»Die Sehnsucht, einen Pudding an die Wand zu nageln« – vom Ertragen und dem produktiven Umgang mit Diffusität und Unsicherheit im Kontext niedrigschwelliger Beratung

Barbara Bräutigam & Matthias Müller

Zusammenfassung

Beratung im Kontext der reflexiven Moderne ist von Unsicherheit und Nicht-Wissen über den geeigneten Weg von Veränderung bestimmt. Gerade in der niedrigschwelligen familienorientierten Beratung scheint dieser Effekt besonders ausgeprägt. Vor diesem Hintergrund versuchen wir zu klären, wie eine reflexive Beratung in der niedrigschwelligen Arbeit aussehen kann. Ausgehend von Praxisbeispielen und Einschätzungen aus einem Forschungsprojekt entfalten wir Skills und Kompetenzen für die beratenden Fachkräfte. Daran anknüpfend schlagen wir ein Reflexionsmodell für die Beratungspraxis und Ausbildung vor.

Schüsselwörter: niedrigschwellige Beratung, reflexive Beratung, familienorientierte Beratung, Skills, Ausbildung

Summary

»The desire to nail jelly to the wall.« - The necessity to tolerate diffusity and uncertainty in the frame of low-threshold counselling

In the reflexive modern societies uncertainties and unknowing regarding the suitable path for change are special characteristics of counselling. The aspects are especially important in the context of low-threshold, family based counselling. Against this background, we try to clarify how reflexive counselling should look. Based on research results and examples from practice, we describe the skills and competencies necessary for counsellors. Finally, we suggest a model of reflection and training for professionals.

Keywords: low-threshold counselling, reflexive counselling, family-based-work, skills, training

1. Einleitung

Richard ist der 13-jährige Sohn von Herrn und Frau Baum. Die Eltern haben sich nach der Totgeburt des vier Jahre jüngeren Bruders getrennt; Frau Baum sagt, dass sie die Fremdheit zwischen sich und ihrem Mann in der Trauer um ihr gemeinsames Kind nicht mehr ausgehalten habe. Frau Baum lebt in einer neuen Partnerschaft und hat mit ihrem neuen Partner eine fünfjährige gemeinsame Tochter. Richard lebt auf Grund aggressiver Durchbrüche, die sich vor allem gegen seine Mutter richten, seit zwei Jahren in einer stationären Wohngruppe. Er besucht seine Mutter regelmäßig am Wochenende und ist auch ab und an bei seinem leiblichen Vater. Richard möchte wieder bei seiner Mutter leben; das Jugendamt unterstützt seinen Wunsch, hat der Mutter vorab einen sozialpädagogischen Familienhelfer mit einer Beratungsausbildung (MA Beratung) zur Seite gestellt und der Familie darüber hinaus nahegelegt, eine systemisch orientierte Familienberatung in Anspruch zu nehmen.

In den gemeinsamen niedrigschwelligen Beratungsgesprächen, an denen immer Richard und seine Mutter und in wechselnder Besetzung Richards Vater oder der neue Lebenspartner der Mutter teilnehmen, wird deutlich, dass sich insbesondere Frau Baum durch die vielen unterschiedlichen persönlichen und institutionellen Meinungen, Einschätzungen und Ratschläge, ob, wann und unter welchen Umständen Richard nach Hause kommen solle, überfordert und wenig in ihrem Dilemma, eine gute und präsente Mutter sein zu wollen und sich gleichzeitig massiv vor dem aggressiven Verhalten ihres Sohnes zu fürchten, gesehen fühlt. »Jeder sagt mir was anderes«. Und: »Ich habe das Gefühl, alles falsch zu machen«.

Frau Baum befindet sich damit in einem Dilemma, das aus Sicht der reflexiven Moderne nur zu wahrscheinlich ist. Charakteristisch für die reflexive Moderne ist der Zweifel. Der Zweifel darüber, dass die Lebenssituationen so sind, wie sie sind, der Zweifel darüber, dass tradierte und verlässliche Werte und Verhältnisse bestehen bzw. Bestand haben usw. Eine Folge dessen ist, dass der moderne Mensch sein Leben selber gestalten und sich nicht auf tradierte Sicherheiten verlassen kann (vgl. Beck 1996b). Die dadurch hervorgebrachte Unsicherheit (vgl. Beck/Giddens/Lash 1996b) zieht letztlich eine Form des Nicht-Wissens nach sich, in der die Menschen trotz des immer weiter steigenden Wissensbestands in Gesellschaft an sich nicht wissen, wie sie mit den gesellschaftlich hervorgebrachten Unsicherheiten umgehen sollen (vgl. Beck 1996b). Das Mehr-Wissen, das die moderne Gesellschaft in nahezu unendlicher Weise erzeugt, nützt als Wissen nicht mehr, um sein Leben in den Mikrostrukturen zu orientieren. Damit einher geht eine erhebliche Erschütterung der je eigenen Normativitätsvorstellungen. In einer Gesellschaft des Mehr-Wissens ist die Normativität des Einzelnen ein subjektives und relatives Wissen, dass nicht mehr als ein gemeinsam Geteiltes erscheint. Mehr-Wissen erschüttert somit das Gefühl, das Richtige zu wissen und auch das Gefühl, sich auf dem sicheren Boden eines gemeinsam geteilten Raums der normativen Richtigkeit zu bewegen, schwindet. Bezogen auf unser Beispiel von Frau Baum bedeutet das, dass die von ihr als richtig angesehenen normativen Erziehungsvorstellungen erodieren – sie also umfassend in Frage gestellt sind. Frau Baum ist somit in einer individualisierten Gesellschaft auf sich selbst zurück geworfen und muss sich ihrer Erziehungsvorstellungen immer wieder selbst vergewissern, was aber einen enormen Kraft- und Energieaufwand erfordert. Die Beratung selbst kann als Konsequenz dieses von Enttraditionalisierung geprägten Prozesses in den unterschiedlichsten Bereichen und u.a. auch in dem Bereich von Erziehung verstanden werden, weil sie Orientierung bieten soll, ohne dabei neue Normen zu etablieren (vgl. Dornes 2012). Zu Beratende wie z.B. Frau Baum sind mit dem Paradoxon konfrontiert trotz eines Wissensoverflows, auf den z.B. durch das Internet ohne Mühe und ständig zugegriffen werden kann, keinen unmittelbaren Nutzen für die Gestaltung des eigenen Lebens ziehen zu können. Wissen alleine verändert – so könnte man sagen – noch nicht die Lebenssituation bzw. verdeutlicht nicht die Handlungsoptionen, die notwendig, hilfreich oder angeraten sind. Folgt man den Sichtweisen der Offenheit und der Eigenverantwortung für die Lebensgestaltung der Menschen, so lässt sich weiter schlussfolgern, dass Beratung in einer reflexiven modernen Gesellschaft nur schwerlich als eine verstanden werden kann, die über Klarheit verfügt, die Klarheit und Eindeutigkeit anbietet und die weiß, was richtig ist, in der Unsicherheit des Wissensoverflow.

Frau Baum wird nach ihrem Empfinden bislang in den verschiedenen persönlichen und institutionellen Kontexten, in denen sie ihr Dilemma verbunden mit einem eindeutigen Lösungswunsch mehr oder weniger offen zum Ausdruck bringt, zumeist mit eher traditionellen Ideen konfrontiert sowie mit eindeutigen Vorschlägen, Ursprungszuschreibungen oder Handlungsempfehlungen versorgt, die ihr lediglich kurzfristige Erleichterung bringen. Die Erleichterung schwindet, sobald Frau Baum spürt oder erfährt, dass das Gehörte in ihrer Familienrealität und Beziehungsrealität mit Richard nicht umsetzbar ist bzw. sobald sie von anderer Seite mit neuen Eindeutigkeiten konfrontiert wird.

Was bedeutet die hier beschriebene Unsicherheit, die auf die Menschen in einer reflexiven Gesellschaft wirken, nun für die Anforderungen an niedrigschwellige Beratungsformate? Im Folgenden wird ein Bogen zwischen allgemeinen Überlegungen zu dem gesellschaftlichen Kontext, in dem Beratung stattfindet und dem individuellen und konkreten Fall, in dem beraten wird, geschlagen.

Vor diesem Hintergrund stellen wir im Folgenden Überlegungen zur reflexiven Beratung und zum niedrigschwelligen Beratungssetting an. Dies geschieht, um zu verdeutlichen, in welcher Weise die niedrigschwellige Beratungsarbeit reflexiv erscheinen kann und muss (2). In einem weiteren Schritt verdeutlichen wir anhand der Erkenntnisse eines empirischen Forschungsprojektes zur niedrigschwelligen aufsuchenden Arbeit mit Familien Wünsche und Bedürfnissen von Nutzer_innen niedrigschwelliger Hilfen und Beratungsangebote (3). Weiterführend arbeiten wir dann Erfordernisse heraus, die für die niedrigschwellige Beratung relevant sind, um daran anknüpfend zu verdeutlichen, welche Kompetenzen in dieser Arbeitsweise wichtig sind und wie diese in Ausbildungszusammenhängen entwickelt werden können (4). Wir schließen, in dem wir Überlegungen anstellen, was dieses nun für Frau Baum konkret bedeuten könnte (5).

2. Reflexive Beratung und das niedrigschwellige Setting

Die reflexive Moderne ist von dem Gedanken bestimmt, dass die moderne Gesellschaft das von ihr selbst hervorgebrachte Wissen auf sich selbst wieder anwendet (vgl. Beck/Giddens/Lash 1996a). Insofern lernt die Moderne von sich selbst über sich selbst und sie ist damit in reflexiver Weise in der Lage, auf sich selbst zu blicken »Mit der Charakterisierung als reflexive Moderne ist eine Gesellschaft gemeint, die sich durch die verbreitete Institutionalisierung von Selbstthematisierung auszeichnet, also wenn man so will, durch selbstkontrollierende Regelkreise« (Seel 2013, S. 1654). Vereinfacht ließe sich damit schlussfolgern, dass die moderne Gesellschaft da angekommen ist, wo die Beratung längst zu Hause ist.

Der Ausgangspunkt unserer Ausführungen zur reflexiven Beratung ist die reflexive Moderne, die in der Beratung als eine zentrale Kommunikationsform verstanden werden kann. Das Verständnis der reflexiven Moderne ist eines, das die Gesellschaft versucht zwischen Moderne und Postmoderne zu beschreiben. Damit geht einher, dass der Steuerungsglaube und die Beherrschbarkeit der Gesellschaft durch Wissen – der der Moderne inne wohnt – aufgegeben ist (vgl. Müller 2008). Aber auch die postmoderne Idee des eklektizistischen Kombinierens der unterschiedlichsten Wissensgebäude, die Aufgabe jeglicher Form und Konformität liegt der reflexiven Moderne fern (vgl. Müller 2008). Sie versteht sich als zweite Moderne (vgl. Beck 1996a) und führt in einige Dilemmata der modernen Gesellschaft, die einerseits verdeutlichen können, warum Beratung in modernen Gesellschaften eine so hohe Bedeutung hat und boomt, obwohl es sich um eine tendenziell wenig formalisierte psychosoziale Arbeitsweise handelt. Andererseits macht sie aber auch deutlich, dass die Verfasstheit der Makrostrukturen der Gesellschaft unmittelbare Auswirkungen auf die Mikrostrukturen hat – also in unserem Falle die Beratung. Kurz zusammengefasst könnte man sagen, dass die reflexive Gesellschaft eine reflexive Beratung fordert, in der die gesellschaftlichen Verfasstheit adäquat berücksichtigt ist, um den zu Beratenden in der Gesellschaft zu helfen, in der sie leben.

2.1 Reflexive Beratung

»Reflexion bedeutet rückbeugen und widerspiegeln, in diesem Fall die Bedingungen und Logiken, denen beratendes Handeln unterliegt. Das schließt die Reflexion über die Reflexion als Selbstbeobachtung durch Fremdbeobachtung mit ein.« (Dewe/ Schwarz 2013, S. 204).

In Kontext von Beratung stellt Reflexion ein kritisches Hinterfragen und Durchleuchten der beraterischen Tätigkeit, bzw. der vollzogenen und zu vollziehenden beraterischen Handlungen dar. Reflexive Beratung muss sich also des gleichen Modells wie die reflexive Moderne bedienen, nämlich mit dem Wissen über sich selbst auf sich selbst gucken und damit selbst reflexiv sein. D.h. sie muss ihre Wissensbestände kennen, in der Lage sein, mit den eigenen Mitteln auf sich selbst zu gucken und letztlich wissen, dass all dies ggf. keine Lösung ist. In Bezug auf ihre Nutzer könnte dies folgendes heißen:

»Die Professionellen müssen sich folglich in die Lage ihrer Klienten hineinversetzen, deren Sinnhorizonte und Bewältigungsbedürfnisse intuitiv erfassen und gleichzeitig auf der Basis ihres Professionswissens stellvertretend adäquate Lösungen entwickeln« (Tiefel 2004, S. 35).

Diese Form der Stellvertreterlösung – die letztlich eine Koproduktion ist – birgt eine Begrenztheit des Haltbarkeitsdatums der Lösung inne, denn in der reflexiven Moderne liegt die Kontinuität des Beratungsprozesses in der Nicht-Beständigkeit der gefundenen Lösungen und dem Zwang, diese kontinuierlich zu modifizieren und sie den sich verändernden Gegebenheiten anpassen zu müssen. Nestmann & Sickendiek (2013) verweisen in diesem Zusammenhang auf das von Gelatt entwickelte Konzept der positiven Nichtsicherheit (positive uncertainty), welches Entscheidungsprozesse eher als Entdeckungsprozesse beschreibt. Dabei wird explizit auf die Nicht-Beständigkeit von Entscheidungen und festen Plänen verwiesen; es muss offenbar auch in Beratungskontexten mühsam gelernt werden, dass Fließendes weder gehalten noch in Fixes gegossen werden kann – der Pudding demnach nicht an die Wand genagelt werden kann.

»Die beratene Person verlässt vielleicht mit einem guten Eindruck die professionelle Beratung, weil sie ‚jetzt einen Plan hat‘. Im Verlauf der nächsten Zeit mag sich jedoch immer deutlicher erweisen, ‚dass nicht planbar ist, was das Leben bringt‘ oder dass es ihr aus welchen Gründen auch immer widerstrebt, sich an Geplantes zu halten« (ebd. S. 1449).

In unserem Verständnis der reflexiven Beratung muss es also vielmehr darum gehen, statt konkreter Einmal-Lösungen Regeln oder auch Strategien des Miteinander-Umgehens zu erarbeiten (vgl. Seel 2009), die in möglichst vielen verschiedenen Beratungssituationen einsetzbar und nutzbar sind.

2.2 Das niedrigschwellige Setting

Reflexivität in Beratung passiert aber nicht an sich, sondern ist im hohen Maße kontextabhängig. Ein wesentlicher Kontextfaktor von Beratung ist das Setting, in dem sie vollzogen wird. Settingpluralität, die in verschiedene Alltagskulturen eingebunden ist, ist eines der zentralen Merkmale von Beratung (vgl. Nestmann/Engel/Sickendiek, 2013); niedrigschwellige Beratungssettings zeichnen sich einerseits durch eine hohe Diffusität in ihrer konkreten Ausgestaltung aus und müssen andererseits bestimmte und abgrenzbare Kriterien erfüllen, um als niedrigschwellig gelten zu dürfen. Nach Knab (2013) müssen niedrigschwellige Beratungsangebote den Adressat_innen bestimmte Formen von Zugangsgerechtigkeit gewähren. Diese bestehen aus partizipativer Gerechtigkeit (inwieweit können die Adressaten die Settings mitgestalten), Anerkennungsgerechtigkeit (es wird in anderen Kontexten als den dafür speziell vorgesehenen nach Beratung gefragt) und Ausstattungsgerechtigkeit (z.B. die Möglichkeit die Beratung an verschiedenen Orten mit mobilem Zubehör ausführen zu können).

Niedrigschwellige Beratung zeichnet sich also insgesamt dadurch aus, dass sie für die entsprechende Zielgruppe leichte Zugänge gewährleistet und den Bedürfnissen der Klienten angepasst wird. Dieses beinhaltet flexible Zugangsvoraussetzungen, nutzerfreundliche Öffnungszeiten, eine lebensweltorientierte Alltagsnähe und wenn möglich eine Kombination von Komm- und Gehstruktur (vgl. Hartmann 2008; Hankel 2013). Bei Frau Baum und Richard bedeutete dieses konkret, dass es flexible Beratungsorte gab (die Häuslichkeit und eine Beratungsambulanz), dass die Zeiten und Abstände der Beratung flexibel und im Wesentlichen durch die Bedürfnisse der Nutzer_innen bestimmt waren und aktiv von den Berater_innen angeboten und von Frau Baum und Richard entschieden wurden.

3. Die Bedürfnisse der Nutzer_innen

Das Forschungsprojekt »Im Risiko handeln« (vgl. Bäutigam/Müller/Lüngen 2011a) untersuchte die Wirksamkeit von niedrigschwelliger Beratungsarbeit am Beispiel der aufsuchenden Hilfen bei hochbelasteten Familien und interessierte sich dabei u.a. für die subjektive Wahrnehmung der Nutzer_innen bezogen auf das, was konkret bei der Beratungsarbeit der Helfer_innen als nützlich und hilfreich empfunden wurde. Die Ergebnisse aus diesem Projekt lieferten Hinweise über die Potentiale niedrigschwelliger, aufsuchender Hilfe- und Beratungspraxis und ermöglichten auch einige – allerdings auf Grund der kleinen Stichprobe von acht Familien überprüfungsbedürftige – Rückschlüsse über die fachliche Gestaltung dieser Praxis. So wurden fünf Familien von Helferteams begleitet, die in den Bereichen des Systemischen Case Managments, der aufsuchenden systemischen Familientherapie, des Kinderschutzes, der multidimensionalen Familientherapie und in kinder- und jugendpsychiatrischen Fragestellungen besonders geschult wurden. Die Weiterbildungsinhalte orientierten sich eng an der Praxis der Helfer_innen; ein besonderer Schwerpunkt wurde themenübergreifend auf den Umgang der Praktiker_innen mit ihren eigenen Ohnmachts- und Allmachtsphantasien sowie mit ihren Strategien der Selbstsorge gelegt (vgl. Bräutigam/Müller 2013). Drei Familien wurden quasi zum Vergleich über einen etwa doppelt so langen Zeitraum im Rahmen einer klassischen sozialpädagogischen Familienhilfemaßnahme betreut. Die Projektergebnisse zeigen, dass die geschulten Tandemhilfen in etwa der Hälfte Zeit ähnlich gute Ergebnisse erzielen wie die konventionellen Hilfen und es diesen im Rahmen ihrer beraterischen Tätigkeit besser gelang, die affektive Kommunikation der Familienmitglieder untereinander zu verbessern (vgl. Bräutigam et al. 2011a).

Die mit den Nutzer_innen geführten Interviews verdeutlichten immer wieder, dass es zunächst der Bestätigung, nicht alles falsch zu machen, als einer Basis für Veränderungsmöglichkeit bedarf. Im Bild der reflexiven Moderne kann darauf bezogen konstatiert werden, dass die Befriedigung dieses Bedürfnisses mehr als angeraten ist, weil in der reflexiven Moderne nicht alles falsch – aber eben auch nicht alles richtig – gemacht werden kann. Mehr noch sind »falsch« und »richtig« möglicherweise gar keine geeigneten Kategorien der Selbst- und Fremdbewertung. Eine wesentliche Basis des Arbeitsprozesses war demnach, erst einmal zu sehen, zu bestätigen und anzuerkennen, dass die Nutzer_innen sich um Orientierung und Richtigkeit in einer Gesellschaft bemühen, in der kaum Orientierung möglich ist. Eine Mutter, deren Hauptanliegen Unterstützung bei den Erziehungsschwierigkeiten mit ihrer achtjährigen Tochter darstellte, formulierte das folgendermaßen:

»…ich nehm sie jetzt am Arm und bringe sie ins Zimmer, aber dass ich jetzt richtig zuhaue mache ich nicht mehr, dafür habe ich viel zu viel Angst, dass ich ihr irgendwann mal richtig weh tue…deswegen mal gucken, der Herr M. hat mir ja auch schon recht viel geholfen…und mich in einigen Sachen auch bestärkt, also dass ich auch einige Sachen gut mache und dass ich nicht alles falsch mache.«

Dagegen wurden konkrete und Lebenswelt ferne Handlungsanregungen, die offenbar die Durchführbarkeit im Alltag nicht ausreichend beachteten, als wenig hilfreich empfunden:

»und dann hat er uns den Vorschlag gemacht Gesichter auszumalen…und wenn sie denn drei Stück hat oder was weiß ich, dann machen wir einfach‘ nen Zoobesuch oder sowas, das ging, glaube ich, drei Tage gut…also das war damals voll für’n Eimer«

Über den Bestätigungswunsch hinaus wurde klar das Bedürfnis artikuliert, über sich selbst zu sprechen und das Gefühl zu haben, in dem Gesagten schlicht gesehen und gehört zu werden.

»also die erste Zeit war ich auch so`n bisschen skeptisch, aber er war auch der Erste, der mir jetzt nur mal einfach zugehört hat, ne, wo ich jetzt mal irgendwas erzählen konnte«

Die Abschlussbewertung der Hilfe verdeutlichte, dass die bestärkenden und die annehmenden Teile der Beratung als die wesentlich hilfreichen Bausteine wahrgenommen wurden, um auf dieser Grundlage Verhalten modifizieren zu können.

»Sie waren einfach da und deswegen konnte man sich, sag ich mal auf gut deutsch, richtig auskotzen, und das hat vielleicht auch schon sehr gut getan, wenn man sich wo auskotzen kann und der dann nicht immer gleich gesagt hat, dann hast Du das verkehrt gemacht, dann hast Du das verkehrt gemacht…«

Bezogen auf die Anforderungen und Bedürfnisse der Nutzer_innen an niedrigschwellige Beratungsangebote lässt sich aus diesen Äußerungen schließen, dass es einen hohen Grad an Affirmation und Validierung in Bezug auf die eigene Person und das (Erziehungs‑)Verhalten der Nutzer_innen auf Seiten der Beratenden braucht, um überhaupt einen beraterischen Zugang zu erhalten und ggf. modifizierend wirken zu können. Abstrakter und im Kontext der reflexiven Moderne formuliert, braucht es im personalen Kontakt die Rückmeldung der Richtigkeit der Person und ihres Verhaltens, denn im Wissensoverflow ist es kaum mehr zu leisten, diese in den eigenen Parametern des Handelns zu finden.

4. Was braucht es, um niedrigschwellige Beratung durchführen zu können

Beratung ist eine hoch personalisierte Interventionsform; Berater_innen sind mit ihrer ganzen Persönlichkeit sowie mit ihren eigenen Identitätsvorstellungen und -aspekten in den Beratungsprozess eingebunden (vgl. Krause/Mayer/Assmann 2007). In der professionellen Beratungsbeziehung muss ein Balanceakt zwischen der Herstellung von Nähe, ohne die kein Kontaktaufbau, kein Vertrauen und letztlich auch keine Wirksamkeit entstehen kann und der Herstellung von Distanz, ohne die die Grenzen von dem Beratenden und dem zu Beratenden nicht gewahrt werden können, vollzogen werden (vgl. Bräutigam/Müller/Lüngen 2011b). Die niedrigschwellige Beratung verlangt im besonderen Maße die aktive Herstellung und Gestaltung von nähe- und kontaktfördernden Elementen, da die zu Beratenden der Beratung zunächst meist im hohen Maße skeptisch gegenüberstehen. Es bestehen mitunter die Annahmen, dass die Beratenden schlecht über sie denken, sie in ihren Handlungen für unfähig halten und die zu Beratenden so in eine Art Beschämungsangst kommen. Die notwendige Forcierung von nähe- und vertrauensbildenden Beratungselementen stellt im Kontext der niedrigschwelligen Beratung eine besonders hohe Anforderung dar, weil auch die Bereitschaft zur mobilen und thematischen Flexibilität in der Regel zunächst einseitig vom Beratenden geleistet werden muss (vgl. Bräutigam et al. 2011a). Die Beratenden müssen auf Grund dessen deutlich in beziehungsfördernde Vorleistung gehen und Zeit, Emotionen und überzeugende Argumente investieren, um eine eventuelle Zustimmung zum Eingehen auf eine professionelle Beratungsbeziehung zu erhalten.

Neben dieser personalen Anforderung ist niedrigschwellige Beratung bzw. Beratung in weniger formalisierten Settings in der Arbeit mit Familien von settingbedingten Strukturmerkmalen geprägt (vgl. Bräutigam/Müller 2014). Dazu zählen Unabgegrenztheit, Alltagsnähe und die Konfrontation mit Fragen, die nicht dem professionellen Wissensbestand entsprechen: Bei dem Thema der Unabgegrenztheit besteht oftmals eine themenbezogene und persönliche Ebenenvermischung, mit der die Beratenden und die Nutzer_innen persönlichkeitsbedingt unterschiedlich umgehen. Denn es ist nicht an sich klar, über was gesprochen, was gefragt und auf was geantwortet werden darf. All das muss interaktiv zwischen Berater_in und Nutzer_in ausgehandelt werden und ist nicht bereits im Vorfeld der Beratung klar und somit eher von der Intuition des Beraters bestimmt. Die Alltagsnähe macht es möglich, ein umfassenderes Verständnis von der Lebenswelt der Nutzer_innen zu entwickeln. Beraterische Interventionen können auf diese Weise passgenauer und alltagsbezogener gestaltet werden. Der Umstand der Konfrontation mit Fragen, die nicht dem professionellen Wissensbestand entsprechen, lässt sich nicht mit einer quantitativen Erweiterung des Wissensbestandes des Beratenden lösen. Im niedrigschwelligen Beratungskontext sind die Beratenden verstärkt mit Fragen konfrontiert, die ihrem professionellen Background nicht unbedingt entsprechen, weil die Nutzer_innen ihre Thematisierungen nicht vor dem Background der Beratenden auswählen. Daher können Fragen auch nicht immer gut beantwortet werden.

Für die Beratung im niedrigschwelligen Setting stellen die personalen Anforderungen und die Strukturmerkmale des Settings zentrale Aspekte der Reflexion dar; sie machen somit die reflexive Beratung in dieser Arbeitsform aus. Im Folgenden soll erläutert werden, in welchen Reflexionsmodellen diese von den Beratern aufgegriffen werden können. Dafür beziehen wir uns auf das angelsächsische Konzept der »therapist skills« von Bennett-Levy (2006), das wir als notwendige Skills auf Seiten des Beratenden verstehen. Die »therapist skills« beschreiben drei kognitiv orientierte Systeme, die den Reflexionsprozess leiten. Für die Frage der zu entwickelnden Kompetenzen im niedrigschwelligen/ aufsuchenden Setting in der Arbeit mit Familien stellen wir die von uns entwickelten Kompetenzen für Menschen vor, die psychosoziale Hilfe und Beratung im häuslichen Bereich durchführen (vgl. Bräutigam/Müller 2014). Mit Reinkraut et al. (2009) und ihrem Verständnis zu »self as a instrument« beschreiben wir dann kurz, wie das zuvor Entwickelte in der Ausbildung von Beratern relevant werden kann.

Das Konzept von Bennett-Levy (2006) unterscheidet zwischen drei unterschiedlichen kognitiven Systemen, die in der Ausbildung der relevanten skills berücksichtigt werden müssen. Das erste ist das sog. deklarative System. Deklarativ bedeutet in diesem Fall ‚Knowing that‘, d. h. die Aktivierung von Faktenwissen. Es impliziert konzeptuelles Wissen, intersubjektives Wissen und technisches Wissen. In Bezug auf den Kontext der niedrigschwelligen Beratung hieße die Aktivierung dieses Wissens, dass die Beratenden sich über die Bedingungen des Settings im Klaren sind, die Skepsis der Nutzer_innen antizipieren und wissen, dass und wie sie damit professionell umgehen können bzw. darauf reagieren können.

Das zweite System nennt Bennett-Levy das prozedurale System. Es beinhaltet Regeln, Strategien und Vorgehensweisen und die prozessuale Anpassung an das jeweilige Beratungsgespräch. »The procedural system is where declarative understandings become actualized in practice and refined” (S. 64).

Bei dem dritten System, dem sogenannten reflexiven System bezieht sich Bennett-Levy auf Donald Schön (1983), der zwischen reflection-on-action (nach einer Beratungseinheit) und reflection- in-action (während einer Sitzung) unterscheidet. Je mehr reflection-on-action trainiert werden würde, desto besser gelänge schließlich reflection-in-action. Bezogen auf den Kontext der niedrigschwelligen Beratung bedeutet dieses, dass in den reflexiven und supervisorisch angeleiteten Einheiten, in denen sehr konkret und kleinteilig die Beratungssituationen – wobei sich die Situation aus Setting und den Beteiligten zusammensetzt – nachbesprochen werden, offene sowie verdeckten Themen und Dynamiken sichtbar werden können.

Bezogen auf eine allgemeinere Beratungspraxis bedeutet dies in Anlehnung an Donald Schön (1983), dass sich Berater_innen in der reflexiven Moderne zu reflective practitioners entwickeln müssen. Sie müssen dieses im psychosozialen Kontext umso mehr, da bereits aus der Psychotherapieforschung hinlänglich bekannt ist, dass Erfolge und Misserfolge weniger methodenabhängig sondern stärker personenabhängig sind (vgl. Wampold 2006). Im psychosozialen Kontext tätige Berater_innen sind ebenso wie Psychotherapeut_innen zum einen gefordert, sich reflexiv mit den eigenen Begrenztheiten auseinanderzusetzen (vgl. Märtens/Liegle 2013) sowie sich mit der Selbsteinschätzung eigener Fähigkeiten kritisch auseinanderzusetzen (vgl. Lepkowski/Packmann 2006). Das könnte im konkreten bedeuten, in der Wahrnehmung und im Umgang mit den eigenen Fehlern eine konstruktive Fehlerkultur (vgl. Bräutigam/Herberhold 2012) sowie einen professionellen Selbstzweifel zu entwickeln; letzterer erweist sich z.B. in Psychotherapien als Motor eines konstruktiveren Klimas mit Patienten (vgl. Nissen-Lie et al. 2013).

Zum anderen müssen sie sich kontinuierlich in einen Prozess des Zweischleifenlernens, das sog. »Double loop learning« (vgl. Schön 1983) begeben. Bezogen auf einen Beratungskontext bedeutet Zweischleifenlernen, dass unentwegt über die Prozesse im Beratungsprozess nachgedacht werden muss, dieses Nachdenken Auswirkungen auf das Handeln im Beratungsprozess haben sollte, dieses neu ausgerichtete Handeln wieder reflektiert werden muss und auch diese Reflexionen wieder Auswirkungen auf das Handeln haben sollten usw.

Bezogen auf niedrigschwellige Beratungsprozesse bedeutet dies weiterhin, dass die Beratungskontexte und ihre Auswirkungen auf die Beteiligten intensiv in den Reflexionsprozess miteinbezogen werden müssen. Genau dieser – unendliche – Reflexionsprozess ist eine wichtige Kompetenz, die in der Ausbildung und Beratungspraxis grundsätzlich entwickelt werden sollte, aber eben in der niedrigschwelligen Beratungsarbeit eine elementare Bedeutung hat.

Idealerweise entwickeln die Beratenden für die niedrigschwellige aufsuchende Arbeit dann settingbezogene Kompetenzen (vgl. Bräutigam/Müller 2014). Zum einen sollten sie eine besondere Sensibilität für die intimen Grenzen der Familie entwickeln – also erkennen, was mit der jeweiligen Familie besprechbar ist – und trotzdem einen möglicherweise bestehenden Kontrollauftrag seitens der beauftragenden Institution nicht aus dem Blick verlieren. Zum anderen sollten sie kontinuierlich ihre eigenen Norm- und Moralvorstellungen in Frage zu stellen (vgl. Müller 2010) und die der zu beratenden Familien erschließen, da diese für die Annahme und den Erfolg der Hilfe bestimmend sind. Außerdem sollten Berater_innen, die als Gast zu den Familien kommen und damit einen sehr umfangreichen Blick auf die Familie haben und ggf. für alles zuständig sind, einen Umgang mit entstehenden Allmachts- und Ohnmachtsgefühle finden. Die Auseinandersetzung mit Allmachts- und Ohnmachtsphantasien erscheint uns im niedrigschwelligen Kontext deshalb besonders zentral, weil das Spektrum beratungsrelevanter Themen in diesem Setting um ein Vielfaches größer erscheint und beim Beratenden das paradoxe Gefühl erzeugen kann, gleichzeitig umfassend intervenieren zu sollen, aber auch vor der Fülle der angesprochenen Probleme quasi zu kapitulieren.

Reinkraut et al. (2009) machen im Kontext der Beratungsausbildung darauf aufmerksam, dass die Auszubildenden sich oftmals sehr auf die Entwicklung von Empathie und auf das Gegenüber Einschwingen zentrieren und andere wichtige Komponenten außer Acht lassen. Sie sprechen von »feel well, think well, and act well« ( S. 8) wobei z. B. think well nicht nur Faktenwissen impliziert, sondern vielmehr auch einen kritischen Umgang damit und Reflexivität einschließt:

»Critical thinking, multiple perspectives, and constructive developmental meaning-making are key components of our academic approach to counselor training.« ( S. 19)

Zu der Entwicklung von »Feeling well« und guter Beziehungsaufnahme gehören nach Reinkraut et al. (2009) Zuhören, Reflexion, Interpretation, diagnostisches Interview und Krisenintervention, die in Rollenspielen geübt werden können, während es beim »Acting well« um die Aufbereitung von Felderfahrung in Form von aufgezeichneten Fallpräsentationen (Video oder Audiotape) geht.

In dem Dreischritt der von »feel well, think well, and act well« (S. 8) sollte sich dann auch die Ausbildung für die reflexive Beratung im niedrigschwelligen Setting in der Arbeit mit Familien vollziehen. Ziel ist es dabei, in der Ausbildung von Beratern double loop learning Prozesse zu motivieren und für die Praxis zu sozialisieren. Dies könnte z. B. bedeuten, dass das Faktenwissen immerzu auf seine Potentiale und Halbwertszeiten hin reflektiert, die eigenen Prozessgestaltungen in der Beratung betrachtet, hinsichtlich ihrer Adäquatheit mit den zu Beratenden überprüft und insbesondere nicht nur das reflection-on-action praktiziert sondern gerade durch die Fallpräsentationen Prozesse des reflecion-in-action rationalisiert und der erneuten Reflexion zugeführt werden. In all diesen Schritten ist es dann von elementarer Bedeutung, dass die Beratenden ihre individuellen – weil kaum standardisierbaren – Wege im Umgang mit den intimen Grenzen der Familien finden, ihre eigenen Normen und Wertevorstellungen im Beratungsprozess mit denen der zu beratenden Familien kontrastieren können und Zugang zu ihren Allmachts- und Ohnmachtsfantasien bekommen und sie in der Beratungsarbeit in der Lage sind, reflexiv die je situative Machbarkeit zu antizipieren.

5. Praktische Konsequenzen für die reflexive Beratung von Frau Baum

Wir erinnern uns an die Ausgangssituation: Frau Baum fühlte sich in den verschiedenen institutionellen und beraterischen Kontexten von den vielen verschiedenen Meinungen, Empfehlungen und Einschätzungen überfordert, wenig gesehen und in ihrer Erziehungskompetenz nicht anerkannt, sondern tendenziell beschämt. In einer reflexiven Beratung müssen sich Berater_innen also darüber im Klaren sein, dass in dieser Situation weitere Empfehlungen und Handlungsideen nicht indiziert sind (knowing that) – dass also mehr Wissen keine Hilfe ist. Dies ist in der Prozessgestaltung zu berücksichtigen und Berater_innen sollten sich im beraterischen Handeln zunächst darauf konzentrieren, Frau Baum das Gefühl zu geben, dass ihr jemand zuhört, ihre eigenen Überlegungen, Ängste und Emotionen wahrnimmt und spürbar ernstnimmt. Weiterhin wäre es notwendig, konkreter auszuloten, wo die intimen Grenzen hinsichtlich der Beratung der Erziehungssituation bei Frau Baum liegen. Dabei scheint von zentraler Bedeutung, den weiteren Beratungsprozess an Frau Baums Normen- und Wertevorstellungen auszurichten – mithin diese in einem reflexiv angelegten Prozess überhaupt erst zu generieren. Darüber hinaus ist der Blick auf die situative Machbarkeit zu legen. Das bedeutet in den Blick zu nehmen, was Frau Baum möglich ist, aber auch das zu beachten, was in dem Kontext der Situation überhaupt als angemessene Beratungsleistung zu verstehen ist. Die reflexive Qualität des Beratungsprozesses zeigt sich aber letztlich darin, dass in der niedrigschwelligen Beratung in der Arbeit mit Familien und auch mit Frau Baum Prozesse des double loop learnings etabliert werden und Frau Baum ihre Potentiale im reflecting-on-action und im reflecting-in-action weiterentwickeln kann. Das bedeutet z.B. alltägliche Erziehungssituationen mit Frau Baum zu extrahieren, in denen sie sich selbstwirksam und erfolgreich erlebt hat und mit ihr zu erarbeiten, was die Faktoren des Gelingens dieser Situationen sind (reflecting-in-action). In der Reflexion der Beratungseinheiten müsste es u.a. darum gehen, welche Dynamik zwischen Berater_in und Frau Baum sich entwickelt, ob es gelingen kann die Skepsis auf Seiten von Frau Baum zu mindern und ob es Berater_innen gelingen kann, ein auf praktischen Erfahrungen begründetes Zutrauen in Frau Baums erzieherische Kompetenzen zu entwickeln (reflecting-on-action). Letztlich liegt im Prozess der reflexiven Beratung damit die Vermittlung reflexiver Kompetenzen für die Beratenen, die Teil der Ausbildungssozialisation der Beratenden ist. Double loop learning, reflecting-on-action und reflecting-in-action sind damit Metakompetenzen, die als Beratungskompetenz der Berater_innen und als Beratungsergebnis der Beratenen von zentraler Bewältigungsrelevanz in der reflexiven Moderne sind.

Literatur

Beck, Ulrich (1996a): Das Zeitalter der Nebenfolgen und die Politisierung der Moderne. In: Beck, Ulrich; Giddens, Anthony; Lash, Scott: Reflexive Modernisierung: Eine Kontroverse. Frankfurt (Suhrkamp). S. 19–112.

Beck, Ulrich (1996b): Wissen oder Nicht-Wissen? Zwei Perspektiven »reflexiver Modernisierung«. In: Beck, Ulrich; Giddens, Anthony; Lash, Scott: Reflexive Modernisierung: Eine Kontroverse. Frankfurt (Suhrkamp). S. 289–315.

Benett-Jevy, James (2006): Therapists Skills: A Cognitive Model of their Acquisition and Refinement. Behavioural and Cognitive Psychotherapy 34. UK, 57-78. URL:http://www.nrudrh.edu.au/doclib_udrh/public/Model_therapist_skills.pdf.pdf (Stand 11.03.2014).

Bräutigam, Barbara & Müller, Matthias (2014): Aufsuchende Hilfen. In: Levold, Tom & Wirsching, Michael (Hg.) (2014): Systemische Therapie und Beratung. Das große Lehrbuch. Heidelberg (Carl-Auer-Verlag), S.435-438.

Bräutigam, Barbara & Müller Matthias (2013): Die Beweglichen. Von der Notwendigkeit aufsuchender Hilfen in einer sich zunehmend entstrukturierenden Region. In: Sparschuh, Vera & Sterbling, Anton. (Hg.): Abwanderung aus ländlichen Gebieten. Ursachen, Motive, Erscheinungsformen und Folgeprobleme (Reihe »Politische Soziologie«). Magdeburg (Meine Verlag), S. 131–143

Bräutigam, Barbara & Herberhold, Martin (2012): Fehler in der Psychotherapie mit Kindern und Jugendlichen. In: Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie, 4,223-234.

Bräutigam, Barbara; Lüngen, Sarah & Müller, Matthias (2011a): Forschungsbericht

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Über die AutorInnen

Barbara Bräutigam

Prof. Dr. phil. habil., Dipl. psych., psychologische Psychotherapeutin, systemische Familien-, integrative Kinder- und Jugendlichentherapeutin. Supervisorin (DGSv) und Lehrtherapeutin für systemische Familientherapie (DGSF). Professorin für Psychologie und Jugendarbeit an der Hochschule Neubrandenburg.

E-Mail: braeutigam@hs-nb.de

Web: http://www.hs-nb.de/ppages/braeutigam-barbara/

Matthias Müller

Prof. Dr., Diplom-Sozialarbeiter/-Sozialpädagoge, Soziologe (Dr. phil.), Case Manager/ Case-Management-Ausbilder (DGCC), Dialogischer Qualitätsentwickler (KK). Professor für Pädagogik, Sozialpädagogik und Hilfen zur Erziehung an der Hochschule Neubrandenburg.

E-Mail: mueller@hs-nb.de

Web: http://www.hs-nb.de/ppages/mueller-matthias/