, Bildbände, filmische Dokumente u.a.; sie können uns aber auch im Zuge von Gesprächen oder gezielter Instruktion begegnen. Die Aneignungen dürfen nicht als eins-zu-eins Übernahmen feststehender und eindeutiger Sinn- und Bedeutungsmuster verstanden werden, sondern eher als kreative Transformationsleistungen. Darüber hinaus finden die Aneignungsprozesse nicht in einem luftleeren Raum statt, sondern erfolgen durch die Partizipation an den geschichtlichen Diskursen und den historisch vermittelten Praktiken einer Gesellschaft. In Analogie zu sprachpsychologischen Überlegungen Vygotskijs (insbes. 2002 [1934]) können die historischen Sinn- und Bedeutungsmuster, die geschichtlichen Diskurse einer Gesellschaft als »äußeres Sprechen« aufgefasst werden, das sich die Individuen im Laufe ihrer geschichtskulturellen Sozialisation anverwandeln, interiorisieren und zu einem »inneren Sprechen« machen. Dieses »innere Sprechen« ist wiederum nur dann rekonstruierbar, wenn es sich (sprach‑)symbolisch äußert und so hermeneutischen Rekonstruktionsbemühungen zugänglich wird. In jedem Falle ist eines der bekannten »kulturhistorischen Gesetze« wichtig. Es besagt, dass »jede psychische Funktion zweimal in der Entwicklung auftritt, zuerst als kollektive, soziale Handlung, also als interpsychische Funktion, und dann zum zweiten Mal als individuelle Handlung, als dem Denken des Kindes inhärentes Phänomen, also als intrapsychische Funktion« (Wygotski 1987, S. 629). Dieses »Gesetz« unterstreicht noch einmal die soziogenetische Bestimmung der Bewusstseinsentwicklung. Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass die Aneignung der Dingwelt im Zuge einer tätigen Auseinandersetzung mit ihr zur Aneignung der in den Dingen »gespeicherten« oder »verdichteten« Erfahrungen früherer Generationen führt, die diese Dinge mit geschaffen haben. Oder in den – für unsere Ohren vielleicht etwas pathetisch klingenden – Worten Leontjews:
»Die Menschheit hat im Laufe ihrer Geschichte große geistige Kräfte und Fähigkeiten entwickelt. Die Zentausende von Jahren der gesellschaftlichen Geschichte lieferten in dieser Hinsicht viel mehr als die Millionen von Jahren der biologischen Evolution. Die Errungenschaften der Entwicklung menschlicher Fähigkeiten und Eigenschaften wurden gesammelt, indem sie von Generation zu Generation weitergegeben wurden. Dazu mußten sie auch fixiert werden. […] Sie festigten sich in einer besonderen, und zwar in einer äußeren Form« (Leontjew 1971 [1959], S. 230).
Wo kann im Rahmen der Konstituenten einer Entwicklungstheorie des Geschichtsbewusstseins Intergenerationalität identifiziert werden?
Die assimilativen und akkomodativen Prozesse, die Aneignungsversuche des personalen Geschichtsbewusstseins richten sich aus der Perspektive von Angehörigen einer bestimmten Generation auf Phänomene, bei denen es um frühere Generationen und um intergenerationale Beziehungen geht.
Die assimilativen und akkomodativen Prozesse, die Aneignungsversuche des personalen Geschichtsbewusstseins werden von der älteren Generation initiiert, angeregt, unterstützt, gefordert.
In der Aneignung der Dingwelt eignen sich Angehörige einer bestimmten Generation die »verdichteten« oder »gespeicherten« Erfahrungen der Generationen an, die vor ihnen gelebt haben und zur Entstehung der dinglichen Umwelt jeweils beigetragen haben.
Nach diesen theoretisch-begrifflichen Ausführungen wenden wir uns einem empirischen Phänomenfeld zu, das gerade hierzulande nach wie vor hohe Aufmerksamkeit beansprucht und das ohne Zweifel in den Kontext von Intergenerationalität gehört.
Die NS-Vergangenheit ist mindestens insofern nicht vergangen als es noch Zeitzeugen gibt, die die Jahre von 1933 bis 1945 miterlebt haben. Die NS-Geschichte ist mithin noch ein Teil des kommunikativen Gedächtnisses. Freilich ist sie auch Teil des kulturellen Gedächtnisses und für das Selbstverständnis der Bundesrepublik Deutschland konstitutiv, wie man nicht nur am Grundgesetz sehen kann. Hierzulande begegnet vielen Menschen die NS-Geschichte beispielsweise im Geschichtsunterricht, in Fernsehdokumentationen oder Büchern, aber auch in Form von Erzählungen, Berichten oder Argumentationen der (Ur-) Großväter, (Ur-) Großmütter, Väter, Mütter und anderer Familienangehöriger.
In den Sozialwissenschaften gibt es eine Reihe an Arbeiten zur intergenerationalen Tradierung der NS-Geschichte und zum Wissensaufbau im Hinblick auf diesen Teil der deutschen Geschichte. Diese Arbeiten kreisen um die Weitergabe affektiver und moralischer Haltungen oder kognitiver Repräsentationen, aber auch um die unbewusste Tradierung psychischer Traumata (s. in dieser Ausgabe den Beitrag von Angela Moré; ferner z.B. Georgi 2003; Grünberg/Straub 2001; Levy/Silbermann/Stophers 2000; Müller-Hohagen 2005; Rosenthal 1997; Rüsen/Straub 1998; Schneider/Stillke/Leineweber 1996; Welzer/Moller/Tschuggnall 2002; Welzer/Montau/Plaß 1997; Zülsdorf-Kersting 2007).
Im Folgenden gehen wir auf empirische Erkundungen ein, die auf eine Rekonstruktion unterschiedlicher Aspekte des Geschichtsbewusstseins Jugendlicher gerichtet waren (Kölbl 2004, S. 227–352) und konzentrieren unser Augenmerk auf Aspekte der NS-Geschichte im Geschichtsbewusstsein dieser Jugendlichen. Dabei unterstreichen wir lediglich ausgewählte Aspekte und legen keine detaillierten Interpretationen empirischen Materials vor.
Gruppendiskussionen und Interviews mit Jugendlichen aus sechsten, achten und zehnten Klassen aus Gymnasien und Hauptschulen, die der Erstautor geführt hat, zeigen wie stark die NS-Vergangenheit im Geschichtsbewusstsein Jugendlicher präsent ist – auch dann, wenn nicht explizit und speziell nach ihr gefragt wird. Dies wird bereits deutlich, wenn man den gesamten Textkorpus (es handelt sich um Transkripte aus insgesamt sechs Gruppendiskussionen und zwölf Einzelinterviews) auf sein thematisches Spektrum stichpunktartig hin befragt und sich auf die Aspekte zur NS-Vergangenheit konzentriert. Im Einzelnen kommen in den Worten der befragten Jugendlichen mehr oder weniger ausführlich zur Sprache:
Historische Figuren und Persönlichkeiten: Schindler, Adolf Hitler, »der Führer«.
Historisch wichtige Gruppen bzw. Kollektive: Widerstandskämpfer, Widerstandsgruppen, Weiße Rose, »Deutscher Mädchen Bund«, »Deutscher Knaben Verein«, NSDAP, Hitlerjugend, Deutsche zur NS-Zeit, Juden zur NS-Zeit, Zwangsarbeiter.
Historisch bedeutsame Orte/historische Stätten: Stalingrad, Nürnberg, Reichsparteitag(sgelände), Konzentrationslager, KZ, Luftschutzbunker, Bunker, Gaskammer, die Normandie, Hiroshima.
Historische Zeitabschnitte: Hitlerzeit, Hitlers Zeiten, die NS-Zeit, die Nazi-Zeit, Nationalsozialismus.
Historische Ereignisse und Prozesse: »Machtergreifung«, Reichspogromnacht, Attentat auf Hitler, Judenverfolgung, Zweiter Weltkrieg, 1945.
Medien historischer Repräsentation: Jugendromane über die NS-Zeit: »Fahrt im August«, »Die Webers«, »Damals war es Friedrich«; ein (Sach-) Buch über Hitler bzw. über den Zweiten Weltkrieg; Filme: »Das Leben ist schön«, »Schindlers Liste«, »Der Soldat James Ryan«, ein Film über die Weiße Rose; Berichte und Erzählungen von Augenzeugen: Erzählung eines jüdischen Nachbarn, der Auschwitz überlebt hat; Erzählungen von den Großeltern über die NS-Zeit; Relikte/Dokumente/Artefakte/Symbole: Eine zu Gebrauchsgegenständen (Tischdecke, Schürze, Kissen) verarbeitete Hakenkreuzfahne; der »Ariernachweis« der Familie; Museen: Das Haus der Geschichte in Bonn.
Im Folgenden möchten wir auf ausgewählte Medien der historischen Repräsentation etwas näher eingehen, auf die NS-Zeit im Zusammenhang von Identitätsbildung zu sprechen kommen, und schließlich schülerseitige Thematisierungen der NS-Zeit im Hinblick auf grundlegende epistemische Operationen historischer Sinnbildung hin beleuchten.
Die Gruppendiskussionen waren stets so angelegt, dass die Diskutantinnen und Diskutanten einen Gegenstand, den sie im weitesten Sinne mit Geschichte verbinden würden, zu der Diskussion mitbringen sollten bzw. wo sie ihn nicht dabei hatten, zu sagen, was für einen Gegenstand sie mitgebracht hätten. Ein Fall scheint uns besonders erwähnenswert:
Heide: | Okay, ich fang an ((lacht)). Also, im Krieg da gab/da war ja alles so ganz teuer und Stoffe und so was auch schwer zu kriegen. Und mein Opa hat aufm Schwarzmarkt so ne alte Hakenkreuzfahne ergattert. Und dann, ähm, hat meine Oma da draus, äh, also das ist ja so ne rote, äh, Rechteck/: |
Achim: | Kreis/: |
Diskussionsleiter: | mh/: |
Heide: | rotes Rechteck mit nem weißen Kreis und n Hakenkreuz drauf. Da hat die das, den Kreis mit dem Hakenkreuz abgetrennt. Aus dem roten Stoff hat die so Tischdecken und so was genäht. Und auch ne Schürze, die hab ich jetzt noch.: |
Diskussionsleiter: | mh: |
Heide: | Und aus dem, äh, Kreis in der Mitte hat die son, äh, Kissen genäht und dann so Federn reingetan von ihren eigenen, äh, Hühnern oder so was. Und dann noch n Bezug drum gemacht und das hat die jetzt noch. Und das find ich also eigentlich ganz toll, weil das, äh, das zeigt immer noch, was das/wie das früher so war und so und das find ich auch/ähm kann man gut mit Geschichte verbinden. Find ich gut (8. Klasse, Gymnasium). : |
Die NS-Vergangenheit taucht hier in Form einer zu Objekten des täglichen Gebrauchs – Kissen, Schürze, Tischdecke – umgearbeiteten Hakenkreuzfahne auf. Zumindest das Kissen und die Schürze gibt es noch heute, die Schürze befindet sich sogar im Besitz der Enkeltochter. Diese Objekte können angeschaut, betrachtet, aufbewahrt, weggesperrt, berührt, zerstört oder benutzt werden, sie sind jedenfalls sinnlich verfügbar und vermitteln in ihrer Materialität die Anmutung des Konkreten. Dass Heide die Schürze besitzt, verweist auf eine Weitergabe der NS-Geschichte in einem ganz wörtlichen Sinne: ein historisch imprägnierter Gegenstand wird von einer Angehörigen einer früheren Generation an eine Angehörige der heutigen Generation weitergegeben. Das Ding ist aber nicht einfach so, quasi von selbst, von Bedeutung, sondern innerhalb des kurzen Narrativs, das Heide dazu erzählt. In dieser Erzählskizze tauchen zwei Protagonisten auf: die eigene Großmutter und der Großvater. Der Ort der Handlung: »aufm Schwarzmarkt«, die Zeit: »im Krieg« (aller Wahrscheinlichkeit nach eher nach dem Krieg.) Was geschieht? Dem Großvater gelingt der Kauf einer Hakenkreuzfahne, die die Großmutter ihrem üblichen Zweck entzieht und mit offenkundig praktischem Geschick zu nützlichen Dingen des täglichen Gebrauchs umarbeitet. Auf der Ebene des Subtextes scheint sich Folgendes abzuspielen: Die Großeltern werden als zwei Personen vorgestellt, die wenig auf Ideologie geben und realitätstüchtig eines der zentralen Symbole des »Dritten Reiches« handfest zu eigenen praktischen Dingen zu nutzen wissen. Überzeugte Nazis dürften so etwas eher nicht getan haben.
Erzählungen sind für die Jugendlichen, ob sie sich nun an Objekte heften oder nicht, bei der Herausbildung ihres Geschichtsbewusstseins bedeutsam, sie fungieren als – wie es einer der Befragten formulierte (Kölbl 2004, S. 242) – »greifbare Vergangenheit«. »Greifbar« dürfte diese Vergangenheit insofern sein, als diejenigen, die über sie erzählen, im Wortsinne zum Greifen nahe sind, ferner, weil ihre Erzählungen Vergangenes plastisch werden lassen und damit greifbar machen. Die Kommunikation mit den Großeltern führt allerdings nicht zwingend zu einer greifbaren Vergangenheit. Mitunter lässt sie die geliebten Personen vielmehr fremd werden, rückt sie in ein moralisches Zwielicht und nährt Zweifel an ihrer Integrität, zumal in einer Gruppendiskussion, in der auch – wenngleich nur kurz – von einem jüdischen Nachbarn die Rede ist, der Auschwitz überlebt und davon erzählt hat (s.a. Kölbl/Straub 2001):
Miriam: | Ja ich denk auch irgendwie, wenn ich immer mit meinen Großeltern darüber rede, denke ich immer so, wie die schon so ausweichen, irgendwie als wüssten sie nichts da drüber oder vielleicht wissen se wirklich nicht so viel, aber ich denk immer irgendwie die wollen ausweichen und mir das nicht erzählen, weil es ihnen/weil sie es selbst auch nicht hören wollen oder vielleicht weil sie es selbst nicht wahrhaben, dass sie da nichts gemacht haben oder dass sie sich nicht getraut haben zu helfen oder so (8. Klasse, Gymnasium). : |
Auch fiktive Narrative in Buch- oder Filmform stellen zentrale Medien der Repräsentation der NS-Geschichte dar und tragen im Zuge ihrer teilweise intensiven Rezeption durch die Jugendlichen zur Ausgestaltung ihres Geschichtsbewusstseins bei. Nur ein paar Hinweise zu den Büchern: Jugendromane wie »Fahrt im August«, »Die Webers« oder »Damals war es Friedrich« werden in den Gruppendiskussionen (teilweise gemeinsam) nacherzählt und diskutiert. Die Nacherzählungen zeichnen sich streckenweise durch eine hohe Anschaulichkeit und Konkretheit, Dramatik und Spannung sowie emotionale Betroffenheit aus. Mitunter scheinen die Jugendlichen kaum aus dem Erzählstrom heraustreten zu können, um eine stärker reflektierende Haltung den Romanen gegenüber einnehmen zu können.
Die NS-Geschichte tritt den Jugendlichen in unterschiedlichen Medien gegenüber, sie machen aber auch Erfahrungen mit ihr im Geschichtsunterricht und im Zuge von Fahrten zu bestimmten historischen Orten, etwa Auschwitz. Im Laufe der Entwicklung ihres Geschichtsbewusstseins, ihrer geschichtskulturellen Sozialisation erlebt zumindest ein Teil der Jugendlichen die NS-Geschichte als etwas, das in schwer zu bestimmender Weise zu ihnen gehört und sie belastet. Ihnen wird bewusst, dass sie als Deutsche mit dieser Vergangenheit, ob sie dies wollen oder nicht, in einem Zusammenhang stehen bzw. in einen solchen Zusammenhang gebracht werden. Freilich ist dies voraussetzungsvoll und keineswegs schon ohne weiteres bei jüngeren Jugendlichen zu beobachten:
Sönke: | Also das liegt vielleicht auch daran, dass, wenn wir Hitler durchnehmen würden, da würden wir ja Sachen hören, die vielleicht nicht so gut wären. Zum Beispiel, dass der Leute aufgeschlitzt hat und da alles rauskam interessiert uns glaub ich jetzt noch nicht so.: |
Simone: | Aber das haben wir doch jetzt schon im Alltag, dass wir uns darüber unterhalten.: |
Sönke: | Ja, schon, aber du, es gibt Sachen, die wissen wir nicht über Hitler/: |
Simone: | deshalb lernen wir das auch/: |
Sönke: | ja, aber da können Sachen rauskommen, das checken wir vielleicht noch gar nicht.: |
Simone: | Wir checken das auch mit den Römern und das ist auch ganz schön kompliziert. Wenn die uns so was zumuten können, dann können die uns auch direkt über so was aufklären.: |
Sönke: | Aber ich mein, Hitler kriegen wir in der acht oder so, sieben oder acht, was weiß ich und, ähm, wir kriegen, ich weiß auch nicht, warum nicht jetzt, aber schätz wegen dem Grund, den ich grad gesagt hab.: |
Diskussionsleiter: | Was meinst du Veronika, warum ihr das mit Hitler/: |
Sönke (?): | die ist ganz ruhig: |
Veronika: | Ja, vielleicht auch so, weil das etwas zu hart ist, was der alles gemacht hat.: |
Diskussionsleiter: | Also wie der Sönke meint, mh.: |
Otto: | Aber, wenn man sich jetzt anguckt, was heutzutage alles an Computerspielen auf dem Markt ist (6. Klasse, Gymnasium).: |
Genaueres wissen die Diskutantinnen und Diskutanten noch nicht über die NS-Geschichte. Dass es sich dabei aber um etwas ganz außergewöhnliches handeln muss, scheint ihnen sehr deutlich zu sein. Sie stellen verschiedene Mutmaßungen darüber an, weshalb sie im Geschichtsunterricht noch nichts darüber erfahren, wo sie doch auch über andere komplexe Themen unterrichtet werden. Ist es die Grausamkeit, die mit diesem Thema zusammenhängt und die ihnen nicht zugemutet wird? Dies mag – so sehen es die Schülerinnen und Schüler – wohl so sein oder aber auch wieder nicht, ein Konsens zeichnet sich nicht ohne weiteres ab. Freilich gehen ihre Vorstellungen in dieser Passage noch nicht über eine Person hinaus, die anderen die Bäuche aufschlitzt, vielleicht ahnen sie aber schon, dass sich die Grausamkeit des Nationalsozialismus darin nicht erschöpft. An späterer Stelle (s.u.) wird erwähnt, dass Hitler jeden vergast hat, der Jude war.
Vier Schuljahre später ist die geschichtskulturelle Sozialisation von Jugendlichen deutlich weiter vorangeschritten, mit Wissensbeständen aus dem Geschichtsunterricht angereichert und bisweilen auch mit thematisch einschlägigen außerschulischen Erfahrungen. Wie auch immer genau Äußerungen wie die im Folgenden wiedergegebenen interpretiert werden mögen (worum es uns in diesem Zusammenhang nicht geht), so kann zumindest soviel festgehalten werden: Die Grausamkeit, das Grauen der NS-Geschichte wird nicht mehr »bloß« mit brutalen Handlungen Einzelner in Verbindung gebracht, sondern wird allenfalls angedeutet und nicht näher ausgeführt. Ferner wird deutlich, dass die NS-Geschichte als zum »Identitätshaushalt« zugehörig angesehen wird.
Ludwig: | Ich war mal ich war ich war in in in in Ausschwitz war ich da halt, in diesen beiden Lagern/: |
Karin: | Ja, echt?/: |
Ludwig: | und das war das war schon ziemlich heftig irgendwie. Also also am Anfang hast du immer erst mal son son Film gesehen, in einem halben (Kino) Saal ein Film, äh die Bilder waren schon ziemlich mies irgendwie, weil die total diese, auf jeden Fall ich fands ich fands ziemlich heftig und ich hab mich sehr sehr sehr darüber geärgert, dass da sehr viele israelische Gruppen waren und die da wirklich sehr viel Aufstand gemacht haben, die sind alle mit irgendwie Flaggen rumge rumgerannt irgendwie alle, jeder hatte irgendwie diese Flagge dabei und sind in riesigen Gruppen daher, und und alle mussten ihnen Platz machen und so und und und sie sind, weiß ich nicht, mich hat einer mal irgendwie angerempelt von denen, ja mach mal Platz irgendwie und darüber habe ich mich sehr sehr drüber aufgere aufgeregt irgendwie und ich fands schon echt ehrlich gesagt ziemlich beschissen, muss ich so ganz ehrlich sagen, weil ich es nicht verstehen konnte, dass man, dass man sich halt so aufspielt irgendwie, weil es doch irgendwie schon irgendwie nicht nicht ist, dass man sich irgendwie jetzt zeigen sollte oder so, ich mein ich mein, wie ständen wir da, jeder würden da mit deutschen Flaggen rumrennen in Auschwitz und weiß ich nicht also ich ich finds nicht ganz so schön, ich finds irgendwie nicht so toll, das Verhalten von denen, fand schon n bisschen ziemlich heftig (10. Klasse, Gymnasium).: |
Zweierlei ist an Ludwigs Besuch in Auschwitz für ihn »heftig«: Die Filmausschnitte, die er gesehen hat, und das Verhalten israelischer Gruppen, das er als unpassend empfunden hat. Letzterem gilt dann seine besondere Aufmerksamkeit. Vermutlich »regt« ihn das Verhalten der israelischen Gruppen deswegen so »auf«, weil es ihm deutlich vor Augen führt, dass er als ein Nachkomme des »Täterkollektivs« sich keinesfalls so hätte verhalten dürfen, wie er dies an den Israelis kritisiert. Dass es sich bei der Bezeichnung »Täterkollektiv« um eine groß simplifizierende und in dieser Pauschalität nicht haltbare Begrifflichkeit handelt, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle, der Begriff scheint auf die Gefühlslage, die Ludwig zum Ausdruck bringt, gut zu passen.
Auch in einer anderen Hinsicht wird deutlich, dass die NS-Geschichte für die Identität der befragten Jugendlichen eine Rolle spielt. Dies ist dort der Fall, wo auf eine »Merkwürdigkeit« hingewiesen wird, nämlich die, dass Hitler ja gar kein Deutscher gewesen sei:
Fanny: | mh, ich, also ich find das auch, was ich ziemlich bemerkenswert finde, dass der Mann noch nicht einmal Deutscher war […] dass der einfach aus dem Ausland hierher gekommen ist und hier ganz Deutschland auf den Kopf gestellt hat (8. Klasse, Gymnasium).: |
Daniel: | Weil er [Adolf Hitler, C.K./A.S.] war ja selbst kein Deutscher (10. Klasse, Hauptschule). : |
Waltraud: | Genauso, ähm, Hitler damals dat ist ja auch n Witz, der war ja überhaupt kein Deutscher, der war Schwei/Österreicher, Österreicher? Schweier? Schweizer glaub ich, der kam aus Wien auf jeden Fall ((lacht)). Ja, äh, dat muss man sich auch mal, äh, überlegen. Der war noch nicht mal Deutscher (10. Klasse, Hauptschule).: |
Dieser wiederholte Verweis auf den »Ausländerstatus« Hitlers scheint uns im Sinne einer psychischen Entlastung zu fungieren: Derjenige, der den Jugendlichen für das Grauen der NS-Geschichte als der Hauptverantwortliche erscheint (s. auch weiter unten) gehört »eigentlich« gar nicht demjenigen nationalen Kollektiv an, dem man selbst zugehört. Damit wird er und die mit ihm verbundene Geschichte auf Distanz gebracht.
Die Ausführungen der Jugendlichen lassen nicht nur Wissensbestände (bzw. deren Mangel) über die NS-Geschichte deutlich werden oder können im Hinblick auf Identitätsbildungsprozesse betrachtet werden, sondern sie können auch im Kontext grundlegender epistemischer Operationen gelesen werden. Bei diesen handelt es sich um Fragen historischer Wahrheit sowie um Modi historischen Verstehens und Erklärens.
Die großelterlichen Erzählungen fungieren deshalb als »greifbare Vergangenheit«, weil die Jugendlichen sich durch sie besser in die Vergangenheit »hineinversetzen können« als sie dies durch den Geschichtsunterricht oder Schulbücher könnten:
Achim: | Ich kann halt dann mit meinem Opa, der war zum Beispiel Soldat […] und der war dann auch Gefangener bei den Amerikanern und so und der erzählt das dann auch und dann kann man sich auch reinversetzen halt. Kann man sich vorstellen, was der gefühlt hat und was der so gedacht hat (8. Klasse, Gymnasium). : |
Überhaupt genießt Augenzeugenschaft bei den Jugendlichen eine hohe Wertschätzung (Kölbl 2004, S. 328 ff.). Am besten wäre es, man hätte etwas selbst miterlebt, dann könnte man am ehesten wahrheitsgemäße Aussagen darüber treffen. Wenn dies aber schon nicht der Fall sei, dann seien Berichte von Augenzeugen die – wenn man so möchte – zweitbeste Alternative. Dass Zeitzeugenschaft nicht ohne weiteres ein Garant für historische Wahrheit ist, wird noch wenig angezweifelt, dass das Sich-Hineinversetzen-Können in Geschichte durch die großväterlichen Erzählungen auch Probleme mit sich bringen kann, selten thematisiert – es ist dies ja auch eine kognitiv und emotional komplexe Herausforderung.
Bei der Analyse grundlegender Operationen des Geschichtsbewusstseins Jugendlicher ist auffällig, dass die Erklärung historischer Phänomene insbesondere bei den jüngeren Jugendlichen oftmals personalisierende Züge trägt. Dies ist auch bei der NS-Geschichte der Fall:
Sönke: | […] Hitler […] der hat ja jeden vergast, der Jude war. […] : |
Simone: | Ja, da interessiere ich mich dafür, warum er das gemacht hat. […] Weil er einfach Bock drauf hatte? Ja/und ja, weiß ich nicht, ja weil ich einfach mehr drüber wissen will (6. Klasse, Gymnasium).: |
Die NS-Geschichte verdichtet sich in der Person Hitlers, die jeden vergast hat, der Jude war. Die Frage, die sich hier für Simone stellt, ist die nach den persönlichen Motiven Hitlers. Es findet mithin eine Engführung auf eine Akteursperspektive statt, wobei diese Engführung wohl auch für Simone selbst fragwürdig ist: So recht plausibel ist ihr, »weil er einfach Bock drauf hatte«, nicht, sonst wäre ihr Weiterfragen überflüssig. Mitunter geht die Personalisierung der NS-Geschichte auch mit Ausführungen einher, die Zülsdorf-Kerstings Resümee aus seinen empirischen Analysen zu bestätigen scheinen: Es »dominieren auch heute simplifizierende NS-Bilder, die aus den immer gleichen verharmlosenden Stereotypen konstruiert werden« (Zülsdorf-Kersing 2007, S. 453). So führt der weiter oben zitierte Daniel etwa aus:
Daniel: | Also mich interessiert das, weil da die Anfänge von dem Adolf Hitler sind. Also, wieso er da so und so doll an die Macht kam. […] Vielleicht wars ja am Anfang gut für die Menschen, aber später war dat voll der Reinfall. […] Also sie hatten ja am Anfang mehr Arbeit und es stimmt irgendwie so alles und dann kam die Rassendiskriminierung […] so krass und dat war ein bisschen blöd« (10. Klasse, Hauptschule). : |
Fokussierungen auf einzelne Akteure finden sich auch bei anderen historischen Themen und stellen so etwas wie eine Parallelisierung von »großer« Historie bzw. Politik und »kleiner« (eigener) Alltagswelt dar. Erst später deuten sich multifaktorielle Begründungen an:
Astrid: | Wär er [Hitler, C.K./A.S.] nicht gewesen, wer weiß, ob es ihn dann [den Zweiten Weltkrieg, C.K./A.S.] gegeben hätte, ne.: |
Interviewer: | Was meinst du?: |
Astrid: | Ja, so kenn ich mich auch nicht aus ((lacht)). Ich will auch nichts falsches sagen. Aber ich denk mal da müssen mehrere Teile zusammenkommen. Also (kuchenähnlich), ich denk mal er war schon n Teil davon (10. Klasse, Gymnasium).: |
Wir haben skizziert, wie fiktive und nicht-fiktive, an Gegenstände geknüpfte und von Gegenständen unabhängige Narrative zur intergenerationalen Weitergabe der NS-Vergangenheit beitragen können. Ferner haben wir darauf hingewiesen, dass die NS-Vergangenheit noch heute zumindest für einen Teil von in Deutschland lebenden Jugendlichen identitätskonstitutiven Charakter hat. Zugleich hoffen wir deutlich gemacht zu haben, wie voraussetzungsvoll ein identitätskonstitutiver Umgang mit der NS-Vergangenheit ist, der ja keineswegs schon bei jüngeren Jugendlichen ohne weiteres zu beobachten ist. In diesem Zusammenhang halten wir auch den Befund, Hitler als »Ausländer« zu etikettieren für bemerkenswert, dürfte dies doch unter der Perspektive einer Distanzierung erfolgen, die die personifizierte und verdichtete NS-Verbrechensgeschichte aus dem »eigenen Kollektiv« ausschließt. Schließlich wollten wir unterstreichen, dass Personalisierungen kein »Alleinstellungsmerkmal« eines Umgangs mit der NS-Geschichte darstellen, sondern zum gängigen Repertoire epistemischer Operationen Jugendlicher gehören.
Am Ende angelangt, möchten wir weder ein Fazit noch Hinweise auf möglicherweise weiterführende begrifflich-theoretische Klärungsversuche anbieten. Die Formulierung eines Fazits scheint uns angesichts der im Text immer wieder vorgenommenen Zwischenresümees überflüssig zu sein. Hinweise für weiterführende begrifflich-theoretische Klärungsversuche halten wir selbstverständlich nicht prinzipiell, aber an dieser Stelle für wenig fruchtbar. Solche theoretisch-begrifflichen Weiterführungen dürften sich wohl ohnehin auch eher aus der konkreten empirischen Arbeit heraus ergeben als durch »rein« theoretische Abhandlungen. Solch konkrete weiterführende empirische Arbeit halten wir nun allerdings für überaus sinnvoll und nötig. Daher zumindest hierzu noch die Andeutung zweier Perspektiven:
Die Untersuchung des Geschichtsbewusstseins von Generation zu Generation ist hierzulande noch nahezu ausschließlich auf das Geschichtsbewusstsein der Autochthonen beschränkt. Ein wichtiges Desiderat stellen mithin empirische Rekonstruktionen historischer Sinnbildungsprozesse von Allochthonen dar (Georgi 2003; Georgi/Ohliger 2009; Kölbl 2008, 2009). Dabei dürften gerade Analysen der Familie als Generator von Geschichtsbewusstsein sowie die unterschiedlichen Verhältnisse, in denen familiale Geschichtskonstruktionen und schulischer Geschichtsunterricht zueinander stehen (für den angloamerikanischen Raum s. etwa Epstein 1998 sowie Seixas 1993), von besonderem Interesse sein.
Von besonderem Interesse dürfte auch die Nachzeichnung inhaltlicher Wandlungen des Geschichtsbewusstseins Jugendlicher sein. In Bezug auf die NS-Geschichte finden sich etwa in Heinrich Roths Arbeit »Kind und Geschichtsunterricht« (1968 [1955]) Daten aus Aufsätzen von Schülerinnen und Schülern zum Thema »Hitler« (ebd., S. 30–33). Dort geben die Schreibenden nicht zuletzt ihrer Enttäuschung über den verlorenen Krieg Ausdruck. Eine solche Enttäuschung lässt sich bei den hier zur Sprache gekommenen Jugendlichen nicht finden und dürfte auch sonst sicher nicht zum gegenwärtigen geschichtskulturellen Mainstream gerechnet werden können. Wie sich die NS-Geschichte im Geschichtsbewusstsein früherer (dazu neben Roth etwa Boßmann 1977 [dem allerdings nicht zuletzt an Skandalisierung und weniger an nüchterner wissenschaftlicher Analyse gelegen ist] sowie Jaide 1963) im Vergleich zu folgenden Generationen Jugendlicher darstellt, ist gerade auch in Anbetracht eines verblassenden kommunikativen Gedächtnisses ein lohnendes empirisches Projekt, dessen praktische Relevanz, etwa für die Gestaltung des Geschichtsunterrichts, unübersehbar ist.
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Die vorliegende Abhandlung geht auf Kölbl (2004, insbes. S. 93–169 sowie S. 227–352) zurück, bündelt einige der dort vorgetragenen Argumente und Befunde und differenziert sie für den vorliegenden Argumentationszusammenhang weiter aus. Teilweise übernehmen wir auch Formulierungen aus dieser Arbeit.