Familiengründung im Kontext reproduktionsmedizinischer Angebote

Birgit Mayer-Lewis

Zusammenfassung

Dem Leben mit Kindern geht ein Leben ohne Kinder voraus. Doch bereits in dieser Zeit kann der Kinderwunsch eine bedeutende Rolle im Leben von Frauen und Männern spielen. Im folgenden Beitrag werden Erzählungen von heterosexuellen Frauen und Männern betrachtet, welche zur Erfüllung ihres Kinderwunsches reproduktionsmedizinische Angebote in Anspruch nehmen. Dabei wird entlang der Analyse qualitativer Daten aufgezeigt, welche Rolle der Kinderwunsch im Leben der Betroffenen spielt, mit welchen Belastungen sie auf dem Weg der Familiengründung konfrontiert sind und welche Erwartungen sie an das Familienleben und die Elternrolle nach erfolgreicher Familiengründung haben.

Schüsselwörter: Unerfüllter Kinderwunsch, Reproduktionsmedizin, Familiengründung, künstliche Befruchtung, Samenspende, Sekundäranalyse, narratives Interview, interpretative Textanalyse

Summary

Starting a family given the treatment possibilities offered by reproduction medicine

Before living with children, people usually live without them. But already during this period of time, the desire for a child can play a significant role in the lives of both women and men. This paper refers to narratives from heterosexual people who wish for a child and are using treatments of reproduction medicine. Through interpretative text analysis of qualitative data, it points out which meaning the desire for a child has in their lives, which strains they have to cope with on their way to founding a family, and which expectations they have about family life and their parental roles.

Keywords: unfulfilled desire for a child, reproduction medicine, family foundation, artificial insemination, sperm donation, secondary analysis, narrative interview, interpretative text analysis

1. Einleitung

Trotz zunehmender Individualisierung und Pluralisierung der Familienformen sind Partnerschaft und Familie nach wie vor für die meisten Menschen von großer Bedeutung und Teil ihres Lebensplanes (vgl. Schneider 2008, S. 14f.; Dorbritz 2010, S. 126; GESIS 2011). Die Entscheidungsphase zur Familiengründung, der Familiengründungsprozess und die Bedingungen, unter welchen Familiengründungen und Familienleben stattfinden, haben sich jedoch stark verändert. Das Ob, Wann und Wie der Familiengründung ist ebenso verhandelbar geworden wie die Gestaltung familialen Zusammenlebens. Partnerschaft, Elternschaft und Familienkonstellationen werden heutzutage zunehmend individueller und vielfältiger gestaltet. Vor allem seit der Einführung der Antibabypille im Jahr 1961 kann Sexualität zwischen Frau und Mann losgelöst von ihrer Fortpflanzungsfunktion gelebt werden. Gleichzeitig ermöglichen Angebote der modernen Reproduktionsmedizin auch dann die Umsetzung eines Kinderwunsches, wenn auf natürlichem Weg kein Kind (mehr) gezeugt werden kann, keine gelebte Sexualität praktiziert wird oder gleichgeschlechtliche Paare und Alleinstehende eine Familie mit Kindern gründen wollen. Dabei entstehen im Kontext von Samen-, Eizell- und Embryonenspende neue, fragmentierte Formen der Elternschaft, die zumindest im Familiengründungsprozess (und z.T. auch im weiteren Verlauf des Familienlebens) neben den Wunscheltern immer auch weitere Personen involvieren, die für die Zeugungs- und Familiengeschichte von besonderer Bedeutung sind. Dabei sind – ähnlich wie auch in Adoptions-, Pflege- oder Patchworkfamilien – die Beziehungen der Personen innerhalb der Familie zu klären und passende Begrifflichkeiten für die Familienstruktur zu finden. So geht mit der Vielfalt der Handlungsoptionen auch ein Anstieg der Anforderungen an Frauen und Männer mit Kinderwunsch einher. Die Familiengründung heute setzt häufig (aber nicht immer; siehe Böhm/Franz/Matthiesen und Cornelißen in diesem Themenschwerpunkt) einen bewussten und aktiven Entscheidungsprozess voraus (vgl. Beck-Gernsheim 2006). Solche Entscheidungsprozesse finden zwar im privaten Bereich statt, sind aber in starkem Maße auch durch äußere Bedingungen wie gesellschaftliche Norm- und Wertsysteme, rechtliche und ethische Rahmenbedingungen, ökonomische Ressourcen, kulturelle und soziale Aspekte beeinflusst.

Entlang der Erzählungen von Frauen und Männern, welche in heterosexuellen Beziehungen leben und aufgrund eines unerfüllten Kinderwunsches reproduktionsmedizinische Behandlungen in Anspruch nehmen, wird im folgenden Beitrag Einblick in deren Erfahrungswelt gegeben. Dabei werden die Genese des Kinderwunsches, die Auseinandersetzung mit dem unerfüllten Kinderwunsch, der Einfluss der reproduktionsmedizinischen Behandlung auf die Paar- und Lebenssituation sowie die Erwartungen an das Familienleben und die Elternrolle thematisiert.

2. Familiengründung mit reproduktionsmedizinischer Assistenz

Bei heterosexuellen Paaren liegen einem unerfüllten Kinderwunsch in der Regel organisch bedingte Fertilitätsstörungen oder altersbedingte Einschränkungen der Fertilität zu Grunde. Die Konfrontation damit stellt für viele Paare ein kritisches Lebensereignis dar (vgl. Seikowski/Glander/Nowak 2001, S. 108). Gleichgeschlechtliche Paare und Frauen, die die Umsetzung ihres Kinderwunsches ohne einen gegengeschlechtlichen Partner planen, sowie heterosexuelle Paare, bei denen ein/e Partner_in komplett zeugungsunfähig ist, sind auf Gametenspenden angewiesen. In solchen Fällen wird das Kind maximal zu einem Elternteil genetisch verwandt und hinsichtlich seines Erbgutes immer auch durch den Gametenspender oder die Gametenspenderin definiert sein. Dabei entstehen fragmentierte Formen der Elternschaft bzw. Segmentierungen der Elternrolle in biologische, genetische, rechtliche und soziale Elternschaftsanteile (vgl. Vaskovics 2009, S. 271f.). Ist eine Segmentierung der Elternschaft für eine Familiengründung notwendig, müssen sich die betroffenen Elternteile auch mit diesem Thema auseinandersetzen. Darüber hinaus entstehen im Rahmen heterologer reproduktionsmedizinischer Verfahren abweichend vom traditionellen biogenetischen Zeugungsmodell neue und verhandelbare Konstruktionen von Verwandtschaftsbeziehungen. So zum Beispiel: Die Frau, die das Kind austrägt, ist bei Eizell- oder Embryonenspenden zwar biologische, aber nicht genetische Mutter. Kinder werden geboren, deren Geschwister zum selben Zeitpunkt im Rahmen einer künstlichen Befruchtung gezeugt wurden, deren Schwangerschaften möglicherweise von verschiedenen Frauen ausgetragen werden und durch die Möglichkeiten der Kryokonservierung zu ganz unterschiedlichen Zeitpunkten stattfinden (vgl. Franklin 2013). Mit den Möglichkeiten der modernen Reproduktionsmedizin entstehen neue Konstruktionen von Verwandtschaft, Geschwisterbeziehungen und Elternschaft (vgl. ebd., S. 16).

In Deutschland werden aktuell v.a. folgende reproduktionsmedizinische Verfahren angeboten und genutzt:

Aus rechtlicher Perspektive wird die Inanspruchnahme reproduktionsmedizinischer Verfahren in Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern wie z.B. Belgien, Spanien, Niederlande oder Großbritannien eher restriktiv geregelt (vgl. Kersten 2015). Zur Vermeidung einer »gespaltenen Mutterschaft« sind die Eizellspende und Leihmutterschaft in Deutschland verboten (vgl. §1 ESchG; Bundesregierung 1989, S. 7, 9). Dennoch leben in Deutschland Familien, welche eine Leihmutterschaft oder Eizellspende im Ausland in Anspruch genommen haben, weshalb auch diese Themen hinsichtlich gelebter Familie in Deutschland von Relevanz sind. Zahlen zu Kindern in Deutschland nach Leihmutterschaft sind nicht bekannt, aber Schätzungen zu Folge werden hierzulande ca. 300 bis 400 Kinder pro Jahr nach Eizellspende geboren (vgl. Graumann 2014). Auch die Regelungen zur Kostenübernahme im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung sind eher eng gefasst. Unverheiratete und gleichgeschlechtliche Paare sowie Alleinstehende mit Kinderwunsch ebenso wie bestimmte Altersgruppen werden von dem Anspruch auf Leistungen ausgeschlossen.

Jährlich finden in Deutschland über 80.000 reproduktionsmedizinische Behandlungszyklen der invasiven Reproduktionsmedizin statt, die von rund 50.000 Frauen in Anspruch genommen werden (vgl. DIR 2012, 2013). Seit 2001 wurden mittlerweile über 180.000 Kinder in Deutschland und weltweit mehr als fünf Millionen Kinder nach künstlicher Befruchtung geboren (vgl. DIR 2012; ESHRE Pressemitteilung 02.07.2012). Der Blick auf das Familienleben nach Inanspruchnahme reproduktionsmedizinischer Angebote muss deshalb ein wichtiges Anliegen sein. Dabei sind auch die besonderen Bedingungen des reproduktionsmedizinischen Kontextes im Prozess der Familiengründung zu berücksichtigen, worauf sich der vorliegende Beitrag bezieht.

Wenn Paare ihre Familiengründung mit Hilfe medizinischer Assistenz gestalten, stellt sich, unabhängig von der Art des medizinischen Verfahrens, u.a. die dringende Frage, wie im personenbezogenen und familialen Lebenslauf mit der Zeugungsgeschichte des Kindes bzw. der Kinder umgegangen wird. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch aufwändige medizinische Behandlungen häufig erfolglos bleiben. Oft kann keine Schwangerschaft hergestellt werden oder eingetretene Schwangerschaften münden in Fehl- und Totgeburten. Ein Anteil von bis zu 50 Prozent aller betroffenen Paare ist auch nach drei Behandlungszyklen noch kinderlos (vgl. Wischmann 2012, S. 90). Elternschafts- und Kindkonzepte spielen für die Biografie der Betroffenen mit Kinderwunsch dennoch eine zentrale Rolle. Deshalb wird im Folgenden entlang der Erzählungen von Frauen und Männern mit Kinderwunsch aufgezeigt, welche Rolle der Kinderwunsch in ihrem Leben spielt, mit welchen Belastungen sie auf dem Weg der Familiengründung konfrontiert werden und welche Erwartungen sie an das Familienleben und die Elternrolle nach erfolgreicher Familiengründung haben.

3. Der Familiengründungsprozess bei unerfülltem Kinderwunsch

3.1 Wer und wie wurde befragt?

Die vorgestellten Ergebnisse beziehen sich auf Erhebungen, die im Rahmen des Modellprojektes »Beratung bei Kinderwunsch« durchgeführt wurden. Das Projekt wurde zwischen 2010 und 2014 vom Staatsinstitut für Familienforschung an der Universität Bamberg (ifb) wissenschaftlich begleitet und vom Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration gefördert. Bei dem Projekt handelte es sich um ein Praxisprojekt, das den Ausbau von gelingenden Beratungs- und Unterstützungsangeboten für Frauen, Männer und Paare mit Kinderwunsch zum Ziel hatte (vgl. Mayer-Lewis 2014). Die damals erfassten Erzählungen wurden für diesen Beitrag im Rahmen einer Sekundäranalyse als Supplementary analysis (Heaton 2008, s. auch Medjedović 2007, 2010) unter erweiterter Fragestellung erneut betrachtet. Die Erzählungen stammen alle von Frauen und Männern, die aufgrund eines unerfüllten Kinderwunsches Angebote der Reproduktionsmedizin in Anspruch nahmen.

Die Frauen und Männer wurden zu zwei Zeitpunkten (W1 und W2) im Abstand von 20 bis 27 Monaten befragt. Zum ersten Befragungszeitpunkt konnten insgesamt 18 Personen befragt werden. Darunter befanden sich acht Paare, wobei alle Personen getrennt voneinander befragt wurden, und zwei Frauen, deren Partner an der Befragung nicht teilnahmen. Bei der zweiten Befragung nahmen noch 14 Personen (davon sechs Paare) teil. Zu diesem Zeitpunkt waren vier Schwangerschaften entstanden, wovon drei Kinder bereits geboren wurden, und eine Adoption im Prozess. Bei den beiden Paaren, die nicht mehr an der qualitativen Erhebung teilnahmen, hatten sich bis dahin keine erfolgreichen Schwangerschaften entwickelt. Diese beiden Paare nahmen zum zweiten Messzeitpunkt nur noch an einer schriftlichen Befragung teil, in der sie ihre starke Belastung aufgrund des andauernd unerfüllten Kinderwunsches zum Ausdruck brachten. Folgende Merkmale der Befragten sind zu berücksichtigen:

Aufgrund des Designs der Herkunftsstudie handelt es sich um eine sehr selektive Befragungsgruppe, was bei der Betrachtung der Ergebnisse zu berücksichtigen ist. Zur Erhebungs- und Auswertungsmethode lässt sich Folgendes zusammenfassen:

3.2 Genese des Kinderwunsches

Der Wunsch nach einem Kind kann eine bedeutende Rolle im Leben von Frauen und Männern spielen. Je drei Frauen und Männer erzählen, dass die Vorstellung, eine eigene Familie mit Kindern zu gründen, bereits seit Kindheitstagen in ihnen vorhanden sei. Dabei kamen diese beiden Motive zur Sprache:

Der intensive Wunsch, die Familiengründung umzusetzen, äußerte sich bei den befragten Paaren jedoch meist erst im Kontext der Partnerschaft. Dabei nahm der Wunsch nach einem gemeinsamen Kind in den ersten Jahren der Beziehung zu. Von großer Bedeutung war für die Befragten, dass beide Partner_innen den Wunsch nach einem Kind teilen. Eine Frau formuliert dies so: »[…] und dann endlich den Mann gefunden habe, mit dem man sich das vorstellen hat können, eine Familie zu gründen, der das auch gewollt hat […].« (Frau, W1-0107:5).

Die Umsetzung des Kinderwunsches wird von den Befragten in engem Zusammenhang mit der Partnerschaft betrachtet und tendenziell zeitlich eher aufgeschoben.

»Kinderwunsch an sich war eigentlich immer Thema, also ich wollte schon immer viele Kinder und es war zwar nicht immer so dringend, also so direkt nach der Ausbildung oder so, da war es einfach noch zu früh. Und nach der Hochzeit haben wir uns auch noch ein bisschen Zeit gelassen und ja, so mit der Zeit wurde es dann aktueller.« (Frau, W1-2406:7-8)

Die meisten Befragten gehen davon aus, dass nach dem Entschluss zur Familiengründung diese unproblematisch umgesetzt werden kann.

»Also, es war eigentlich so. Klar, sind wir beide ein bisschen Spätzünder. Also wir haben erst das Haus hier renoviert […]. Und wir haben uns relativ spät dafür entschlossen und dachten eigentlich, das ist kein Problem, weil wir beide weder krank sind, noch sonst irgendwas ist […].« (Frau, W1-2907:7)

Auch aus anderen Studien ist bekannt, dass die Familiengründung meist erst im Rahmen einer etablierten Partnerschaft umgesetzt wird. Eine stabile Partnerschaft und sichere ökonomische Verhältnisse werden vom Großteil der deutschen Bevölkerung als besonders wichtige Voraussetzungen für eine Familiengründung erachtet (vgl. Robert Bosch Stiftung 2006). So hat der Zeitpunkt der Etablierung einer festen Partnerschaft einen erheblichen Einfluss auf die Realisierung des Kinderwunsches. Nach Berechnungen von Schneider (2010, S. 27) leben 31 Prozent der Deutschen im Alter zwischen 25 und 45 Jahren – also in dem Zeitraum, in dem eine Familiengründung biologisch betrachtet gut stattfinden könnte – ohne Partner_in. Eine fehlende (geeignete) Partnerschaft kann somit trotz Kinderwunsch zu einem Aufschieben der Familiengründung führen. Dabei ist für die Zukunft zu erwarten, dass im Kontext der reproduktionsmedizinischen Möglichkeiten auch die Umsetzung eines Kinderwunsches von alleinstehenden und ökonomisch unabhängigen Frauen eine bedeutendere Rolle spielen wird.

3.3 Auseinandersetzung mit dem unerfüllten Kinderwunsch

Erfüllt sich der Kinderwunsch trotz regelmäßig unverhütetem Geschlechtsverkehr während der fruchtbaren Tage über einen Zeitraum von mindestens zwölf Monaten nicht, wird im medizinischen Kontext von Infertilität oder ungewollter Kinderlosigkeit gesprochen (vgl. Zegers-Hochschild et al. 2009, S. 1522). Für betroffene Frauen und Männer ist die Konfrontation mit Fertilitätsstörungen meist überraschend und erfordert – anders als bei Paaren, deren Kinderwunsch sich ohne Verzögerung erfüllt – eine vertiefte Auseinandersetzung mit ihrem Kinderwunsch.

Bei einem befragten Paar wurde die Zeugungsunfähigkeit des Mannes aufgrund einer angeborenen Chromosomenstörung bereits zu einem frühen Zeitpunkt in der Paarbeziehung bekannt. Der Mann erhielt im Rahmen der früher üblichen Wehrdienst-Musterung erste Hinweise auf eine mögliche Fruchtbarkeitsstörung. Zu diesem Zeitpunkt war das Paar noch nicht verheiratet und der Kinderwunsch noch nicht ausgeprägt.

»Da war damals der Kinderwunsch noch nicht so wichtig für uns. Wir waren auch noch nicht verheiratet. Wir haben halt dann gesagt, dann ist es halt so, dann werden wir halt wahrscheinlich mal keine Kinder haben. […] Sonst haben wir dann nichts weiter unternommen.« (Frau W1-2303:24)

Allerdings hat sich diese Haltung über den Lebenslauf verändert. Die Frau erzählt (ihr Partner nahm nicht an der Befragung teil), dass sich der Wunsch nach einem Kind stärker geregt hat, als die ersten Kinder in der Verwandtschaft und im Freundeskreis geboren wurden. Aufgrund der Sterilität des Mannes war klar, dass für die Familiengründung nur eine Adoption oder eine Kinderwunschbehandlung mit Samenspende in Frage kommen kann.

»Ja, als meine Geschwister Kinder gekriegt haben und die Freunde alle nach und nach Kinder gekriegt haben und ich bin dann auch älter geworden. […] mit den Jahren ist dann der Wunsch trotzdem gekommen.« (Frau, W1-2303:45)

Die Unterlagen für einen Adoptionsantrag besorgte das Paar zwar bereits kurz nach ihrer Heirat, ließ diese aber über die darauffolgenden Jahre unbearbeitet. Als ersten aktiven Schritt zur Erfüllung des Kinderwunsches hat sich das Paar dann für eine Insemination mit Samenspende entschieden. Der Wunsch nach genetischer Verwandtschaft spielte für die Frau eine zentrale Rolle. »Ja, um schwanger zu werden, damit es halt wenigstens zu einem Teil ein leibliches Kind ist.« (Frau, W1-2303:161)

In ihrer Erzählung kommt jedoch auch zum Ausdruck, dass sie in Verbindung mit diesem Wunsch Ambivalenzen erlebt. »Von meinem Mann her, für ihn wäre es immer wie ein Adoptivkind. Also von dem her wäre eigentlich Adoption von vorneherein sinnvoller gewesen, weil dann wäre es gleichberechtigter, sagen wir mal so.« (Frau, W1-2303:161) Eine Adoption wird von der Frau als eine sinnvollere, gleichberechtigtere Lösung beschrieben. Hier scheint die ungleiche Beteiligung der Elternteile an der Herstellung der Elternschaft durch eine heterologe Insemination ebenso wie die ungleichen Verhältnisse der Elternschaftssegmente (die genetische/biologische, soziale und rechtliche Elternschaft der Mutter im Verhältnis zur sozialen und rechtlichen Elternschaft des Vaters) von Bedeutung zu sein. Die Entscheidung, trotz dieser Ambivalenzen eine heterologe Insemination in Anspruch zu nehmen, entspringt vor allem dem Wunsch der Frau. Sie erzählt, dass die Entscheidung zwar gemeinsam mit ihrem Partner getragen wird, der Partner aber aus Schuldgefühlen jeden Wunsch der Frau erfüllen würde: »Wir haben es schon gemeinsam entschieden, aber durch das, dass er sich eh ziemlich schuldig fühlt, weil er ja zeugungsunfähig ist, wird alles, was ich mir wünsche, würde er jetzt unterstützen.« (Frau, W1-2303:168)

Nachdem die ersten acht Inseminationen erfolglos blieben, hat das Paar auf Initiative der Frau den Bewerbungsprozess für eine Adoption wieder aufgegriffen und einen Antrag zur Aufnahme eines Adoptivkindes gestellt. Im Zeitraum zwischen dem ersten und zweiten Interview (im Abstand von 24 Monaten) hat das Paar parallel zum Adoptionsantrag eine weitere donogene Inseminationsbehandlung in Anspruch genommen. Nach dieser neunten Insemination konnte eine Schwangerschaft bis zur Geburt eines Kindes ausgetragen werden. Zum Zeitpunkt des zweiten Interviews war das Kind elf Monate alt. Mit der Geburt des ersten Kindes ist das Thema Kinderwunsch für dieses Paar dennoch nicht abgeschlossen. Der Kinderwunsch bleibt nach wie vor ein Thema, denn »den zehnten Versuch haben wir jetzt noch eingefroren« (Frau, W2-2303:55).

Das Paar plant, in einigen Jahren eine weitere Kinderwunschbehandlung durchführen zu lassen. Dabei erzählt die Frau, dass der Kinderwunsch für ein weiteres Kind nicht mehr so stark ausgeprägt ist wie beim ersten. Mit der Frage, ob für weitere Kinderwunschbehandlungen derselbe Samenspender angefragt werden soll, hat sich die Frau noch nicht weiter beschäftigt. Momentan würde sie denselben Spender bevorzugen, da sie der Rolle des Spenders als etwas Verbindendes zwischen den Kindern Bedeutung zuschreibt. Aktuell ist ihr dieser Aspekt nicht so wichtig. »Es wäre, ich glaube für die Kinder wäre es viel schöner, wenn es jetzt wirklich zwei sind und es ist der gleiche Spender. Ich glaube, das wäre schon besser. Aber, jetzt, mir wäre es jetzt nicht so wichtig.« (Frau, W2-2303:59) Bedeutender scheinen die Gestaltung des Alltags und die Beziehung zum sozialen und rechtlichen Vater: »Der Papa ist der Papa, man denkt gar nicht mehr dran, dass es eigentlich ein Spendersamenkind ist.« (Frau, W2-2303:186)

Bei allen anderen Befragten folgte dem Entschluss zur Familiengründung häufig eine längere Phase mit unverhütetem Geschlechtsverkehr, meist in der Annahme, dass sich eine Schwangerschaft ohne weitere Schwierigkeiten einstellen werde. Die Erfahrung, dass auch nach längerer Zeit keine Schwangerschaft eintrat, kam für die meisten Befragten überraschend. Fertilität war in ihrem Lebenslauf bis dahin nur hinsichtlich der Verhütung einer ungewollten Schwangerschaft ein Thema.

»Und wir haben dann eigentlich ein Jahr probiert und es hat sich nichts getan. Das war dann erst mal schon so ein komischer Aha-Effekt für uns. Das, was für viele ganz normal ist […], ja schwanger werden, Pille abgesetzt; […] wenn man als junger Mensch sagt, bloß nicht schwanger werden, dass dann, wenn man die Pille absetzt, müsste doch eigentlich die Natur greifen und dann spätestens nach zwei Zyklen oder so, müsste es eigentlich mal eingeschlagen haben. Bei manchen funktioniert es ja gleich nach dem ersten Mal.« (Frau, W1-0107:5)

Nach welchem Zeitraum sich die Frauen und Männer über mögliche Ursachen des Ausbleibens einer Schwangerschaft, Behandlungsmöglichkeiten oder Alternativen erkundigten, war zwischen den Paaren sehr unterschiedlich. Bei einem Paar war das Thema ungewollte Kinderlosigkeit bereits bei Angehörigen ein Thema, bei zwei anderen Paaren gab es frühere medizinische Eingriffe, zu denen die Betroffenen einen Zusammenhang mit möglichen Fruchtbarkeitsproblemen herstellten. Diese Paare scheinen sich eher etwas früher an medizinische Einrichtungen (Gynäkologie, Urologie oder Reproduktionsmedizin) zu wenden als andere Paare, für welche zunächst jegliche Erklärung für das Ausbleiben einer Schwangerschaft fehlte. In den meisten Gesprächen wurde berichtet, dass die Initiative für medizinische Untersuchungen von den Frauen ausging, wobei sich meist auch zunächst nur die Frauen untersuchen ließen. So schildert ein Mann Folgendes:

»Grundsätzlich war ich noch lange nicht so weit, gedanklich mich mit Alternativen zu beschäftigen. Ich bin ein grundoptimistischer Mensch, also von Natur aus ohne Ende. Und ich war immer zuversichtlich, dass es auf natürlichem Wege klappt. Von daher war das für mich gar nicht so präsent oder so ein Thema nach Alternativen zu schauen. Aber meine Frau hat sich dann eben vorwiegend kundig gemacht, schlau gemacht und dann auch den ersten Termin in einer Kinderwunschpraxis vereinbart.« (Mann, W1-1607:22)

Ein anderer Mann berichtet über die Abfolge der Untersuchungen dazu:

»Also das war so, dass dann im Juli bei meiner Frau ein paar Untersuchungen durchgeführt worden sind und dann wurde aber soweit nichts festgestellt […]. Und dann hab’ ich im November, also ein paar Monate später, ein Spermiogramm gemacht […].« (Mann, W1-0607:9-10)

Bei einem Paar ist die Frau zum ersten Befragungszeitpunkt 46 und ihr Partner, der bereits Vater von Kindern aus einer früheren Beziehung ist, 62 Jahre alt. In der Regel kann bei Paaren in dieser Alterskonstellation von einer altersbedingten Einschränkung der Fertilität ausgegangen werden. Bei diesem Paar liegt laut Erzählung eine leicht eingeschränkte Spermienqualität beim Mann sowie Auffälligkeiten im Hormonspiegel der Frau vor; das Paar selbst sieht die Ursachen der Kinderlosigkeit eher in ihren als stressreich erlebten Lebensumständen. Bei einem anderen Paar konnte bisher keine eindeutige medizinische Ursache diagnostiziert werden. Bei allen anderen befragten Paaren wurden Einschränkungen in der Spermienqualität des Mannes und in drei Fällen zusätzliche Fruchtbarkeitsstörungen bei der Frau diagnostiziert. Dabei war die »Ursachenforschung« der zentrale Anlass, sich an medizinische Einrichtungen zu wenden.

In einigen Erzählungen kam zum Ausdruck, dass die Entscheidung zur Inanspruchnahme einer medizinischen Kinderwunschbehandlung von dem Motiv, auch wirklich alles Mögliche für die Erfüllung des Kinderwunsches getan zu haben, beeinflusst war. Dies wurde sowohl von Frauen als auch Männern immer wieder ausgedrückt:

»Also, weil sonst machen wir uns den Vorwurf, wir haben’s nicht mal probiert.« (Frau, W1-2907:74)

»Sondern einfach die Chance ist da und die Chance sollte genutzt werden.« (Mann, W1-0607:50)

Darüber hinaus waren auch die eigene »Herstellungsleistung« und der Aspekt der leiblichen Verwandtschaft zum Kind wichtige Beweggründe:

»Aber es war ja die einzige Möglichkeit, dann ein Kind, also ein leibliches Kind zu bekommen.« (Mann, W1-0107:40)

»Weil ohne Kinder, im Moment jedenfalls, nicht vorstellbar ist. Also es gibt nicht viel Alternativen. Gut, eine Adoption schon, aber wir wollten es vorher erst mal so probieren, ob wir’s selber irgendwie hinkriegen.« (Frau, W1-2406:76)

Der unerfüllte Kinderwunsch bringt einen Prozess in Gang, in dem die Paare Alternativen und Optionen für sich prüfen. Dabei werden z.T. neue Wertvorstellungen definiert oder frühere Einstellungen überholt.

»[…] weil man sich weiterentwickelt. Man fängt an, dann hat man erst mal Stand XY, sagt man, ich möchte jetzt hier ein Kind. Und dann, je mehr Versuche man natürlich hat und es nicht klappt, dann wird man auch offener für andere Dinge. Oder man muss sich, finde ich, so einen Plan B und so was in der Tasche haben. Dass man sagt, was ist denn, wenn das nicht passiert, was mache ich dann.« (Mann, W1-0107:48)

»Also für mich wäre jetzt eine künstliche Befruchtung eigentlich nie in Frage gekommen, aber wenn’s dann halt wirklich nicht klappt, dann ist man wirklich an dem Punkt, da geht man dann alle möglichen Wege […] zum Kind.« (Frau, W1-1507:26-27)

Ein andauernder unerfüllter Kinderwunsch kann frühere Wert- und Normvorstellungen hinsichtlich reproduktionsmedizinischer Verfahren oder anderer alternativer Formen der Familiengründung so überlagern, dass diese schrittweise ungültig werden. Die Auseinandersetzung mit dem unerfüllten Kinderwunsch wird als anstrengender Anpassungsprozess erlebt, der sich bei den befragten Frauen und Männern zunächst nicht auf die Akzeptanz des unerfüllten Kinderwunsches bezieht. Alternative Formen der Familiengründung, und im Besonderen die Angebote der Reproduktionsmedizin, stellen für die Betroffenen wichtige Handlungsoptionen dar. Im Umgang mit diesen Handlungsoptionen werden hohe Anpassungsleistungen erforderlich. In der Studie »Kinderlose Frauen und Männer« (Wippermann 2014) wird die Hinwendung an reproduktionsmedizinische Einrichtungen als »Ultima Ratio«, als »außeralltägliche, abweichende Notlösung« beschrieben (ebd., S. 115), die von den Betroffenen meist mit Stigmatisierungen belegt ist. In den Erzählungen zeigt sich, dass die Frauen und Männer dem Aspekt genetischer Verwandtschaft eine große Bedeutung beimessen. Andere Optionen, wie z.B. die Adoption eines Kindes, werden zwar durchaus in Betracht gezogen, doch zuallererst wird eine zumindest teilweise leibliche Elternschaft angestrebt. In diesem Kontext spricht Ullrich (2012) von einer Hierarchisierung der Elternschaft, in der die genetische Verwandtschaft eine zentrale Rolle spielt.

3.4 Einfluss reproduktionsmedizinischer Behandlung auf die Paar- und Lebenssituation

Mit dem Kinderwunsch verbunden ist meist ein Zukunftsentwurf bzw. ein Lebensplan, der durch die andauernde Kinderlosigkeit oder die Nicht-Erfüllung eines weiteren Kinderwunsches in Frage gestellt wird. »Da geht’s ja nicht irgendwie drum, dass man sich kein Haus kaufen kann, oder kein Auto. Sondern, dass der gesamte Lebensentwurf möglicherweise über Bord geht. Dass man nicht weiß, ob man eine Familie haben kann.« (Frau, W1-0707:20)

Der Kinderwunsch wird von den Betroffenen als existenzielles Lebensthema erlebt. So vergleicht ein Mann die Nicht-Erfüllung des Kinderwunsches und das fortschreitende biologische Alter als Bedrohung, die ein »Überlebenstraining« erfordert: »Der Kinderwunsch ist vorhanden, der ist immer da, das ist ähnlich wie Überlebenstraining, das ist die gleiche Stufe. Und den wegzukriegen, wenn der da ist, die biologische Uhr, die tickt, das hört man dann auch irgendwann.« (Mann, W1-2907:102)

So wird der unerfüllte Kinderwunsch von Betroffenen meist als große Belastung empfunden. Von den Paaren selbst wird die Erfahrung häufig auch mit Belastungen gleichgesetzt, wie sie bei einer schweren Erkrankung oder beim Verlust eines nahen Angehörigen entstehen.

»Es ist so eine Grenzsituation für mich gewesen in meinem Leben, wie es vergleichbar, könnte ich jetzt keine sagen. Außer dass ich sage, ich hätte jetzt wirklich eine lebensbedrohliche Krankheit – das sind einfach Sachen, die man sich nicht vorstellen kann. (Frau, W1-0107:47)

Bleibt der Kinderwunsch unerfüllt, hat dies einen immensen Einfluss auf das Leben und Erleben der Frauen und Männer. Das Vertrauen in die eigene Weiblichkeit oder Männlichkeit wird verunsichert und das Selbstbild bzw. der Selbstwert sind erschüttert. Es tauchen Themen und Belastungen auf, die in die verschiedensten Lebensbereiche hineinwirken, individuelle, partnerschaftliche und soziale Bewältigungsstrategien erfordern und zu ernsthaften Krisen im Lebenslauf führen können. Durch eine andauernde Kinderlosigkeit wird der Lebensentwurf »Familie« in Frage gestellt und zieht möglicherweise eine Neudefinition der eigenen Familienvorstellung nach sich. Dabei kann es auch zwischen dem Paar zu Unstimmigkeiten kommen, welche bis hin zum Anzweifeln der aktuellen Partnerschaft reichen können. Die folgenden Aspekte stellen eine Auswahl von besonders zentralen Herausforderungen dar.

3.4.1 Hoffnungsaufwand, erfolglose Behandlungen, Fehl- und Totgeburten

Als besonders große Belastung werden sich wiederholende Krisensituationen beschrieben. Bereits die Wartezeiten zwischen einzelnen reproduktionsmedizinischen Behandlungsschritten und Behandlungszyklen werden als äußerst belastend erlebt. Die Belastung zieht sich meist durch die gesamte Behandlung hindurch. Frauen und Männer fühlen sich »ohnmächtig« und sie haben das Gefühl, dass sie der Situation ausgeliefert sind.

»Immer diese ständige Warteschleife. Das ist eigentlich so mit das Schlimmste, finde ich, an der Sache. Weil man ständig so in der Warteposition ist. Man wartet auf eine neue Behandlung, man wartet auf Blutergebnisse, man wartet, man wartet, man wartet.« (Frau, W1-1607:177)

Bei jeder reproduktionsmedizinischen Behandlung setzt das Paar große Hoffnung auf den Eintritt einer Schwangerschaft. Statistisch betrachtet, liegt die Erfolgsrate für die Geburt eines lebenden Kindes nach reproduktionsmedizinischer Behandlungen pro Behandlungszyklus jedoch unter 20 Prozent (vgl. DIR 2012). Der Erfolg einer reproduktionsmedizinischen Behandlung steht dabei in engem Zusammenhang mit der Ursache der Fertilitätsstörung und dem Behandlungsalter der Frau. Nach drei abgeschlossenen Behandlungszyklen bleiben durchschnittlich immer noch über 50 Prozent der Paare kinderlos (vgl. Wischmann 2012, S. 90). Besonders schwere Krisen entstehen häufig dann, wenn es nach dem Zustandekommen einer Schwangerschaft zu einer Fehl- oder Totgeburt kommt. Unter den befragten Paaren war der Verlust eines Kindes bei allen ein Thema. Dabei ist nicht immer klar, ob es sich um ein bereits gezeugtes Kind handelt, um ein präkonzeptionelles, imaginäres oder phantasmatisches Bild des Kindes. Doch wie auch die Vorstellung von Frauen und Männern über ihr Kind vor und während einer Schwangerschaft Einfluss auf die Gestaltung späterer Eltern-Kind-Interaktionen und den Platz des Kindes in der Familie haben (vgl. Diem-Wille 2004, S. 131; Bruschweiler-Stern 2007, S. 221; Schleske 2007, S. 13ff.), kann auch der Verlust eines »nur« in der Vorstellung existierenden Kindes zu einer Trauer- und Belastungserfahrung führen. Im Vordergrund steht nicht so sehr die objektive Situation, sondern vielmehr die subjektive Bewertung und kognitive Repräsentation.

Männer berichten häufiger, dass sie erfolglose Behandlungen und Fehlgeburten als besonders belastend für ihre Partnerinnen erleben. Möglicherweise hängt diese Wahrnehmung damit zusammen, dass die medizinischen Behandlungen vor allem am Körper der Frau vollzogen werden und auch die leibliche Erfahrung einer Schwangerschaft der Frau vorbehalten ist. So versuchen sie, sich in dieses Empfinden einzufühlen und dies zu verbalisieren. Dabei kommt aber auch das eigene Betroffensein zum Ausdruck:

»Ja, ich denke, dass es wohl auch verständlicherweise meiner Frau ein bisschen schwerer fällt, das zu verarbeiten. Also der erste ICSI-Versuch, das war eine Fehlgeburt in der sechsten Woche, das ging uns beiden wirklich richtig, richtig nah. Ansonsten dann der Test, der Moment, wo es dann rauskommt, ob jetzt die ICSI funktioniert hat oder nicht, das ist schon immer so ein Dampfhammer von oben, wenn’s nicht geklappt hat.« (Mann, W1-2406:96)

»[…] dass es halt einfach nicht gleich beim ersten Mal gelingt. Und das haut einem dann schon jedes Mal sauber eines auf den Deckel. Also die Frauen natürlich mehr als wie die Männer wahrscheinlich, also denke jetzt ich.« (Mann, W1-1507:205)

Gleichzeitig werden in den Erzählungen, in denen frühere Fehlgeburten berichtet werden, neben den damit verbundenen Belastungen auch positive Deutungen sichtbar. Die Tatsache, dass die Herstellung einer Schwangerschaft grundsätzlich für die betroffenen Paare möglich wurde, lässt darauf hoffen, in Zukunft eine Schwangerschaft bis zur Geburt des Kindes austragen zu können: »Also ich denke, […] wir hatten ja schon einmal unseren ›ICSI-Erfolg‹ in Anführungszeichen. Das beweist, es funktioniert grundsätzlich.« (Mann, W1-2907:31)

So wird in manchen Erzählungen die zunächst belastende Erfahrung einer Fehlgeburt zu einem positiven Beweis der Fertilität umgedeutet. Verbunden mit dieser Deutung ist die Hoffnung auf die Realisierung einer gelingenden Schwangerschaft mit Geburt eines Kindes. Auf Basis dieser Motivation werden trotz großer psychischer, zeitlicher und finanzieller Belastungen weitere Kinderwunschbehandlungen in Anspruch genommen. Auch in anderen Studien wird dies artikuliert: »Es kann für eine Frau schwieriger sein als vorher, ihre Unfruchtbarkeit zu akzeptieren, wenn sie einer Schwangerschaft nahe kommt, eine ›chemische Schwangerschaft‹ erreicht oder einfach ihre eigene ›Fruchtbarkeit‹ auf dem Bildschirm sieht« (Franklin 2002, S. 375).

3.4.2 Belastungen in der Paarbeziehung

»Also das ganze Thema hat Einfluss auf die Partnerschaft, weil es einfach, das sind schwierige Zeiten. Also das ist tatsächlich kein Spaziergang. Und das ist ja auch irgendwie keine Phase, die irgendwie ein halbes Jahr andauert oder so. Sondern das ist wirklich länger und das ist einfach das, was die Partnerschaft belastet.« (Mann, W1-0607:96)

Wie in diesem Zitat beschrieben, kann der Umgang mit dem Kinderwunsch zu einer großen Herausforderung für die Paarbeziehung werden. Die Belastungen können so zunehmen, dass die Partnerschaft selbst in Frage gestellt wird: »Das ist ganz leicht möglich. Denn man ist mit einer ganz, ganz großen seelischen Belastung und mit der partnerschaftlichen Belastung ganz, ganz alleine.« (Mann, W1-2907:100)

Das Erleben einer ungleichen Gewichtung des Kinderwunsches zwischen den Partner_innen kann bis hin zu einer Trennung führen: »[…] weil mein anderer, mein früherer Mann in der Richtung überhaupt nicht mitgezogen hat. Also das konnte jetzt, […] der hat da kein Interesse gehabt oder so. […] also da war die Ehe Schluss dann […]« (Frau, W1-2503:9-14)

Aus den erfassten Erzählungen lassen sich vor allem folgende Aspekte als besondere Belastungen für die Partnerschaft aufzeigen:

3.4.3 Schuldgefühle

Erfüllt sich ein Kinderwunsch über einen längeren Zeitraum nicht, suchen die Betroffenen häufig nach Ursachen und Erklärungen hierzu. Verknüpft damit ist in der Regel die Hoffnung, das verursachende Problem (z.B. im Rahmen einer medizinischen Therapie) beheben zu können (vgl. Wischmann 2014, S. 8). Häufig wird dieser Prozess von Scham- und Schuldgefühlen begleitet (vgl. Onnen 2015). Erlebt sich ein/e Partner_in als Verursacher_in des unerfüllten Kinderwunsches, fühlt sich dieser/diese meist besonders belastet.

»Also von dem allgemeinen Empfinden her ist es für mich jetzt auf der einen Seite belastend, einfach zu wissen, zuerst einmal, du bist der Verursacher. Das ist eine gewisse Grundbelastung. Und zu wissen, dass, weil man der Grundverursacher ist, ja, dass es der Ehefrau auch seelisch nicht sehr gut geht. Also es geht teilweise bis in die Depression, schwerste Depression rein. Und da steht man manchmal daneben und weiß auch nicht recht damit umzugehen.« (Mann, W1-2907:98)

Ferner kann es bei der Ursachenforschung auch zu Schuldzuweisungen an andere kommen. In den erfassten Erzählungen wurde z.B. die Mutter des Mannes mitverantwortlich gemacht.

»Und bei meinem Mann war es so, […] mein Mann hatte einen Hodenhochstand als kleiner Junge. Und in den 70er hat man das dann damals, er konnte sich erinnern, dass er irgendwie so Spritzen gekriegt hat, aber es war einfach zu spät. Der Zeitpunkt war zu spät und ja, man tendiert dann schon dazu, dass man sagt, ja mei, Mama, warum hast du das nicht früher anschauen lassen oder kam dir da nichts komisch vor […].« (Frau, W1-0107:17)

Sowohl eigene Schuldgefühle als auch Schuldzuweisungen an andere können zu einer großen Herausforderung für den individuellen und partnerschaftlichen Lebensverlauf werden.

3.4.4 Zusammenfassung

Insgesamt betrachtet zeigt sich, dass ein unerfüllter Kinderwunsch großes Krisenpotenzial besitzt und einen enormen Einfluss auf das Alltagserleben und die Alltagsgestaltung der betroffenen Frauen und Männer hat.

»Es geht eigentlich kein Tag vorbei, wo ich nicht daran denke. Also ich muss jeden Tag daran denken, dass wir es trotz aller Bemühungen bisher nicht, dass es uns nicht vergönnt war, schwanger zu werden bzw. ein Kind zu kriegen. Und dass es, […] unter Umständen, dass ich nie ein Kind von meinem Mann haben werde. Oder im allerschlimmsten Fall, nie ein eigenes Kind. Also aus meiner Perspektive nie zumindest ein halbeigenes. Also damit befasse ich mich jeden Tag.« (Frau, W1-0607:89)

Dabei ist die emotionale Belastung bei unerfülltem Kinderwunsch sowohl für die Frauen als auch die Männer sehr hoch. Viele wünschen sich deshalb eine begleitende Unterstützung, welche im Auseinandersetzungsprozess mit dem Kinderwunsch hilft. Psychosoziale Beratung, erweiterte Gespräche mit den medizinischen Fachkräften und der Austausch mit anderen Betroffenen sind dabei besonders wünschenswert (vgl. Mayer-Lewis 2015, S. 199ff.).

3.5 Elternschaft und Erwartungen an das Familienleben

»Der ›psychische Platz‹, den das künftige Kind im Leben seiner Eltern einnehmen wird, ist im Wesentlichen bereits vor der Geburt festgelegt. Er ist mit Zuschreibungen, Befürchtungen, Hoffnungen verbunden und mit Phantasien über die Beziehung zum erwarteten Kind. In diesem inneren Raum seiner Eltern wird sich das Kind später entwickeln.« (Schleske 2007, S. 13)

Unabhängig davon, auf welchem Wege sich der Kinderwunsch erfüllt, gestalten Frauen und Männer bereits vor und während einer Schwangerschaft Vorstellungen über das zukünftige Kind, Konzepte des Familienlebens und der Elternrolle.

In den wenigen bisher vorhandenen Studien wird darauf hingewiesen, dass sich Eltern nach einer Phase des unerfüllten Kinderwunsches in der Ausübung der Elternrolle qualitativ nicht von anderen Eltern unterscheiden (vgl. Berger 2010, S. 143). Dennoch haben die Erfahrungen von Fruchtbarkeitsstörungen und reproduktionsmedizinischen Behandlungen Einfluss auf die Familiengeschichte. Mit der Anwendung moderner reproduktionsmedizinischer Maßnahmen geht eine Vielzahl von familialen Herausforderungen einher, die sich von anderen Familien unterscheiden.

Aus den analysierten Erzählungen wird deutlich, dass die Frauen und Männer mit dem Übergang zur Elternschaft große Veränderungen sowohl ihrer privaten als auch beruflichen Organisation erwarten. Die Erwartungen beziehen sich vor allem auf neue Aufgaben im Rahmen der Elternschaft, eine Umorganisation der Alltagsroutine, Veränderungen im Wohnbereich, Einschränkungen im Freizeitbereich und eine Reduzierung der Arbeitszeit bis hin zu mehrjährigen Auszeiten. Die Reduzierung der Arbeitszeit bzw. berufliche Auszeiten werden vor allem von Frauen thematisiert. Dabei wird in manchen Erzählungen deutlich, dass die Fremdbetreuung von Kleinkindern eher kritisch betrachtet wird:

»Ja jedenfalls dann direkt wieder auf der Matte stehen und sagen ja, also, obwohl es nicht nötig wäre, und einfach sagen: Ja, aber ich kann doch nicht ohne das Büro! […] Das würde ich nicht machen, dafür kriegt man kein Kind, dass man es irgendwo abgibt.« (Frau, W1-0608:153)

Möglicherweise kommen in solchen Ansichten Idealisierungstendenzen und Perfektionsansprüche an die eigene Rolle als Elternteil zum Ausdruck.

Die Veränderungen, die Elternschaft mit sich bringt, werden als umfassend beschrieben. Sowohl von den Frauen als auch den Männern wird von einer kompletten Umstellung des bisherigen Lebens gesprochen:

»Ich denke, ein Kind stellt relativ so ziemlich alles auf den Kopf, was man so normal hatte […]«. (Frau, W1-2406:147)

»[…] ein Kind kriegen ist das, wo man sein Leben, denke ich, am entscheidendsten verändert. Von einem Tag auf den anderen.« (Mann, W1-0608:113)

Diese Aussagen können als Hinweise auf erste Entwicklungsschritte in Richtung einer neuen Identität als Mutter bzw. Vater verstanden werden. In der Regel finden solche Entwicklungsprozesse verstärkt während der Zeit der Schwangerschaft »zwischen Wunscherfüllung und Anerkennung der Realität« (Brazelton/Cramer 1994, S. 43) statt. Die hier durchgeführten Analysen weisen darauf hin, dass bei Paaren mit einem länger andauernden unerfüllten Kinderwunsch die Auseinandersetzung mit Mutter- und Vateridentitäten bereits vor der Zeugung eine deutlich stärkere Rolle spielt.

Neben den erwarteten Veränderungen für das zukünftige Familienleben, die eher den typischen Prozessen beim Übergang in die Elternschaft entsprechen, kommen auf manche Kinderwunschpaare besondere Herausforderungen zu. Diese werden vor allem dann sichtbar, wenn Paare mit Alternativen zum (vollständig) genetisch verwandten Kind konfrontiert sind. Dazu gehören z.B. die Familiengestaltung nach Adoption oder der Umgang bei Familiengründung mit Samenspende. In solchen Familienkonstellationen ist die Aufklärung des Kindes über seine Herkunftsgeschichte sowie die Information zentraler Bezugspersonen über die Geschichte des Kindes ein wichtiges Thema. Dabei zeigt sich in den Erzählungen, dass die Paare mit Kind zumindest ihre nächsten Angehörigen über die Inanspruchnahme reproduktionsmedizinischer Behandlungen informieren. Z.T. wird auch der engere Freundeskreis aufgeklärt und eine Frau erzählt, dass sie sich auch in der Krabbelgruppe des Kindes über die Zeugungsgeschichte austauscht.

Hinsichtlich der Aufklärung des Kindes wird deutlich, dass sich die betroffenen Paare mit diesem Thema intensiv auseinandersetzen und klare Vorstellungen formulieren. So erzählt eine Frau, die ihr Kind nach donogener Insemination geboren hat, dass sie bereits bei der Auswahl der behandelnden Einrichtung darauf geachtet hat, dass die Herkunftsdaten des Spenders für das spätere Kind zugänglich sind. Ein offener Umgang mit der Herkunftsgeschichte des Kindes ist ihr wichtig: »Also, sie wird es von vorne herein erfahren und wir werden sie auch unterstützen, wenn sie mal eben den Spender kennen lernen will.« (Frau, W2-2303:180)

Hilfreich für die Aufklärung des Kindes ist ihr dabei ein bebildertes Kinderbuch, das sie von der Samenbank erhalten hat[1]. In dem Buch wird die Zeugungsgeschichte eines Kindes nach Samenspende in leicht verständlicher Sprache beschrieben.

»Die erfährt das jetzt schon, also irgendwie lesen wir immer die Geschichte vor, die Familiengeschichte, das ist so ein Kinderbuch. […] von klein auf das schon dem Kind also vorlesen kann – das ist Mama, das ist Papa, wie der Arzt die Idee hatte, was man machen kann.« (Frau, W2-2303:166-174)

Auch die Eltern eines Kindes, das im Alter von sieben Monaten adoptiert wurde, berichten, dass sie mit dem Kind über seine Herkunft sprechen. Gesprächsanlässe im Alltag bieten neben Kinderbüchern zum Thema Adoption auch persönliche Gegenstände, die das Kind von seinen Herkunfts- und Pflegeeltern erhalten hat. Dabei haben sich die Eltern auch mit passenden Begrifflichkeiten für die Herkunftsfamilie und die vorübergehenden Pflegeeltern auseinandergesetzt: »Also seine leibliche Mutter, sagen wir nur noch die Bauchmama und seine Pflegemutter sagen wir, das ist die Corinna.« (Frau, W2-1607:109)

Darüber hinaus planen die Eltern, ihrem Kind zu einem späteren Zeitpunkt auch die elterliche Geschichte der Fehlgeburten und erfolglosen reproduktionsmedizinischen Behandlungen zu erzählen.

Neben sehr klaren Vorstellungen der Paare über den Umgang mit der Zeugungsgeschichte des Kindes im zukünftigen Familienleben zeigen sich aber auch Unsicherheiten und Sorgen. In Bezug auf das Adoptivkind entstehen Unsicherheiten hinsichtlich der Bindungsbeziehung und kindlichen Entwicklung. Solche Aspekte werden im Rahmen der Adoptionsforschung häufig thematisiert. Aber jene Aspekte, die sich durch reproduktionsmedizinische Eingriffe ergeben, werden bisher kaum als Forschungsthema aufgegriffen. Wie dringend erforderlich dies ist, zeigt sich an folgendem Beispiel, das die große Verunsicherung eines Mannes zum Ausdruck bringt, der sich mit der Entscheidung für oder gegen eine Behandlung mit Fremdsamenspende auseinandersetzt:

»Das ist total schwer […] Samenspende, ja oder nein. Ist schon irgendwie so ein bisschen spooky. Das ist so unwirklich. Und das ist auch keine schöne Entscheidung, weil das einfach, das ist unwirklich […]. Ich kann das gar nicht beschreiben. Das ist auch keine Entscheidung, die man mit 100 % Ja trifft oder so. Sondern da bleiben immer […] große Zweifel, ob das jetzt die richtige Entscheidung ist oder, nicht im Sinne richtig, sondern welche Konsequenzen diese Entscheidung wirklich hat.« (Mann, W2-0607:29)

Es stellt sich für ihn die zentrale Frage, ob auch im Rahmen einer »nur« sozialen und rechtlichen Vaterschaft eine auf Dauer tragfähige Vater-Kind-Beziehung entwickelt werden kann.

»Also, ich hatte immer so meine Zweifel daran, dass gesagt wird: ›Ja, okay, das ist alles völlig normal und sämtliche Studien zeigen, das ist eine normale soziale Vaterschaft, wirklich alles komplett normal‹. Das ist natürlich kein Beweis für mich. Da bleibt immer dieses Gefühl: Ist das denn bei mir dann genauso?« (Mann, W2-0607:39)

Die genetische Zugehörigkeit ist im Fall einer Samenspende nicht gegeben, weshalb die Beziehungs- und Verwandtschaftsstrukturen von diesem Mann als disponibel erlebt und in Frage gestellt werden. Die Fragmentierung der Elternschaft kann zu großer Verunsicherung im Erleben der Eltern führen. Im Rahmen der Erzählungen zeigt sich jedoch auch, dass die Erwartungen an das zukünftige Familienleben und die Elternrolle, trotz der besonderen Herausforderungen, die im Kontext der Familiengründung mit reproduktionsmedizinischer Assistenz entstehen, sich meist im ganz »Normalen« wiederfinden:

»Wir wären eine Familie. Unser ganzer Alltag würde sich ändern, es würde sich alles auf das Kind fokussieren, wir werden alles darauf ausrichten, egal, ob Arbeitsleben oder Freizeit. Wir werden alles tun für das Kind. Ich hoffe, dass wir es nicht zu sehr verhätscheln, vertätscheln, also zu gluckenhaft sind, sondern, dass wir es einfach, auch wenn es ein langer Weg war, relativ normal genießen können.« (Mann, W1-1607:81)

4. Ausblick

Im Kontext reproduktionsmedizinischer Angebote haben sich neue Wege der Familiengründung aufgetan, die von vielen Paaren mit unerfülltem Kinderwunsch genutzt werden. Die vorliegende Analyse zeigt, dass die Auseinandersetzung mit einem unerfüllten Kinderwunsch immensen Einfluss auf das Leben und Erleben von Frauen und Männern hat. Der Umgang mit Hoffnung, Misserfolg, Schuld-und Schamgefühlen, Zweifel am Selbstkonzept des Frau- oder Mannseins sowie Belastungen für die Paarbeziehung stellen wichtige Themen in dieser Lebensphase dar. Für die Paare stellt die Familiengründung einen intensiven Prozess der Auseinandersetzung dar, während dem bereits zu einem frühen Zeitpunkt eine Beschäftigung mit der Gestaltung und Definition von Elternschaft stattfindet. Insgesamt betrachtet nimmt die Anzahl der Familien zu, die mit reproduktionsmedizinischer Assistenz gegründet werden. Daher müssen sich in Zukunft alle Disziplinen rund um die Familienwissenschaft mit den darin liegenden herausfordernden und dynamischen Prozessen auseinandersetzen. Bisher werden Frauen und Männer mit (zunächst unerfülltem) Kinderwunsch mit den Fragen, die sich durch die Angebote moderner Reproduktionsmedizin stellen, meist allein gelassen und eine gesellschaftliche Mit-Verantwortung ist kaum sichtbar. Die Veränderung von Elternschaft und Familie, die sich in der sozialen Praxis z.B. durch das Ausschalten der biologischen Altersgrenzen oder Fragmentierungen ergeben, erfordern eine Reflexion und möglicherweise auch Umgestaltung der (familien‑) rechtlichen, ethischen, sozialen und kulturellen Rahmenbedingungen. Dabei sind neben Mutter-Vater-Kind(er)-Familien auch gleichgeschlechtliche Familien, Queerfamilies, Familien mit kooperativen Elternschaftsmodellen (gemeinsame Elternschaft mit weiteren Personen wie z.B. dem Samenspender oder z.B. einem befreundeten gegengeschlechtlichen homosexuellen Paar) sowie Solo-Mütter zu berücksichtigen. Hierfür ist es nicht nur wünschenswert, sondern auch notwendig, dass ein interdisziplinärer Austausch erfolgt, der alle Frauen und Männer mit Kinderwunsch und auch Familien nach erfolgreicher Inanspruchnahme reproduktionsmedizinischer Angebote in die Entwicklung eines gelingenden Zukunftsentwurfes integriert.

Literatur

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Endnoten:

[1]

Zum Bilderbuch vgl. Thorn (2011).

Über die Autorin

Birgit Mayer-Lewis

Birgit Mayer-Lewis, Dr. phil., Dipl.-Heilpädagogin (FH), wissenschaftliche Mitarbeiterin und Projektleitung am Staatsinstitut für Familienforschung an der Universität Bamberg. Arbeitsschwerpunkte: Kinderwunsch, psychosoziale Beratung, Bildung im Lebenslauf

Staatsinstitut für Familienforschung an der Universität Bamberg Heinrichsdamm 4 D-96047 Bamberg

E-Mail: birgit.mayer-lewis@ifb.uni-bamberg.de