Institutionalisierte Beratung von Arbeitsuchenden in der Arbeitsverwaltung unter den Bedingungen des aktivierenden Wohlfahrtsstaats

Frank Sowa

Zusammenfassung

Der Beitrag untersucht die Frage, in welcher Weise und mit welchen Möglichkeiten und Grenzen in Zwangskontexten wie der öffentlichen Arbeitsverwaltung reflexive Formen von Beratung möglich sind. ›Reflexive Beratung‹ ist eine Form sozialen Handelns, durch die Subjekte in einer Face-to-Face-Kommunikation einen Beratungsraum herstellen, in dem dialogisch unter bewusstem Rückbezug auf frühere Handlungen Reflexion ermöglicht wird, die dazu führt, dass das zu beratende Subjekt seine Handlungsfähigkeit wieder erlangt bzw. beibehält. Anhand eines beobachteten Beratungsgesprächs werden Bedingungen und Faktoren für eine praktische Realisierung von Reflexivität im Beratungsprozess analysiert.

Schüsselwörter: Beratung, Aktivierung, New Public Management, Arbeitsverwaltung, Wohlfahrtsstaat

Keywords: Counselling, activation, new public management, public employment service, welfare state

Summary

The paper examines the question in what way and with what possibilities and limitations reflexive forms of counselling can be realized in contexts like the public employment services that are characterized by coercion. ‘Reflexive counselling’ is a form of social action, through which subjects produce a space of counselling through face-to-face communication. This space enables reflection with the help of dialogue and the conscious reference back to earlier actions. The subject regains or maintains its capacity to act. Based on an observed counselling interview conditions and factors for practical realization of reflexivity are analyzed in the job placement process.

Schüsselwörter: Beratung, Aktivierung, New Public Management, Arbeitsverwaltung, Wohlfahrtsstaat

Keywords: Counselling, activation, new public management, public employment service, welfare state

1. Einleitung: Über Beratung in einem Zwangskontext

Die Beratungssituation in der öffentlichen Arbeitsverwaltung (SGB III) bzw. in den Grundsicherungsträgern (SGB II) ist durch einen ›Zwangskontext‹ gekennzeichnet (Bieback 2009; Bohrke-Petrovic/Göckler 2009; Göckler 2008, 2012a,b; Kolbe 2012; Michels 2013). Damit unterscheidet sich die Beratung in der Arbeitsverwaltung von anderen in einem wesentlichen Punkt: Beratung tritt in diesem Kontext in der Form einer ›reziprokgebundenen‹ Beratung auf, die sich dadurch auszeichnet, dass beide Beratungspartner zunächst nicht die Möglichkeit haben, den Beratungsprozess abzubrechen: »Für den Berater bleibt aufgrund der rechtlichen Auftragspflicht eine Angebotspflicht bestehen, solange der Betroffene i.S. des Gesetzes leistungsrechtlich hilfebedürftig ist, für den Beratungsnehmer ist die Beratungsannahme auf einer formalen Ebene festgeschrieben, die einen Abbruch nur bei (leistungsrechtlichen) Sanktionen ermöglicht« (Bohrke-Petrovic/Göckler 2009, S. 556). Dagegen nehmen zu Beratende außerhalb eines Zwangskontexts Beratungsgespräche freiwillig wahr und haben zumindest unmittelbar keinen Nachteil, wenn sie die Beratung nicht in Anspruch nehmen, sie abbrechen oder sich eine andere Person als Beratungspartner wünschen.

Die reziprokgebundene, formalisierte Beratung von Arbeitsuchenden[1] findet in einem rechtlich normierten Rahmen statt, in dem Rechte und Pflichten für arbeitsuchende Bürgerinnen bzw. Bürger und Arbeitsverwaltung fixiert sind (Grunow 1978; Sowa et al. 2013). So regelt beispielsweise das in diesem Beitrag relevante Dritte Buch des Sozialgesetzbuches (SGB III) die Konditionen für den Erhalt von Entgeltersatzleistungen wie Arbeitslosengeld oder staatlichen Dienstleistungen für Arbeitsuchende wie Beratung. Beratungssubjekte können demnach die Beratung der Arbeitsverwaltung nur dann in Anspruch nehmen, wenn sie bestimmte Voraussetzungen und Pflichten erfüllen. Der sich entfaltende Beratungsprozess wird von bürokratischen Kontrollmechanismen begleitet, welche die Einhaltung der rechtlichen Voraussetzungen überprüfen. Die zu Beratenden treten häufig nicht freiwillig in diesen Beratungsprozess ein. Eine Voraussetzung für die Gewährung von Arbeitslosengeld ist die Erfüllung von bestimmten Mitwirkungspflichten. Zu diesen zählt u.a. die Wahrnehmung der Vorsprachen in den Agenturen für Arbeit, die als Beratungsgespräche bezeichnet werden. Beratung in diesem Kontext ist daher ein Pflichtangebot, dem sich die Arbeitsuchenden nur dann entziehen können, wenn sie sich Sanktionen leisten können.

In Episoden der Arbeitsuche befinden sich die Betroffenen i.d.R. in einer Krisensituation. Um dieser Situation gerecht zu werden, müsste die öffentliche Beratung von Arbeitsuchenden an deren krisenhaften Arbeits- und Lebenssituationen ansetzen und ihnen zur Reflexion ihrer eigenen Berufsbiographie verhelfen. Zu fragen wäre, ob eine, in dieser Weise verstandene ›reflexive Beratung‹ (Pongratz 2011; Seel 2009), in einem Zwangskontext wie der Arbeitsverwaltung überhaupt möglich ist. Die Voraussetzungen erscheinen ungünstig. Erstens wären für die Ermöglichung von ›reflexiver Beratung‹ geeignete Rahmenbedingungen notwendig. Wie in anderen europäischen Wohlfahrtsstaaten auch (vgl. Sowa/Zapfel im Erscheinen), wurden diese jedoch in den letzten Jahren erheblich modifiziert (Sowa/Staples 2013, 2014; Theuer/Sowa 2014). Die Etablierung von Aktivierung und New Public Management in der Arbeitsverwaltung lassen vermuten, dass sich der Zwangskontext verstärkt, da neben dem Fördern auch das Fordern (und dessen Überprüfung) eine größere Rolle spielt. Zudem richtet sich der Mitteleinsatz für Arbeitslose zunehmend an den Kriterien der Effizienz und Effektivität aus, so dass unter Umständen nicht alle individuell notwendigen und durch die Beratung offen gelegten (kostenintensiven) Unterstützungen gewährt werden (können). Die veränderten Rahmenbedingungen strukturieren den Beratungsraum zeitlich und inhaltlich vor, so dass die beratenden Fachkräfte der Bundesagentur für Arbeit (BA) mit unterschiedlichen Handlungslogiken (z.B. betriebswirtschaftliche vs. beraterische) konfrontiert werden. Zweitens spielen für eine ›reflexive Beratung‹ die Beratungskompetenzen der Beraterinnen und Berater eine wichtige Rolle. Diese Kompetenzen wurden von mehreren Studien in der jüngsten Vergangenheit thematisiert und kritisiert, so dass offen ist, inwiefern diese Voraussetzung erfüllt ist. Beanstandet wurde beispielsweise, dass in vielen Beratungsverläufen wenig stringente Zielfindungs- und Zielanpassungsprozesse aufzufinden sind oder dass Offenheit und Strukturiertheit der Beratung zu wenig ausbalanciert sind (Schütz et al. 2011a; Schütz/Ochs 2005; Schütz et al. 2011b; WZB/infas 2006).

Anhand einer konkreten Beratungssituation in einer Agentur für Arbeit soll der Versuch unternommen werden, ›reflexive Beratung‹ unter den eben beschriebenen ungünstigen Voraussetzungen zu untersuchen. Der vorliegende Beitrag stellt daher die Frage, in welcher Weise und mit welchen Möglichkeiten und Grenzen in institutionalisierten Beratungskontexten, die durch Zwang gekennzeichnet sind, Formen und Aspekte von Reflexivität in Erscheinung treten. Dabei wird zunächst geklärt, was unter ›reflexiver Beratung‹ verstanden wird. Danach fokussiert der Beitrag auf die strukturellen Kontextbedingungen der öffentlichen Arbeitsverwaltung im Rechtskreis SGB III. Anhand des Datenmaterials eines Forschungsprojektes des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) werden schließlich an einem spezifischen Fallbeispiel Bedingungen und Faktoren für eine praktische Realisierung bzw. Nicht-Realisierung von Reflexivität im Beratungsprozess herausgearbeitet.

2. ›Reflexive Beratung‹

Ganz allgemein gesprochen, ist Beratung »im Kern eine Face-to-Face-Kommunikation, die sich dialogisch mit den Themen, Fragen und Orientierungsbedürfnissen der Klient_innen auseinandersetzt, mit dem Ziel, (Neu‑)Orientierung zu ermöglichen und die (Wieder‑)Gewinnung von Handlungsfähigkeit (agency) zu unterstützen« (Großmaß 2013, S. 1509). Diese Orientierung ist in manchen Lebenslagen notwendig, wenn Beratungssubjekte sich komplexen Entscheidungssituationen gegenüber sehen, sich in Notlagen befinden oder mit Problemen konfrontiert werden. Hier ist Beratung essentiell, denn sowohl alltägliche als auch professionelle Beratung »sollte ganz einfach dabei helfen, Probleme zu lösen, Orientierungen zu gewinnen, Entscheidungen zu fällen und Handlungen zu planen – und das entlang von Reflexion, die Dissens während des Suchprozesses ebenso kennt wie sie Konsens als Ergebnis anstrebt. Beratung war und ist somit immer als ein Suchprozeß verstanden worden« (Engel 1997, S. 193).

Beratung ist demnach ein Suchprozess, in dem Reflexion eine große Rolle spielt. Reflexive Formen von Beratung bedeuten »sich miteinander beraten i.S. einer Beziehungsklärung zwischen Subjekten bzw. Abstimmung aufeinander bezogener (also sozialer) Handlungen« (Seel 2009, S. 3). Damit ist Beraten eine Form des sozialen Handelns »welches seinem von dem oder den Handelnden gemeinten Sinn nach auf das Verhalten anderer bezogen wird und daran in seinem Ablauf orientiert ist« (Weber 1980, S. 1; Hervorhebungen im Original, F.S.). Dies setzt voraus, dass ratgebende und ratsuchende Person die Handlungssituation als Beratungssituation wahrnehmen. Diese ist durch gegenseitige Erwartungsstrukturen und wechselseitige Orientierung des Handelns charakterisiert. Was aber meint in diesem Kontext reflexives Handeln? Pongratz zufolge ist Handeln »dann reflexiv, wenn der bewusste Rückbezug auf frühere Handlungen (i.d.R. aus eigener Erfahrung unter vergleichbaren Bedingungen) seine Leitlinie bildet. Kennzeichen von Reflexivität ist also das Nachdenken über aktuelle Handlungsanforderungen im systematischen Abgleich mit Voraussetzungen und Folgen vorangegangener Handlungen (Reflexivität als systematische Rückbezüglichkeit des Handelns)« (Pongratz 2011, S. 31).

Zusammenfassend lässt sich ›reflexive Beratung‹ wie folgt definieren: ›Reflexive Beratung‹ ist eine Form sozialen Handelns, in der Subjekte in einer Face-to-Face-Kommunikation einen Beratungsraum herstellen, um aktuelle Probleme zu lösen, Entscheidungen zu treffen oder (Neu‑)Orientierung zu gewinnen. Der Beratungsraum wird als gemeinsamer Suchprozess konzipiert, in dem dialogisch unter bewusstem Rückbezug auf frühere Handlungen Reflexion ermöglicht wird, die dazu führt, dass das zu beratende Subjekt seine Handlungsfähigkeit wieder erlangt bzw. beibehält. Der Suchprozess ist durch gegenseitige Erwartungsstrukturen und wechselseitige Orientierung des Handelns gekennzeichnet. In einer Moderne, die durch eine Vervielfachung von Optionen und daraus resultierend durch Unsicherheiten charakterisiert ist, wird Beratung zur zentralen gesellschaftlichen Institution, »indem sie den korporierten und individuellen Subjekten systematisch zur Reflexion verhilft« (Seel 2009, S. 7) und damit Unsicherheiten abbaut und eine Selbstpositionierung ermöglicht. Trifft dieser Sachverhalt auch auf Beratung in der öffentlichen Arbeitsverwaltung zu? Dieser Frage soll im Folgenden nachgegangen werden.

3. Beratung in der öffentlichen Arbeitsverwaltung

Die Reformen der letzten Jahre haben die BA stark verändert. Seit der Einführung des Kundenzentrums der Zukunft erhalten Arbeitsuchende regelmäßige Termine bei ihrer Vermittlungsfachkraft, die Vorsprachen dauern zwischen 30 und 60 Minuten, telefonische Anfragen werden von einem Service-Center entgegengenommen und stören nicht die Beratungsgespräche. Hinzu veränderte sich Beratung in der öffentlichen Arbeitsverwaltung: die Integrationsarbeit der Vermittlungsfachkräfte erfolgt in den vier Phasen Profiling, Zielfestlegung, Strategieauswahl und Umsetzen/Nachhalten (4-Phasen-Modell); mit der BA-Beratungskonzeption (BeKo) wurden im Sinne einer Qualitätssicherung Merkmale und Methoden der Beratung in der Arbeitsverwaltung festgeschrieben; die Personalkapazitäten der beratenden Fachkräfte haben sich erhöht (Hofmann et al. 2010, 2012; Sowa/Krug 2012); schließlich ist die Vermittlungsarbeit nunmehr arbeitsteilig organisiert und damit spezialisiert (Sowa/Theuer 2010; Theuer/Sowa 2014): Arbeitsuchende werden von arbeitnehmerorientierten Vermittlungsfachkräften betreut, während arbeitgeberorientierte Vermittlungsfachkräfte Stellenangebote von Arbeitgebern akquirieren.

Vor dem Hintergrund der seit Mitte der 1990er Jahre andauernden Umstrukturierungen veränderten sich jedoch auch die bürokratisch-verwaltungstechnischen sowie die sozialpolitischen Rahmenbedingungen der Beratungstätigkeiten grundlegend. New Public Management und Aktivierung sind Schlagworte, die diese neue Ausrichtung der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik in nahezu allen europäischen Wohlfahrtsstaaten beschreiben (Sowa/Zapfel im Erscheinen). Diese Prinzipien beeinflussen die Praktiken und Prozesse der Beratung und Vermittlung im SGB III und transformieren damit den Arbeitsalltag von beratenden Fachkräften tiefgreifend: Controlling, Zielvorgaben, Vermittlungsbudget, computerunterstützte Vermittlungsaktivitäten, eine zunehmende arbeitsteilig organisierte Arbeitsvermittlung, Dienstleistungsorientierung, Kundensegmentierungen und Handlungsprogramme, die den Mitteleinsatz nach privatwirtschaftlichen Effizienzvorstellungen bestimmen, sind typische Kennzeichen einer behördlichen Verwaltungsorganisation, die sich an betriebswirtschaftlichen Routinen der Effizienzsteigerung und formalen Rationalisierung ausrichtet. Die stärkere Einbindung von noch nicht arbeitslos gewordenen Arbeitsuchenden in den Vermittlungsprozess, die Anwendung immer schärferer Zumutbarkeitsregelungen, die Überprüfung der Verfügbarkeit sowie der Eigenbemühungen, die Verwendung von internen Selektionskategorien (wie beispielsweise Kundenprofile) sowie eine Intensivierung der Kundenkontakte verweisen auf Kernelemente von Aktivierung (Sowa/Staples 2014).

Diese Entwicklungen transformieren die konkreten Praktiken der Fachkräfte. Hinzu kommt, dass der Beratungsprozess innerhalb der öffentlichen Arbeitsverwaltung zwar in der konkreten Situation zwischen Vermittlerinnen bzw. Vermittlern und Arbeitsuchenden stattfindet. Jedoch wird dieser Prozess zunehmend von einer abstrakten, beitragszahlenden Versichertengemeinschaft beeinflusst, die ebenfalls einen Kundenstatus erhält, wie das folgende Interviewzitat mit einer Geschäftsführung einer Agentur für Arbeit belegt:

»Das andere ist aber auch und auch da bin ich ein Dienstleister, aber ein Dienstleister im Auftrag der Versichertengemeinschaft. Das heißt auch, dass ich darauf achte, dass das was wir an Geld haben als Organisation oder was die dann auch gegebenenfalls auch wieder einzahlen oder wer auch immer als Beitragszahler, dass das für die Gemeinschaft einigermaßen im Gleichgewicht bleibt [...]. Ja, [ich] bin aber auch Dienstleister in dem Sinne, dass ich sag, damit es jemand dann vielleicht eher in eine andere Arbeit gebracht wird, die Arbeitslosigkeit vielleicht gar nicht eintritt, schütze ich auch die soziale Versichertengemeinschaft.« (Interview trans_06_01)

In diesem Falle sind die Kundinnen und Kunden nicht mehr jene, welche unmittelbar am Arbeitsmarkt agieren. Zu den Arbeitsuchenden, die eine Stelle suchen und den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern, die geeignete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter suchen, gesellt sich die abstrakte Gemeinschaft der Beitragszahler als neue Kundschaft, der eine Dienstleistung erbracht werden könne, indem sparsam mit den vorhandenen Mitteln umgegangen wird und durch eine effiziente und effektive Arbeit Kosten vermieden oder eingespart werden können.

Bisherige Forschungsarbeiten sowohl im SGB II als auch im SGB III, die die Interaktionen zwischen Vermittlungsfachkräften und Arbeitsuchenden in Deutschland (Böhringer et al. 2012; Hielscher/Ochs 2009; Ludwig-Mayerhofer et al. 2009; Schütz et al. 2011b) und in der Schweiz (Magnin 2005) untersuchten, sowie Studien zum Vermittlungspersonal (Ames 2008; Osiander/Steinke 2011) und Organisationsstudien (Mosley et al. 2003; Schütz 2008) vernachlässigten das Thema der ›reflexiven Beratung‹ in einem Zwangskontext. Die beschriebenen Rahmenbedingungen erscheinen eher ungünstig für die Herstellung von ›reflexiven Beratungssituationen‹. Hinzu tritt, dass die Praxis von Beratungsgesprächen im Kontext des SGB III von einem streng normierten Setting bzw. zunehmender Standardisierung geprägt ist (Sowa/Staples 2013).

Der wissenschaftliche Diskurs hinsichtlich der Frage, ob Beratung und Zwang kompatibel sind oder nicht, ist uneindeutig. Während einige die Position vertreten, dass beides unvereinbar ist, schließen andere auch in einem Zwangskontext die Möglichkeit der Beratung nicht aus, wenn diese als professionelle Einzelhilfe organisiert würde (Bartelheimer 2008). Im Folgenden soll anhand eines Fallbeispiel der Versuch unternommen werden, trotz der erschwerenden Rahmenbedingungen Formen von ›reflexiver Beratung‹ in der öffentlichen Arbeitsverwaltung aufzufinden. Empirisch stammt das durch teilnehmende Beobachtung gewonnene Beratungsgespräch sowie die flankierenden leitfadengestützten Interviews mit einer Vermittlungsfachkraft und einem Arbeitsuchenden aus dem umfangreichen qualitativen Forschungsprojekt Praxis des Vermittlungsprozesses: Qualitative Evaluation des Modellversuchs Erhöhte Arbeitsvermittlerkapazität in ausgewählten Regionaltypen (1:70), das am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) angesiedelt war und einen von 1. Mai 2007 bis 31. Dezember 2012 laufenden Modellversuch der BA evaluierte. In dem Modellversuch wurde das Vermittlungspersonal so weit aufgestockt, dass eine einzelne Vermittlungsfachkraft nur noch 70 Arbeitslose zu betreuen hatte. Der Vermittlungsprozess intensivierte sich durch tendenziell häufigere Beratungsgespräche, die länger dauerten. Der vorliegende Fall stammt aus einer der 14 Modelldienststellen und beinhaltet ein langes Folgegespräch, das wohl nur in Ausnahmefällen in dieser Länge in einer Dienststelle, die nicht am Modellversuch teilnahm, stattgefunden hätte.

4. ›Reflexive Beratung‹ in der Arbeitsverwaltung: Ein Fallbeispiel

Für die Auswahl des Fallbeispiels wurde das empirische Material – beobachtete Beratungsgespräche sowie Interviews mit Fachkräften und Arbeitsuchenden – analysiert. Der spezifische empirische Fall aus dem Jahr 2010 ist einer der wenigen, in dem sich überhaupt Ansätze für ›reflexive Beratung‹ zeigen. Es handelt sich also um einen Fall, in dem trotz der beschriebenen ungünstigen Rahmenbedingungen überraschenderweise eine Beratungssituation hergestellt wird. Diese zeichnet sich dadurch aus, dass sowohl der Arbeitsuchende als auch die Vermittlerin über die andauernde Langzeitarbeitslosigkeit des Arbeitsuchenden gemeinsam reflektieren. Bemerkenswert ist, dass in dieser Situation ein Nichtleistungsempfänger beraten wird und sich damit der Zwangskontext stark relativiert: Der Ratsuchende muss keine Kürzung des Arbeitslosengeldes befürchten, da er ohnehin keines erhält. Durch diesen exemplarischen Fall werden die bisherigen, eher kritischen Analysen über die Beratung und Vermittlung in der Arbeitsverwaltung oder die Dienstleistungsqualität der BA nicht in Frage gestellt. Eher ist dieser Fall komplementär anzusehen, da er über den Facettenreichtum von Beratungspraxen im aktivierenden Wohlfahrtsstaat Auskunft gibt. Die Vermittlungsfachkraft versucht einen Raum für Reflexion herzustellen, durch ihre beraterische Praxis entspricht sie eher dem Typus einer beratungsaffinen Fachkraft. Als solche ergänzt sie bisherige Typisierungen von Vermittlungsfachkräften als Zuarbeiter einer Matching-Maschine (Hielscher/Ochs 2009) oder als Aktivierer (Ludwig-Mayerhofer/Behrend/Sondermann 2009).

Das Setting

In die Analyse des Falles gehen das etwa einstündige Beratungsgespräch (B), an dem die Vermittlerin Frau Dr. Winter und der Arbeitsuchende Herr Dr. Böhm teilnehmen, sowie die zwei, im Anschluss an das Beratungsgespräch mit den jeweiligen Protagonisten geführten Interviews ein (I-AV und I-ASU).[2] Frau Dr. Winter ist als promovierte Biochemikerin von Hause aus Naturwissenschaftlerin und bewarb sich aufgrund der Veränderung ihrer familiären Situation in der lokalen Dienststelle der Agentur für Arbeit einer westdeutschen Großstadt. Ihre Initiativbewerbung war erfolgreich, so dass sie als Akademikervermittlerin für naturwissenschaftliche Berufe zuständig ist. Sie ist etwa Anfang vierzig, 165 cm groß und hat ein sehr gepflegtes Auftreten. Sie trägt eine rosafarbene Bluse, darüber eine schwarze eng geschnittene Jacke, eine dunkle Hose und flache schwarze Schuhe. Ihre Kleidung und ihre Accessoires (Perlenkette, Perlenohrstecker, Brille, Damenuhr, Ringe) sind genau aufeinander abgestimmt. Sie ist dezent geschminkt. Die Vermittlerin spricht schnell und deutlich.

Herr Dr. Böhm ist Mitte 50, 180 cm groß und eine ›stattliche‹ Erscheinung. Über dem Polohemd trägt er ein dunkles Freizeitsakko, eher Mitternachtsblau als schwarz. Dazu eine dunkelblaue Baumwollhose und dunkle Lederslipper. Sein Haar ist sehr kurz geschnitten, er trägt einen akkurat rasierten Backen- und Kinnbart, der nicht länger ist als die Haare. Zudem trägt er eine modische Brille und einen schlichten silbernen Ehering. Der Kunde macht insgesamt einen sehr gepflegten Eindruck, jemand der Wert auf sein Äußeres legt, dabei aber keine Eitelkeit zur Schau trägt. Der promovierte Agrarwissenschaftler verfügt über Auslandserfahrungen, seine berufliche Karriere in der Wissenschaft stagnierte jedoch nach seiner Rückkehr nach Deutschland. Es folgten verschiedene Tätigkeiten, eine war von der Arbeitsverwaltung gefördert, andere sozialversicherungspflichtig; zuletzt war Herr Dr. Böhm freiberuflich tätig, u.a. als Lehrbeauftragter an der Universität. Zum Zeitpunkt des Beratungsgespräches ist er etwa drei Jahre arbeitslos, konnte eine achtmonatige Weiterbildung mit der Unterstützung der Agentur für Arbeit in Anspruch nehmen und wird – da er nicht hilfebedürftig ist – nun als Nichtleistungsempfänger geführt, was den Zwangskontext stark relativiert.

Das Beratungsgespräch beginnt fünf Minuten nach dem vereinbarten Zeitpunkt, da Herr Dr. Böhm sich leicht verspätet, schließlich etwas gehetzt erscheint und durch die offene Zimmertür in das Büro von Frau Dr. Winter stürmt. Der Arbeitsuchende erweckt durch sein Auftreten und die von ihm gewählte Kleidung den Eindruck, dass er das Beratungsgespräch als einen offiziellen, geschäftlichen Termin wahrnimmt. Die Themen des Gesprächs sind die vor kurzem abgeschlossene Fortbildung, die derzeitigen Bewerbungsbemühungen, neue Bewerbungsstrategien (Telefonkontakt, Probearbeiten), die Suche nach aktuellen Stellenangeboten, der Austausch über Stellenbörsen und Arbeitgeber sowie die Eruierung von möglichen Absage-Gründen. Weiterhin wird während des Verfassens der Eingliederungsvereinbarung über Rechte (Übernahme der Fahrtkosten bei Probearbeiten) und Pflichten (Bewerbungen pro Monat, Nachweis darüber) gesprochen, der nächste Beratungstermin vereinbart und schließlich die ausgedruckte Eingliederungsvereinbarung besprochen. Als die Arbeitsvermittlerin das Gespräch offiziell mit aufmunternden Worten beendet, bedankt sich der Ratsuchende höflich und wendet sich dann bestimmt und schnellen Schrittes in Richtung Bürotür.

Perspektive des Arbeitsuchenden

Auch wenn das Gespräch – oberflächlich betrachtet – keine Fortschritte hinsichtlich der Arbeitsmarktintegration von Herrn Dr. Böhm zeigt, wird aus dem nachfolgenden Interview mit dem Arbeitsuchenden deutlich, dass für ihn die regelmäßigen Verabredungen in der Arbeitsverwaltung von Bedeutung sind:

»Also wichtig ist, dass ich hier einen Gesprächspartner habe, dem ich meine Situation schildern kann. Wo sich keine anderen Gedanken mit einmischen. Darüber hinaus habe ich auch das Gefühl, dass die Möglichkeiten, die die Agentur für Arbeit für Fälle wie meinen bieten, wie eben Weiterbildung oder jetzt, Sie haben es ja gehört, die Übernahme von Fahrtkosten für eine vierwöchige Probearbeitszeit, da hat Frau Dr. Winter eigentlich immer mir die möglichen Unterstützungen angeboten und es auch möglich gemacht, dass ich mit meinen Vorstellungen da einsteigen konnte. […] Wie heute auch, dass zum Beispiel die, der Wissenschaftsladen in Bonn eine Zeitschrift herausgibt, äh, das habe ich jetzt irgendwie nicht gewusst, ich gucke zwar regelmäßig auf die Homepage, aber das mit, die geben so viel heraus und (lacht) und geben auch Bücher heraus (lacht), das muss ich jetzt nicht unbedingt alles lesen aber so eine, so eine Übersicht von Stellen, die vielleicht nicht im Internet stehen, ist schon mal ganz zweckmäßig, das sind so Sachen, die ich hier erfahren habe. Also, ähm, ohne jetzt die Arbeitsagentur hätte ich sicherlich keine berufliche Weiterqualifikation machen können, allein schon die Kosten hätten das verhindert und wäre sicherlich auch nicht so in einer ähm, ja auf meiner Linie bestärkt worden, es noch weiter zu versuchen mit einer Festanstellung.« (I-ASU, Zeile 249-278)

Herr Dr. Böhm befindet sich durch seine Langzeitarbeitslosigkeit in einer schwierigen beruflichen und privaten Situation, derer er sich sehr bewusst ist (»Fälle wie meinen«). Als Nichtleistungsempfänger erhält er zudem kein Arbeitslosengeld, so dass zu vermuten ist, dass die wirtschaftliche Situation seiner Familie angespannt ist. In der Interviewsequenz kommt zum Ausdruck, warum die Beratungsgespräche von ihm gerne in Anspruch genommen werden. Die regelmäßigen Treffen – er ist wohl zum 12. oder 13. Mal in der Agentur für Arbeit – bieten ihm eine Möglichkeit, sich auf seine eigene Arbeitslosigkeit zu fokussieren und seine Situation zu reflektieren. Es steht demnach ein Nachdenken über seine individuelle berufliche Situation im Vordergrund. Im Gespräch eröffnet sich ein Raum, in dem Reflexion möglich wird.

Gleichzeitig muss dieser Reflexionsraum durch die Interaktion von Vermittlerin und Arbeitsuchenden gestaltet werden. Dabei ist für den Arbeitsuchenden die Rolle der Vermittlungsfachkraft als feste, vertraute Ansprechpartnerin nicht unwesentlich, wenn er erzählt »Also wichtig ist, dass ich hier einen Gesprächspartner habe, dem ich meine Situation schildern kann«. Diese Person, mit der er über seine Arbeitslosigkeit sprechen kann, ist zunächst eine Person außerhalb der Familie. Während des Beratungsgesprächs wird deutlich, dass gerade die familiäre Situation aufgrund der jahrelangen Arbeitslosigkeit sowie der monatelangen Fortbildung prekär ist, wie die folgende Interaktion aus dem Beratungsgespräch verdeutlicht:

Herr Dr. Böhm: »Ich werde im Moment wider Willen von meiner Familie getragen. (Frau Dr. Winter: »Mhm«) Und das«

Frau Dr. Winter: »Ja, es ist kein guter Zustand.«

Herr Dr. Böhm: »Es ist eine für die Familiensituation kein guter Zustand, nein.«

(B, Zeile 375-380)

Der Satz »Ich werde im Moment wider Willen von meiner Familie getragen« verdeutlicht, dass die derzeit eingenommenen Rollen konflikthaft sind. Die Frau von Herrn Böhm ist Alleinverdienerin und muss die Erwerbslosigkeit ihres Mannes kompensieren. Da dies »wider Willen« geschieht, ist davon auszugehen, dass sie ihn als zumindest beruflich versagenden Mann erlebt, dessen – um mit Bourdieu zu sprechen – ökonomisches, kulturelles und soziales Kapital im Verlauf der langen Arbeitslosigkeit aufgezehrt wird (Bourdieu 1983). Die Familie ist für den Ratsuchenden derzeit keine Stütze. Strategien, die Herr Dr. Böhm entwickelt, um seine Arbeitslosigkeit zu beenden, diskutiert er zu Hause mit seiner Frau. Aufgrund der bisherigen Erfolglosigkeit der Bewerbungsbemühungen, die selbst nach der beruflichen Weiterqualifizierung anhält, sieht der Arbeitsuchende neue Strategien immer vor dem Hintergrund, wie er diese seiner Familie kommunizieren kann. Im Beratungsgespräch wird das Thema ›Probearbeiten‹ diskutiert und Herr Dr. Böhm sieht Schwierigkeiten, für dieses Thema die Zustimmung seiner Frau zu erhalten:

Herr Dr. Böhm: »Ja wichtig ist dass ich damit auch lande. Dass die Probearbeit dann mich einen Schritt voran bringt. Also ich sag das nur deshalb weil ich das äh bei meiner Familie kaum noch verkaufen kann, dass ich da auch noch Probearbeiten gehe und dass ich jetzt ein halbes Jahr berufliche Qualifizierung gemacht habe und ähm«

Frau Dr. Winter: »Wenn es zum Erfolg führt. Also ich mein ob Sie jetzt ähm in einem Unternehmen angenommen wirklich auch Ihrem akademischen Niveau entsprechend angenommene ja eine Tätigkeit oder an einem Projekt teilnehmen wo Sie wirklich auf Ihrem Niveau arbeiten. Vielleicht, vielleicht nicht entlohnt werden, vielleicht bietet Ihnen der Arbeitgeber aber auch äh ja doch eine geringe Entlohnung an, ja, das weiß man ja nicht. Finde ich das allemal besser als wenn Sie jetzt Zuhause sitzen.«

Herr Dr. Böhm: »Stimmt.«

Frau Dr. Winter: »Ja und Sie Sie eignen sich da auch möglicherweise nochmal auch neue Fachkenntnisse an, die Sie dann auch wieder einbringen können oder einfach eine praktische Erfahrung, die Sie dann wieder möglicherweise wenn es nicht klappen sollte, dann auch wieder später einbringen können.«

(B, Zeile 949-971)

Die wirtschaftliche Situation erfordert, dass nicht noch weitere finanzielle Kosten auf dem Weg in eine Beschäftigung auf die Familie zukommen. Weitere Belastungen könne er seiner »Familie kaum noch verkaufen«, die Probearbeit müsse ihn voranbringen (»Ja wichtig ist dass ich damit auch lande«). So bemüht sich Herr Dr. Böhm um die Übernahme der Fahrtkosten bei Probearbeiten durch die BA. Seiner Frau wäre nicht zu vermitteln, wenn er in Norddeutschland kostenlos Probearbeiten würde und für die Fahrtkosten selbst aufkommen müsste: »[Wenn ich] meine Frau bitte, mir ein Monatsticket […] für 500 Euro zu bezahlen, sagt sie ›Das kommt nicht in Frage‹« (B, Zeile 1123-1126).

Es zeigt sich nicht nur, dass Frau Dr. Winter eine andere außerfamiliale Gesprächspartnerin ist, über die er sich über seine berufliche Situation austauschen kann. Sie nimmt daher eine Gegenposition zur Frau des Ratsuchenden ein, indem sie ihm bestätigt, dass er sich bemüht, seine Arbeitsuche zu beenden. Sie nimmt ihn in seiner Arbeitsuche ernst, sie wird für ihn eine Verbündete, die ihn unterstützt, sein Stigma der Arbeitslosigkeit zu relativieren und sein Selbstwertgefühl zu erhalten – und damit kein Versager zu sein. Darüber hinaus werden alle möglichen Strategien, die zu der Beendigung der Arbeitslosigkeit führen könnten, angesprochen. In der Interaktionssequenz ermuntert die Vermittlungsfachkraft den Arbeitsuchenden, dass er als eine weitere Strategie seine Arbeitskraft Unternehmen kostenlos zur Verfügung stellt. Diese Strategie wird von der Vermittlerin zudem durch die Übernahme von Fahrtkosten für eine vierwöchige Probearbeitszeit unterstützt, die mit dem Arbeitsuchenden ›in einem Boot‹ sitzt und mit ihm zusammen nach neuen und alternativen Wegen sucht. Die materielle Unterstützung durch die Arbeitsverwaltung, die ihm auch in Form der beruflichen Weiterqualifikation zuteilwurde, wird von Herrn Dr. Böhm positiv erwähnt. Die Unterstützung geht jedoch über das Materielle hinaus, wenn es darum geht, neue Strategien zu besprechen oder arbeitsmarktbezogene Expertentipps zu erhalten, wie etwa den Hinweis auf die Zeitschrift mit Stellenangeboten des Wissenschaftsladen Bonn. Letzten Endes führen die Gespräche in der Arbeitsverwaltung dazu, dass Herr Dr. Böhm seinen eingeschlagenen Weg weiterverfolgt und nicht wieder eine selbständige Tätigkeit aufnimmt: »[Ich] wäre sicherlich auch nicht so in einer ähm, ja auf meiner Linie bestärkt worden, es noch weiter zu versuchen mit einer Festanstellung«. Auf diese Weise bleibt der Arbeitsuchende in seinem Suchprozess handlungsfähig. In seiner nahezu aussichtslosen Lage bleibt er aktiv, da er gemeinsam mit Frau Dr. Winter nach Lösungsmöglichkeiten sucht.

Die Grundvoraussetzung für die Herstellung eines Reflexionsraums ist, dass Beratungssituationen dialogisch konstruiert sind und sich die Beratung an den Orientierungsbedürfnissen des zu Beratenden ausrichtet. Dies ist in dem vorliegenden Fallbeispiel gegeben. Das Beratungsgespräch ist von gegenseitigem Respekt geprägt, annähernd kann man von einem Dialog sprechen in dem zwei gleichwertige Diskutanten ihre Argumente austauschen. Eine vollständige Dialogsituation ist in diesem Setting wohl kaum anzutreffen. Ausschlaggebend dürfte in diesem Fallbeispiel sein, dass das ansonsten übliche Machtgefälle zwischen Kunden und Vermittlerin fast egalisiert ist, v.a. durch den Status des Kunden und seiner Reflektiertheit gegenüber seiner Situation. Dazu kommt, dass zumindest von Seiten der Arbeitsvermittlerin Sympathie für den Arbeitsuchenden zu spüren ist. Diese Sympathie wird von Herrn Dr. Böhm wahrgenommen und erwidert, wie sich in der positiven Äußerung über seine Vermittlungsfachkraft zeigt:

»Also ich kenne ja nur Frau Dr. Winter und […] einen Kollegen, eine Kollegin von ihr, die das mal vertretungsweise gemacht haben, ähm, muss ich sagen alle drei haben mich sehr gut behandelt oder ich fühlte mich sehr gut, ich fühlte mich sehr gut behandelt und aufgehoben, aber bei Frau Winter, die ja auch meine, meine Situation recht gut kennt und genug weiß, um zu wissen, was mein Problem ist oder wie sich mein Fall darstellt, denke ich so ein Vertrauensverhältnis gleichzeitig aber auch Hineinfühlen in meine Situation, das macht sie schon hervorragend. Also ich könnte mir jetzt, ich meine, man kann sich das vielleicht auch mit jemand anderen wieder aufbauen, aber das braucht auch seine Zeit und, da sind ja auch Versuche drin von ihrer Seite, mich zu unterstützen und von meiner Seite auch, mich ihr irgendwie begreifbar zu machen und wer bin ich als Typ, was, wo passe ich hin, das muss sie ja auch verstehen, um dann etwas daraus zu machen. Also ich denke, das ist eine, eine, also da bin ich ganz zufrieden. Das ist kein, das ist jetzt kein äh, kein typischer Behördenkontakt, wo man verwaltet wird. Hier ist tatsächlich auch persönliches Engagement von ihr mit im Spiel. Was ich im Übrigen auch erwarte in so einer Situation, aber auf der anderen Seite, wie gesagt, vermisse ich auch nichts.« (I-ASU, Zeile 287-307)

Es wird sehr deutlich, dass eine Grundvoraussetzung für Beratung darin besteht, dass beide Seiten sich einbringen können. Der Arbeitsuchende kann seine eigenen Themen und Probleme vortragen und diskutieren, fühlt sich ernst genommen, verstanden und gut betreut. Die Beratungsgespräche bei Frau Dr. Winter wären »kein typischer Behördenkontakt«, sie sind durch ein besonderes Vertrauensverhältnis gekennzeichnet. Dabei erkennt Herr Dr. Böhm v.a. den Arbeitsethos und das Engagement seiner Vermittlungsfachkraft an.

Perspektive der Vermittlerin

Da eine ›reflexiven Beratungssituation‹ beidseitig hergestellt werden muss, ist auch die Perspektive von Frau Dr. Winter, der Beraterin von Herrn Dr. Böhm, relevant. Im Interview äußert sie sich offen und ausführlich über den Arbeitsuchenden. Für sie sei er »ein ganz schwieriger Kunde«, was mehrere Gründe habe, die sie wie folgt ausführt:

»Ja, also Herr Dr. Böhm ist für mich ein ganz schwieriger Kunde, mit einem, ja, auch Studiengang, der mir auch jetzt unbedingt nicht so nahe ist im Bereich Agrarwissenschaften. Insofern ist der für mich auch noch ein bisschen schwieriger nachzuvollziehen […]. Ist halt ein Kunde, der sehr viele Jahre selbstständig gearbeitet ist und schon drei Jahre arbeitslos, ja. Ja, es ist ein älterer Kunde, wo ich einfach jetzt auch so am Ende meiner Möglichkeiten bin. Der Kunde hat durch die Agentur schon ein Coaching bekommen, also auswärtige Coaches. Wir haben hier im Haus das gesamte Beratungsangebot genutzt. Wir haben ihm mehrere fachliche Qualifizierungen zukommen lassen im Projektmanagement und im Bereich erneuerbare Energien. Haben es immer so in Bezug wirklich auch an den Arbeitsmarkt und auch an seinen Wünschen, was bringt er mit, uns so orientiert. Also eigentlich immer das Mögliche genutzt. Er hat tolle Bewerbungsunterlagen. Er hat halt ein gewisses Alter. Da wusste ich halt auch leider schon irgendwo so im Vorfeld, ich bin da so mit meiner beraterischen Hilfestellung irgendwo so am Ende. Also, da, hm, wie kann ich ihm noch helfen. Es ist ein schwieriger Fall, wie in Arbeit bringen, ja. Er ist Nichtleistungsempfänger, dadurch habe ich auch nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten. [...] Es ist ein hochqualifizierter Mann, der sich sehr gut ausdrücken kann, der schon immer sehr bewerbungsaktiv und sehr engagiert war, ein sehr gutes Netzwerk hat, in der Politik engagiert ist. Wo ich mich immer gefragt habe, hm, woran liegt es. [...] Das, was ich ihm heute gesagt habe, mehr kann ich dazu auch nicht mehr sagen, was ich noch als Hilfestellung empfinde. Weil da es schon viele Kollegen mit versucht haben zu helfen, da bin ich mit meinem Latein am Ende. […] Ja, das frustriert mich irgendwo auch schon so ein bisschen, ne. Dass man dann einfach nicht weiß, woran liegt es jetzt. Kann ich da noch wirklich was machen. Habe ich irgendwo vielleicht auch versagt. Hätte man an einer anderen Stelle anders agieren müssen, können, sollen. Keine Ahnung, ne. Gibt es immer mal wieder, so Kunden, wo ich sage, ja, irgendwie hast du vielleicht was übersehen. Und das ist der springende Punkt, weshalb es nicht klappt, ja.« (I-AV, Zeile 763-818)

Frau Dr. Winter versucht, die berufliche Situation von Herrn Dr. Böhm nachzuvollziehen. In den letzten drei Jahren sei es nicht gelungen, den Arbeitsuchenden in den Arbeitsmarkt zu integrieren, trotz guter individueller Voraussetzungen (Engagement, Qualifikation, Netzwerk, Bewerbungsunterlagen) und institutioneller Unterstützung (externes Coaching, fachliche Qualifizierungen und Weiterbildung). In der Reflexion findet Frau Dr. Winter mögliche Hinderungsgründe, die gegen eine Arbeitsmarktintegration sprechen: das Alter, eine dadurch einhergehende mögliche höhere Bezahlung, eine lange Selbständigkeit, ein hoher Bildungstitel, ein sehr spezieller Arbeitsmarkt und seine Langzeitarbeitslosigkeit. Durch den derzeitigen Status des Nichtleistungsempfängers schränken sich die Unterstützungsangebote der Vermittlungsfachkraft handfest ein, so ist die Gewährung von manchen Fördermaßnahmen nicht möglich. In der Interviewsequenz zeigt sich, wie Frau Dr. Winter aus diesem spezifischen Setting – in einer Arbeitsverwaltung unter den Bedingungen des aktivierenden Wohlfahrtsstaats – eine Beratungssituation herstellt. Nachdem für sie die Erfüllung der Pflichten geklärt ist – Herr Dr. Böhm bemüht sich durch zahlreiche Bewerbungen, die eigene Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen) und steht den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung (Verfügbarkeit) – orientiert sie ihre Beratung an den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes und »auch an seinen Wünschen« und lässt Herrn Dr. Böhm jede für seinen spezifischen Fall finanziell vertretbare und vorgesehene Unterstützung zukommen.

Aus ihrer Sicht habe sie alle ihr zu Verfügung stehenden Mittel der Unterstützung genutzt und beginnt ihr eigenes Beratungshandeln zu reflektieren. Insofern stellt Frau Dr. Winter ihr eigenes Beratungshandeln zur Disposition und sucht Gründer für die nicht vollzogene Arbeitsmarktintegration bei sich selbst. Diese Selbstreflexivität der Akademikervermittlerin ist für die Beraterin grundsätzlich notwendig, um neue Impulse und Ideen zu entwickeln, die ihr jedoch nicht ›von alleine‹ kommen, sondern erst durch die Interaktion mit dem Arbeitsuchenden (»Wir haben, vielleicht ein paar neue Impulse erarbeitet, wo er jetzt nur noch ausprobiert«; I-AV, Zeile 857-858). Für dieses gemeinsame Erarbeiten von weiteren Lösungsstrategien benötigt die Vermittlerin Zeit, die sie sich – entgegen der Vorgaben – ›genommen hat‹:

»weil der einfach mehr zu erzählen hat, mehr. Ja, der hat einfach mehr zu berichten, zu erzählen. Fragt auch nach, das weiß ich, das dauert länger. Für den habe ich, obwohl ich das auch nicht darf, für das Folgegespräch eine Stunde eingebucht. Weil ich im Vorhinein wusste, wenn er kommt, wird er viel zu berichten haben. Vielleicht brauchen wir auch einfach dazwischen irgendwie eine Bedenkzeit, dass wir sagen so, was machen wir, ne. Das man auch mal vielleicht durchschnaufen kann und überlegen und das man wirklich auch mal eine Auszeit hat, wie so eine kleine dazwischen, ja, und da habe ich jetzt von vorne herein deswegen 60 Minuten gebucht, weil ich weiß, es ist letztendlich für mich ein anspruchsvolleres Gespräch, weil problematischer, wie geschildert, der bringt schon Probleme an Paketen mit.« (I-AV, Zeile 1012-1024)

Nach den Mindeststandards der BA aus dem Jahr 2010 ist für ein Folgegespräch 30 Minuten vorgesehen. Das Gespräch dauert mit 57 Minuten fast doppelt so lange. Dieser, von der Vermittlerin geschaffene Zeitrahmen, ist wohl ausschlaggebend dafür, dass sich ›reflexive Beratung‹ überhaupt realisieren lässt. Neben den vorgeschriebenen Bestandteilen des Beratungsgesprächs – zu nennen wären hier beispielsweise die Überprüfung der derzeitigen Bewerbungsbemühungen, die Suche nach aktuellen Stellenangeboten oder das Verfassen und Besprechen der Eingliederungsvereinbarung – entsteht eine »Auszeit« bzw. »Bedenkzeit«, in der ein beraterischer Austausch erst ermöglicht wird:

»Ich kann aber vielleicht mit dem Kunden auch im Austausch was entwickeln, wenn ich die nötige Zeit habe. Das mir auch spontan im Gespräch da noch was kommt. Und wenn ich zu wenig Zeit habe, ist die Chance einfach geringer, ne. Insofern auch, weil ich den Kunden nicht enttäuschen will und weil ich es irgendwie schlimm finde, wenn man von vorne herein jemanden, der dann angenommen mit 50 oder Anfang 50 arbeitslos wird, wenn man den so aufgibt. Ach, das ist der? Der hat ja sowieso keine Chancen mehr. Und deswegen nehme ich mir gerade für diese Kunden mehr Zeit, also, habe ich noch ein paar von diesen Kunden, weil ich wirklich bemüht bin im Austausch mit dem Kunden vielleicht dann auch spontan noch eine Idee zu bekommen. Ja. Und es ist schon anspruchsvoller. Ich finde es schwieriger.« (I-AV, Zeile 1024-1037)

Hier zeigt sich auch das berufliche Selbstverständnis und der Arbeitsethos der Vermittlerin. Es geht ihr nicht um die Erfüllung von Controlling-Vorgaben (Sowa/Staples 2014), das Erreichen von vorgegebenen Integrationszahlen. Vielmehr ist sie ›mit Leib und Seele‹ Vermittlungsfachkraft und äußert die Motivation, durch die Qualität ihrer Beratung Menschen wieder in Arbeit zu bringen:

»wenn ich wirklich durch mein Input sozusagen beim Kunden was erreicht habe, was bewirkt habe, was zum Erfolg geführt hat, ne. Das ist für mich dann wirklich wo ich sage, toll. Oder durch die Fortbildung, die hat dann wirklich den Ausschlag gegeben, dass er in Arbeit gekommen ist oder was auch immer. Oder das Coaching, das wir ihm jetzt dann geboten haben oder, wenn es wirklich durch unsere beraterische, eigentlich, genau, wenn es wirklich durch unsere beraterische Qualität zur Integration gekommen ist. Nicht + durch die, ein Kunde, der schon alles mitbringt, der braucht uns nicht und da brauche ich mir nichts auf die Fahne zu schreiben, wenn der schnell in Arbeit ist, ne.« (I-AV, Zeile 1157-1167)

5. Schluss: ›Reflexive Beratung‹ in der Arbeitsverwaltung?

Der vorliegende Beitrag hat sich anhand eines Fallbeispiels der Frage angenommen, in welcher Weise und mit welchen Möglichkeiten und Grenzen in institutionalisierten Beratungskontexten, die durch Zwang gekennzeichnet sind, Formen und Aspekte von Reflexivität in Erscheinung treten. Bezeichnenderweise fanden sich im empirischen Material Ansätze von ›reflexive Beratung‹ ausgerechnet in einem Fall, in dem sich der Zwangskontext stark relativierte, da der Ratsuchende ein Nichtleistungsempfänger ist. Außerdem präsentierte er sich als aktiver Arbeitsuchender, der gar nicht mehr aktiviert werden muss und bereit war, unbezahlte und unter seinen Qualifikationen liegende Arbeit anzunehmen.

Zu den Bedingungen und Faktoren für eine praktische Realisierung von Reflexivität im Beratungsprozess gehören die Herstellung eines Reflexionsraums, der dadurch ermöglicht wird, dass die Beratungssituation dialogisch konstruiert ist und sich die Beratung an den Orientierungsbedürfnissen des zu Beratenden ausrichtet. Bezogen auf das beobachtete Gespräch kam begünstigend hinzu, dass die Vermittlungsfachkraft als außerfamiliale Vertrauensperson und Arbeitsmarktexpertin auftritt, die sehr viel Sympathie, Empathie, Beratungsaffinität und ein hohes Maß an Motivation einbringt. Diese Situation verhilft nicht nur dem Arbeitsuchenden zur Reflexion, sondern auch die Vermittlern stellt selbstreflexiv ihr eigenes Beratungshandeln zur Disposition, um neue Strategien und Wege aus der Arbeitslosigkeit zu entwickeln.

Dennoch bleibt Beratung in der Arbeitsverwaltung eine reziprokgebundene, formalisierte Beratung von Arbeitsuchenden, eine von bürokratischen Kontrollmechanismen begleitete, eine rechtlich normierte, eine durch Asymmetrie gekennzeichnete Beratung, in der die Vermittlungsfachkraft über die praktische Ausgestaltung des Beratungsgesprächs entscheidet. Reflexivität ist nur ansatzweise und nur bezogen auf die aktuellen Bewerbungsstrategien beobachtbar und scheint stark von der Prioritätensetzung, dem Selbstverständnis und der Aufgabeninterpretation der Fachkraft abzuhängen sowie von der zur Verfügung stehenden Zeit.

Auch wenn Ansätze für eine ›reflexive Beratung‹ zu erkennen sind, werden ausschließlich unterschiedlichste Strategien zur Beendigung der Arbeitslosigkeit diskutiert. Eine grundsätzliche Reflexion über das sich ständig wiederholende Scheitern bleibt aus, wird sogar tabuisiert. Die Beraterin und der Ratsuchende tauschen sich eben nicht darüber aus, warum alle bisherigen Strategien, einen Arbeitsplatz zu finden, erfolglos geblieben sind. Sie diskutieren keine alternativen Berufswege, die über die erworbenen Qualifikationen und Fähigkeiten hinaus gehen und eher in den außerberuflichen Kompetenzen zu suchen sind. Sie sprechen nicht darüber, ob das Beratungssubjekt zur eigenen Erfolglosigkeit beiträgt oder darüber, ob Ansprüche und Erwartungen revidiert werden müssten, um realistischere Vorstellungen von den beruflichen und persönlichen Möglichkeiten zu entwickeln. Die Vermittlungsfachkraft entfaltet eine zurückhaltende Beratungshaltung, die die Grundüberzeugungen des Ratsuchenden nicht in Frage stellt, ihn dadurch schützt und weitergehende (berufs‑)biographische Reflexionen hemmt.

Neuere Entwicklungen weisen darauf hin, dass die Notwendigkeit für ein öffentliches Angebot von ›reflexiven‹ Formen von Beratung akzeptiert wird. Mit der Umsetzung der Beratungskonzeption der Bundesagentur für Arbeit (BEKO) (Peters et al. 2010) hat die öffentliche Arbeitsverwaltung nun flächendeckend einen neuen Raum für Beratung etabliert, der zum Zeitpunkt der Beobachtung noch nicht implementiert war: Neben der Integrationsbegleitenden Beratung (IBB) – Beratung im oben dargelegten herkömmlichen Sinne – kommt das Beratungsformat der Orientierungs- und Entscheidungsberatung (OEB) zur Anwendung. Unabhängig von einer Vermittlung in Ausbildung oder Arbeit fokussiert diese freiwillige Form der Beratung, die auf Wunsch des Kunden erfolgt, auf eine berufliche Orientierung und Entscheidungsfindung und kommt daher wohl der ›reflexiven Beratung‹ (Pongratz 2011; Seel 2009) sehr nahe. Die Kontroll- und Gewährungsfunktionen entfallen, die Vermittlerinnen und Vermittler nehmen dagegen ihre Unterstützungs- und Beratungsfunktionen wahr, indem sie den zu Beratenden helfen, ihre beruflichen Ambitionen, Interessen, Qualifikationen und Fähigkeiten zu reflektieren und Entscheidungen über ihre berufliche Zukunft treffen (Peters et al. 2010).

Der zukünftigen Forschung bleibt es vorbehalten, die OEB auf ihren reflexiven Gehalt zu untersuchen. ›Reflexive Beratung‹ hängt jedoch auch immer von Rahmenbedingungen ab. Es bedarf eines Beratungsraumes, der das Ausmaß an Standardisierung eindämmt, um die individuelle Biographie und Problemlage zu thematisieren und kreative Strategien aus der Krisensituation ›Arbeitslosigkeit‹ zu finden. Es bedarf eines Beratungsraumes, für den genügend Beratungszeit – bezogen auf die Länge und Häufigkeit der Gespräche – für den Einzelnen vorhanden ist. Es bedarf eines Beratungsraumes, in dem es nicht zu einem ›typischen Behördenkontakt‹ kommt, sondern ein dialogisches Vertrauensverhältnis zwischen Fachkräften und zu Beratenden entsteht, ein günstiger Betreuungsschlüssel und das Aufbrechen des Zwangskontexts sind hierfür die Grundvoraussetzung. Es bedarf eines Beratungsraumes, in dem die Beratungskompetenzen von Vermittlerinnen und Vermittlern sich entfalten können; Beratungskompetenzen, die über eine Beratungsaffinität hinausgehen und durch fortwährende Qualifizierung erworben werden.

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Danksagung

Ich danke Sandra Grimminger, Christian Sprenger, Ronald Staples und Stefan Theuer für ihre Kommentare und kritischen Anmerkungen sowie die zahlreichen konstruktiven, inhaltlichen Diskussionen im Kontext des IAB-Forschungsprojektes Praxis des Vermittlungsprozesses: Qualitative Evaluation des Modellprojekts »Erhöhte Arbeitsvermittlerkapazität in ausgewählten Regionaltypen (1:70)«. Außerdem bin ich den anonymen Gutachtern des Journals für Psychologie für ihre wertvollen Anregungen zu Dank verpflichtet.

Endnoten:

[1]

Der Begriff des ›Arbeitsuchenden‹ wird in dem vorliegenden Artikel ganz allgemein verwendet, um Menschen zu charakterisieren, die gerade eine Arbeitsstelle suchen und nicht als Kategorie der BA.

[2]

Die nachfolgenden Beschreibungen der Personen und der Interviewsituation basieren auf den Aufzeichnungen von Ronald Staples, der beide Interviews führte und das Beratungsgespräch beobachtete. Ihm möchte ich an dieser Stelle noch einmal sehr herzlich danken. Die Namen der beiden Personen sind anonymisiert.

Über den Autor

Frank Sowa

Dr., Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Aktuelle Arbeitsschwerpunkte: Qualitative Methoden (v.a. teilnehmende Beobachtung), organisationsethnographische Arbeitsverwaltungsforschung, atypische Beschäftigungsformen, Beratung und Vermittlung im Wohlfahrtsstaat, Globalisierung von Sozialpolitik.

Dr. Frank Sowa Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) Regensburger Straße 104 90478 Nürnberg

E-Mail: frank.sowa@iab.de

Web: http://www.frank-sowa.de