Kinder und Erwachsene sind untrennbar miteinander verbunden, da Kinder auf Assistenz und Sorge angewiesen sind. Dieses relationale Verhältnis gilt als natürliche Ordnung zwischen Kindern und Erwachsenen und die zugehörigen Aufgaben werden oftmals als »natürliche« Bestandteile von Elternschaft gedeutet. Unbeachtet bleibt dabei jedoch häufig, dass die Zuschreibungen, was ein Kind zum guten Aufwachsen braucht und wer diese Aufgaben übernimmt, sowohl historisch als auch im jeweiligen kulturellen Kontext relativ sind und damit auch das, was Elternschaft ausmacht, sozial konstruiert ist. Auf Grundlage ethnografischer Beobachtungen in Geburtsinformations- und Bildungsveranstaltungen soll im Folgenden gezeigt werden, dass diese Relationalität zwischen Eltern- und Kindschaft bereits pränatal hergestellt wird. Der Beitrag fragt aus einer praxisanalytischen Perspektive danach, wie mittels spezieller Kindschaftsentwürfe den werdenden Eltern bestimmte Mutterschafts-, Vaterschafts- und Elternschaftspraxen abverlangt werden und nimmt dabei zugleich auch die auftretenden Geschlechterdifferenzen in den Blick.
Schüsselwörter: Pränatales Elternwerden, Schwangerschaft, Kindschaftskonstruktionen, Elternaufgaben, Ethnografie
»Your Baby needs you, your love, your closeness and your tenderness!«
(Normative) constructions of parenthood and parents’ tasks in settings of natality
Children and adults are intrinsically tied to each other due to children’s need of assistance and care. This relational order is deemed as natural order between children and parents. The associated tasks are interpreted as natural elements of parenthood. The relativeness of the idea of »growing up well« and of attributed responsibilities for the needs and tasks associated with it are often disregarded in their historical and cultural dimensions. The concept of parenthood is a social construction as well. Based on ethnographic observations in settings of natality, this article tries to demonstrate that the relation between parenthood and childhood is even antenataly constructed. Taking the described scenario into account the article asks, from a praxeological point of view, how certain concepts of childhood demand special mother-, father- and parenthood practices from parents to be. At the same time the paper focuses on appearing gender differences.
Keywords: parents to be, pregnancy, birth, constructions of childhood, parents’ tasks, ethnography
Kinder und Erwachsene sind untrennbar miteinander verbunden, da Kinder auf Assistenz und Sorge angewiesen sind. Diese Angewiesenheit »begründet eine relativ lange Phase der Verantwortung der Elterngeneration für Kinder« (Kelle 2005, S. 87) – Elternschaft und Kindschaft stehen in einem relationalen Verhältnis. Was genau Kinder brauchen und wie diese Verantwortung ausgeübt wird, darüber gibt es gesellschaftliche Vorstellungen, die unhinterfragbar scheinen und äußerst wirkmächtig sind. Kinder werden beispielsweise als unfertige, in Entwicklung begriffene Wesen entworfen, die Erziehung, Bildung und Fürsorge bedürfen und auf »Zuwendung, Schutz, intensive Aufsicht und Anleitung« (Bühler-Niederberger 2005, S. 9) angewiesen sind und deren Aufwachsen, neben den Eltern, von speziellen Institutionen begleitet werden sollte (vgl. Zeiher 2009, S. 118f., siehe auch Wutzler in diesem Themenheft). Diese Vorstellungen differieren jedoch je nach Zeitepoche und Kultur und sind geprägt von »spezifischen Annahmen, Normierungen oder Ideologemen« (King 2015, S. 23). Sie können deshalb gerade nicht einfach auf eine, wie auch immer geartete, dem Sozialen vorgängige Natur des Kindes zurückgeführt werden. Stattdessen müssen sie als »soziale Konstruktionen«, die »sozial Hergestelltes und Übereinkünfte« (ebd.) repräsentieren, verstanden werden. Während sich insbesondere die Kindheitsforschung bemüht, diese Herstellungsleistung in Bezug auf Kindheit sichtbar zu machen (vgl. u.a. Alanen 2005; Bühler-Niederberger 2005; Honig 1999, 2009; Kelle 2005; Mey 2013), wird sie im (Forschungs‑)Feld der Elternschaft und Elternverantwortung bisher eher nachrangig in den Blick genommen. Insbesondere alltagsmediale Auseinandersetzungen um Elternschaft sind vielfach von einer Idee der Natürlichkeit getragen, die verdeckt, dass auch die je spezifischen Ausgestaltungen von Elternschaft kulturellen und sozialen (Über‑)Formungen ausgesetzt sind (vgl. Böök/Perälä-Littunen 2008, S. 85f.) – und im größtmöglichen Maß mit den Entwürfen von Kindschaft[1] zusammenhängen.
Der Artikel möchte seinen Blick auf diesen Zusammenhang richten und versteht Elternschaft insofern als relationale Praxis, da sich Elternschaftshandeln immer auch auf bestimmte Kindschaftsideen bezieht bzw. von diesen beeinflusst wird. Es wird die These vertreten, dass diese Relationalität zwischen Eltern- und Kindschaftsentwürfen bereits pränatal konstruiert und von den werdenden Eltern und beispielsweise Natalitätsinstitutionen gemeinsam hervorgebracht wird. Empirisch wird deshalb auf Grundlage ethnografischer Protokolle aus Geburtsvorbereitungs- und Säuglingspflegekursen sowie Informationsabenden in Entbindungseinrichtungen untersucht, wie spezifische Entwürfe von Kindschaft in pränatalen Kontexten hergestellt und wie und mit welchen speziellen Formierungen von (werdender) Elternschaft und Elternaufgaben sie verwoben werden.
Während zwar Elternschaft als Forschungsfeld seit ca. 15 Jahren, wenn auch vielfach gebündelt unter dem Familienbegriff, eine Konjunktur erlebt (u.a. Ecarius 2007; Jurczyk/Klinkhardt 2014; Seehaus 2014; Soremski/Urban/Lange 2011), fällt insbesondere die Forschungslage zur vorgeburtlichen Phase der Elternschaft eher knapp aus (vgl. auch Seehaus/Rose/Günther 2015). Die vorhandenen Veröffentlichungen zu dieser Lebensphase stellen eher die Statuspassage Schwangerschaft, beispielsweise mit dem Fokus auf körperliche Veränderungen (Mozygemba 2011; Nowicka/Tolasch 2014) und das Ereignis der Geburt in den Blickpunkt (Villa/Moebius/Thiessen 2011; Wulf/Hänsch/Brumlik 2008; Wulf et al. 2008). Neben den bereits schon länger vorhandenen kulturhistorischen Forschungen zur Schwangerschaft (u.a. Duden/Schlumbohm/Gelis 1998) entstehen mittlerweile auch Untersuchungen zu pränataldiagnostischen Instrumenten (u.a. Arni 2012), bildgebenden Verfahren zum Fötus (Heimerl 2013; Sänger 2011; Tegethoff 2011) oder Kaiserschnitt-Entbindungen (Lutz/Kolip 2006). Diese Studien zeichnen in der Regel die Perspektiven der Eltern nach und stellen die technologischen und medizinischen Entwicklungen der Reproduktions- und Geburtsmedizin in den Vordergrund. Dabei beschäftigen sie sich teilweise kritisch mit deren normativen Wirkungen und psychosozialen Folgen (Sontowski 2010; Tew 2007). Die mediale Inszenierung der Geburt ist das Thema weiterer Studien (u.a. Althans/Tegethoff 2008; Foltys 2008; Michaelsen 2011). Hinzu kommen diskursanalytische Studien zu Schwangerschaft und Entbindung (Baader 2008; Tegethoff 2011). Gemeinsam ist diesen Studien, dass sie nicht das relationale Verhältnis von Elternschafts- und Kindschaftskonstruktionen in den Blick nehmen, sondern ihren Fokus auf die werdenden Eltern, insbesondere die Schwangeren richten. Das ungeborene Kind wird zwar als Anlass und Auslöser vielerlei Behandlungen und Entwicklungen einbezogen, jedoch nicht als relationaler Part der Elternentwürfe und der Elternschaftspraxis.
In Bezug auf die methodischen Ausrichtungen der vorliegenden Studien zeigt sich, dass praxisanalytisch ausgerichtete Forschungsansätze im Kontext der Natalität selten sind und stattdessen Diskurs- und Medienanalysen, historische Quellenuntersuchungen und narrative Befragungsinstrumente dominieren. Eine Ausnahme bildet hier die Studie von Hirschauer, Heimerl, Hoffmann und Hofman (2014), die in ihrer »Soziologie der Schwangerschaft« ethnografisch arbeiten. Anders als in diesem Artikel sind die Geburt als Transitionsschwelle zwischen Schwangerschaft und Eltern-Sein sowie zugehörige Vorbereitungskontexte/Bildungsorte keine expliziten Themen der Studie. Schadler (2013) untersucht in ihrer »posthumanistischen Ethnographie der Schwangerschaft« wie die Schwangerschaft als Ergebnis diverser Praktiken gefasst werden kann, an denen verschiedene menschliche und nicht menschliche Akteure partizipieren. Den Komplex der Geburtsvorbereitung greift sie in ihrer Studie in einem kurzen Unterkapitel auf und beschreibt die Teilnahme der werdenden Eltern an Infoabenden und Bildungsveranstaltungen wie Geburtsvorbereitungskurse sowie die darin angesprochenen Themen (ebd., S. 252f.). Dies ist in ihrem Verständnis jedoch offenbar ebenfalls kein Teil eines Konstrukts, in dem Elternschaft als relationale Praxis, die sich auf bestimmte Kindschaftsentwürfe bezieht, verstanden werden muss.
Das Forschungsprojekt »Statuspassage Elternschaft. Zur Herstellung geschlechtsspezifischer Ungleichheiten in den pränatalen Praxen von Müttern und Vätern« wurde an der Frankfurt University of Applied Sciences 2013–2014 durchgeführt.[2] Das Projekt zielte darauf, das Geschehen an Eltern-Vorbereitungsorten aus einer Binnenperspektive nachzuvollziehen. Wir untersuchten, wie Schwangere und ihre Partner dort als Väter und Mütter situativ adressiert werden, welche (zukünftigen) Aufgaben ihnen zugewiesen werden/sie sich selbst zuweisen und wie sie in Praktiken als Eltern dargestellt werden bzw. sich selbst darstellen. Im Zentrum stand damit nicht die Frage, wie werdende Eltern und institutionelle Akteure Elternschaft denken, sondern wie sie diese »tun« (vgl. auch Kelle 2004, S. 637). Diese (semi‑)öffentlichen Räume können, so die Annahme, als soziale Arenen verstanden werden, in denen Eltern-, Mutter- und Vaterschaft praktisch formiert werden. Um die sozialkonstruktivistischen Wirkungen des praktischen Tuns der Akteure untersuchen zu können, wurde ein ethnografisch praxisanalytischer Forschungszugang gewählt. Den Gegenstand der Untersuchung bildeten somit die »sozialen Praktiken« (Breidenstein/Hirschauer/Kalthoff/Nieswand 2013, S. 32). Diese sind in den »situierten öffentlichen Ausdrucksformen kultureller Ereignisse und Situationen« (ebd., S. 40) verortet. Erfasst werden sollten jene sozialen Formierungs- und Normalisierungsprozesse, die in Praxisroutinen eingelagert sind und von dort aus ihre Wirkungen entfalten. Vor diesem Hintergrund entstanden knapp 60 Beobachtungsprotokolle in öffentlichen und semiöffentlichen Settings der Natalität: Informationsabende in Geburtseinrichtungen, Geburtsvorbereitungs-, Stillvorbereitungs- und Säuglingspflegekurse.[3] Die Auswertung erfolgte in Anlehnung an die Grounded-Theory-Methodologie (Strauss/Corbin 1996) in einer mehrphasigen Verschränkung aus Datenerhebung und Datenauswertung: Nach einer ersten explorativen ethnografischen Feldphase erfolgte die inhaltliche Kategorisierung der ethnografischen Beobachtungsprotokolle zur Entwicklung von Forschungsthesen. Daran schloss sich eine zweite fokussierte Feldphase zur Überprüfung und Weiterentwicklung dieser Thesen an.
Der Beitrag bezieht sich auf die Empirie der Informationsabende und Bildungskurse zur Geburtsvorbereitung und Säuglingspflege. Informationsabende zur Geburt werden in den untersuchten Entbindungseinrichtungen als monatliche Abendveranstaltung angeboten, es kommen meistens ca. 50 –100 Teilnehmende (i.d.R. werdende Elternpaare). Geleitet von Ärzt_innen und/oder Hebammen und/oder Krankenschwestern, versorgen diese Veranstaltungen die werdenden Eltern mit Informationen zur Einrichtung, zu Geburtsabläufen und -möglichkeiten, Anmeldeprozeduren, aber auch Verhaltensempfehlungen. Die Abende bestehen aus einem Vortrag mit Nachfragemöglichkeiten für das Publikum, anschließend folgt – sofern keine Geburt stattfindet – eine Kreißsaalführung und manchmal eine Führung über die Wochenbettstation.
Geburtsvorbereitungskurse und Säuglingspflegekurse werden u.a. von Hebammenpraxen, Geburtseinrichtungen oder Familienbildungsstätten angeboten. Sie sind für kleinere Gruppen (i.d.R. nicht mehr als zehn bis zwölf Paare/Frauen) angelegt und richten sich an Paare oder werdende Mütter, sehr selten auch ausschließlich an Väter. Diese Kurse stellen sich in der Regel als eine lockere Mischung zwischen Theorievermittlung, praktischen Übungen (z.B. Körperübungen oder Übungen an einer Babypuppe) und Fragen der Teilnehmenden dar und werden von Hebammen, Krankenschwestern, Pädagog_innen etc. geleitet.
Anzumerken ist in Bezug auf die Empirie, dass in an allen beobachteten Settings aufgrund der langen monologischen Passagen seitens der Institution sehr viel weniger die Elternpraxen als vielmehr die institutionellen Praxen in den ethnografischen Blick geraten. Rekonstruiert werden kann deshalb vorrangig, wie die werdenden Eltern adressiert werden und welche Mutterschafts-, Vaterschafts- und Elternschaftspraxen ihnen – seitens der Institutionen – abverlangt werden. Inwiefern Eltern jedoch diese Adressierungen beantworten und ihre konkrete Elternschaftspraxis ausgestalten, muss – aufgrund ihrer Publikumsrolle – meistens offenbleiben.
Im Folgenden soll anhand ethnografischer Szenen[4] den relationalen Zusammenhängen zwischen speziellen Kindschafts- und Elternschaftskonstruktionen nachgespürt werden, indem pränatal hergestellte Kindschaftsentwürfe rekonstruiert und die damit zusammenhängenden Elternaufgaben analysiert werden. Im Folgenden sind die beiden im Material am häufigsten vorkommenden Kindschaftsentwürfe anhand von ethnografischen »Fallanalyse[n]« (Breidenstein et al. 2014, S. 139) aufgeführt. Weitere, jedoch nicht so häufig vorkommende Entwürfe sind unter anderem das »eigensinnige Kind« und das »symbiotische Kind«.
Sowohl in den Protokollen verschiedener Bildungskurse als auch bei den Informationsabenden lässt sich vielfach das »verletzliche Kind« rekonstruieren. Dazu einführend eine illustrierende Szene, die während eines hebammengeleiteten Geburtsvorbereitungskurses stattfindet, an dem Schwangere und ihre Partner sowie die Ethnografin teilnehmen. In der Mitte des Raumes ist auf dem Boden ein kleines Buffet aufgebaut: Kekse und weitere Süßigkeiten stehen zur Selbstbedienung bereit, ebenso eine Kanne mit Kräutertee, mehrere Flaschen Wasser, Gläser und Tassen.
»Irgendwann kommt der Mann der Hebamme in den Raum und bringt eine Kaffeekanne mit. Die Hebamme kommentiert das damit, dass nun der Kaffee für die Männer da sei. Für sie scheint klar zu sein, dass die Frauen diesen nicht trinken – so meine Wahrnehmung. Irgendeine Kursteilnehmerin merkt etwas in diese Richtung an, dass man ja schon auch mal eine Tasse trinken könne. Die Hebamme erwähnt, dass es nicht gut sei, so viel Koffein zu trinken, dass das Kind von innen schon an die Wände hämmern würde.« (Geburtsvorbereitungskurs)
Während das Buffet offenbar für alle Teilnehmer_innen gleichermaßen zur Verfügung steht, wird der frisch gekochte Kaffee den Männern zugewiesen. Als eine Kursteilnehmerin versucht, diese Zuordnung aufzubrechen, wird sie umgehend von der Hebamme auf die negative Wirkung des Koffeins[5] hingewiesen, mit dem Wort »hämmern« wird ein Ausdruck extremer Nervosität aufgerufen. Die spezifischen Kindsbewegungen werden damit als sehr eindrückliches Signal einer kindlichen Verletzlichkeit gedeutet, die – quasi prophylaktisch – eine Genusszügelung der Schwangeren verlangen.
Solche Aufrufe zur Mäßigung oder zum kompletten Verzicht sind auf die Schwangeren und ihre Körper bzw. ihre Lebensführung bezogen, sie werden jedoch in der Regel nicht zu ihrem (körperlichen) Schutz ausgesprochen (vgl. auch Seehaus 2015, S. 63f.). Stattdessen wird in diesen Aussagen der schwangere Körper »stellvertretend« (Hirschauer et al. 2014, S. 258) überwacht, kommentiert und reguliert – mit dem Ziel, das ungeborene und äußerst verletzliche Leben, das er in sich trägt, zu schützen. Auch Krumbügel (2015, S. 153) kommt in ihrer Analyse der Ratgeber für Schwangere und werdende Eltern zu dem Ergebnis, dass in diesen Formaten insbesondere die werdenden Mütter zu Einschränkungen aufgefordert werden. Zwar wird manchmal auch an den Vater appelliert, ebenfalls keinen Alkohol zu trinken, um seine Frau bei der Einhaltung ihres Alkoholverzichts zu unterstützen. Jedoch wird in der Regel keine direkte Wirkung seiner persönlichen Lebensführung auf das Kind angenommen. Entsprechend werden ihm auch kaum vorgeburtliche Verhaltensauflagen zugewiesen, die das Wohl des Kindes sichern sollen und können. Er wird in diesen Szenen, wenn überhaupt, nur indirekt adressiert.
Solche Verletzlichkeitsentwürfe beziehen sich nicht nur auf das ungeborene Kind, sondern auch auf das Kind im Geburtsgeschehen. Dies zeigt sich zum Beispiel in Szenen, in denen Geburtspositionen und Methoden der Schmerzbekämpfung Thema sind. So wird beispielsweise dargestellt, wie die Frau gebären kann oder soll und welche Form der Schmerzmittelgabe dabei möglich ist. Obwohl sich beides in erster Linie auf den Frauenkörper bezieht, zeigen sich in der Regel deutliche Ausrichtung am Wohlergehen des Kindes. So heißt es während einer Infoveranstaltung beispielsweise, dass sich die Frauen darauf einstellen müssten, dass es keine schmerzlose Geburt geben könne – auch nicht mit hoher Medikation. Als Begründung wird beispielsweise seitens eines Arztes genannt: »Wir könnten Sie auch abschießen, aber dann ist auch das Kind abgeschossen.« Diese Kindzentrierung – das Kind darf nicht in diesem Maße medikamentiert werden – scheint allgemeiner Konsens zu sein, sie wird weder erklärt noch wird genauer nachgefragt. In solchen institutionellen Darstellungen zur Geburt werden Kindeswohl und das Wohlergehen der Mutter gegeneinander aufgewogen: Das, was der Mutter Stress, Anstrengung und Schmerzen nehmen könnte, darf nur in sehr dosiertem Umfang genutzt werden, weil es das Kind gefährden könnte.
Während es bisher um das ungeborene Kind ging, handeln die meisten Szenen jedoch vom zukünftigen, zu diesem Zeitpunkt bereits geborenen Kind. Werdende Eltern können beispielsweise in den Bildungskursen vorab das richtige Verhalten mit dem Kind an Puppen üben und werden in den richtigen Umgang eingewiesen. Sie erhalten dabei vielfältige Tipps zum Alltag mit Kindern, die sich häufig auf das Thema Sicherheit beziehen. Dieses durchzieht viele Gegenstandsbereiche, so werden zum Beispiel der richtige Schlafort, die richtige -kleidung und -temperatur erläutert und besprochen. Auch die geeignete, sichere Alltagskleidung ist ein Thema. Dies wird teilweise ganz praktisch vorgeführt, indem an ungeeigneter Kinderkleidung die potenziellen Gefahrenstellen demonstriert werden. So zeigt beispielsweise eine Kursleiterin eine Kinderjacke, an deren Kapuze zwei Bänder befestigt sind. Die Eltern werden aufgefordert, diese zu entfernen, denn sonst bestünde immer eine »Strangulierungsgefahr«. Der unterstellte Beratungs- und Anweisungsbedarf[6], den sich die werdenden Eltern mit der Teilnahme an einem solchen freiwilligen Kurs vermutlich auch selbst zuschreiben dürften, führt dazu, dass ihnen spezielle Entscheidungen abgenommen werden. Zugleich zeigen solche Beispiele, welche potenziellen Gefahren beim täglichen Umgang mit Kindern lauern können – und sensibilisieren (und verunsichern) die Eltern in erhöhtem Maße. Dies geht so weit, so zeigen andere Stellen im Material, dass Expert_innen auch immer wieder daraus resultierende Elternängste und -sorgen bearbeiten und eindämmen müssen.
Ein besonders häufiges Thema der Bildungskurse ist der Transport des Kindes. Dazu eine illustrierende Szene aus einem Säuglingspflegekurs.
»Die Kursleiterin weist sehr nachdrücklich daraufhin, dass das Kind nicht im Maxi Cosi[7] spazieren gefahren werden sollte, sondern dieser, außer für das Autofahren, nur für kurze Einkaufstouren genutzt werden sollte. Bei längeren Spaziergängen sei immer der Kinderwagen zu nutzen. Sie erwähnt die ansonsten potentiell drohenden Wirbelsäulenschädigungen. Krystina fragt nach, ab wann denn längere Autofahrten stattfinden dürften. Sie erläutert, dass die Großeltern des Kindes im Ausland lebten und man da gerne hinfahren würden. Bevor es darauf so richtig eine Antwort gibt, werden die Eltern von den Kursleiterinnen noch darauf hingewiesen, dass Kinder generell weder im Maxi Cosi noch in einer Babywippe[8] ›geparkt‹ werden sollten. Der beste Ort für ein Kind sei der Boden. Im Auto würde jedoch die Sicherheit überwiegen und da sei der Maxi Cosi der Kompromiss, den man eingehen müsste. Denn das wäre am sichersten. Man müsse da einfach so ein bisschen abwägen.« (Säuglingspflegekurs)
Auch in diesen Szenen wird das kindliche Wohlergehen mit den elterlichen Bedürfnissen ins Verhältnis gesetzt. Was für die Eltern äußerst praktisch ist, ist es für das Kind nicht, vielmehr ist dies sogar schädlich. Dennoch wird die Mobilität der Familie unhinterfragt anerkannt und der Autokindersitz – als Kompromiss ausschließlich für Autofahrten – gebilligt, auch wenn die Hersteller eine deutlich umfangreichere Nutzung anpreisen.
Die Szenen zeigen wie in den pränatalen Settings sehr deutliche Entwürfe dominieren, in denen das Kind als äußerst verletzliches und schutzbedürftiges Wesen konstruiert wird, um dessen Wohlergehen prioritär gesorgt werden muss. Diese Vorrangstellung des Kindeswohls scheint omnipräsent und konsensual zu sein, in keinem Setting gibt es diesbezüglich Aushandlungs- oder Diskussionsbedarf. Gleichzeitig nehmen diese Entwürfe Eltern mittels spezieller Aufgabenzuweisungen in besonderer Weise in die Pflicht.
In der Analyse der ethnografischen Protokolle zeigt sich, neben dem »verletzlichen Kind«, das Bild des »bindungsbedürften Kindes« sehr häufig. Die zugehörigen Szenen sind in besonderer Weise von der diskursiven Figur des Bondings geprägt (vgl. auch Seehaus/Rose 2015, S. 102f.). Dieses wird immer wieder als äußerst wichtiger, geradezu selbstverständlicher Prozess dargestellt, der die Entstehung einer (lebenslangen) Bindung gewährleistet soll. Dazu eine Szene aus einem Krankenhaus.
»Die Hebamme kommt auf das Thema ›nach der Geburt‹ zu sprechen. ›Wir‹, so betont sie ›betreuen sie in der ganz sensiblen Phase‹. Das Baby käme auf den Bauch, ›so wie es ist‹. Diese Einheit wolle man nicht trennen, wenn es gehe. Das sei das ›Bonding‹. ›Das ist ganz wichtig, auch beim Kaiserschnitt‹. Das ist auch auf der Folie zu lesen. Im Kreißsaal sei dann auch Zeit, das erste Stillen zu probieren. ›Das können Sie versuchen, wir bieten aber auch Hilfe an‹.« (Informationsabend)
Der sofortige Bindungsaufbau, meist als Bonding beschrieben, wird in vielen Szenen betont, als selbstverständlich charakterisiert oder als besonderes Aushängeschild des Krankenhauses markiert (z.B. beim Babyfreundlichen Krankenhaus[9]). Aus diesem Grunde seien, so wird während der Informationsabende immer wieder betont, alle Kreissäle so ausgestattet, dass die Kinder nach der Geburt direkt dort gewickelt, gewogen und gemessen werden könnten. In einer Szene wird auf Nachfrage der Eltern sogar berichtet, dass die so genannte U1, die erste Untersuchung des Neugeborenen, die nach der Geburt stattfindet, auf dem Bauch der Mutter gemacht würde – so als ginge es nicht nur darum, eine räumliche sondern auch eine körperliche Trennung des Kindes von der Mutter zu vermeiden. Hat das Neugeborene erst einmal seinen Platz auf der mütterlichen Brust/dem Bauch gefunden, dann sollte es dort verbleiben und tatsächlich nur in Notfällen entfernt werden. Dies gilt auch für den Fall, dass die Mutter nicht vaginal entbunden hat. Selbst nach einem Kaiserschnitt, so ein häufiges Thema der Infoabende und Bildungskurse, könnten Frauen »bonden«. Jedoch ist dies an besondere Voraussetzungen geknüpft, da die Frauen durch die spezielle Narkoseform geschwächt oder noch an den Armen fixiert seien.[10] So erklärt die Leiterin eines Geburtsvorbereitungskurses:
»Und außerdem sollten die Eltern überlegen, was nach dem Kaiserschnitt passiere. Der würde ungefähr fünf Minuten dauern, danach könnte schon das Bonding passieren, während die Ärzte zunähen. Wenn es der Frau nicht möglich sei, dann würde ›der Papa als Ersatz…nein, Ersatz ist ein blödes Wort, dann übernimmt es der Papa‹, dann mache er es. Amra, eine Kursteilnehmerin, lacht und sagt zu ihrem Partner Nabil: ›Mach dich nackig‹.« (Geburtsvorbereitungskurs)
Vorrangig wird davon ausgegangen, dass die Mutter auch kurz nach der umfangreichen Bauch-Op, die ein Kaiserschnitt letztendlich bedeutet, bonden kann, will und soll. In dem Ausnahmefall, dass es der Mutter nicht möglich ist (interessanter Weise geht es an dieser Stelle ausschließlich um das »Können« und nicht um das »Wollen«), könne es der Vater übernehmen. In der Darstellung wirkt das Bonding zwischen Vater und Kind wie eine Kompensation des ausgefallenen Mutter-Kind-Bondings. In einer anderen Szene betont eine Hebamme bezüglich der gleichen Situation, dass das Mutter-Kind-Bonding »viel, viel intensiver« nachgeholt würde. Sichtbar wird in diesen Szenen die Idee, dass der Aufbau der Mutter-Kind-Beziehung Priorität habe. Zugleich scheint in der angeführten Szene die Anbahnung einer Vater-Kind-Bindung sozial brisant zu sein, so dass sie mittels eines Witzes bearbeitet werden muss. Dies ist beim mütterlichen Bonding nie der Fall, die Nacktheit der Mutter im Kreißsaal wird als normale Tatsache angenommen.
Wie bereits an anderer Stelle gezeigt, weisen die Szenen, die sich auf das Thema Bindung beziehen, vielfach deutlich geschlechterbezogene Thematisierungen auf: Es ist vorrangig die Mutter, die als Bindungsfigur adressiert wird (vgl. auch Seehaus/Rose 2015, S. 104f.). Es ist von der mütterlichen Brust oder dem mütterlichen Bauch die Sprache, auf die/den das Baby dann gelegt werden soll. Begründet wird dies mit dem Wohlergehen des Babys. So berichtet beispielsweise eine Krankenschwester und Laktationsberaterin einer Wochenstation während eines Infoabends, dass es unmittelbar nach der Geburt »ganz, ganz wichtig für die Babys« sei, »dass sie gleich den Hautkontakt mit der Mutter spüren.« Denn, so die Begründung, die Mutter sei das einzige, was dem Baby vertraut sei. Ausgegangen wird dabei offenbar von einer Kongruenz des mütterlichen Körperinnen- und -außenraums – denn nur dann kann dem gerade geborenen Baby der mütterliche Außenkörperraum vertraut sein.
Väter, so die institutionellen Ankündigungen, bekommen das Kind erst nach einigen Stunden, wenn die Mutter kurz ausruhen möchte, oder sie fungieren als Ersatzobjekte bei widrigen Geburtsverläufen. Lediglich in einer Szene im gesamten Material geht es darum, dass manche Mütter unter Umständen nicht bonden wollen und dies dann der Vater übernehmen könne.
»Frau Klar, die Kursleiterin, erzählt nun, dass Neugeborene im Krankenhaus ›eigentlich sofort nach der Geburt‹ auf den Bauch der Mutter gelegt werden. Von einer Hebamme habe sie gehört, dass einige Frauen dies jedoch nicht sofort nach der Geburt wollen. Frau Klar appelliert an die Frauen: ›Sagen Sie das!‹, denn dann könne der Papa das machen und es sei egal, ob die Frau zwei Minuten oder die erste halbe Stunde Ruhe bräuchte, um sich zurückziehen, ›aber das Bonding ist wichtig‹.« (Säuglingspflegekurs)
In dieser Szene wird den Müttern durchaus und vehement das Recht zugeschrieben, nicht direkt bonden zu wollen. Der Vater kann in dieser Situation dann zwar als Ersatz in Stellung gehen, der Rückzug der Mutter wird jedoch zeitlich sehr eng bemessen. Implizit mitgeführt wird in dieser Erwähnung, dass sich die Mutter nicht vom Baby trennen darf und nach kürzerer Zeit ebenfalls das Bonding vollziehen muss.
Die Idee des Bondings und der Untrennbarkeit von Mutter (bzw. Vater) und Kind leitet zugleich auch die institutionellen Praxen auf der Wochenbettstation, wie folgende Szene illustriert.
»›Sie wollen sicher Glück und Liebe in den Händen halten!‹ sagt die Krankenschwester und Laktationsberaterin. Deshalb sei Rooming-In ›immer!‹ möglich. ›Wir werden Ihnen helfen so viel Zeit wie möglich mit ihrem Baby zu verbringen! Ihr Baby braucht Sie, Ihre Liebe, Ihre Nähe und Ihre Zärtlichkeit.‹ Sie spricht in singendem und rollendem Tonfall, hinter jedem Wort scheint ein Ausrufezeichen zu stehen. Sie könnte auch einer Sekte angehören – so stelle ich mir das zumindest vor. ›Eventuell finden Sie das anstrengend, so stark gebraucht zu werden. Dann überlegen Sie was Ihnen gut tut, evtl. spazieren gehen oder einfach nur duschen. Dann bringen Sie das Kind zu uns, wir haben ein Kinderzimmer.‹« (Informationsabend)
Dem unterstellten Wunsch der Eltern, das Kind sofort dauerhaft bei sich haben zu wollen, begegnet die Institution mit der Praxis des Rooming-Ins. Dabei werden die Kinder zum Schlafen nicht in ein separates Kinderzimmer gebracht, sondern verbleiben komplett während des Krankenhausaufenthaltes bei der Mutter im Zimmer bzw. im Falle eines Familienzimmers bei den Eltern. Dies wird auch als unbedingtes und wichtiges Bedürfnis des Kindes betont. Elternwunsch und Kinderbedürfnis scheinen hier vollkommen synchronisiert. Sehr knapp wird eine potenziell krisenhafte Situation, die aus einer solchen Dauernähe entstehen könnte, angedeutet und kleinere legitime Entlastungsoptionen angeboten – in dieser Zeit ist auch die Institution bereit, sich um das Kind zu kümmern.
Neben diesem allerersten Bindungsprozess, der unmittelbar postnatal stattfindet oder sich zumindest auf die erste Zeit im Krankenhaus bezieht, geht es manchmal auch um einen zeitlich nach hinten gelagerten Prozess, der Zuhause stattfindet. Interessanterweise verschiebt sich dabei die Thematisierung der Hauptbindungsperson – in diesen Szenen geht es dann um den Vater. So fragt ein Vater beispielsweise in einem Säuglingspflegekurs nach, wie es sich mit der Bindung verhalten würde, wenn er von Berufs wegen in der Regel mehrere Tage unterwegs sei.
»Die Kursleiterinnen raten ihm etwas allgemein, die Zeit, die er mit dem Kind habe, ganz intensiv zu nutzen. Er fragt, etwas belustigt nach, ob dies bedeuten würde, dass er sagen solle ›So Frau, das Kind gehört mir. Danach die drei Tage hast Du es wieder‹. Während die andern Kursteilnehmer_innen lachen, verdreht seine Frau die Augen und erwidert darauf etwas schnippisch ›Schnallst Dir halt ne Brust um, dann geht das.‹ Da klinkt sich dann noch mal die Kursleiterin ein und fragt, ob die Teilnehmer_innen das ›Bonding oder Känguruing‹ kennen würde. Das würde heißen, man würde das Kind nackig mit einer Windel auf die Haut legen. Das sollte man machen, das wäre sehr wichtig. Sie rät dem Vater das zu tun, wenn er nach Hause kommt, dann würde sich das Kind wieder an ihn gewöhnen.« (Säuglingspflegekurs)
Während es in der Szene vorrangig um die (wieder) aufzubauende Bindung zwischen Vater und Kind geht, entsteht im weiteren Verlauf die Bearbeitung einer Konkurrenzsituation zwischen den Eltern. Der Kommentar der Schwangeren zu ihrem Partner lässt sich als aggressiver Seitenhieb in Bezug auf die eigene Unabkömmlichkeit in Sachen Ernährung lesen – der jedoch ins Leere läuft, weil eine der Kursleiterinnen das Wort übernimmt. Sie überträgt das für das Krankenhaus und die Zeit unmittelbar nach der Geburt beworbene Konzept in den privat-häuslichen Bereich. Gleichzeitig werden sehr subtil auch die Ängste bearbeitet – evtl. jedoch durch die Thematisierung auch erst geschürt –, dass das Kind den Vater vergessen würde, wenn er länger nicht da sei.
Die gezeigten Szenen demonstrieren, für wie wichtig das Bonding erachtet wird. Das erste postnatale Bonding, so lässt sich zusammenfassen, solle mit der Mutter im entkleideten Zustand stattfinden. Dass die Mutter offenbar nach der Geburt nackt ist oder sich schnell entkleiden kann und will, wird als normal vorausgesetzt, es gibt diesbezüglich weder Rückversicherung bei den Teilnehmenden noch Fragen dieser. Dies ist in Bezug auf den Vater nicht der Fall – die mögliche Entkleidung des Vaters zwecks Bonding findet nur drei Mal im gesamten Material Erwähnung, wird dann jedoch entweder auf das bloße Nacktsein reduziert oder, wie an anderer Stelle, der sich entkleidende Vater als irritierende Person dargestellt, weshalb ihm auch der Tipp mitgegeben wird, seinen Wunsch anzukündigen. Implizit deutet sich in diesen Szenen damit auch eine Geschlechtergrenze an. Diese deutliche Besonderung des Vater-Kind-Bondings trägt auch dazu bei, dass das erste postnatale Bonding immer wieder als eines zwischen Mutter und Kind verstanden wird. Wird das väterliche Bonding erwähnt, dann bezieht sich dies meistens auf einen erst später einsetzenden Prozess. Den Vätern werden in der Regel Hinweise gegeben, was sie für die Bindung tun können, damit sie sich gut gestaltet – während die zwischen Mutter und Kind gut und fast »automatisch« abläuft. Zugleich zeigen die Szenen, dass im medizinischen Kontext die Bindung auf einen prägungsartigen, Haut an Haut stattfindenden Vorgang reduziert wird – obwohl die Idee einer solchen »Prägungsbindung« (Suess 2011, S. 10) mittlerweile in der Bindungstheorie selbst verworfen wurde.
In den Szenen zeigt sich jedoch auch, dass die deutliche Fokussierung auf das Bonding mit ganz speziellen Aufgabenzuschreibungen an die Eltern einhergeht. Wird das Kind in dieser Weise als (bindungs)bedürftig entworfen, dann beinhaltet der Entwurf der Eltern, diese Bindung zu gewährleisten und sich um das Kind zu kümmern. Betrachtet man jedoch die geschlechterdifferenten Anrufungen, dann zeigt sich, dass es insbesondere die Mütter sind, denen eine umfassende Zuständigkeit zugeschrieben wird. Das Kind darf, so die Entwürfe, keinen Augenblick ohne sie sein – will die Mutter beispielsweise nach der Geburt duschen, sollte das Kind in das Kinderzimmer gebracht werden – keine Erwähnung findet dabei jedoch der Vater, der sich u.U. ebenfalls mit im Krankenhaus befindet.[11] Die Abschaffung der separaten Kinderzimmer in vielen Krankenhäusern sowie der Erklärung des Rooming-Ins zum vorherrschenden Prinzip der Wochenbettstationen können auch als material-institutionelle Ansage verstanden werden: Es wird erwartet, dass sich Eltern bzw. die Mütter bereits im Krankenhaus rund um die Uhr um die Kinder kümmern wollen und können. Generell lässt sich die starke Betonung des Rooming-Ins jedoch als historische Verschiebung in der institutionellen Formung des postnatalen Verhältnisses zwischen Eltern und Kind verstehen. Noch vor nicht allzu langer Zeit wurden Wöchnerin und Kind standardmäßig getrennt und die Frauen/Eltern mussten sich aktiv darum bemühen, ihr Kind sehen zu können (Harder 2015, S. 5). Die verbliebenen Kinderzimmer, so wird den Eltern bereits pränatal mitgeteilt, könnten dann genutzt werden, wenn die Mütter bestimmten erholenden oder körperhygienische Tätigkeiten, wie Kaffeetrinken, Spazierengehen oder Duschen, nachgehen wollen würde.
Anhand der Analyse des ethnografischen Materials konnte gezeigt werden, dass in den untersuchten Settings verschiedene Bilder von Kindschaft entworfen werden. Aus dieser konstruierten Verfasstheit des Kindes lassen sich ganz spezielle an Eltern gerichtete Erwartungen und Aufgaben analysieren und es kann gezeigt werden, wie eine Relationalität zwischen Eltern und Kindern bereits pränatal hergestellt wird.
Zur pränatal konstruierten Verfasstheit des Kindes gehören insbesondere Merkmale wie Verletzlichkeit, totale Umweltabhängigkeit, Ausgeliefertsein, Geburts- und Übergangskrise sowie die körperliche Einheit mit der Mutter. Dementsprechend wird Eltern eine »Allzuständigkeit« für ihr Kind und dessen Wohlergehen zugewiesen, die insbesondere in der ersten Lebenszeit eine »Rund-um-die-Uhr«-Verfügbarkeit meint und sich häufig auf die Mutter bezieht. Diese zugeschriebene Allzuständigkeit steht, dies nur als kurze Anmerkung, allerdings in einem Widerspruch zum derzeitigen gesellschaftlichen Entwurf von elterlichem Arbeitsengagement (Allmendinger/Dressel 2004). Gesellschaftlich wird erwartet und gefördert, dass beide Elternteile sich verstärkt auf dem Arbeitsmarkt engagieren – eine umfassende Fürsorge, im Sinne einer Allzuständigkeit, wird dadurch zeitlich einerseits kaum leistbar und andererseits oftmals negativ sanktioniert (z.B. schwierige Berufsrückkehr) (Thiessen/Villa 2009, S. 13). Das Dilemma – der gesellschaftliche Wunsch sowohl nach einer umfassenden Fürsorge als auch erhöhtem Erwerbsarbeitsengagement – wird in der Regel in den privaten Bereich delegiert und ist von jedem Elternpaar individuell zu lösen.
Zugleich sind die Entwürfe pädozentristisch geprägt: Das Wohlergehen des Kindes wird vor das der Eltern gestellt (vgl. Kneuper 2004, S. 271). Sie sind aufgefordert, eigene Ansprüche an das Leben zurückzustellen, wenn diese der Erfüllung der (unterstellten) Bedürfnisse des Kindes entgegenstehen. Gerade das ungeborene Kind muss vor allen möglichen potenziellen oder realen Gefahren geschützt werden und dementsprechend muss auch alles, was die Eltern machen oder nicht machen, dahingehend hinterfragt werden, ob es schädlich für das Kind ist. Aufgrund der leiblichen Verbindung ist es allerdings insbesondere die Mutter, die in die Pflicht genommen wird. Sie wird aufgefordert, ihren Körper aber auch ihre Lebensführung für das kommende Kind zu optimieren. In manchen Szenen wird sie dabei lediglich als eine Art Hülle des Kindes entworfen und muss ihre eigenen Bedürfnisse und Wünsche zugunsten des Kindes zurückstellen. Diese unterschiedliche Positionierung der werdenden Mutter und des werdenden Vaters spiegelt die starke Körpergebundenheit wieder, die der Idee der Wechselwirkungszusammenhänge zwischen Fötus und Eltern zu Grunde liegt. Während angenommen wird, dass der mütterliche Körper intensive – im positiven wie auch negativen Sinne – Wirkungen auf das Kind ausübt, werden Vater und Fötus als völlig getrennte Körperentitäten entworfen, die nicht miteinander interagieren (können).
Eine solche Vorrangstellung der Mutter in Bezug auf potenzielle kindliche Bedürfnisse zeigt sich auch in den institutionellen Entwürfen des Bondings. Dieses wird als verpflichtende mütterliche Praxis entworfen, die nach der Geburt zu erfolgen hat – im Zweifelsfall zeitlich etwas versetzt. Allerdings wird kein annähernd vergleichbarer institutioneller Aufwand betrieben, um die erste Bindung zwischen Vater und Baby zu garantieren. Es ist also insbesondere die (werdende) Mutter, die zur zentralen Figur der Erfüllung der prä- und postnatalen kindlichen Bedürfnisse werden soll.
Anhand der Beobachtungen in den pränatalen Settings lässt sich die These von Hirschauer et al. (2014, S. 280), dass das Ungeborene »den Schatten einer werdenden Person« vorauswirft, die »körperliche Rücksichtnahme« (von der Mutter) verlangt, spezifizieren: Es handelt sich nur bedingt um das ungeborene Kind, das zum Auslöser wird. Stattdessen sind es die jeweiligen institutionell (aber auch mit den Eltern gemeinsam) verfassten Kindschaftskonstruktionen, die als normative, kaum hintergehbare Figuren genutzt werden, um zu versuchen, eine Formierung der privaten prä- und postnatale Lebensführung und damit auch der parentalen Praxis der (werdenden) Mütter und Väter durchzusetzen.
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Kindschaft meint das Dasein als Kind im Verhältnis zu den Eltern (Duden http://www.duden.de/rechtschreibung/Kindschaft, Stand 07.03.2016) und ist damit anders und vor allem relationaler gefasst als der Begriff der Kindheit, der eine gesamte Lebensphase umschreibt.
Das Projekt wurde von Lotte Rose geleitet und vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst gefördert. Die Protokolle wurden von Judith Pape, Jörg Päplow, Kira Proll, Gloria Schmid, Marc Schulz und Rhea Seehaus verfasst.
Kurse und Infoabende fanden in drei Großstädten und angrenzenden Stadtteilen statt. Die Infoabende wurden in vier Krankenhäusern mit einer gynäkologischen Abteilung, einem Universitätsklinikum und einem Geburtshaus durchgeführt. Die Geburtsvorbereitungskurse fanden sowohl in einem Geburtshaus als auch in Familienbildungsstätten statt, die Stillvorbereitungskurse in den Krankenhäusern und die Säuglingspflegekurse in einer Familienbildungsstätte.
Alle im Folgenden verwendeten Daten wurden anonymisiert.
Die Empfehlungen zur Höchstdosis an Koffein für Schwangere variieren etwas, in der Regel werden jedoch maximal drei Tassen empfohlen (https://www.dge.de/wissenschaft/weitere-publikationen/fachinformationen/koffein-und-schwangerschaftsrisiken/, Stand 07.03.2016)
Vgl. zur Teilnahme von Eltern-Kind-Gruppen zur Selbstvergewisserung und fachlichen Begleitung auch Thomas (2013).
Autokindersitz für kleine Kinder
Eine Babywippe ist ein Liegesitz, in dem das Kind angeschnallt halb aufrecht sitzt und gewippt werden kann. Babywippen werden häufig genutzt, um das Kind zu füttern oder es am sozialen Geschehen teilhaben zu lassen, ohne es auf dem Schoß halten zu müssen – sind jedoch in pädagogischen und medizinischen Kreisen stark umstritten, vgl. z.B. hier: http://www.rund-ums-baby.de/kinderarzt/Babywippe-was-genau-ist-schaedlich_255139.htm (Stand: 21.01.2016).
Im Auftrag der WHO/UNICEF-Initiative »Babyfreundlich« vergibt eine Zertifizierungsstelle nach dem erfolgten Durchlaufen eines Audits für drei Jahre das Qualitätssiegel »Babyfreundlich« an Krankenhäuser, die eine »effektive Bindungs-, Entwicklungs- und Stillförderung« betreiben. Weitere Informationen sowie die zehn Grundlage für die Zertifizierung unter http://www.babyfreundlich.org/fachkraefte.html (Stand: 10.2.2016).
So bietet beispielsweise ein Tragetuchhersteller ein so genanntes »Sectio-Top« an, das helfen solle, dass die »so wichtige Mutter-Kind-Bindung […] vom ersten Augenblick gefördert« (Hoppediz: o. S.) werde. Das Neugeborene wird hier mit Hilfe eines Tuches an den Körper der Mutter gebunden, sodass die Mutter es nicht aus eigener Kraft halten muss.
Alle von uns untersuchten Krankenhäuser warben für die Option – gegen die Zahlung einer Gebühr von 80–100 Euro – ein Familienzimmer zu buchen, in dem der Vater mit übernachten könne und auch mitversorgt würde.