»Wer Funken sät wird Feuer ernten«

Oswald Külpe und seine Ethik des Kriegs

Armin Stock

Zusammenfassung

Am 19. Februar 1915 hielt Oswald Külpe in München einen Vortrag über die »Ethik und der Krieg«. Diese, individuelles Leben missachtende, den Krieg rechtfertigende und teils verherrlichende Rede lässt sich nicht aus Külpes philosophischem oder psychologischem Werk erahnen. Er selbst sprach in diesem Zusammenhang von dem starken Bedürfnis, angesichts der Zeitereignisse »in ethischer Hinsicht umzulernen« (Külpe, 1915a, S. 41). Es soll deshalb in diesem Beitrag der Versuch unternommen werden, aus der Beschreibung von Külpes Persönlichkeit sowie des Nachvollziehens der Argumentationskette seiner Kriegsethik ein Verständnis für deren Genese zu entwickeln. Trotz des Auffindens einzelner, sein Handeln erklärender Charakterzüge kommt der Beitrag zu dem ernüchternden Fazit, dass auch ein so intelligenter Kopf wie Oswald Külpe ein willfähriges Opfer des Zeitgeists geworden war.

Schüsselwörter: Oswald Külpe, Kriegsethik, Erster Weltkrieg, Zeitgeist

Summary

»He who sows the sparks shall reap the fire«

Oswald Külpe and his ethics on the war

On February 19, 1915, Oswald Külpe gave a speech on "Ethics and the War" in Munich. Nothing in Külpe's philosophical and psychological oeuvre could have foreshadowed this speech, which disregarded individual life and which justified and partly glorified the war. In this context, Külpe himself spoke about the strong urge to "relearn regarding ethics", given the current events (Külpe, 1915a, p. 41). Therefore, this contribution attempts to develop an understanding for Külpe's war-related ethics and its genesis by looking at a description of his personality and by comprehending his line of argument. Despite of the discovery of single character traits that explain his acting, the contribution concludes that even an intelligent man as Oswald Külpe had become a compliant victim of the zeitgeist.

Keywords: Oswald Külpe, Ethics on the war, World War I, Zeitgeist

Einleitung

»Der Tod für das Vaterland«, so sprach Oswald Külpe (1862–1915) in einem am 19. Februar 1915 in München gehaltenen Vortrag zu seinen HörerInnen, bedeutet »…die größte sittliche Tat« (Külpe, 1915a, S. 29). Wie kann es geschehen, dass der Psychologe und Philosoph Oswald Külpe, der als fein- und scharfsinniger Denker, als penibler kritischer Geist, als die Kultur in ihren vielfältigen Ausprägungen schätzender Ästhet und als liebenswürdiger und über die Maßen aufopferungsvoller Menschenfreund beschrieben wird, den seit knapp sieben Monaten erbarmungslos tobenden Ersten Weltkrieg in vaterländischer Manier ethisch zu rechtfertigen suchte? Kommt hier ein Charakterzug Külpes zum Vorschein, der bereits zu Friedenszeiten in ihm angelegt war und sich nur nicht entwickeln konnte, oder unterlag Külpe trotz seines überaus kritischen Verstandes dem patriotisch geprägten Zeitgeist und der in den Medien und in den zahlreichen Reden anderer Intellektueller verkündeten Propaganda? Külpe, das steht außer Frage, ist in dieser Hinsicht kein alleinstehender Akteur. Bereits im September 1914 unterzeichneten 93 WissenschaftlerInnen, KünstlerInnen und SchriftstellerInnen den von Ludwig Fulda (1914) verfassten Aufruf an die Kulturwelt, auch als »Manifest der 93« bezeichnet, in dem die in der Folge des Schlieffen-Plans an den Belgiern und ihren Kulturgütern ausgeübten Gräueltaten bestritten oder als notwendige Verteidigungsmaßnahme relativiert wurden. Noch vielfältiger und nahezu von allen Professoren unterzeichnet war die darauffolgende »Erklärung der Hochschullehrer des Deutschen Reiches« vom 16. Oktober 1914, die die Einheit von Volk und Heer beschwor und dabei auf Motive der Pflichterfüllung und der Treue rekurrierte (vgl. auch Jürgen und Wolfgang von Ungern-Sternberg, 1996).

Zu diesen beiden Manifesten traten Heftreihen und Sammelbände hinzu, wie z. B. die bei Hirzel in Leipzig erschienenen Reden »Zwischen Krieg und Frieden«, in der auch Külpe (1915a) seinen Vortrag im 20. Heft publizierte, oder die von Kurt Pinthus (1916) herausgegebenen »Deutsche Kriegsreden«. Auch die von der Zentralstelle für Volkswohlfahrt und dem Verein für volkstümliche Kurse von Berliner Hochschullehrern herausgegebenen »Deutsche Reden in schwerer Zeit« legen ein beredtes Zeugnis ab. Angesichts dieser Fülle patriotischer Vorträge der geistigen Eliten in den Anfangsmonaten des Krieges kam der Pazifist Gustav Landauer (1870–1919) bereits am 2.11.1914 zu dem Schluss: »…nichts (nicht einmal die Feldpost) habe in diesem Krieg so kläglich versagt, wie der deutsche Geist« (Delf & Schoeps, 1994, S. 293). Neben Külpe stehen auch andere prominente Vertreter der noch jungen Wissenschaft Psychologie diesem Versagen in nichts nach, allen voran der über achtzigjährige Wilhelm Wundt (1832–1920), der schon am 10. September 1914 in der 3.000 Plätze umfassenden Leipziger Alberthalle über den »Wahrhaften Krieg« sprach und zu dem die Massen strömten (vgl. Borkowsky, 1914). Auch Külpes Freund[1] und Wundt-Schüler Ernst Meumann (1862–1915) fühlte sich als vaterländisch geläuterter Kosmopolit berufen, über Nationalgefühl und Volkserziehung auf nationaler Grundlage zu publizieren (Meumann 1915a, b). Gleichermaßen stimmte der von Külpe wissenschaftlich geprägte Ordinarius für Philosophie, Psychologie und Pädagogik der Universität Gießen, August Messer (1867–1937), in den kakophonen Chor zur Psychologie des Krieges ein, ebenso wie Max Scheler (1874–1928) mit seiner umfassenden und seinen Freunden im Felde gewidmete Schrift über den »Genius des Krieges« von 1915.

Mit diesen Weltkriegsideologien deutscher Psychologen und Philosophen haben sich von psychologischer Seite mit zeitlichem Abstand unter anderem Franziska Baumgarten (1949) und Eckart Scheerer (1984, 1989) befasst. Eine außerordentlich umfangreiche und tiefgehende Arbeit, die neben der Haltung der deutschen Philosophen auch die britische Seite betrachtet, liegt in dem Werk »Krieg der Philosophen« des Historikers Peter Hoeres (2004) vor. Beachtenswert für den größeren Zusammenhang der »geistigen Mobilmachung« ist darüber hinaus die Arbeit von Flasch (2000). Mit Ausnahme von Flasch (2000) gehen die genannten Werke alle auch auf Külpes »Ethik des Krieges« ein. Da sie jedoch eine Übersicht und bei Hoeres auch eine philosophisch-theoretische Einordnung der einzelnen Ideologien bieten, fehlt ihnen der Raum einer ausführlicheren Erörterung und biografischen Verortung der Külpeschen Kriegsethik. Dies soll in dieser Schrift ergänzend beigetragen werden, um so den Versuch zu unternehmen, eine Antwort auf Baumgartens Feststellung zu finden, dass bereits Schelers das deutsche Volk und den Genius des Krieges verherrlichende Arbeit ein Beispiel sei »…wie sich der Geist eines prominenten Psychologen erniedrigen kann«, dass aber Külpes Stellungnahme »…wohl noch schmerzlicher für viele war« (Baumgarten, 1949, S. 5f.). Die Ursache dieser schmerzlichen Enttäuschung kann nur in einer eklatanten Diskrepanz zu Külpes sonstigem Verhalten und zu der bisherigen Wahrnehmung seiner Person als solcher liegen. Wer war Oswald Külpe?

Owald Külpe, sein Leben und seine Person

Über Oswald Külpe liegen eine Reihe von Nachrufen, Zeitschriftenartikel und Monografien vor, die sich in einer ersten Unterteilung grob in solche klassifizieren lassen, die von Personen verfasst wurden, die ihn aus verschiedenen Perspektiven heraus noch persönlich kannten und mit nahem oder zeitlich größerem Abstand nach seinem Tod über ihn berichteten (z. B. Ament, 1916; Baeumker, 1916; Bühler, 1922; Dyroff, 1947; Fischer, 1916; Hicks, 1916; Leschke 1916; Ogden, 1951), und in solche, die aus der Feder von AutoreInnen stammen, die Külpe nicht mehr persönlich erleben konnten (z. B. Bitter, 2011; Hammer, 1989, 1994, 1999, Gundlach, 1999). Während erstere den Vor- und Nachteilen der Zeitzeugen unterliegen und insbesondere im Falle der Nekrologe häufig eine ehrerbietende Diktion haben, fehlt der zweiten Gruppierung bei möglicherweise größerer Neutralität der direkte Zugang zur Person. In dieser Arbeit soll vorwiegend die Persönlichkeit Külpes erschlossen werden; und diese aus erster Hand seiner Zeitgenossen und SchülerInnen kennen zu lernen, sei es durch Nachrufe oder erhaltenen Briefe, ist eine der besten Quellen, die zur Verfügung steht. Andere Arbeiten werden ergänzend zu Rate gezogen, sofern dies geboten erscheint.

Theodor Oswald Rudolph Külpe erblickte an einem Sonntag, dem 3. August 1862 in Kandau/Kurland, nahe der Kreisstadt Tukkum, in der baltischen Ostseeprovinz des zaristischen Russlands das Licht der Welt und wurde noch an seinem Geburtstag durch den Pfarrer Bernewitz nach evangelisch-lutherischem Glauben getauft[2]. Sein Vater, Johann Oswald Gottfried Külpe (1812–1888) wird je nach Quelle als Gemeindegerichtsschreiber oder Notar und als Fleckenvorsteher bezeichnet. Er war in zweiter Ehe mit Friederike Natalie (geb. Wittke, 1833–1897) liiert, nachdem seine erste Frau, Wilhelmine Amelie Hentzelt 1854 verstorben war (vgl. Bitter, 2011). Obwohl die Külpes russische Untertanen waren, pflegte man doch die deutsche Herkunft und Bildung. Die Vorfahren waren einst Mitte des 18. Jahrhunderts mit der Prinzessin Sophie von Anhalt-Zerbst, der späteren Kaiserin Katharina II, nach Russland gezogen. Oswalds Muttersprache war Deutsch, Russisch lernte er erst später auf dem Gymnasium.

Bühler (1922) gibt uns einen kleinen Einblick in die Kindheit Külpes, der bereits mit vier Jahren seine Familie damit überrascht haben soll, dass er in der Lage war, aus der Zeitung vorzulesen. Generell wird ihm eine ungewöhnlich frühe geistige Reife sowie ein außerordentlich präzises und zuverlässiges Gedächtnis attestiert. Mit diesen Fähigkeiten brillierte Külpe auf dem Gymnasium in Libau insbesondere in Geschichte und Geographie und erhielt – noch vor seinem 17. Geburtstag – im Juni 1879 als Klassenbester das Abitur. Neben diesen schulischen Leistungen wurde die Musik zur Leidenschaft Külpes. Seine Vorliebe galt den Kompositionen Bachs, Beethovens und Brahms, wohingegen er der Musik Richard Wagners oder Richard Strauss‘ weniger abzugewinnen vermochte (s. Ogden, 1951, S. 7). Er selbst spielte virtuos Klavier und wir können davon ausgehen, dass er viele Stunden seiner Kindheit mit dem Erlernen dieses Instruments verbracht hatte.

Von seinen insgesamt neun Geschwistern, von denen sechs aus der ersten Ehe des Vaters stammten, ist – wie Gundlach (1999) schreibt – wenig bekannt. Ein engeres Verhältnis verband ihn wohl mit seinem jüngeren, in Frauenburg geborenen Bruder Ernst (1864–1908)[3], der mit der bekannten Schriftstellerin Frances Külpe, geb. James (1862–1936) verheiratet war. Ernst, der zunächst in Moskau Jura und anschließend in Dorpat Theologie studierte, wurde Pastor und teilte damit mit seinem Bruder Oswald das Interesse an theologischen Fragen. Durch ein Lungenleiden gezwungen, zog er in den Süden Europas und verstarb in Meran.

Nach seiner Schulzeit trat Külpe für anderthalb Jahre eine Stelle als Hauslehrer, u.a. für Geschichte, am Knabenpensionat der Forstei Kursiten an, bevor er sich zum Sommersemester 1881 an der Universität Leipzig immatrikulierte und bei Wilhelm Wundt zunächst für Philosophie und Ethik begeistert wurde.[4] »Was darf…«, so schrieb er einst in einem Brief von 1883, »…als bessere Grundlage der Ethik, als bewegendes Prinzip aller ethischen Handlungen angesehen werden, als die unmittelbare tätige Liebe?« (zitiert nach Bühler, 1922, S. 245). Welch ein Widerspruch zu seiner späteren Kriegsethik von 1915, in der er unter anderem propagiert: »Die Vorteile, die dem Sieger daraus erwachsen, daß er in Feindesland eingedrungen ist, gestatten eine Ausnutzung von dessen Hilfsmitteln nicht nur zum eigenen Besten, sondern auch zur Schädigung und Erschöpfung des Gegners.« (Külpe, 1915a, S. 19). Von unmittelbar tätiger Liebe, dem Gebot der Nächstenliebe oder auch der in der Bergpredigt geforderten Feindesliebe ist hier bei Külpe nichts mehr zu finden. Doch wenden wir uns zunächst seinem weiteren Lebensweg zu, bevor wir zu seiner Kriegsethik zurückkehren werden.

Trotz aller Begeisterung für Wundt zog Külpe nach drei Semestern weiter an die Universität Berlin, wo er sich geschichtliche und philosophische Vorlesungen anhörte, aber weder damit noch mit dem »Getriebe der Weltstadt« (Bühler, 1922, S. 245) wirklich zufrieden war. Allerdings, und das kann in unserem Zusammenhang von Bedeutung sein, hörte er in Berlin die »…von vaterländischem und sittlichem Pathos erfüllten zündenden Vorträge Heinrichs von Treitschke[s]« (Baeumker, 1916, S. 76), deren Erinnerungen daran sich später in Külpes Kriegsethik niedergeschlagen haben könnten.

Der Berliner Episode folgte eine zweijährige, psychologisch anregende Studienzeit an der Universität Göttingen. Külpe lernte hier am Institut von Georg Elias Müller (1850–1934) psychologisches Denken und Experimentieren. Wer ihm das Thema seiner späteren Doktorarbeit »Zur Theorie der sinnlichen Gefühle« gab, ob dies Müller war, wie Bühler mitteilte (Bühler, 1922, S. 245), oder Wundt, wie Bäumker (1916, S. 76) vermeldete, ist ungeklärt. Unstrittig ist, dass er mit dieser Arbeit im Oktober 1887 in Leipzig promoviert wurde. Doch bevor er 1886 dorthin zurückkehrte, verbrachte er noch ein Jahr an der Universität Dorpart. Hier legte er die Lehramtsprüfung in Geschichte ab, die ihn berechtigte, das höhere Lehramt in Russland auszuüben. Solchermaßen beruflich abgesichert, konnte er sich nun vollständig seinen philosophischen und psychologischen Interessen zuwenden.

Mit der Promotion wurde Külpe Wundts Assistent und er sollte bis zu seiner Berufung nach Würzburg 1894 in dieser Position bleiben, zuletzt als Extraordinarius. Seine Habilitation und die venia legendi erhielt Külpe nur ein Jahr nach der Promotion, 1888, mit einer Arbeit über »Die Lehre vom Willen in der neueren Psychologie« (Külpe, 1888/1889).

Die Berufung Külpes nach Würzburg als Nachfolger für den nach Leipzig abgeworbenen Johannes Volkelt (1848–1930) war nicht die erste Wahl der Universität, sie sollte aber zu einem Glücksfall werden, gelang es Külpe doch, in Würzburg ein psychologisches Institut und eine Schule der Denkpsychologie aufzubauen, die internationalen Weltruhm erlangen sollten. Nicht zuletzt aufgrund seiner Erfahrungen in der Etablierung und Organisation eines psychologischen Instituts wurde er 1909 an die Universität Bonn und 1913 an die Universität München berufen, wo er, aufbauend auf den Vorarbeiten von Benno Erdmann (1851–1921) und noch stärker in München von Theodor Lipps (1851–1914), mustergültige Institute hervorbrachte. Fischer kam in seinem Nachruf deshalb zu dem Schluss:

»Für die experimentelle Psychologie ist Külpe unstreitig der zweite Begründer auf deutschem Boden geworden. Mit zähem Bewußtsein ihres Wertes und einer alle persönlichen Vorteile mißachtenden Hingabe an die Sache hat er es für seine Pflicht gehalten, jeden Wechsel seines Wirkungskreises davon abhängig zu machen, daß Senate und Regierungen an der Universität, die ihn haben wollte, für die Psychologie ein Institut als Arbeits- und Pflanzstätte errichteten; so ist er zum Gründer der Institute Würzburg und Bonn und zum Vollender des Instituts in München geworden. Bei seinem durch unbeirrbare Treue der Anhänglichkeit an das erkannte Gute ausgezeichneten Charakter ist ihm der Wechsel niemals leicht geworden, aber er stellt die Pflicht, der Sache zu dienen, jederzeit über das persönliche Interesse, und auch München hätte ihn wieder verlieren können, wenn er durch seine Übersiedlung nach Wien, wohin er nach Friedrich Jodls Tod eingeladen war, der experimentellen Psychologie auch in Österreich ein wirkungsreiches Institut hätte schaffen können.« Fischer (1916, S.97).

Külpe starb am 30. Dezember 1915 nach nur viertägiger Krankheit an den Folgen einer Herzmuskelentzündung. Eine vor Weihnachten durchlaufene Influenzainfektion schien überwunden und auch in seinem letzten Weihnachtsbrief vom 23.12.1915 an seinen verehrten Lehrer Wilhelm Wundt[5], deutete nichts auf sein baldiges Ableben hin.[6]

Es ist hier nicht der Ort, auf die Psychologie der Würzburger Schule oder auf Külpes Philosophie näher einzugehen: Ogden (1951), Lindenfeld (1978), Hammer (1989, 1998), Gundlach (1999) und Kusch (1999) haben dies unter anderem an anderer Stelle getan. Hinweise darauf, wie Külpe die von ihm verfasste vaterländische Schrift aus seinem vorherigen Werk ableitet, finden sich darin nicht, und auch er selbst greift in seinem Kriegsvortrag nicht auf sein wissenschaftliches Werk zurück.

Im Folgenden soll es deshalb darum gehen, ob aus Külpes Biografie, seinem Charakter und seiner Persönlichkeit, soweit diese uns heute bekannt sind, Schlüsse gezogen werden können, die erklären, warum er seine Rede »Die Ethik und der Krieg« am 19. Februar 1915 gehalten und anschließend publiziert hat.

Aus Adolf Dyroffs (1866–1943) Feder entstammt mit Datum vom 1. Januar 1916 wohl einer der ersten Nachrufe auf Oswald Külpe (Dyroff, 1916). Dyroff, der von 1894–99 in Würzburg eine Anstellung als Gymnasiallehrer innehatte, fand in Külpe »…den väterlichen Freund und Berater bei seinem Eindringen in die philosophischen Grunddisziplinen« (Szylkarski, 1959, S. 212f.). Von 1894 an bis zu Külpes Tod waren beide eng miteinander befreundet und wir können davon ausgehen, dass Dyroff Külpe sehr gut kannte. Er beschrieb Külpe folgendermaßen: Als »Eine in ungewöhnlichem Maße liebenswürdige Persönlichkeit […] eroberte er sich überall, wo er tätig war, die Herzen der Kollegen und Schüler im Fluge. […] So war er der geborene Professor der Ästhetik«. Und in der experimentellen Psychologie rühmte Dyroff besonders Külpes »Sorgfalt«, »Erfindsamkeit«, »Ideenreichtum« und »zu anderen Opfern an die Sache bereiten Hingabe«. Er charakterisierte ihn auch als einen »genauen Kenner der russischen Kultur«, aber Külpe war dennoch »durch und durch deutsch und erlebte diesen Krieg mitjubelnd, Deutschlands Größe bewundernd, für die Schüler im Felde sorgend, um die Gefallenen klagend, in Münchener Lazaretten den Schwerverwundeten vorlesend und sie ermutigend.« (Dyroff, 1916, S. 153). Külpe, das lässt sich aus diesen Zeilen ableiten, war ein deutsch-patriotischer, jubelnder Befürworter des Krieges und eine ausgeprägte Opferbereitschaft gehörte zu seiner Persönlichkeit.

Ein weiterer früher Würzburger Schüler und Doktorand Külpes, der spätere Leiter des Bamberger C.C. Buchner Verlags, Wilhelm Ament (1876–1956), würdigte in seinem Nachruf insbesondere Külpes führende Rolle bei der Entwicklung der Würzburger Schule, aber auch dessen außerordentliche Begabung als Hochschullehrer:

»Er besaß die seltene Gabe, strebende Menschen anzuziehen und zu fesseln, das bedeutende Wissen und den weitherzigen Willen, deren Gedanken zu achten und zu fördern, und die menschliche Größe, die auch den Tüchtigsten immer noch zu ihm emporblicken ließ. Selten wohl hat sich in der Geschichte der Wissenschaft die menschliche Veranlagung eines Mannes so glänzend bewährt wie in Külpes 'Würzburger Schule'!« (Ament, 1916, S. 152).

Erneut wird Külpe als eine sehr menschliche Persönlichkeit beschrieben, die das Denken anderer achtet und wo möglich fördert.

Von Aloys Fischer (1880–1937), dem Pädagogen und Münchener Kollegen Külpes, lasen wir bereits dessen Respekt vor Külpes großartiger Aufbauleistung dreier psychologischer Institute. Darüber hinaus betonte auch er die besondere Liebenswürdigkeit im Wesen Külpes und sein Interesse, das er an den Schicksalen anderer nahm (Fischer, 1916, S. 67). Dieses bislang übereinstimmende Bild des edlen Charakters Külpes in den zeitnahen Nachrufen ändert sich auch in den aus der Distanz von Jahren und nach überstandenen Weltkriegen verfassten Retrospektiven nicht. Von Karl Bühler (1879–1963), der Külpe von 1907–15 über seine drei Wirkungsstätten begleitete, kann in der 1922 verfassten Biografie eine der Realität möglichst nahen Beschreibung erwartet werden. Auch er rühmt zum einen die Begabung Külpes als Lehrer:

»Darin hat Külpe, im besten Sinn des Wortes ein Seelenfänger, ein ungewöhnliches Talent entfaltet; nur selten hat jemand, der einmal in den Bann dieses verständnisvoll, weitsichtigen Beraters kam, ihn wieder verlassen, ohne an seinen Bestrebungen mitbeteiligt oder wenigsten mitinteressiert zu werden. Külpe scheute aber auch keine Zeit und Mühe, andere anzuhören, sich in sie hineinzudenken und jeden gerade in dem zu fördern, wo er ihm besondere Leistungen zutraute«.

und er beschreibt zum anderen seine Persönlichkeit in der bereits bekannten Manier:

»Auf viele, die Külpe nahestanden, hat er vielleicht noch stärker als Mensch denn durch seine Wissenschaft gewirkt. Eine fast frauenhafte Zartheit des Gemütes harmonierte in ihm ohne erkennbaren Kampf oder Sieg mit der nordisch-herben Pflichtauffassung der kantischen Ethik. […] Bezeichnend ist mir immer sein Verhältnis zur Natur gewesen: er liebte ihre Schönheiten nur, wo sie ihm ohne Kampf geboten wurde, er liebte die Natur, welche den Menschen in Frieden lässt« (Bühler, 1922, S. 249 u. 253).

Auch der an der Cornell University tätige Robert Ogden (1877–1959), einst Doktorand Külpes, der das Institut in Würzburg zweimal von 1901–1903 und im Sommersemester 1909 besuchte, wurde wie viele andere ein Freund Külpes. Selbst aus einer Distanz von 36 Jahren nach Külpes Tod bestätigt er: »Külpe was both an impressive and a lovable character. […] I never saw evidence of anger in him«, (Ogden, 1951, S. 6), aber er war auch ein penibler Kritiker »…a fastidious critic« (ebd. S. 9). Ogden verweist auch auf eine Postkarte, die Külpe ihm 1915 zusandte. Darin drückt er seine tiefe Betroffenheit und Sorgen über den Krieg aus. Ogden schrieb:

»During his last days Külpe was deeply affected by the war in which his country was engaged. He appears to have been convinced of the righteousness of Germany’s cause and published at least one paper in her defense. My own last word from him – a postcard written April 15, 1915, expressed his sorrow that Germany should be so misunderstood abroad, and especially by her erstwhile friends in America. We are told that he spent much time visiting wounded soldiers in hospitals and reading to them” (Ogden, 1951, S. 6).

Der in Neuß tätige Lehrer, Peter Wust (1884–1940), lernte Külpe während der Bonner Zeit im Spätherbst 1911 kennen. In Bezug auf Külpe teilte er uns mit: »…auch an ihn schloß ich mich sofort enger an, und ich muß gestehen, daß er mir in diesen Neußer Jahren so etwas wie ein neuer Lehrer in der Philosophie geworden ist, an den ich mich noch heute sehr dankbar erinnere.« (Colluto, 2013, S. 344).

Külpe betreute Wusts Dissertation und hatte mit dem in der wissenschaftlichen Arbeit nicht Geschulten so einige Mühe. Dennoch förderte und ermutigte er ihn stets und aus einer anfänglich distanzierten Beziehung entstand eine bis zum Tode Külpes anhaltende Freundschaft. Aus dieser wiederum sind eine Reihe von Briefen Külpes erhalten geblieben, von denen einer für uns von Interesse ist. Am 20. Mai 1915 appellierte er an Opferbereitschaft, Durchhaltewillen und Pflichterfüllung:

»Wer empfände die Dauer und Schwere dieses Krieges nicht als eine harte Prüfung, wer fühlte nicht gelegentlich jeden Glauben an eine sittliche Weltordnung ins Wanken geraten, wenn er die Zerstörung ansieht, die schon angerichtet ist! Und doch wäre es unrecht zu verzagen und zusammenzubrechen. Das dürfen auch Sie nicht. […] Ist Italien so gemein, über seine bisherigen Bundesgenossen herzufallen, so muss empörte Kraft und nicht verzagende Schwäche antworten. […] Der Glaube an ewige Werte darf nicht von solchen Erlebnissen abhängen« (Colluto, 2013, S.354ff).

Nach seiner Berufung an die Universität München im Jahr 1913 wurde Külpe im darauffolgenden Jahr zum außerordentlichen und 1915 zum ordentlichen Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften ernannt. Ebenfalls 1915 erhielt er den Titel »Geh. Hofrat« (vgl. Ament, 1916, S.149). Für die Akademie verfasste der von Külpe sehr geschätzte Clemens Baeumker (1853–1924) einen umfassenden Nachruf.

Baeumker beklagte, dass mit Külpe

»…ein beliebter und erfolgreicher Dozent […] frei von allem prunkenden Pathos und aller selbstgefälligen Geistreichigkeit […], ein Lehrer von selbstloser Hingebung für seine Schüler, denen er, wie in der Wissenschaft, so auch in allen Angelegenheiten und Sorgen des Lebens mit treuem Rat und mit helfender Tat allzeit fördernd zur Seite stand, ein Charakter von höchster Zuverlässigkeit in allen Lebenslagen, bei dem feste Zähigkeit und Bestimmtheit des Wollens mit Weichheit des Gefühls und Milde des Urteils sich paarte, ein allzeit gütiger Menschenfreund, der im stillen ungezählte Wohltaten spendete, ein liebenswürdiger und feinsinniger Kollege, mit einem Worte: ein ebenso hervorragender Gelehrter, wie wahrhaft edler Mensch« von uns gegangen ist (Baeumker, 1916, S. 73f.).

Soll dieser in den höchsten Tönen edler Menschlichkeit gepriesene Külpe der gleiche Külpe gewesen sein, der wenige Monate zuvor seinen Hörern zurief: »…der humanste Krieg [ist] der rücksichtsloseste, weil er am schnellsten zum Frieden und damit zur Beseitigung aller Kriegsübel führt« (Külpe, 1915a, S. 19) und der etwas weiter den Krieg huldigte als »…eine unbarmherzige, aber gerechte Auslese, indem er dem Tüchtigsten den Siegpreis reicht.« (ebd. S. 27)?

Baeumker liefert uns für das kaum zu Glaubende zumindest ein Motiv. Ähnlich wie Dyrhoff weist er auf Külpes Freude hin »…als das Vorrücken der deutschen Heere im Sommer 1915 für seine innig geliebte baltische Heimat und das baltische Deutschtum neue Hoffnungen entstehen ließ« (Baeumker, 1916, S. 74). Damit ließ sich Külpes Begeisterung für einen Krieg gegen Russland rechtfertigen, nicht jedoch für den Krieg gegen Frankreich und England. Dies war nur möglich, weil er allseits als aufgenötigt und als notwendige Selbstverteidigung angesehen wurde. Baeumker schrieb:

»An dem herrlichen Aufschwung, den der uns aufgedrängte Weltkrieg unserem Volke brachte, nahm er [Külpe] in opferwilliger Betätigung begeisterten Anteil. Zeugnis davon gibt ein zum Besten des vaterländischen Unterstützungswerkes der Universität [München] gehaltener Vortrag: 'Die Ethik und der Krieg' (1915). Feinsinnig abwägend, weiß derselbe einem vielbehandelten Gegenstand manche neue Seite abzugewinnen. Er zeigt, wie innig strenges ethisches Empfinden und warmes vaterländisches und nationales Fühlen sich bei ihm, dem Lehren Leben war, verbanden und in einer auf einen tieferen Sinn der geschichtlichen Menschheitsentwicklung vertrauenden sittlich-religiösen Weltanschauungen den Abschluß fanden.« (ebd., S 102f.)

Die bislang dargestellten Quellen charakterisieren Külpe übereinstimmend als einen herausragenden Lehrer, der sich für alles und jeden Zeit nahm und junge Menschen nach ihren jeweils eigenen Begabungen förderte. Er wird in höchstem Maße als liebenswürdig und umgänglich und gleichzeitig als feinsinniger, aber auch sehr kritischer Denker beschrieben. Hinzu kommen Eigenschaften der Opferbereitschaft, Treue und Pflichterfüllung, des Glaubens an höhere sittliche Werte, die möglicherweise mitverantwortlich für seine Kriegsrede von 1915 sein mögen, gibt es doch ansonsten keine Hinweise in Külpes Biografie und Persönlichkeit, die ein solches Machwerk – dem wir uns jetzt genauer zuwenden wollen – hätten erwarten lassen.

Owald Külpes Kriegsrede »Die Ethik und der Krieg«

Die von Külpe 1915a publizierte Rede »Die Ethik und der Krieg« unterteilt sich in eine Einleitung und vier nachfolgende Paragraphen. Der Text entspricht einer ersten Sichtung nach inhaltlich im Wesentlichen dem an der Bayerischen Staatsbibliothek in München verwahrten Manuskript Külpes »Der Krieg und die Sittlichkeit« (Abb. 1). Auf dem ebenfalls in München erhaltenen Typoskript wurde im Titel die »Sittlichkeit« gestrichen und durch »Ethik« ersetzt[7] und in der gedruckten Fassung ist schließlich noch die Reihenfolge getauscht worden.

Abb. 1: Seite 1 des Manuskripts von Oswald Külpe »Der Krieg und die Sittlichkeit«. (Nachlassverzeichnis Külpeana, Seite 4, III, 20. Mit freundlicher Genehmigung der Bayerischen Staatsbibliothek München).

Külpe, der wohl weitgehend die Kriegspublizistik der Intellektuellen seiner Zeit kannte, wies auf die offene Frage der ethischen Aspekte des Weltkrieges hin[8] und fühlte sich berufen, sich diesem Thema zuzuwenden:

»Wir wenigstens, die wir daheim bleiben mußten, wollen […] uns innerlich mit dem Kriege auseinandersetzen und zu einer sieghaften Überwindung der in ihm liegenden Probleme vorzudringen suchen. […] Wir wollen […] ein seelisches Gleichgewicht zwischen unserer moralischen Gesinnung und den wie eine Sturzwelle über uns gekommenen Kriegen herstellen und die geistige Herrschaft über die mit Naturgewalt sich vollziehenden Ereignisse im Felde gewinnen« (Külpe, 1915a, S. 4).

Dass Külpe – wie viele andere auch – angesichts der tagtäglich in den Verlustlisten abgedruckten immensen Menschenopfer sowie seines persönlichen Erlebens des Leides der von ihm im Lazarett besuchten Kriegsverletzten und -traumatisierten das Bedürfnis der Herstellung eines »seelischen Gleichgewichts« hatte, ist gut nachvollziehbar. Es führte jedoch dazu, dass er, der dem Kriege gleich den Massen in vaterländischer Begeisterung zujubelte, eine Ethik konzipierte, die selbst einen Angriffskrieg zu rechtfertigen wusste. Noch bevor er sich seiner eigentlichen Untersuchung der Kriegsethik zuwandte, verteidigte er den deutschen Militarismus als zwingende Notwendigkeit:

»Was wäre aus uns geworden, wenn wir weniger militaristisch gedacht und während der langen Friedenszeit im Ausbau von Heer und Flotte nachgelassen hätten! Diese Lehre, die uns der jetzige Krieg förmlich aufdrängt, daß wir bei unserer gefahrvollen Lage nur auf unsere eigene Kraft bauen und vertrauen können, wollen und dürfen wir nie vergessen« (ebd., S. 5).

Paragraph I: Külpes Betrachtung der pazifistischen Position, die gemeinsame Akzeptanz der Notwehr, aber die Ablehnung eines internationalen Schiedsgerichts

Nach seiner Einleitung wandte Külpe sich im ersten Abschnitt, mit dem auch das ursprüngliche Manuskript begann, mit scheinbar neutraler Objektivität der pazifistischen Position der Friedensbewegung zu, die er abschätzig als »Friedensapostel« bezeichnete (ebd., S. 8). Er folgte zunächst der grundlegenden Argumentation, dass es unser Bestreben sei, allgemeingültigen und international anerkannten Werten zu folgen, die zu einem sittlich besseren Verhalten der Menschen führen und in jedem Falle, »…jede bewusste und absichtliche Schädigung anderer« (ebd. S. 8) zu vermeiden. Ein Krieg, so die Anhänger der Friedensbewegung, steht dazu ethisch in vollständiger Unvereinbarkeit. Külpe selbst lieferte zahlreiche Beispiele für das Unethische des Krieges, wie sein gewaltiger Menschenhunger, Zerstörung von Kulturwerten, die Beeinträchtigung der Wirtschaft, die Verwilderung der Sitten, Abstumpfung, Gräuel und einige mehr, die bereits in den ersten Feldpostmitteilungen zur Heimat durchdrangen (ebd., S. 9). Ziel der Friedensbewegung ist es daher, so Külpe, ausgehend von der weitgehend erfolgreichen Überwindung der Selbstjustiz innerhalb der Staaten, auch staatsübergreifende völkerrechtliche Vereinbarungen zu treffen, die es erlauben, Streitigkeiten zwischen den Völkern ohne Kriege zu lösen. Bezüglich dieses hehren Ziels hatte Külpe eine sehr resignative Einstellung. Er verwies darauf, dass keine Abkommen der bisherigen Friedenskonferenzen und kein Versuch der Einschränkung von Waffengattungen[9] im Kriegsfall von Beachtung gewesen wären. Auch dem von der Friedensbewegung geforderten internationalen Schiedsgericht, dessen Urteil sich alle Völker unterwerfen sollen, stand Külpe äußerst kritisch gegenüber. Er formulierte dabei Sätze, die – wie Franziska Baumgarten (1949, S. 7) völlig zurecht anmerkte – auch »…von einem verbissenen Nazi aus dem Jahr 1939 stammen [könnten]«. Külpe schrieb:

»In welchem unfruchtbaren Stadium die Entwicklung dieser Idee [eines Schiedsgerichts] zurzeit noch begriffen ist, kann uns der gegenwärtige Krieg zwischen höchstzivilisierten Staaten der Erde zu klarstem Bewußtsein bringen. […] Welcher gesunde, kraftvolle, in unaufhaltsamer Entwicklung begriffene Staat wird sich vorschreiben lassen, ob er in einer seine Existenz und Ehre berührenden Angelegenheit nachzugeben hat oder nicht? Welche aufsteigende Nation wird sich durch einen Machtspruch auf die Dauer bewegen lassen, innerhalb der Grenzen ihres Einflusses und Besitzes zu verharren, auch wenn die Volksvermehrung oder andere Gründe ihr Interesse gebieterisch auf eine Erweiterung ihres Landes hinweisen? Ein Schiedsgericht, in dem durch Stimmenmehrheit über das Geschick eines Staates entscheiden würde, wäre nur für die kleinen und Schwachen eine wirkliche Hilfe. Es liegt aber nicht im Interesse der Kultur und ihres Fortschritts, daß die Bildung großer und mächtiger Staaten verhindert oder unterbunden wird (ebd. S. 12f.)."

Von einem Völkergericht ist nach Külpe »…kein Heil für die Menschheit zu erwarten« (ebd. S. 13). Er war stattdessen davon überzeugt, dass Kriege durch das Wesen der Menschen begründet sind. Vielmehr sogar, dass notwendige, aus Notwehr aufgezwungene Kriege, die Külpe von denen aus reinem Eroberungswillen begonnenen Kriegen differenziert, einen wesentlichen Anteil am ethischen Voranschreiten der Menschheit haben und ethisch gerechtfertigt seien.

Paragraph II: Die Erweiterung des Notwehrgedankens auf den Bündnisfall und den Angriffskrieg

Im zweiten Paragraphen erweiterte Külpe die ethische Notwehrakzeptanz auf den Bündnisfall, wodurch ein Staat, der als solcher gar keiner Bedrohung ausgesetzt ist, dennoch das Notwehrrecht für sich in Anspruch nehmen und in den Krieg ziehen kann, sofern einer seiner Bündnispartner angegriffen wurde. Er hielt dies für so selbstverständlich, dass er dafür keine weitere ethische Begründung mitteilte. Die Notwehr wiederum erhebt das eigene kriegerische Handeln auf eine höhere ethische Stufe und degradiert den Angreifer, der der Logik nach nicht auch aus Notwehr handeln kann. Pathetisch schrieb er deshalb: »Mit diesem Notwehrkampf vertragen sich weder Angst noch Furcht, weder Ästhetentum noch Gelassenheit, sondern nur der freie, frohe Mut, der feste, starke Wille und das fromme, unerschütterliche Vertrauen« (ebd., S. 18).

Man mag Külpes Notwehrargumentation bis dahin ethisch folgen, galt und gilt sie auch damals wie heute für praktisch alle militärischen Bündnisse. Ethisch nicht mehr vertretbar sind aus heutiger Sicht die anschließend von Külpe vorgenommene Ableitung der aus Notwehr entstehenden »Nothandlungen« und die Rechtfertigung von Angriffskriegen. »Nothandlungen« richten sich nach Külpe gegen Zivilisten, die an Kriegshandlungen teilnehmen. Zur Bekämpfung dieser Franktireurs schreibt er:

»Die unnachsichtige und harte Bestrafung, die hier einsetzen muß, zählt zu den schmerzlichen Selbstverständlichkeiten, an denen der Krieg so reich ist. In diese Kategorie haben wir auch die Zerstörung von Ortschaften zu rechnen, in deren Schutze Franktireurs ihr Unwesen getrieben haben. Daß dabei Kunstwerke und Stätten hoher Kultur nicht immer geschont werden können, ist ohne scheinheilige Entrüstung hinzunehmen. Wer Funken sät, wird Feuer ernten« (ebd. S. 19).[10]

Hinsichtlich der ethischen Rechtfertigung von Angriffskriegen nahm Külpe eine ambivalente Haltung ein. Einerseits schrieb er:

»Entwicklungsnotwendigkeiten lassen einen aufstrebenden Staat zum Schwerte greifen, um geschichtliche Hindernisse hinwegzuräumen, die auf friedlichem Wege nicht zu beseitigen waren. […] Ebenso kann es […] im Interesse der Selbsterhaltung liegen, einer unausweichlichen Gefahr und Drohung durch eigene Eröffnung der Feindseligkeiten die Spitze abzubrechen« (ebd. S. 22).

Zwei Argumente, mit denen Hitler ein knappes Vierteljahrhundert später auch den Zweiten Weltkrieg im Sinne Külpes als ethisch gerechtfertigt hätte begründen können.

Andererseits ist sich Külpe sehr wohl darüber bewusst, dass: »der Angegriffene den Notwehrgedanken für sich sofort zur Geltung bringen [kann]. Es wird darum nicht immer möglich sein, die allgemeine Anerkennung seiner Berechtigung für einen Angriffskrieg zu erwirken« (ebd. S. 23).

Man mag Külpe im zweiten Paragraphen zugutehalten, dass er sich dafür aussprach, den Gegner nicht zu Unrecht zu verleumden und herabzusetzen und dessen Leistungen in Kultur und Wissenschaft anzuerkennen. Dies würde das Zusammenleben nach dem Ende des Krieges nur unnötig erschweren und deshalb sei es auch nicht notwendig, aus dem Ausland erhaltene Auszeichnungen abzulehnen.[11] Vergeblich sucht man auch die ansonsten weit verbreiteten Herabwürdigungen Großbritanniens. Külpe, der nicht nur Versuchsprotokolle teilweise in Englisch aufzeichnete, sondern auch noch kurz vor Kriegsbeginn Vorlesungen an der University of London hielt und dort von vielen seiner britischen Schüler willkommen geheißen wurde (Hicks, 1916, S. 821f.), wusste durchaus die Wissenschaft und das individuelle, kollegiale Miteinander über Staatsgrenzen hinweg vom Kriegsgeschehen zu trennen.

Paragraph III: Die Ergänzung des Notwehrarguments durch das der Wertigkeit von Volk und Staat

Im dritten Paragraph ergänzte Külpe die Rechtfertigung des Krieges durch den weiteren Aspekt der Wertigkeit eines Staates und seiner Kultur »für die höheren Aufgaben der Menschheit« (ebd. S. 23) und er führte damit eine aus seiner Sicht ethisch begründete Unterscheidung zwischen schützenswertem und nicht schützenswertem Leben und Kulturgütern ein, die im weiteren Verlauf des 20. Jahrhunderts zur humanitären Katastrophe eskalieren sollte. Er schrieb:

»Hiernach wird es für die ethische Erörterung eines Krieges nicht belanglos sein, ob die Notwehr Gütern gilt, die eine allgemeine Bedeutung besitzen, ob der aufgezwungene Kampf auch ein Volkstum, einen Staat und eine Kultur bedroht, deren Schutz und Fortbestand im Interesse der Menschheit liegt« (ebd., S. 24).

Külpe ist überzeugt davon, dass ein Staat, der, wie Deutschland, in Kultur, Wissenschaft und Gesellschaft, der in seiner Diszipliniertheit und in seinem Streben nahezu pausenlos voranschreitet, ethisch »als erhaltungswürdig angesehen werden müsse« (ebd., S. 25), und dass ein Krieg, der einem solchen Staat mit solchen Eigenschaften zu weiterem Aufstieg verhilft »…von der Ethik weit über die bloße Notwehr hinaus gebilligt werden dürfe[n]« (ebd., S. 25). Der Krieg ist nach Külpe, der hier Seeberg zitiert (Seeberg, 1911), damit nicht mehr als ein Mittel:

»durch das eine Nation einer anderen gegenüber die internationale Stellung erwirbt, die ihr vermöge ihrer Kraft faktisch zukommt. […] Es handelt sich […] um die Durchsetzung notwendiger Lebensbedingungen für das gesamte Volk […], um die geschichtlich notwendige Konstatierung von faktisch […] eingetretenen Kraftverschiebungen innerhalb der Völkergemeinschaft. […] So dient der Krieg der positiven und sittlich förderlichen Entwicklung der Völker.« (ebd., S. 26).

Doch wer kann darüber befinden, welches Volk, welcher Staat und welche Kultur höherwertig im Sinne der Menschheitsentwicklung sind und damit ethisch abgesichert die Mittel des Krieges für die Durchsetzung ihrer Forderungen in Anspruch nehmen dürfen? Ein internationales Schiedsgericht kann es nach Külpe nicht sein. Es wird vielmehr derjenige Staat sein, der in diesem Sinne am kraftvollsten ist und an dessen Wesen die Welt zu genesen vermag (ebd., vgl. S. 24). »Der Krieg«, so Külpe, »vollzieht in diesem Sinne eine unbarmherzige, aber gerechte Auslese, indem er dem Tüchtigsten den Siegespreis reicht« (ebd., S. 27) und er verweist in diesem Zusammenhang auf die evolutionistische Ethik (Unold, 1912).

Mit Külpes Argumentation einer im darwinistischen Sinne evolutionsethischen Selektion lässt sich jeder Notwehrkrieg und auch ein aus Notwehr begonnener Angriffskrieg, ja selbst ein Genozid rechtfertigen, sofern er zur »Durchsetzung notwendiger Lebensbedingungen« (ebd., S. 25) für das ethisch höherwertige Volk dient. Külpe nimmt damit im Grunde das verwerfliche Gedankengut der Nationalsozialisten eines »Volkes ohne Raum« vorweg.

Trotz alledem ist sich Külpe darüber im Klaren, dass: »….die Höhe der Kultur kein selbstverständliches Schutzmittel gegen Untergang und Niederlagen…« ist (ebd., S. 31). Ein Krieg jedoch, der zum Untergang einer solchen Kultur führen würde, wäre nach Külpe aus ethischer Sicht besonders verwerflich.

Paragraph IV: Die Illusion des ewigen Friedens und die positive Akzeptanz des Krieges

Im vierten und letzten Paragraphen widmet sich Külpe der Frage, ob der Krieg für die Höherentwicklung der Menschheit tatsächlich notwendig ist. In gewisser Weise spricht hier der Experimentator aus ihm, denn es fehlt in seiner bisherigen Argumentation die Kontrollbedingung der Menschheitsentwicklung ohne den Faktor des Krieges. Allerdings ist er überzeugt davon, dass ein »ewiger Frieden« eine Illusion sei und er beruft sich dabei auf Kant (1798), der allenfalls »…eine Annäherung an die Idee des ewigen Friedens durch entsprechende Staatenverbindungen…« (Külpe, 1915a, S. 33) erwarten lässt. Külpe bemüht sich gar nicht erst, über Prämissen nachzudenken, die aus einer Zukunftsperspektive für das noch junge 20. Jahrhundert in der Lage wären, Kriege zu verhindern. Anstelle einer prospektiv-optimistischen nimmt er diesbezüglich eine retrospektiv-resignative Haltung ein:

»Die Geschichte lehrt vielmehr, daß weder die Furcht vor seinen Übeln und Greueln [des Krieges] noch der ehrliche Wille zum Frieden noch das Wachstum der Kultur und des Weltverkehrs den Krieg zu verhüten imstande war. Und so bleibt der ewige Friede ein unerreichbares Ideal […] und die Hoffnung auf ein Fortschreiten unserer Gattung ohne die harte Geißel des Krieges ein Trugbild« (ebd., S. 34).

Der »ewige Friede« wäre nach Külpe mit einem zynischen Blick auf die Pazifisten nur dann möglich, wenn diese die »Völker in Engelscharen« (ebd., S. 35) umwandeln würden. Auf Völkerverträge, Abrüstungs- und Friedensverhandlungen mag er nicht mehr setzen, da sie in der Vergangenheit und leider auch bis in die heutige Gegenwart Kriege nicht verhindern konnten. Mit seiner Einsicht, dass mit dem Ausbruch von Kriegen jederzeit zu rechnen sei, sucht er die positiven Aspekte des Krieges herauszuarbeiten, denn der Krieg soll nicht um seiner selbst willen geführt werden, sondern um einen besseren Frieden zu erreichen. Nach Külpe befreit der Krieg von unerträglichen Spannungen und Gegensätzen, er führt zu einheitlichem Fühlen und Wollen, er verbindet Menschen über alle Schranken hinweg, er fördert die Menschenliebe, er begünstigt die Tüchtigen und zeichnet den Gesundesten aus (ebd., S. 35f.):

»Wir finden es vielmehr begreiflich, daß der Krieg als eine notwendige Durchgangsphase zur Höherentwicklung der Menschheit und als gerechter Ausdruck der Machtverhältnisse unter den Staaten, als ein erfolgreicher Erzieher zur Sachlichkeit und Einigkeit, zur Reinheit der Gesinnung und zur Anspannung aller Kräfte anerkannt und gefeiert wird, und daß sein Ausgang unmittelbar als ein Maßstab für die Leistungsfähigkeit und Gesundheit eines Staates gilt und einer ethischen Kausalität gehorcht, nach der wir ernten, was wir gesät haben (ebd., S. 37).

Und weiter:

»Wer diese Erhabenheit des Krieges nicht zu empfinden und zu verstehen vermag, wer aus der Froschperspektive des Individualismus bloß roher Kräfte sinnlos Walten und egoistischen Machthunger in ihm wahrnimmt, verrät nur die Blindheit seines Blickes und die Unzulänglichkeit seines Maßstabes« (ebd., S. 36).

Wie blind der eigene Blick des allseits geschätzten und gepriesenen Philosophen, Psychologen, Ästheten und Menschenfreunds Külpe gewesen war, hat die Geschichte aufs Tragischste in den Katastrophen des Ersten und Zweiten Weltkriegs, im Völkermord an den Juden und Armeniern erwiesen.

Epilog

Die Frage, die zu Beginn dieses Beitrags aufgeworfen wurde, war diejenige, wie es sein kann, dass ein Mensch und Wissenschaftler wie Oswald Külpe eine Kriegsethik formulierte, der wir heute in vielen Punkten mit Erstaunen und Entsetzen gegenüberstehen. Alle Beschreibungen der Persönlichkeit Külpes in den vielen Nachrufen von Freunden und Zeitgenossen sowie die Tatsache, dass Külpe in seiner Ethik des Krieges an keiner Stelle auf sein eigenes wissenschaftliches Werk zurückgreift, hinterlassen in uns ein tiefes Unverständnis, warum Külpe ein solch inhumanes Machwerk verfasst hat. Es gibt keinen Grund daran zu zweifeln, dass Külpe ein großer Menschenfreund gewesen war, stets hilfsbereit für seine Schüler und Trost spendend für die Kriegsverwundeten im Lazarett. Betrachtet man diese Aspekte seiner Persönlichkeit, so musste Külpe im Grunde seines Herzens sehr unter dem Krieg gelitten haben. Demgegenüber fanden wir in seiner Biografie jedoch auch Hinweise auf patriotische Motive und besonders auf Charakterzüge wie Diszipliniertheit, Willensstärke und Pflichterfüllung, die wir in seiner Rede wiederfinden und die er zur Maxime seines Handelns machte:

»Nicht wie wir mit unserem Gemüt auf die Erscheinungen der Welt reagieren, sondern was wir leisten und schaffen, was wir können und tun, ist im Kriege die Hauptsache. Der Wille zu siegen, an den immer wieder appelliert werden muss, fordert zu seiner Verwirklichung Arbeit und Pflichterfüllung, unablässige Richtung auf das große Ziel und fachliche Hingabe an die dadurch bestimmten Aufgaben« (ebd. S. 38).

Mit Hilfe dieser Motive und der Betrachtung des Krieges aus einer ethischen Metaperspektive mag es Külpe möglich geworden sein, seine Rede entgegen seiner Menschenliebe, die er in zahlreichen Individualfällen dokumentiert hat, zu verfassen. Die Argumente, die er dabei nutzte, wie der Notwehrgedanke, die scheinbar kulturelle Überlegenheit Deutschlands, die reinigende Wirkung des Krieges und die Auslese der Stärksten entsprachen allesamt dem Zeitgeist und wurden gleichermaßen von anderen missbraucht.

Zu berücksichtigen ist freilich auch der große rauschartige Zustand vaterländischer Begeisterung, der alle kriegsbeteiligten Völker zunächst erfasst hatte. Selbst der Schriftsteller Stefan Zweig teilte uns kurz vor seinem Freitod 1942 in seinen Erinnerungen an »Die Welt von Gestern« folgendes mit:

»Der erste Schrecken über den Krieg, den niemand gewollt, nicht die Völker, nicht die Regierung, […] war umgeschlagen in einen plötzlichen Enthusiasmus. Aufzüge formten sich in den Straßen, plötzlich loderten überall Fahnen, Bänder und Musik […]. Eine Stadt von zwei Millionen, ein Land von fast fünfzig Millionen empfanden, daß sie Weltgeschichte […] miterlebten und daß jeder aufgerufen war, sein winziges Ich in diese glühende Masse zu schleudern. Alle Unterschiede der Stände, der Sprachen, der Klassen, der Religionen waren überflutet […] von dem strömenden Gefühl der Brüderlichkeit. […] Und trotz allem Haß und Abscheu gegen den Krieg möchte ich die Erinnerung an diese ersten Tage in meinem Leben nicht missen.« (Zweig, 2006, S. 256).

Wer mag es in Anbetracht eines solchen Massenenthusiasmus‘ Oswald Külpe verargen, dass er diesem allgegenwärtigen und nahezu allgewaltigen Zeitgeist verfiel? Die Frage ist jedoch keine rhetorische, denn als solche wäre die Antwort falsch. Külpe hätte für einen kritischen Umgang mit den Zeitereignissen durchaus das intellektuelle Potential und auch die Persönlichkeit gehabt. Dass ein so kluger Kopf wie Oswald Külpe dem Zeitgeist dennoch nicht widerstehen konnte, ist die eigentliche, des Nachdenkens werte Botschaft dieser Betrachtung über seine Kriegsethik. Wenn es ihm schon nicht gelang, wie können wir uns selbst heute und in Zukunft davor schützen?

Nur wenige hatten diese Stärke, unter anderem der Pazifist Gustav Landauer. Mit den nahezu verzweifelt appellierenden Worten aus seinem Brief vom 29. September 1914 an den Philosophen und Schriftsteller Fritz Mauthner (1849–1923) soll diese Arbeit enden. Landauer schrieb an seinen Freund:

»Aber Du redest Dir ein, man müsse jetzt ein »Deutscher« sein, und deutsch sein heiße, die Maske Kleists tragen. Du entschuldigst Dich, dass Du 'in dieser Zeit' Philosophie treibst! Wann denn soll man sie treiben? Gibt es denn ein besseres Mittel gegen Wahnsinn und Mord als Philosophie? Wir sind die Angegriffenen, sind von Feinden umstellt und müssen uns in höchster Lebensgefahr wehren? Nichts anderes gilt jetzt? – Gewiß: Nur daß die Philosophie zu sagen hat, daß alle anderen genau in derselben verzweifelten Stimmung zu sein genau dasselbe Recht haben, daß die Philosophie weiß, daß alle angegriffen und alle nur in Verteidigung sind; daß die Philosophie weiß, daß das Wahnsinn ist. Es ist genug! Das zu rufen, wäre jetzt die Aufgabe der Philosophie« (Delf und Schoeps, 1994, S. 292).

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Endnoten:

[1]

Külpe und Meumann teilten sich in ihrer Leipziger Zeit eine Wohnung in der Ferdinand-Rhode-Straße (Külpe, 1915b).

[2]

Siehe: Ev. luth. Kirchenbücher des Ortes Kandau 1855–1867, Lettische, Deutsche Geborene. http://www.lvva-raduraksti.lv/de.html

[3]

Warum Autoren, wie u.a. Baeumker (1916, S. 74) und Ogden (1951; S. 4) und in der Folge auch andere anstatt des Bruders Ernst den anderen Bruder Alfons erwähnen und behaupten, dass dieser mit Frances Külpe verheiratet gewesen sei, verbleibt der künftigen Aufklärung. Faktisch ist das nicht korrekt.

[4]

Siehe http://www.uni-leipzig.de/~wundtbriefe/viewer.htm

[5]

Das Studium wurde Külpe laut Nachlassverzeichnis durch seine beiden älteren Cousinen Ottilie und Marie Külpe finanziert (Nachlassverzeichnis Külpeana, Bayerische Staatsbibliothek München). Sie begleiteten ihn auch während seiner wissenschaftlichen Laufbahn und schufen ihm, der nie verheiratet war, ein warmherziges und gastfreundliches Zuhause.

[6]

6 Der Internist Leschke vermutet in seinem Nachruf, dass Külpe den tödlichen Keim seiner eitrigen Herzmuskelentzündung vermutlich beim Vorlesen im Lazarett aufgenommen hatte (Leschke, 1916, S. 276).

[7]

Persönliche Mitteilung Bayerische Staatsbibliothek vom 4.9.2015

[8]

Vor Külpe hatte sich bereits der damals bekannte Jenaer Professor und Literatur-Nobelpreisträger Rudolf Eucken (1846–1926) in einer Rede über »Die sittlichen Kräfte des Krieges« mit dieser Thematik befasst (Eucken, 1915). Ob Külpe Euckens Rede kannte, ist nicht bekannt. Er zitiert sie jedenfalls nicht, obwohl es inhaltlich einige Parallelen gibt.

[9]

Bereits 1868 kam es auf Initiative des russischen Zaren, Alexander II, zu einer Erklärung der Nichtanwendung vom Sprenggeschossen im Kriege, die von 20 Staaten unterzeichnet wurde. Und 1899 wurde, angeregt durch Zar Nikolaus II, die Haager Friedenskonferenz einberufen, die 1907 eine Fortsetzung fand. Ziel dieser Konferenzen war die Abrüstung und die Einführung eines internationalen Schiedsgerichtshofs. Beides scheiterte nicht zuletzt an Deutschland (vgl. auch Keegan, 2000).

[10]

Külpe bezieht sich in diesem Passus wahrscheinlich auf Vorwürfe der KriegsgegnerInnen, man habe die Zivilbevölkerung im neutralen Belgien barbarisch malträtiert und die Universitätsstadt Löwen mutwillig zerstört. Er stützt damit den Aufruf an die Kulturwelt, das Manifest der 93 vom September 1914.

[11]

Ein prominentes Beispiel für die Ablehnung einer britischen Auszeichnung ist Wilhelm Conrad Röntgen, der nach der Parole »Gold gab ich für Eisen« seine Rumford Medaille der Royal Society London dem Roten Kreuz zum Einschmelzen gab (vgl. Lemmerich & Stock, 2006, S. 37).

Über den Autor

Armin Stock

Armin Stock, Prof. Dr., Dipl.-Psych., Leiter des Adolf-Würth-Zentrums für Geschichte der Psychologie der Universität Würzburg. Arbeitsschwerpunkte: Geschichte der Psychologie, Wirtschaftspsychologie, kognitive Psychologie.

Universität Würzburg Adolf-Würth-Zentrum für Geschichte der Psychologie Pleicherwall 1 D-97070 Würzburg

E-Mail: armin.stock@uni-wuerzburg.de